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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 10.11.2005
Aktenzeichen: 3 K 5635/03 Erb
Rechtsgebiete: ErbStG


Vorschriften:

ErbStG § 13a Abs. 4 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 10.11.2005, an der teilgenommen haben:

Richterin am Finanzgericht ... als Vorsitzende

Richterin am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtlicher Richter ...

aufgrund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Streitig ist, ob der Bewertungsabschlag gemäß § 13 a Abs. 2 ErbStG zu gewähren ist.

Der Vater des Klägers (Kl.), X. Y., ist als Gesellschafter am Kommanditkapital der Z. Y. GmbH & Co. KG mit 14 Mio. DM, am Kommanditkapital der Firma Y. Grundbesitz GmbH & Co. KG mit 4,8 Mio. DM und am Stammkapital der Firma Y. Beteiligungsgesellschaft mbH mit 712.000 DM beteiligt. Seine Beteiligungsquote am Gesamtkapital beträgt jeweils 66 2/3 %. Seine Beteiligung an der Y. Beteiligungsgesellschaft mbH ist steuerliches Sonderbetriebsvermögen zu seiner Beteiligung an der Z. Y. GmbH & Co. KG.

Zum Zeitpunkt der hier streitigen Schenkung war der damals 19-jährige Kl. (geb. 1979), der Sohn des Schenkers, an den Geschäftsanteilen seines Vaters an den vorgenannten Gesellschaften mit jeweils 12 % atypisch still unterbeteiligt. Die Unterbeteiligungen waren mit notariellen Verträgen vom 16.08.1990, vom 22.12.1995 und vom 03.09.1997 eingeräumt worden. Das Finanzamt (FA) behandelte diese Schenkungen als Übertragungen von Betriebsvermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. In den Verträgen sind keine unbeschränkten Widerrufsvorbehalte enthalten.

Mit Vertrag vom 19.12.1998 schenkte X. Y. dem Kl. weitere atypische Unterbeteiligungen von jeweils 49 % seiner Beteiligungen an den vorgenannten Gesellschaften, und zwar ebenfalls im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Die Schenkung erfolgte unter dem Vorbehalt eines lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs zu Gunsten des Vaters des Kl. Zur Sicherung seiner Verbrauchsentnahmen soll der Schenker den anteiligen Jahresüberschuss bzw. die anteilige Dividende bis zu einem Betrag von maximal 600.000 DM netto zzgl. der auf diesen Netto-Einkommensteil entfallenden Einkommen- und ggfls. Kirchensteuer sowie ergänzenden Steuern und Abgaben zu diesen Steuern erhalten. Der Nießbrauch besteht an den gesamten geschenkten Beteiligungen. Die Schenkung erfolgte mit Wirkung vom 19.12.1998. Das Gewinnbezugsrecht sollte dem Kl. ab 01.01.1999 zustehen.

Der Schenker behielt sich das Recht vor, die Schenkung und Einräumung der jeweiligen Unterbeteiligung zu widerrufen und das unentgeltliche Ausscheiden des Kl. aus der jeweiligen Unterbeteiligungsgesellschaft zu verlangen und zwar bis zum 30.06.1999 ohne Angaben von Gründen und danach nur unter bestimmten Voraussetzungen (§ 3 des Vertrags).

Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Vertrag vom 19.12.1998, UR-Nr. 337/1998 des Notars S. in A-Stadt, Bl. 2 ff. der Schenkungsteuerakte.

