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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 01.04.2009
Aktenzeichen: 5 K 461/06 U
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 3 Abs. 1b
UStG § 3 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Umsatzsteuerbescheid 2003 vom 18.3.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2.1.2006 wird dahingehend geändert, dass die Steuer um 24.463,75 EUR niedriger festgesetzt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Behandlung von Erschließungsleistungen als unentgeltliche Zuwendungen gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).

Der Unternehmensgegenstand der Klägerin (Klin.) ist die Erschließung unbebauter Grundstücke. Im Rahmen dieses Unternehmens nahm sie die Erschließung der Grundstücke im Bebauungsplangebiet "U-Süd, östlich der A-Str." vor. Streitig ist vorliegend der erste Bauabschnitt. Die Gesamtfläche dieses Gebietes betrug 57.328 m2. Nach dem Bebauungsplan ist diese Fläche wie folgt aufzuteilen:

Nettobauland: 36.865 m2 (= 64,31%)

Straßen, Wege und Grünflächen: 20.463 m2 (= 35,69%).

Eigentümer der im Baugebiet liegenden Grundstücke waren neben der Stadt U die CC GmbH & Co. KG, die Katholische Kirchengemeinde, Pastorat zu U und die Katholische Kirchengemeinde St. D. Nach Durchführung eines Umlegungsverfahrens entfielen die gesamten öffentlichen Flächen (20.463 m2) sowie 63,14% der Nettobaulandfläche auf die Stadt U. Die übrigen 36,86% der Nettobaulandfläche wurden zwischen den drei anderen Eigentümern wie folgt aufgeteilt:

CC: 8.374 m2

St. D: 1.484 m2

Pastorat: 3.723 m2

Mit diesen drei Eigentümern schloss die Klin. am 26. November 1999 bzw. am 1. Dezember 1999 jeweils gleich lautende Erschließungsverträge. Die Verträge enthalten folgende Regelungen:

§ 2

"Die Erschienen zu 1.) [= Eigentümer] beauftragen die C GmbH, auf der Basis des mit der Stadt U abzuschließenden Städtebaulichen Vertrages die kompletten Erschließungsanlagen in dem sich aus der Präambel ergebenden Teilbaugebiet herzustellen. Der Erschließungsträger [= Klin.] hat dabei sämtliche Verpflichtungen zu erfüllen, die ihm aufgrund des mit der Stadt U abgeschlossenen Vertrages auferlegt wurden. ..."

§ 3

"Zum Erschließungsaufwand gehören sämtliche Kosten, die zur Erreichung des mit der Stadt U getroffenen vereinbarten Erschließungsziels und zur Erfüllung der mit der Stadt U getroffenen vertraglichen Vereinbarungen notwendig sind. Das sind insbesondere:

Kosten der Planung der gesamten Erschließungsanlagen...,

Kosten der Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen und der Hausanschlüsse mit den jeweiligen Hausanschlussschächten mit Anbindung an das Kanalnetz der Stadt U,

Kosten der erstmaligen Herstellung der öffentlichen Straßen, Wege und Plätze einschl. Fahrbahnen, Straßenentwässerung, Straßenbegleitgrün,

Kosten der Herstellung der Straßenbeleuchtung,

Kosten der Herstellung und Bepflanzung der Ausgleichsflächen,

Erstattung der der Stadt U durch den Bebauungsplan entstandenen Kosten,

..."

§ 4

"Die durch die Erschließung entstehenden Kosten werden mit 78,00 DM/m2 festgesetzt.

...

Die C GmbH verpflichtet sich, in dem mit der Stadt U abzuschließenden Städtebaulichen Vertrag sicherzustellen, dass weitere Kosten für die erstmalige Erschließung der vorgenannten Grundstücke durch die Stadt U nicht erhoben werden."

§ 6

"Für die Herstellung eines Kanalhausanschlusses, Abzweig von der Kanalleitung in der Straße bis auf das Grundstück einschl. Revisionsschacht, sind Kosten in Höhe von ... 5.000,- DM zu zahlen."

§ 8

Der vorgenannte Vertrag steht unter der Bedingung, dass der Städtebauliche Vertrag zwischen der C GmbH und der Stadt U ... zustande kommt. ...

§ 9

"Die C GmbH hat sämtliche ihr nach diesem Vertrag zu erfüllenden Verpflichtungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu erfüllen. Ihre Haftung richtet sich nach den Bestimmungen des BGB's mit der Maßgabe, dass ein Rücktritt vom Vertrage ausgeschlossen wird und eine Kündigung nur aus wichtigem Grunde zulässig ist."

