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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 30.10.2008
Aktenzeichen: 4 K 4113/07 Kg
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG § 62 Abs. 1
EStG § 63 Abs. 1 S. 1 u. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

4 K 4113/07 Kg

Tenor:

Der Bescheid und die Einspruchsentscheidung vom 28.08.2007 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zu entscheiden ist, ob eine Anstellung als Trainee bei einem Verlag zur Berufsausbildung gehört.

Die Klägerin bezog laufend Kindergeld für ihre am 31.10.1981 geborene Tochter L. L beendete im Januar 2007 ihr Hochschulstudium an der Universität I mit der Magisterprüfung. Sie studierte Germanistik, Anglistik und Wirtschaftswissenschaft. Berufsziel war eine Tätigkeit im Bereich Presse, Public Relations oder Marketing. Aus diesem Grunde absolvierte sie bereits studienbegleitend Praktika in Kommunikations- und Presse- sowie Öffentlichkeitsabteilungen der RWE und der IHK I.

Zum 15.06.2007 schloss sie einen auf ein Jahr befristeten Arbeitsvertrag als Trainee im Bereich Marketing mit dem U-Verlag in O. Vorgeschaltet war ein 14-tägiges Praktikum. Die Jahresbruttovergütung belief sich auf 7.800,- EUR. Ab dem 01.07.2008 sollte die Tochter der Klägerin hier unbefristet im Bereich Marketing/Vertrieb als Marketingassistentin beschäftigt werden. Die im Rahmen der Festanstellung vereinbarte Jahresbruttovergütung betrug 21.600,- EUR.

Die Beklagte hob die Kindergeldfestsetzung für L zunächst mit Bescheid vom 10.07.2007 ab Januar 2007, geändert mit Bescheid vom 28.08.2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.08.2007 ab Februar 2007 auf. Zur Begründung ist ausgeführt, dass mit Ablegen der Prüfung am 06.12.2006 und Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse am 03.01.2007 die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) ab Februar 2007 nicht mehr vorlägen. Die Tochter habe sich auch nicht in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befunden, da die Trainee-Tätigkeit keine Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes darstelle.

Hiergegen richtet sich die anhängige Klage, mit der die Klägerin ergänzend vorträgt, dass nach dem Abschluss eines Hochschulstudiums gerade im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit das Absolvieren eines Volontariats, eines Praktikums oder einer Trainee-Ausbildung zur Berufsausbildung gehörten. Die Anstellung als Trainee diene dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten in dem angestrebten Beruf. Dies gelte insbesondere für Seiteneinsteiger, die nicht Journalismus bzw. PR-Management studiert, sondern ein anderes wissenschaftliches Hochschulstudium absolviert hätten. Für diese Bewerber bestehe im Volontariat bzw. in der Traineezeit erstmals Gelegenheit zum Erwerb der für diesen Bereich erforderlichen Fähigkeiten und Techniken. Im "Berufnet" der Agentur für Arbeit werde das Volontariat ganz selbstverständlich als "Ausbildung" aufgeführt. Auch in den Internet-Informationen der Agentur werde zum Thema Kindergeld für Kinder in der Ausbildung das Volontariat ausdrücklich erwähnt.

Im Trainee-Programm stünden auch nicht lediglich die Vermittlung allgemein nützlicher Fertigkeiten, allgemeiner Lebenserfahrungen oder die Herausbildung sozialer Eigenschaften im Vordergrund. Insbesondere handele es sich nicht um eine "freie Selbstausbildung". Im Rahmen des Trainee-Programms würden für den Public Relations- und Marketingbereich spezifische Fähigkeiten und Techniken vermittelt. Hierbei handele es sich zum Großteil um Stoff, der nicht Gegenstand des Studiums, aber Voraussetzung für eine Festanstellung in diesem Bereich sei. Im Fall der Tochter der Klägerin handele es sich vor allem um die Bereiche kaufmännische Grundlagen im Verlagswesen, Entwicklung von Marketingkonzepten (Kommunikation, Distribution), Organisation und Durchführung von "Events", Produktionsabläufe im Verlag, Qualitätskontrollen, strategische Kooperationsentwicklungen und "Advertising".