Nach Eingang der Schenkungsteuererklärung und des Schenkungsvertrags ging das FA von der Zuwendung eines Betriebsvermögensanteils i. S. von § 12 Abs. 5 ErbStG aus, so dass es den Bewertungsabschlag gemäß § 13 a ErbStG gewährte. Der Schenkungsteuerbescheid vom 17.03.1999 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Schenkungsteuerbescheid vom 17.03.1999, Bl. 49 ff. der Schenkungsteuerakte. Das FA änderte den Bescheid zunächst am 29.10.1999 (Bl. 80 ff. der Schenkungsteuerakte), sodann am 14.12.1999, wobei dieser Bescheid bezüglich der Zusammensetzung des Umfangs und der wertbildenden Eigenschaften des anzusetzenden Betriebsvermögens nunmehr vorläufig gemäß § 165 AO erging (Bl. 89 ff. der Schenkungsteuerakten), und am 13.01.2000, Bescheid weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und gemäß § 165 Abs. 1 AO vorläufig (Bl. 96 ff. der Schenkungsteuerakte). Mit dem letzten Bescheid vom 13.01.2000 hat das FA die Schenkungsteuer unter Berücksichtung von Vorschenkungen und nach Abzug des Freibetrags und Anrechnung der Schenkungsteuer für die Vorschenkungen auf 28.919.248 DM festgesetzt.

2002 fand beim Kl. eine Betriebsprüfung statt, deren Gegenstand auch die Schenkungsteuer für den Erwerb aus der Schenkung vom 19.12.1998 war. Zeitgleich überprüfte im FA B-Stadt das Staatliche Rechnungsprüfungsamt für Steuern in C-Stadt (RPAST) den Schenkungsteuerbescheid.

Die Prüfer kamen unter Bezug auf H 51 Abs. 1 ErbStH 1999 und H 138 a Abs. 1 und 2 EStH zu dem Ergebnis, dass der Bewertungsabschlag für diese Schenkung gemäß § 13 a Abs. 2 ErbStG nicht hätte gewährt werden dürfen. Die angeführten Hinweise sehen vor, dass im Fall eines freien Widerrufsvorbehalts der Erwerber nicht Mitunternehmer einer Personengesellschaft wird. Die Beurteilung, ob der Beschenkte Mitunternehmer werde, erfolge nach den Grundsätzen des Ertragsteuerrechts. Im Fall eines freien Widerrufsvorbehalts werde der Erwerber nach der Rechtsprechung des BFH nicht Mitunternehmer der Personengesellschaft (vgl. BFH-Urteil vom 16.05.1989 VIII R 196/84, BStBl II 1989, 877). Da die Mitunternehmerschaft für § 13 a ErbStG sowohl beim Schenkgeber als auch durchgängig beim Schenknehmer zwingend gefordert werde, entfalle bei diesem Sachverhalt die Anwendung der Vergünstigungsvorschrift. Wegen der Einzelheiten wird auf den BP-Bericht vom 26.02.2003 Bezug genommen (Bl. 250 ff. der Schenkungsteuerakte).

Die Feststellungen des RPAST und der Betriebsprüfung und die daraus folgenden rechtlichen Konsequenzen wurden in mehreren Gesprächen zwischen Vertretern des FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung D-Stadt, des FA B-Stadt und der OFD C-Stadt erörtert. Übereinstimmend waren die Teilnehmer der Auffassung, dass hinsichtlich der Schenkung vom 19.12.1998 insgesamt kein nach § 13 a ErbStG begünstigter Erwerb von Betriebsvermögen vorliege.

Ertragsteuerlich ist die vorgenommene Gewinnverteilung - Zurechnung der Gewinnanteile ab 01.01.1999 beim Kl. - von der Bp nicht anerkannt worden; die Einspruchsverfahren gegen die Feststellungsbescheide ruhen derzeit (vgl. Bl. 96 f., 109 der Gerichtsakte).

Im Hinblick auf die erheblichen schenkungsteuerlichen Auswirkungen hat das FA im Vorgriff auf den Prüfungsbericht des FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung D-Stadt mit Bescheid vom 19.11.2002 den Schenkungsteuerbescheid vom 13.01.2000 geändert und neben anderen Änderungen auch die Vergünstigung des § 13 a ErbStG versagt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 19.11.2002 Bezug genommen, Bl. 132 ff. der Gerichtsakte. Der Änderungsbescheid berücksichtigte noch nicht die durch die andere rechtliche Beurteilung erforderliche neue Bewertung des steuerlichen Erwerbs, nämlich anstatt auf der Grundlage des § 12 Abs. 5 ErbStG auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 ErbStG. Insoweit sollten die Feststellungen der Betriebsprüfung abgewartet werden. Der geänderte Bescheid stand weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und erging auch vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 AO.