Mit der Stadt U schloss die Klin. am 15. Dezember 1999 einen Städtebaulichen Vertrag. Darin übernahm sie die Erschließung des Bebauungsplangebiets im eigenen Namen und auf eigene Rechnung (§ 1 Nr. 1 und Nr. 3). Die Stadt U verpflichtete sich, die Erschließungsanlagen nach Bauabnahme in ihre Unterhaltung und Verkehrssicherung zu übernehmen (§ 1 Nr. 4, § 8). Nach § 3 Nr. 1 umfasst die Erschließung die Freilegung der öffentlichen Erschließungsflächen, die Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen einschl. der Hausanschlüsse, die erstmalige Herstellung der öffentlichen Straßen und Wege und die Herstellung der Ausgleichsflächen. Für die Erschließungsleistungen wurde eine Gegenleistung von 78,00 DM pro m2 Nettobaufläche vereinbart (§ 9 Nr. 1). Soweit die Klin. mit den drei anderen Grundstückseigentümern eigenständige Vereinbarungen getroffen hat, entfällt eine Zahlungsverpflichtung der Stadt U (§ 9 Nr. 2). Zusätzlich verpflichtete sich die Stadt, einen Pauschalbetrag in Höhe von jeweils 4.000,- DM für die Herstellung eines Hausanschlusses zu zahlen (§ 9 Nr. 5).

In der Folgezeit wurden die Erschließungsmaßnahmen von der Klin. durchgeführt. Sie rechnete gegenüber der Stadt U sowie gegenüber den übrigen Grundstückseigentümern die nach den jeweiligen Verträgen vereinbarten Erschließungsleistungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ab. Die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer gab sie in den jeweiligen Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -erklärungen an. Den Vorsteuerabzug gemäß § 15 UStG aus den für die Herstellung der Erschließungsanlagen entstandenen Kosten nahm die Klin. in Anspruch.

Die Stadt U erklärte mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2003 gegenüber der Klin. die Übernahme der öffentlichen Erschließungsanlagen gemäß § 8 des Städtebaulichen Vertrages in ihre Verwaltung und Unterhaltung.

Eine unentgeltliche Wertabgabe an die Stadt U hinsichtlich der Erschließung der im Eigentum der übrigen Grundstückseigentümer stehenden Grundstücke erklärte die Klin. in ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für das 4. Quartal 2003 nicht.

Im Rahmen einer für die Voranmeldungszeiträume IV/2003 bis II/2004 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung gelangte die Prüferin zu der Auffassung, dass die Klin. an die Stadt U eine unentgeltliche Wertabgabe im Sinne von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG erbracht habe, soweit sie Erschließungsanlagen hergestellt habe, die auf die nicht im Eigentum der Stadt stehenden Grundstücke entfallen und die Stadt diese Anlagen in ihre Verwaltung und Baulast übernommen habe. Dieser Vorgang falle unter Tz. II. 2. c) des BMF-Schreibens vom 31. Mai 2002 (BStBl I 2002, 631). Die Bemessungsgrundlage wurde nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nach den für die Erschließungsanlagen (ohne Hausanschlüsse) insgesamt angefallenen Kosten wie folgt berechnet (vgl. Tz. 14 des Prüfungsberichts vom 18. November 2004):

 gesamte Kosten (netto): 1.162.254,00 EUR
16% USt: 185.960,64 EUR
Anteil übrige Eigentümer (36,86%): 68.545,10 EUR
Anteil für öffentliche Flächen (35,69%): 24.463,75 EUR.

Am 15. Dezember 2004 reichte die Klin. die Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr 2003 ein, ohne hierin eine unentgeltliche Wertabgabe zu erklären. Der Beklagte (Bekl.) folgte der Ansicht der Prüferin und änderte zunächst den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid IV/2003 am 28. Dezember 2004 entsprechend den Prüfungsfeststellungen. Hiergegen legte die Klin. am 27. Januar 2005 Einspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 18. März 2005 änderte der Bekl. die Jahresfestsetzung ebenfalls entsprechend den Prüfungsfeststellungen.

Hiergegen legte die Klin. am 4. April 2005 Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass vorliegend nicht Tz. II. 2. c), sondern Tz. II. 2. b) des BMF-Schreibens vom 31. Mai 2002 (BStBl I 2002, 631) einschlägig sei. Eine Verpflichtung zur Erschließung sei ausschließlich gegenüber der Stadt U durch Abschluss des Städtebaulichen Vertrages begründet worden. Daneben enthielten die mit den privaten Grundstückseigentümern abgeschlossenen Erschließungsverträge keine eigenständigen Verpflichtungen.