Im Übrigen habe die Tochter der Klägerin eine Vergütung erhalten, die der einer Auszubildenden vergleichbar sei. Für vergleichbare praktische Ausbildungsverhältnisse (Referendare, Beamtenanwärter, Lehrlinge etc.) stelle die Rechtsprechung darauf ab, dass die dort gezahlten Ausbildungsvergütungen ihrer Funktion nach nicht den Lebensunterhalt sicherstellten. Die an die Tochter der Klägerin gezahlte Jahresvergütung habe während der Traineezeit deutlich unter der "Unterhaltsbeihilfe" für Referendare gelegen. So habe das Finanzgericht Niedersachsen in seinem Urteil vom 21.04.1999 II 684/97 Ki, EFG 1999, 901 ein auf 15 Monate befristetes Redaktionsvolontariat bei einer Verlagsgesellschaft wegen der Höhe der Vergütung nicht als Ausbildung angesehen.

Auch handele es sich bei der Tätigkeit im Streitfall - anders als im Fall, der dem Finanzgericht Niedersachsen zur Entscheidung vorlag - nicht um einen Beruf, der von vielen als Dauerberuf ausgeübt werde oder ausgeübt werden könne. Im Gegensatz zu fest Angestellten sei die Tochter der Klägerin keiner Abteilung oder keinem Projekt fest zugeordnet worden. Sie habe vielmehr die verschiedenen Abteilungen des Unternehmens durchlaufen.

Schließlich sei die absolvierte Traineezeit auch nicht als verlängerte Probezeit anzusehen. Vielmehr liege das Ziel einer solchen Tätigkeit darin, Bewerbern aus wissenschaftlichen Studiengängen erstmals die nötigen praktischen Fähigkeiten zu vermitteln. Dabei komme es dem Arbeitgeber nicht in erster Linie darauf an, dass dies im eigenen Unternehmen geschehe. Gerade im Unternehmen, in dem die Tochter der Klägerin tätig sei, stehe der Ausbildungscharakter der Traineezeit im Mittelpunkt. Die während dieser Zeit vermittelten praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten entsprächen denjenigen, die z.B. im Rahmen der zweistufigen Juristenausbildung erst im Vorbereitungsdienst vermittelt würden.

Auf gerichtliche Nachfrage trägt die Klägerin ergänzend vor, für die vorgeschaltete Praktikumszeit sei kein schriftlicher Vertrag abgeschlossen worden. Diese Zeit habe dem gegenseitigen Kennenlernen und "Hineinschnuppern" gedient. Die Tochter habe aufgrund dieser Zeit entscheiden sollen, ob ihr eine Tätigkeit in dem Verlag grundsätzlich zusage. Sie habe in dieser Zeit lediglich untergeordnete Arbeiten (Kopieren etc.) verrichtet. Für die Zeit der Ausbildung als Trainee legt die Klägerin einen für alle Trainees geltenden Ausbildungsplan vor. Danach war ihre Tochter vier Monate in der Event- und Marketingabteilung, zwei Monate in der Anzeigenabteilung, je einen Monat in der Koordination und der Bildredaktion und je zwei Monate in der Redaktion und der Distribution tätig. Wegen der jeweiligen Aufgaben bzw. Ausbildungsinhalte wird auf den eingereichten Plan verwiesen. (Theoretische) Schulungen fänden während der Traineezeit nicht statt. Der U-Verlag gebe Lifestylemagazine (International und Deutsch) heraus. Es handele sich um einen Verlag mit integrierter Marketingabteilung, die verschiedene Marketingprojekte auf Basis dieser Magazine realisiere. Der Verlag beschäftige regelmäßig Trainees und Volontäre. Er bilde auch nichtakademische Absolventen in den Berufen Veranstaltungs- und Verlagskauffrau/-mann aus. Ausbildungsleiterin für die Tochter der Klägerin sei Frau M, für die Volontäre in der Redaktion sei es Frau K gewesen. Daneben sei die Unterweisung durch die fest angestellten Mitarbeiter der Abteilung erfolgt, in der die Trainees eingesetzt worden seien. Während der Traineezeit habe der Verlag 14 Mitarbeiter beschäftigt, darunter die Tochter der Klägerin als Trainee (Marketing) und eine Volontärin (Redaktion). Hinzu kämen freie Autoren und Grafiker, die je nach Projekt beschäftigt würden sowie regelmäßig Praktikanten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid und die Einspruchsentscheidung vom 28.08.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Bei der Arbeitsstelle als Marketing-Trainee handele es sich nach dem Inhalt des vorgelegten Vertrages vom 14.06.2007 eindeutig um ein Arbeitsverhältnis und nicht um ein Ausbildungsverhältnis. Dies zeige sich auch im Vergleich zu dem nachgereichten Arbeitsvertrag über die unbefristete Anstellung ab dem 01.07.2008. Mit Ausnahme der Vereinbarungen über die Kündigungsfristen und die Vergütung seien die Verträge inhaltlich nahezu identisch. Da ein Anschlussvertrag mit demselben Arbeitgeber geschlossen worden sei, komme die Einschätzung des vorgeschalteten Trainee-Vertrages als verlängerte Probezeit durchaus zum Tragen. Der Hinweis auf die im Marketingbereich angeblich bestehenden allgemeinen Gepflogenheiten sei daher irrelevant. Dem vorgelegten Ausbildungsplan für die Zeit vom 15.06.2007 bis 30.06.2008 sei nur zu entnehmen, in welchen Abteilungen L eingesetzt und welche Aufgabenbereiche diesen Abteilungen jeweils zugeordnet seien. Theoretische Unterweisungen hätten danach nicht stattgefunden. Dass in diesem der Festanstellung vorangehenden Probearbeitsverhältnis über die bereits berufsqualifizierende Hochschulausbildung hinaus neue Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen vermittelt würden, sei selbstverständlich. Dies sei in nahezu jedem - auch gering entlohnten - Arbeitsverhältnis der Fall.