Der Kl. legte Einspruch ein.

Zwischenzeitlich erfolgte die Neubewertung des übergegangenen Vermögens gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG auf der Grundlage des § 12 Abs. 1 ErbStG durch das FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung D-Stadt. Dem Kl. wurden die Wirtschaftsgüter und sonstigen Besitzposten des Vermögens und die Gesellschaftsschulden wie bei dem Erwerb einer Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Gesellschaft anteilig als Bruchteilseigentum zugerechnet. Wegen der mit dem Übergang der Gesellschaftsanteile verbundenen Verpflichtung des Kl., für die Gesellschaftsschulden einzustehen, wurde ein teilentgeltlicher Erwerb angenommen und die Bereicherung nach den Grundsätzen der "gemischten" Schenkung ermittelt. Das FA ging nunmehr nach Abzugs des Freibetrags von 400.000 DM von einem steuerpflichtigen Erwerb von 234.682.800 DM aus und setzte die Schenkungsteuer auf 65.456.620 DM fest. Gleichzeitig hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Der Bescheid war aber weiter nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Revisionsverfahren II R 61/99, in dem der BFH auch die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes aufgeworfen hatte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 02.05.2003 Bezug genommen, Bl. 278 ff. der Schenkungsteuerakte.

Der Kl. legte gegen den Bescheid vom 02.05.2003 erneut Einspruch ein. Er wiederholte seinen Antrag auf Gewährung der Vergünstigung nach § 13 a Abs. 2 ErbStG für das übertragene Betriebsvermögen und wandte sich zusätzlich gegen die erstmalige Beurteilung des Vorgangs als "gemischte" Schenkung.

Er begründete den Einspruch damit, dass im Zeitpunkt der Übertragung ein Mitunternehmeranteil übertragen worden sei. Der Kl. sei am 19.12.1998 zivilrechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des Mitunternehmeranteils geworden. Das Widerrufsrecht schließe diese zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentümerstellung nicht aus. Die Einwirkungsmöglichkeit des Vaters sei nur für eine sehr kurze Zeit gegeben gewesen, nämlich bis zum 30.06.1999. Im Übrigen sei ein kurzfristig limitiertes Widerrufsrecht genauso zu behandeln wie der Fall, dass eine nachträglich beantragte familiengerichtliche Genehmigung erteilt werde. Auch hier gehe man von einer Rückwirkung aus. Ggfl. sei in dem zeitlichen Auslaufen des Widerrufsrechts ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu sehen.

Die Anwendung von § 13 a ErbStG sei auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift gerechtfertigt. Der Kl. habe einen Unternehmensanteil erhalten. Das Unternehmen unterliege unabhängig von seiner Qualifikation als Mitunternehmerschaft wie andere Unternehmen der Sozialbindung und der Kl. damit einer verminderten Leistungsfähigkeit im Vergleich zum Erwerb ungebundenen Vermögens. Sowohl systematische als auch teleologische Erwägungen sprächen für die Anwendbarkeit von § 13 a ErbStG.