Da die privaten Eigentümer für die Herstellung der Erschließungsanlagen gezahlt hätten, liege keine Unentgeltlichkeit im Sinne von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG, sondern ein Entgelt von dritter Seite vor. Die Erfassung desselben Vorgangs einerseits als entgeltliche sonstige Leistung gegenüber den Grundstückseigentümern und andererseits als unentgeltliche Wertabgabe gegenüber der Stadt U stelle eine Doppelbesteuerung dar, die von der Gesetzesbegründung zu § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG nicht gedeckt sei. Ziel dieser Vorschrift sei es, einen umsatzsteuerlich unbelasteten Letztverbrauch zu vermeiden. Dazu führe die Gesetzesbegründung beispielhaft unentgeltliche Zuwendungen von Gegenständen, z.B. zu Werbezwecken, zur Verkaufsförderung oder zur Imagepflege an.

Die Klin. berief sich ferner auf Vertrauensschutz, da die Finanzverwaltung ihre bisherige Auffassung (BMF-Schreiben vom 7. Juni 1977) erstmalig mit BMF-Schreiben vom 13. Juli 2000 aufgegeben habe. Die zugrunde liegenden Verträge seien vorliegend jedoch bereits Ende 1999 abgeschlossen worden.

Mit Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2006 wies der Bekl. den Einspruch gegen den Bescheid vom 28. Dezember 2004 als unbegründet zurück. Die Klin. hätte sich nicht nur gegenüber der Stadt U, sondern auch gegenüber den Grundstückseigentümern zur Erschließung verpflichtet. Die Bezugnahme in den Erschließungsverträgen auf den Städtebaulichen Vertrag sei lediglich zur Klarstellung erfolgt.

Die unentgeltliche Werklieferung an die Stadt U sei von den Zahlungen der privaten Grundstückseigentümer nicht erfasst, da diese nur für die Erschließung ihrer privaten Grundstücke, nicht aber für die Erschließung der öffentlichen Flächen gezahlt hätten. Insoweit liege keine Doppelbesteuerung vor. Auch sei der Zweck des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG erfüllt, da die Stadt U ansonsten zum unbelasteten Letztverbraucher würde. Da die Gesetzesbegründung keine abschließende Aufzählung enthalte, sei es unerheblich, dass die vorliegende Fallkonstellation nicht genannt sei.

Die Klin. könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Neuregelung in § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG sei bereits zum 1. April 1999 eingeführt worden. Die Änderung der Auffassung der Finanzverwaltung sei zudem vor Erbringung der unentgeltlichen Zuwendung durch Abnahme im Dezember 2003 erfolgt. Insoweit sei der Fall mit einer grundsätzlich zulässigen unechten Rückwirkung zu vergleichen.

Am 6. Februar 2006 (Montag) hat die Klin. Klage erhoben. Sie ist weiterhin der Ansicht, sich gegenüber den privaten Grundstückseigentümern nicht zur Erschließung verpflichtet zu haben. Der Regelungsgehalt der Erschließungsverträge erschöpfe sich in der bloßen Kostenübernahme. Die Verträge hätten einen sich mit dem Städtebaulichen Vertrag überschneidenden Inhalt.

Der Bekl. gehe von einem falschen Sachverhalt aus, indem er zwischen der Erschließung der privaten Grundstücke und der Erschließung der öffentlichen Flächen differenziere. Die Erschließung der privaten Grundstücke bestehe in der Herstellung der Erschließungsanlagen auf den öffentlichen Flächen.

Jedenfalls sei die Lieferung der Erschließungsanlagen an die Stadt U nach § 4 Nr. 9a UStG steuerfrei. Es handele sich um einen unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) fallenden Vorgang, da die Erschließungsanlagen wesentliche Bestandteile der öffentlichen Grundstücke darstellten.

Die Klin. beantragt,

den am 18. März 2005 ergangenen Umsatzsteuerbescheid für 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2006 aufzuheben,

hilfsweise für den Unterliegensfall,

die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

hilfsweise für den Unterliegensfall,

die Revision zuzulassen.