In der mündlichen Verhandlung verweist der Beklagtenvertreter ergänzend auf einen vom Juli 2008 datierenden "Newsletter" des Bundeszentralamts für Steuern, in dem unter Hinweis auf die DA-FAmEStG 63.3.2.2 Abs. 3 Satz 3 und 63.3.2.4. Abs. 1 Satz 1 davon auszugehen sei, dass ein Trainee seine Berufsausbildung grundsätzlich beendet habe, sich in der Einführungs- bzw. Qualifikationsphase als Kandidat für eine zukünftige Führungsposition oder als Spezialist befinde und dass eine Beschäftigung als Trainee der Auswahl geeigneter Bewerber für bestimmte Positionen und deren weiterer beruflichen Entwicklung innerhalb eines Unternehmens diene. Es handele sich dabei lediglich um ein gering bezahltes Arbeitsverhältnis.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf die beigezogenen Kindergeldakten verwiesen.

Der Senat hat am 30.10.2008 mündlich verhandelt und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin L. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Die ebenfalls als Zeugin geladene Frau M hat sich vor dem Termin schriftlich geäußert. Ihre Ladung ist sodann aufgehoben worden.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Aufhebungsbescheid wird aufgehoben. Er ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG besteht ein Anspruch auf Kindergeld für ein Kind, das das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Anerkannt werden dabei nicht nur Ausbildungsmaßnahmen, die gesetzlich geregelten, fest umrissenen Bildungsgängen entsprechen. Vielmehr hat die Auslegung der seit dem 1. Januar 1996 geltenden Kindergeldregelung der §§ 31 ff EStG vor dem Hintergrund zu erfolgen, dass sie vorrangig der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei den Eltern (§ 31 Satz 1 EStG) dienen soll. Das Existenzminimum eines Kindes soll in typisierender Weise von der Besteuerung ausgenommen werden, weil durch den kindbedingten Aufwand die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern gemindert wird. Die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern ist aber auch dann gemindert, wenn sich die Kinder unabhängig von fest vorgeschriebenen Studiengängen in Ausbildung befinden und von ihren Eltern unterhalten werden.

Das Berufsziel wird nach ständiger Rechtsprechung weitgehend von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt. Denn Kindern und Eltern kommt bei der Gestaltung der Ausbildung von Verfassungs wegen ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Kindern muss daher zugebilligt werden, zur Vervollkommnung und Abrundung von Wissen und Fähigkeiten auch Maßnahmen außerhalb eines fest umschriebenen Bildungsgangs zu ergreifen.