Im übrigen würde eine Nichtanwendung des § 13 a ErbStG zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von Personengesellschaftsanteilen und Kapitalgesellschaftsanteilen führen. Letztere könnten unter zeitlich unbegrenztem freien Widerrufsvorbehalt übertragen werden, ohne dass sich deren Qualifikation ändern würde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsbegründung vom 23.07.2003 Bezug genommen, Bl. 300 ff. der Schenkungsteuerakte.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Bei Schenkungen unter Lebenden entstehe die Steuer mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Für die Wertermittlung sei gemäß § 11 ErbStG der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend (Stichtagsprinzip). Begünstigt nach § 13 a ErbStG sei Betriebsvermögen i. S. d. § 12 Abs. 5 ErbStG, wenn es im Zeitpunkt der Steuerentstehung als solches auf den Erwerber übergehe und in dessen Hand auch inländisches Betriebsvermögen bleibe. Im Fall eines freien Widerrufsvorbehalts werde der Erwerber nicht Mitunternehmer einer Personengesellschaft (vgl. BFH vom 16.05.1989, BStBl. II 1989, 877), mit der Folge, dass keine Übertragung von begünstigtem Betriebsvermögen vorliege. Es sei zutreffend, dass die Qualifikation nach ertragsteuerlichen Grundsätzen erfolge. Es werde auf H 138 Abs. 1 und 2 EStH, aber auch auf H 51 Abs. 1 ErbStH 1999 verwiesen. Die Versagung der Mitunternehmerschaft führe dazu, dass keine Übertragung von begünstigtem Betriebsvermögen vorliege. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO seien Wirtschaftsgüter steuerrechtlich demjenigen zuzurechnen, der die tatsächliche Sachherrschaft über sie in der Weise ausübe, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen könne. Der Begriff des Wirtschaftsguts in § 39 AO sei weit auszulegen, auch ein Gesellschaftsanteil könne darunter fallen. Wenn die tatsächliche Sachherrschaft über einen Gesellschaftsanteil einerseits und die formelle (zivilrechtliche) Inhaberschaft andererseits auseinander fielen, dann sei derjenige als Gesellschafter anzusehen, bei dem die tatsächliche Sachherrschaft liege. Dieser Umstand mache ihn aus ertragsteuerlicher Sicht zum Gesellschafter.

Der BFH habe wiederholt darauf hingewiesen, dass Mitunternehmerinitiative und -risiko nicht gegeben seien, wenn dem Gesellschafter einer Personengesellschaft zu einem beliebigen Zeitpunkt sein Gesellschaftsanteil entzogen werden könne. Die Mitunternehmerinitiative sei bei der Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs durch den Schenkgeber praktisch bis zur Weisungsgebundenheit eingeschränkt. Auch das Unternehmerrisiko werde bei einer Verpflichtung zur entschädigungslosen Rückübertragung nach beiden Seiten sehr eingeschränkt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung (EE) vom 26.09.2003 Bezug genommen, Bl. 309 ff. der Schenkungsteuerakte.

Der Kl. erhob Klage. Er trägt vor, der befristete Widerrufsvorbehalt, der ohne Angabe von Gründen seitens des Schenkenden ausgeübt werden könne, beruhe nicht auf den eigentlichen Vorstellungen und dem eigentlichen Willen des Schenkgebers. Maßgeblich für die Entscheidung des freien Widerrufsvorbehalts bis zum 30.06.1999 sei die steuerliche Unsicherheit zum Jahreswechsel 1998/1999 gewesen. Zum Schenkungszeitpunkt sei nicht absehbar gewesen, ob die Steuerbegünstigungen für die Übertragung von Betriebsvermögen erhalten blieben bzw. noch verbessert würden, oder ob eine rückwirkende Verschärfung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken erfolgen werde. Eine sonstige Motivation oder Bedingung, bei deren Verfolgung oder Eintritt ein Widerruf beabsichtigt gewesen sei, sei nicht gegeben gewesen. Der Schenkende habe sich endgültig zu Gunsten des Kl. von seiner Beteiligung trennen wollen.

Der Kl. beantragt,

den Schenkungsteuerbescheid vom 02.05.2003 in der Gestalt der EE vom 26.09.2003 dahingehend abzuändern, dass die Erbschaftsteuer auf XXXXXXX DM festgesetzt wird,

hilfsweise im Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise im Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.

Das übertragene Vermögen sei in der Hand des Schenkers Betriebsvermögen gewesen, das jedoch beim Kl. wegen des freien Widerrufsvorbehaltes und der damit verbundenen Versagung der Mitunternehmerschaft nicht als solches beim Kl. angekommen sei. Da jede Schenkung für sich zu beurteilen sei, sei auch nicht automatisch der bereits bestehende Mitunternehmeranteil des Kl. erhöht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 07.03.2004 und 29.09.2005 Bezug genommen. Zur weiteren Begründung bezieht sich das FA auf seine EE.