Er räumt zwar eine stellenweise fehlerhafte Sachverhaltsdarstellung in der Einspruchsentscheidung ein. Dies führe jedoch nicht zu einem anderen Ergebnis. Eine Doppelbesteuerung liege nicht vor, da einerseits die Gemeinde die Erschließungsanlagen erhalte und andererseits die Grundstückseigentümer den mit der Erschließung ihrer Grundstücke verbundenen Vorteil.

Die Vereinbarungen in den Erschließungsverträgen könnten nicht als bloße Kostenübernahme ausgelegt werden. Anderenfalls liefe Tz. II. 2. c) des BMF-Schreibens vom 31. Mai 2002 ins Leere.

Ein Fall von § 4 Nr. 9a UStG liege nicht vor, da die Klin. nicht Grundstückseigentümerin gewesen ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Steuerakten Bezug genommen.

Vor dem Senat hat am 1. April 2009 eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Umsatzsteuerjahresbescheid vom 18. März 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klin. in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung, FGO).

Die Klin. hat der Stadt U die Anlagen zur Erschließung der Grundstücke der übrigen Eigentümer nicht im Sinne von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG unentgeltlich zugewendet. Nach dieser Vorschrift wird jede unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstandes einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens. Voraussetzung für die Steuerbarkeit ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).

§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG entspricht Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), nach der "die Entnahme ... durch einen Steuerpflichtigen ... für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke" erfasst wird. Danach sind nicht nur unentgeltliche Zuwendungen für unternehmensfremde Zwecke, sondern auch solche, die für Zwecke des Unternehmens erfolgen, steuerbar (vgl. EuGH-Urteil vom 27. April 1999 Rs. C-48/97, Kuwait Petroleum, Slg. 1999, S. I-2323).

Die von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vorausgesetzte "Zuwendung" ergibt sich nach der Rechtsprechung des BFH allerdings nicht bereits daraus, dass eine Lieferung unentgeltlich erbracht wird. Eine Zuwendung nach dieser Vorschrift erfordert dem allgemeinen Wortsinn entsprechend vielmehr, dass der Zuwendende dem Empfänger der Zuwendung zielgerichtet einen Vermögensvorteil verschafft. Dementsprechend liegt nach der Gesetzesbegründung (Bundesrats-Drucksache 910/98, S. 196) eine gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG steuerbare Zuwendung z.B. bei Sachspenden oder bei Lieferungen zu Werbezwecken, zur Verkaufsförderung oder zur Imagepflege vor. Als Beispiele werden höherwertige Geschenke an Geschäftsfreunde, Sachspenden an Vereine, Warenabgaben anlässlich von Preisausschreiben, Verlosungen usw. zu Werbezwecken genannt.

Diesen Vorgängen kommt der erforderliche Zuwendungscharakter dadurch zu, dass sie dem Begünstigten unbeschränkte Verfügungsmacht an dem gespendeten oder verschenkten Gegenstand zielgerichtet verschaffen (BFH-Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 60/07, BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721). Der BFH (Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 60/07, BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721) hat eine steuerbare unentgeltliche Zuwendung in einem Fall angenommen, in dem ein Unternehmer der Bundesrepublik Deutschland auf eigene Kosten auf deren Grundbesitz einen Kreisverkehr errichtet hat, um sein Grundstück, das mit einer Tankstelle und einem Schnellrestaurant bebaut und später steuerpflichtig vermietet wurde, ordnungsgemäß an den Straßenverkehr anzubinden. Diese unternehmerische Zielsetzung führt unter Anwendung der o.g. Grundsätze nicht zum Ausschluss der Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG. Die Mietzahlungen, die teilweise nach den Kosten für den Kreisverkehr berechnet wurden, stellen keine Zahlungen eines Dritten für die Lieferung des Kreisverkehrs an die Bundesrepublik dar, da der Mieter eine eigene vertragliche Verpflichtung erfüllt. Aus diesem Grund liegt auch keine Doppelbesteuerung vor.