Auch eine praktische Tätigkeit, die ausbildungswillige Kinder vor Annahme einer vollbezahlten Beschäftigung gegen eine geringe Entlohnung absolvieren wie z.B. das Volontariat, ist grundsätzlich als Berufsausbildung anzuerkennen. Aus der gesetzlichen Formulierung "für einen Beruf ausgebildet wird" in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG ist allerdings zu folgern, dass diese Tätigkeit der Erlangung der angestrebten beruflichen Qualifikation dienen und somit der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen muss. Es darf sich daher nicht lediglich um ein gering bezahltes Arbeitsverhältnis handeln (BFH-Urteil vom 09.06.1999 VI R 50/98, BStBl. II 1999, 706 m.w.N.).

Bezogen auf den Streitfall ist bei der Anwendung dieser Grundsätze nach Auffassung des erkennenden Senats entscheidend, dass der BFH das Vorliegen einer (Berufs-) Ausbildung nicht nur annimmt bei Erwerb theoretischer Kenntnisse, sondern auch bei Erwerb praktischer Fähigkeiten und Erfahrungen, dass nicht nur der erstmalige Erwerb, sondern auch die anschließende Vervollkommnung und Abrundung von Wissen und Fähigkeiten zur Ausbildung zählt, dass die Maßnahme als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufsziels (nur) geeignet, also nicht erforderlich oder gar unverzichtbar sein muss und schließlich dass maßgebend sind für die Entscheidung, ob eine Tätigkeit (noch) zur Ausbildung zählt, die Vorstellungen von Eltern und Kind darüber, ob das (konkrete) Berufsziel (schon) erreicht ist, dass also nicht entscheidend ist, ob der Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums grundsätzlich den Einstieg in das Berufsleben, z.B. für ein anderes Berufsziel, ermöglichen würde (vgl. BFH-Urteil vom 10.02.2000 VI B 108/99, BStBl. II 2000, 398).

Die Finanzgerichte beurteilen die verschiedenen praktischen Tätigkeiten auf der Grundlage dieser Rechtsprechung durch Würdigung der Gesamtumstände.

So hat z.B. das Niedersächsische Finanzgericht in seinem Urteil vom 21.04.1999 II 684/97 Ki, aaO ein Volontariat und eine Beschäftigung als Trainee grundsätzlich (schon) als Teil einer angestrebten endgültigen Berufstätigkeit angesehen. Dabei stellt es jedoch auch darauf ab, dass ein die Deckung des Lebensunterhalts gewährleistendes Gehalt bezahlt wurde. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat in seiner Entscheidung vom 27.04.2001 4 K 1817/99, EFG 2001, 1218 eine berufspraktische Tätigkeit im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern mangels geordneten Ausbildungsgangs nicht als Berufsausbildung anerkannt. Das Finanzgericht München hat in einer Entscheidung vom 14.03.2005 10 K 4379/02, [...], die Zeit eines fünfmonatigen Praktikums bei einem Radiosender, bei dem das Kind Einblicke in Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen erhielt und an hausinternen Schulungen teilnahm, als Berufsausbildung anerkannt. Demgegenüber wurde eine Beschäftigung, während derer das Kind andere Praktikanten anlernte, vollkommen selbständig arbeitete und die Arbeitsleistung als Aushilfstätigkeit bezeichnet war, nicht als Ausbildungszeit angesehen. Das Finanzgericht München hat in einer anderen Entscheidung vom 26.05.2004 9 K 4059/03, [...], EFG 2004, 1620 (nur Leitsatz) ausgeführt, dass in einem Praktikum Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen vermittelt werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, wenn dem Praktikum ein detaillierter Ausbildungsplan zu Grunde liegt, der darauf abzielt, unter fachkundiger Anleitung für die Ausübung eines angestrebten Berufs wesentliche Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Ein im Ausland absolviertes 10-monatiges Volontariat in einer Einrichtung für erwachsene Behinderte nach dem Abschluss einer Erzieherausbildung hat ebenfalls das Finanzgericht München in seiner Entscheidung vom 01.02.2001 10 K 3150/00, EFG 2001, 759 als Berufsausbildung anerkannt. Das Finanzgericht Nürnberg hat in einer Entscheidung vom 07.07.2005 IV 153/2004, DStRE 2005, 1260 rkr. eine insgesamt 5-monatige Ausbildung zum Service-Professional am Check-in Schalter als Ausbildung angesehen. Es habe sich bei der Tätigkeit um eine über ein bloßes Einarbeiten oder Anlernen hinausgehende Ausbildung gehandelt. Es habe im wöchentlichen Wechsel mit der praktischen Arbeit theoretischer Unterricht stattgefunden. Die Bezeichnung des Anstellungsvertrages als "Arbeitsvertrag" sei nicht schädlich, da es maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse ankomme. Das Thüringer Finanzgericht hat mit Urteil vom 05.09.2007 III 610/06, EFG 2008, 631, Az. des BFH III R 3/08, eine berufsbegleitend durchgeführte Fortbildung zum Handelsfachwirt nach umfassender Würdigung der Gesamtumstände als Berufsausbildung anerkannt. In diesem Fall hatte das Kind an einem geregelten Lehrgang mit anschließender Prüfung teilgenommen. In Abgrenzung hierzu ist allerdings ausgeführt, dass ein "Trainee-Programm" regelmäßig als Arbeitsverhältnis zu würdigen sei.

Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller, das Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis bestimmender Umstände sprechen danach für das Vorliegen eines (inhaltlich) vom Ausbildungscharakter geprägten Vertragsverhältnisses u.a. das Durchlaufen aller, den angestrebten Beruf berührender Sachbereiche, (theoretische und praktische) Unterweisungen und Korrekturen durch fachkundiges Personal bei der Mitarbeit an (noch) nicht selbständig verantworteten Projekten und das Erbringen qualifizierter Tätigkeiten, die auf dem bisherigen Ausbildungsstand aufbauen bzw. diesen ausnutzen. Weiter spricht für das Vorliegen von Ausbildung, wenn eine im Verhältnis zur bisherigen Dauer der Ausbildung stehende Befristung vereinbart wird und wenn die erworbenen und vervollkommneten Kenntnisse und Fähigkeiten unternehmensübergreifend als berufsqualifizierend anerkannt werden, dem Kind also - unabhängig von der Anerkennung im auszubildenden Unternehmen - ein Einstieg in den angestrebten Beruf mit einem, eine gesicherte Lebensstellung ermöglichenden Gehalt eröffnet wird, während das Gehalt in der Traineezeit der Höhe nach eher einer Ausbildungsvergütung entspricht.

Nicht (allein) entscheidend ist dagegen die (förmliche) Bezeichnung der Maßnahme als Praktikum, Volontariat, Trainee oder des zugrunde liegenden Vertragsverhältnisses als Arbeits- oder Ausbildungsvertrag. Auch das - wie im Streitfall - eher durch die Größe des ausbildenden Unternehmens bedingte Fehlen gesonderter theoretischer Schulungen, Prüfungen etc. und das Fehlen eines detaillierten Ausbildungsplans, eines im Detail geregelten Ablaufs der Ausbildung sowie die anschließende Anstellung in dem ausbildenden Unternehmen stehen der Annahme, dass der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht, nicht a priori entgegen. Vielmehr kann die Ausbildung auch dadurch zu einer qualifizierten werden, dass nach dem Prinzip des learning by doing die Auszubildende zu laufenden Projekten hinzugezogen wird und dabei Schritt für Schritt mit den einzelnen Tätigkeitsfeldern und den Arbeitsabläufen vertraut gemacht wird.

Entgegen der Auffassung der Beklagten kann nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass bei jeder als "Trainee" bezeichneten Maßnahme außerhalb bzw. nach Abschluss eines Hochschulstudiums der Ausbildungscharakter in den Hintergrund tritt. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass bei einem Trainee-Programm, das überwiegend im - nicht nur pekuniären - Interesse des ausrichtenden Unternehmens (Auswahl und Vorbereitung von Führungskräften und Spezialisten) durchgeführt wird, der prägende Ausbildungscharakter fehlt. Das Vorliegen dieser - die Annahme einer Ausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Nr. 2 a) EStG sicherlich in Frage stellenden - Umstände muss jedoch im Einzelfall und insbesondere durch Überprüfung des Inhalts der Tätigkeiten des Trainee-Teilnehmers überprüft werden. Jedenfalls kann nach Auffassung des erkennenden Senats nicht allein aufgrund der Tatsache, dass das Trainee-Programm außerhalb eines Studiums durchgeführt wird, vermutet oder unterstellt werden, dass nur ein gering bezahltes Arbeitsverhältnis vorliegt.