Die Berichterstatterin hat die Sach- und Rechtslage am 26.04.2005 erörtert; auf die Niederschrift wird Bezug genommen (Bl. 77 ff. der Gerichtsakte).

Der Senat hat am 10.11.2005 mündlich verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Dem Kl. steht der verminderte Wertansatz (Bewertungsabschlag) gem. § 13 a Abs. 2 ErbStG für die ihm geschenkten Unterbeteiligungen zu.

Im Streitfall ist die Schenkung mit Wirkung zum 19.12.1998 ausgeführt, davon gehen auch der Kl. und das FA aus. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entsteht die Schenkungsteuer bei Schenkungen unter Lebenden im Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung. Eine Schenkung ist auch dann mit schenkungsteuerlicher Wirkung ausgeführt, wenn sich der Schenker einen Widerruf vorbehalten hat (vgl. BFH-Urteil vom 13.09.1989 II R 67/86, BStBl II 1989, 1034; h.M. auch in der Literatur vgl. Moench, ErbStG, § 29 Rz. 6 f., § 7 Rz. 124; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 7 Tz. 54; Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rz. 43).

Nach § 13 a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG gilt der verminderte Wertansatz gem. § 13 a Abs. 2 ErbStG (Bewertungsabschlag) für inländisches Betriebsvermögen (§ 12 Abs. 5 ErbStG) beim Erwerb eines ganzen Gewerbebetriebs, eines Teilbetriebs, eines Anteils an einer Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 EStG, eines Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eines Anteils daran. Voraussetzung für die Anwendung des § 13 a ErbStG ist demzufolge, dass Betriebsvermögen i.S.d. § 12 Abs. 5 ErbStG im Zeitpunkt der Steuerentstehung vom Schenker auf den Erwerber übergeht und in der Hand des Erwerbers auch Betriebsvermögen bleibt.

Die im Streitfall übertragenen Unterbeteiligungen stellen nach Auffassung des Senats Betriebsvermögen im Sinne des § 13 a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG dar. Der Kl. hat Anteile an Gesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG erworben.

Der vertraglich vereinbarte, freie, auf knapp sechseinhalb Monate begrenzte Widerrufsvorbehalt führt nach Auffassung des Senats nicht dazu, dass die Qualifikation der Unterbeteiligungen als Betriebsvermögen entfällt. Nach der Rechtsprechung des BFH zum Ertragsteuerrecht ist der Beschenkte zwar dann steuerrechtlich nicht als Mitunternehmer anzusehen, wenn Kommanditanteile schenkweise mit der Maßgabe übertragen werden, dass der Schenker ihre Rückübertragung jederzeit ohne Angabe von Gründen einseitig veranlassen kann (vgl. BFH-Urteil vom 16.05.1989 VIII R 196/84, BStBl II 1989, 877). Bei Vorbehalt eines Widerrufs für bestimmte (unwahrscheinliche) Ausnahmefälle soll dies nicht gelten (vgl. BFH-Urteil vom 29.01.1994 IV R 114/91, BStBl II 1994, 635; ebenso Schmidt, EStG, Kommentar, 23. Aufl. 2004, § 15 Rz 757).

Selbst wenn im Streitfall die Mitunternehmerschaft ertragsteuerlich nicht anerkannt werden könnte, bleibt jedoch das übertragene Betriebsvermögen auch ertragsteuerlich Betriebsvermögen (§ 97 BewG); Folge einer ertragsteuerlich nicht anerkannten Mitunternehmerschaft ist nämlich nicht die (Zwangs)Entnahme, d.h. die Überführung von Betriebs- in Privatvermögen. Eine ertragsteuerlich nicht anerkannte Mitunternehmerschaft führt vielmehr dazu, dass der Gesellschafter nicht als Mitunternehmer behandelt wird mit der Konsequenz, dass die aufgrund der Beteiligung erzielten Einkünfte nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern als Einkünfte aus Kapitalvermögen, ggf. auch aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Vermietung und Verpachtung qualifiziert werden.