Vorliegend hat die Klin. eine unentgeltliche Werklieferung im Sinne von § 3 Abs. 4 Satz 2 UStG an die Stadt U erbracht, indem sie die Erschließungsanlagen (z.B. Straßen, Kanäle und Grünanlagen) auf den öffentlichen Flächen, die im Eigentum der Stadt standen, errichtet hat. Soweit die Erschließungsanlagen die Erschließung der Nettobaulandfläche, die nicht im Eigentum der Stadt U stand, betrafen, erhielt die Klin. keine Gegenleistung von der Stadt U. Die Zahlungen der privaten Grundstückseigentümer an die Klin. stellen kein Entgelt von dritter Seite im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG dar, denn die Zahlungen erfolgten aufgrund der eigenständigen Erschließungsverträge, die die Klin. mit den Grundstückseigentümern abgeschlossen hatte. Insoweit wurde nicht lediglich eine Kostenübernahme, sondern eine Gegenleistung für eine Erschließungsleistung der Klin. vereinbart. Dies ergibt sich zum einen aus dem eindeutigen Wortlaut von § 2 der Erschließungsverträge, wonach die Klin. von den Eigentümern "beauftragt" wird, die Erschließungsanlagen herzustellen und entsprechende "Verpflichtungen" zu erfüllen hat. Zum anderen wurde in § 9 eine Haftung nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vereinbart. Eine derartige Regelung, die außerdem Vereinbarungen zu Rücktritt und Kündigung enthält, wäre bei der Vereinbarung einer bloßen Kostenübernahme unnötig gewesen. Schließlich rechnete die Klin. ihre Leistungen unmittelbar gegenüber den Grundstückseigentümern ab. Wäre insoweit eine bloße Kostenübernahme vereinbart gewesen, hätte die Klin. insgesamt gegenüber der Stadt U abrechnen müssen.

Die unentgeltliche Werklieferung an die Stadt U führt jedoch nicht zu einer steuerbaren unentgeltlichen Zuwendung im Sinne von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG. Die Vorschrift ist nach ihrem Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass unentgeltliche Lieferungen keine Zuwendungen in diesem Sinne darstellen, wenn der Gegenstand der unentgeltlichen Lieferung mit dem Gegenstand einer gegenüber einem Dritten erbrachten entgeltlichen Leistung identisch ist und beide Leistungen durch einen einheitlichen Akt erbracht werden.

Die Vorschrift soll nach der Gesetzesbegründung einen umsatzsteuerlich unbelasteten Letztverbrauch vermeiden (Bundesrats-Drucksache 910/98, S. 196). Ein mit Vorsteuerabzug erworbener Gegenstand soll nicht ohne Umsatzsteuerbelastung das Unternehmen verlassen. Dem entspricht es, dass nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG eine Steuerbarkeit nur für solche Gegenstände oder deren Bestandteile gegeben ist, die zum Vorsteuerabzug berechtigt haben. Wird ein Gegenstand, der mit Vorsteuerabzug erworben worden war, zum Gegenstand einer entgeltlichen Leistung, liegt gerade kein unbelasteter Letztverbrauch vor.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Gegenstand der Leistung gleichzeitig an einen anderen unentgeltlich geliefert wird. Diese Auslegung widerspricht nicht dem Urteil des BFH vom 14. Mai 2008 (XI R 60/07, BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721). Im vom BFH entschiedenen Fall lagen verschiedene Leistungsgegenstände vor. An die Bundesrepublik Deutschland wurde mit der Errichtung des Kreisverkehrs eine unentgeltliche Werklieferung erbracht, während an die Mieter die Tankstelle und das Restaurant zur Nutzung überlassen wurden. Damit war hinsichtlich der Lieferung des Kreisverkehrs keine Belastung des Letztverbrauchs sichergestellt.

Vorliegend hat die Klin. mit der Errichtung der Erschließungsanlagen zugleich eine Werklieferung an die Stadt U und sonstige Leistungen (§ 3 Abs. 9 UStG) in Form von Erschließungsleistungen an die privaten Grundstückseigentümer erbracht. Die Leistungsgegenstände beider Leistungen sind identisch. Der Inhalt einer Leistungsbeziehung ergibt sich regelmäßig aus den zugrunde liegenden zivilrechtlichen Vereinbarungen. § 2 der mit den Grundstückseigentümern abgeschlossenen Erschließungsverträge verweist hinsichtlich des Leistungsinhalts auf den mit der Stadt U abgeschlossenen Vertrag. Außerdem entsprechen die in § 3 der Erschließungsverträge näher umschriebenen Erschließungsmaßnahmen dem in § 3 des Städtebaulichen Vertrages beschriebenen Umfang der Erschließungsanlagen. Die sonstigen Leistungen erfolgten entgeltlich und sind von der Klin. zutreffend der Besteuerung unterworfen worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die vom Senat vorgenommene Gesetzesauslegung widerspricht der Auffassung der Finanzverwaltung in Tz. II. 2. c) des BMF-Schreibens vom 31. Mai 2002 (BStBl I 2002, 631).

Ende der Entscheidung

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