Bei Anwendung dieser Grundsätze im Streitfall handelt es sich bei der von der Zeugin L in der Zeit von Juni 2007 bis Juni 2008 bei dem U-Verlag ausgeübten, von vorn herein durch den Vertrag vom 14.06.2007 auf ein Jahr befristeten und in der mündlichen Verhandlung beschriebenen Tätigkeit bei Würdigung der Gesamtumstände nicht um ein gering bezahltes Arbeits-, sondern um ein Ausbildungsverhältnis.

Denn die Zeugin war nach ihren eigenen glaubhaften Bekundungen zur nichtselbständigen Mitarbeit an verschiedenen Projekten in wechselnden Abteilungen des Verlages eingesetzt, um alle Tätigkeitsbereiche bei der Erstellung und Vermarktung eines Lifestylemagazins kennen zu lernen. Sie wurde in den einzelnen Abteilungen entweder durch die Geschäftsführerin, Frau M, oder durch die jeweiligen Abteilungsleiter unterwiesen und gegebenenfalls korrigiert. Sie war dabei auch nicht mit bloßen Hilfstätigkeiten befasst, sondern lernte, ihre (bisher erworbenen) theoretischen Kenntnisse bei der Mitarbeit an den konkreten Verlagsprojekten wie z.B. im Rahmen der Organisation von Events, Messe- oder Internetauftritten etc. - auf der Grundlage ihrer Hochschulausbildung - in die Praxis umzusetzen. Dabei war sie (noch) nicht eigenverantwortlich, sondern nur assistierend tätig, wenn die jeweils verantwortlichen Abteilungsleiter die Projekte gegenüber Kunden, Geschäftsfreunden, Medienvertretern etc. präsentierten. Anschließend wurde sie von dem ausbildenden Unternehmen gegen eine angemessene Entlohnung (21.600 EUR) fest angestellt. Die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten haben ihr aber nicht nur die Festanstellung im U-Verlag ermöglicht, sondern waren - nach der Übernahme des Verlages durch die "R" S - Grundlage für eine Festanstellung bei ihrem jetzigen Arbeitgeber (C), ohne dass erneut eine Traineezeit vorgeschaltet werden musste. Auch von ihrer Vorgängerin berichtet die Zeugin, dass diese nach ihrer Traineezeit sofort in die Marketing-Abteilung der Deutschen Telekom wechseln konnte.

Im Streitfall ist nach Auffassung des erkennenden Senats zusätzlich zu berücksichtigen, dass es sich bei dem von der Tochter der Klägerin angestrebten Berufsziel (Assistentin im Bereich Marketing und Public Relation im Presse- und Verlagswesen) um einen Beruf und eine Branche handelt, bei dem bzw. bei der allein durch das wissenschaftliche Hochschulstudium der Germanistik, Anglistik und der Wirtschaftswissenschaften die erforderliche Berufsqualifikation noch nicht erreicht war. So ist gerade im Bereich des Presse- und Verlagswesens das Absolvieren eines Volontariats regelmäßig Voraussetzung für den verantwortlichen Einsatz (und die volle Entlohnung) als Redakteur oder Journalist. Allein der erfolgreiche Abschluss eines Hochschulstudiums wiegt hier die in einer Praktikums-/Volontariats-/Traineezeit vermittelten praktischen Fähigkeiten und Erfahrungen nicht auf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO und §§ 708 Nr. 11 und 711 Zivilprozessordnung.

Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO. Die Beklagte, das Niedersächsische Finanzgericht (Urteil vom 21.04.1999 II 684/97 Ki, aaO) und das Thüringer Finanzgericht (Urteil vom 05.09.2007 III 610/06, aaO) sehen - entgegen der hier vertretenen Auffassung - ein Trainee-Programm regelmäßig als Arbeitsverhältnis an.

Ende der Entscheidung

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