Diese Sichtweise, dass das übertragene Betriebsvermögen auch im Fall der ertragsteuerlich nicht anerkannten Mitunternehmerschaft Betriebsvermögen bleibt und § 13 a ErbStG angewandt werden kann, entspricht der gesetzgeberischen Zielsetzung im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG vom 22.06.1995 (2 BvR 552/91, BStBl II 1995, 671). Danach sollte der Erwerb von Betriebsvermögen erbschaftsteuerlich entlastet werden, um der verminderten Leistungsfähigkeit der Erwerber von Betriebsvermögen Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber hält betrieblich gebundenes Vermögen für weniger fungibel; seinen Erwerbern falle es demgemäß schwerer als den Erwerbern anderer Vermögensarten, aus diesem erworbenen Vermögen Beträge zur Erbschaft- und Schenkungsteuer aufzubringen. Darüber hinaus sei Betriebsvermögen in besonderer Weise Gemeinwohl gebunden und Gemeinwohl verpflichtet, da es Produktivität und Arbeitsplätze sichere (vgl. Begründung zum Entwurf des Standortsicherungsgesetzes vom 04.01.1993, BRDrucks. 1/93, 49, und vom 20.01.1993, BTDrucks. 12/4148, 47; Begründung zum Entwurf des Jahressteuergesetzes 1997 vom 11.06.1996, BTDrucks. 13/4839, 64 ff.; vgl. auch Weinmann, Steuerbefreiung für den Erwerb von Betriebsvermögen im ErbStG durch das StandOG, DStR 1993, 1238; Jülicher, Die Nachsteuerregelung der §§ 13 a Abs. 5, 19 a Abs. 5 ErbStG - Vorsicht Fußangeln!, DStR 1997, 1949 jeweils mit Nachweisen zum Gesetzgebungsverfahren).

Vor diesem Hintergrund hat der BFH mit Urteil vom 20.03.2002 (II R 53/99, BFH/NV 2002, 988) bereits zur Vorgängervorschrift des § 13 a ErbStG (§ 13 Abs. 2 a ErbStG 1994) darauf hingewiesen, dass ein Übergang von Betriebsvermögen durch Erbanfall im Wesentlichen dadurch charakterisiert werde, dass die Rechtsstellung des Unternehmers hinsichtlich des Betriebsvermögens als solche auf einen oder mehrere Erben übergehe und dass die Übertragung endgültig erfolge. Nur wenn der Erwerber - wie beim Erbanfall - die volle Rechtsposition des bisherigen Betriebsinhabers in Bezug auf das übergehende Betriebsvermögen erhalte und diese mindestens fünf Jahre in seiner Person erhalten bleibe, lägen die Voraussetzungen, die Anlass für die Sonderbehandlung von Betriebsvermögen seien, vor. Denn nur in diesem Fall gingen auch die Risiken aus der Sozialgebundenheit des Betriebsvermögens auf den Bedachten über und verblieben nicht beim Schenker. Gingen hingegen nur einzelne Teile des Betriebsvermögens auf den Bedachten über, halte nicht dieser, sondern der Schenker den Betrieb "in seiner Sozialgebundenheit aufrecht".

Bei Anwendung dieser Erwägungen auf den Streitfall sind die Voraussetzungen für die Gewährung des Bewertungsabschlags für das Betriebsvermögen erfüllt. Der Kl. erhält als Bedachter die zivilrechtliche Rechtsposition des bisherigen Betriebsinhabers, hier in Form der Unterbeteiligung. Er trägt auch die Risiken aus der Sozialgebundenheit des Betriebsvermögens. Der freie, auf knapp sechseinhalb Monate begrenzte Widerrufsvorbehalt steht dem Innehaben der vollen Rechtsposition nicht entgegen. Denn solange der Schenker von seinem Widerrufsvorbehalt keinen Gebrauch macht, nimmt der Bedachte an allen unternehmerischen Entscheidungen aufgrund gesellschaftsrechtlicher Beteiligung am Unternehmen teil, wie dies der BFH in seinem Urteil vom 20.03.2002 (a.a.O.) fordert. Erst wenn der Schenker von seinem Widerrufsvorbehalt Gebrauch macht, entfällt die Teilhabe an den unternehmerischen Entscheidungen. Schenkungsteuerlich erlischt die Schenkungsteuer im Fall der Ausübung des Widerrufs mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 29 Abs.1 Nr. 1 ErbStG), so dass auch die Anwendung von § 13 a ErbStG entfällt.

Für die vom erkennenden Senat vertretene Rechtsauffassung sprechen auch die Ausführungen des BFH im Vorlagebeschluss vom 22.05.2002 (II R 61/99, BStBl II 2002, 598, 601 re.Sp.: "Die Gesetzesänderung (nämlich anstatt "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" nunmehr "durch Schenkungen unter Lebenden") führt zur Begünstigung auch solcher Erwerbsvorgänge, in denen Betriebsvermögen (vorzugsweise an Minderjährige) unter weitgehenden Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkungen sowie Rückforderungsvorbehalten übergeht, ohne dass sich im wirtschaftlichen Gehalt in Bezug auf das Betriebsvermögen Entscheidendes ändert, weil insbesondere die Entscheidung über die Betriebsfortführung und die damit verbundenen Risiken beim Schenker verbleiben." Nach Auffassung des Senats gehört zu den vom BFH angesprochenen Verwaltungs- und Verfügungsbeschränkungen insbesondere der Vorbehalt des Widerrufs der Schenkung (ebenso Ebeling in Kapp/Ebeling, Kommentar zum Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 13 a ErbStG Rz. 83, der dazu ebenso den Vorbehalt des Nießbrauchs am Schenkungsgegenstand sowie den Stimmrechtsvorbehalt zählt).

Der BFH führt in dem Urteil vom 20.03.2002 (a.a.O.) allerdings weiter aus, dass die Übertragung lediglich von Sonderbetriebsvermögen ohne den Mitunternehmeranteil, zu dem es gehöre, keinen Übergang von Betriebsvermögen im Wege vorweggenommener Erbfolge im Sinne von § 13 Abs. 2 a Satz 1 Nr. 2 ErbStG a.F. darstelle, weil dadurch nicht die Rechtsstellung des Schenkers als Mitunternehmer auf den Bedachten übergehe. Dies folgt schon daraus, dass in dem Fall weder ein Gewerbebetrieb noch ein Anteil daran (i.S.d. § 13 a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG) übertragen wird. Der Senat hält es jedoch nicht für erforderlich, über den - die Übertragung von Sonderbetriebsvermögen ohne den dazu gehörigen Mitunternehmeranteil betreffenden - entschiedenen Fall hinaus für die Anwendung des § 13 a ErbStG stets zu verlangen, dass der Erwerber auch ertragsteuerlich Mitunternehmer wird.

Aber auch wenn man zu der Überzeugung gelangen sollte, dass die Anwendung von § 13 a ErbStG den Übergang der Rechtsstellung des Schenkers als Mitunternehmer auf den Bedachten voraussetzt, hat die Klage Erfolg. Nach Auffassung des Senats ist der Kl. nämlich auch Mitunternehmer geworden.

Bei Vorbehalt eines Widerrufs für bestimmte (unwahrscheinliche) Ausnahmefälle wird der Erwerb der Mitunternehmerschaft ertragsteuerlich anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 29.01.1994 IV R 114/91, BStBl II 1994, 635; ebenso Schmidt, EStG, Kommentar, 23. Aufl. 2004, § 15 Rz 757). Der Beschenkte soll ertragsteuerrechtlich nur dann nicht Mitunternehmer werden, wenn Kommanditanteile schenkweise mit der Maßgabe übertragen worden seien, dass der Schenker ihre Rückübertragung jederzeit ohne Angabe von Gründen einseitig veranlassen könne (vgl. BFH-Urteil 16.05.1989 (VIII R 196/84, BStBl II 1989, 877). In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte die Beschenkte ihrem Ehemann das unwiderrufliche und unbefristete Angebot gemacht, den geschenkten Kommanditanteil unentgeltlich zurückzuübertragen.

Nach H 51 Abs. 1 ErbStH soll bei Schenkung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft unter freiem Widerrufsvorbehalt § 13 a ErbStG nicht anwendbar sein, weil der Beschenkte nicht Mitunternehmer geworden sei. Weinmann (in Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 13 a ErbStG Rz. 24) schließt sich der in H 51 Abs. 1 ErbStH vertretenen Rechtsauffassung an. Ebeling (in Kapp/Ebeling, a.a.O., § 13 a ErbStG Rz. 83) ist der Auffassung, dass das Beispiel H 51 Abs. 1 ErbStH abzulehnen sei; ebenso Köhler (DStR 1997, 1553) und Kirnberger/Werz, ErbStB 2003, 292).

Jülicher (in Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O., § 13 a ErbStG Tz. 134) differenziert dagegen. Eine Schenkung unter freiem Widerrufsvorbehalt führe ertragsteuerlich zur Verneinung der Mitunternehmerschaft, dementsprechend sei der Erwerb nicht nach § 12 Abs. 5 ErbStG, sondern nach § 10 Abs. 1 Satz 3 ErbStG zu bewerten und daher auch nicht nach § 13 a ErbStG begünstigungsfähig; unter Hinweis auf H 51 Abs. 1 ErbStH, Moench; § 13 a Rz. 24, Piltz, ZEV 1997, 61, Crezelius, DB 1997, 1584 und Crezelius, Unternehmenserbrecht, 1998, Rz. 198 bezeichnet er diese Auffassung als h.M.

"Ist der Beschenkte dagegen aus anderen Gründen, etwa wegen einer zurückliegenden Schenkung, z.B. eines Anteils an der gleichen Kommanditgesellschaft, bereits Mitunternehmer, dürfte wegen der Unteilbarkeit der Mitunternehmerstellung auch eine isoliert nicht begünstigungsfähige Schenkung unter freiem Widerrufsvorbehalt die Begünstigungen bewirken" (Jülicher, in Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O., § 13 a ErbStG Tz. 134 2. Absatz). Schmidt hingegen vertritt die Auffassung, dass bei freiem Widerufsvorbehalt des Schenkers - auch bei Schenkung weiterer Anteile an einer Mituntenehmerschaft - insoweit keine Mitunternehmerstellung erlangt werde (vgl. Schmidt, a.a.O., § 15 Rz 757).

Der vom BFH mit Urteil vom 16.05.1989 entschiedene Fall unterscheidet sich in mehrfacher Weise von dem hier zu entscheidenden Fall: Der Schenker konnte von der Beschenkten jederzeit die Rückübertragung verlangen; das Angebot zur Rückübertragung war darüber hinaus auch unwiderruflich. Im Streitfall ist der Widerruf auf knapp 6 œ Monate begrenzt. Der Senat hält den kurzen, auf knapp 6 œ Monate befristeten Widerrufsvorbehalt für unschädlich und bejaht deswegen die Mitunternehmerstellung. Dazu kommt im Streitfall nach Auffassung des Senats noch die Besonderheit, dass der Kl. zum Zeitpunkt der Schenkung bereits Mitunternehmer war. Eine Aufspaltung in der Weise, dass der Kl. einerseits bereits Mitunternehmer hinsichtlich der früher erworbenen Unterbeteiligungen ist, andererseits aber hinsichtlich der jetzt erworbenen Unterbeteiligungen - an denselben Beteiligungen - nicht als Mitunternehmer behandelt wird, hält der Senat nicht für zutreffend. Dies folgt aus der sog. Abfärbe- oder Infektionstheorie. Diese Auffassung entspricht auch dem Grundsatz, dass das Gesamthandsvermögen einer Gesellschaft nicht in Betriebs- und Privatvermögen aufgeteilt wird, wenn einzelne Gesellschafter nicht Mitunternehmer sind.

Der Erwerb der Beteiligung ist deshalb gem. § 13 a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG nach Maßgabe des § 12 Abs. 5 ErbStG zu bewerten (§ 10 Abs. 1 ErbStG).

Die Berechnung der festzusetzenden Schenkungsteuer wird gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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