Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 07.09.2006
Aktenzeichen: 5 K 754/04 U
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG 2005 § 1 Abs. 1a
UStG 2005 § 10 Abs. 4 Nr. 1
UStG 2005 § 10 Abs. 5 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

5 K 754/04 U

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand:

Streitig ist, ob eine nicht steuerbare (Teil-)Geschäftsveräußerung im Ganzen vorliegt, andernfalls ob es sich um eine steuerpflichtige Lieferung handelt, die gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 UStG zu bemessen ist.

Der Kläger (Kl.) war bis zum 31.12.1996 als Geschäftsführer bei dem Versicherungsmakler B GmbH tätig. Anfang Januar 1997 meldete er bei der Stadt C ein Einzelunternehmen unter der Bezeichnung "Versicherungsberater und Sachverständiger für Betriebsunterbrechungs- und Warenschäden" an. Dieses Einzelunternehmen meldete er zum 31.12.1999 ab. Im Rahmen dieses Einzelunternehmens wurde er in folgenden Bereichen tätig: Sachverständigentätigkeit, in der es um die Feststellung der Höhe von Schäden für Industrieunternehmen ging, Beratungsdienstleistungen außerhalb des Rechtsberatungsgesetzes (betriebswirtschaftliche Beratung betreffend Versicherungsbetriebe) und Versicherungsberatertätigkeit, die sich auf nicht genehmigungspflichtige Beratungstätigkeiten bezog.

Bereits zum Zeitpunkt der Gewerbeanmeldung des Einzelunternehmens beabsichtigte der Kl., zusammen mit Herrn T Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu gründen, um sich mit ihm gemeinsam auf dem Gebiet der Versicherungsberatertätigkeit zu betätigen. Am 31.01.1997 schloss der Kl. daher mit Herrn T einen Vertrag mit der Überschrift "Letter of intent". Hierin war festgehalten, dass eine gemeinsame Gründung zweier GmbH's beabsichtigt sei. Diese beiden GmbH's sollten zunächst getrennt aufgebaut und geführt werden. Während Herr T die Versicherungsmakler-GmbH (D-GmbH ) gründen und führen sollte, hatte sich der Kl. federführend um eine Versicherungsberatungs- und Sachverständigenbüro-GmbH (W GmbH), zu bemühen. An beiden GmbH's waren der Kl. zu je 2/3 und Herr T zu je 1/3 beteiligt. Die Gründungen der GmbH's erfolgten jeweils zu 100 % durch den Kl. (W GmbH) bzw. durch Herrn T (D-GmbH ); in Höhe der jeweiligen Fremdanteile wurden sie jeweils treuhänderisch für den anderen tätig. Die Gewinnverteilung erfolgte nach Anteilen. Das Stimmrecht hingegen war gleichberechtigt verteilt. Wie in einer Pattsituation zu entscheiden ist, insbesondere ob in diesen Fällen einer der Gesellschafter allein entscheiden kann, war nicht geregelt. Weiter hieß es in dem "Letter of intent": "Herr W (der Kl.) führt die Tätigkeit als Versicherungsberater fort, so lange ihm dies sinnvoll erscheint. Er wird sicher stellen, dass seine Tätigkeit für das gemeinsame Unternehmen hiervon nicht berührt ist." Außerdem sollten die beiden Unternehmen mittelfristig über eine Holding zusammengeführt werden, so dass dann ein Unternehmen mit separaten Geschäftsfeldern bestehen würde.

Im Rahmen einer bei dem Einzelunternehmen W durchgeführten Betriebsprüfung (Bp) für die Jahre 1997 bis 1999 stellte der Betriebsprüfer folgendes fest (Bp-Bericht vom 26.06.2002):

Während der Kl. eine im September 1997 für das Einzelunternehmen angeschaffte EDV-Anlage zum Einstandspreis an die W GmbH verkaufte (Rechnung vom 12.11.1997), veräußerte er Ende 1997 das weitere noch vorhandene Anlagevermögen des Einzelunternehmens, bestehend aus zwei in 1997 angeschafften Pkws, Büroeinrichtung, Kopiersystem, EDV-Anlage, Fax-Gerät etc., an die W GmbH zu einem Gesamtpreis von 90.000,00 DM (Rechnung vom 22.12.1997). Hierzu stellte der Prüfer fest, dass bereits allein die Buchwerte der beiden Pkws über dem vereinbarten Kaufpreis von 90.000,00 DM lagen.

Der Prüfer fertigte folgende Aufstellung, wobei er die Teilwerte der Pkws anhand der DAT-Liste bestimmte:

 BuchwertTeilwert
Mercedes68.632,20 DM75.000,00 DM
BMW38.729,09 DM59.000,00 DM
PC2.361,74 DM1.000,00 DM
Lampen2.254,02 DM1.000,00 DM
PC3.462,03 DM2.000,00 DM
Kopierer5.486,58 DM5.000,00 DM
Bild7.850,47 DM9.000,00 DM
Diktiergerät687,89 DM500,00 DM
Faxgerät1.321,96 DM1.000,00 DM
Büromöbel3.797,39 DM2.000,00 DM
Summe:134.583,37 DM155.500,00 DM

Der Prüfer setzte den tatsächlichen Verkaufspreis in Höhe von 90.000,00 DM von der Summe der von ihm ermittelten Teilwerte in Höhe von 155.500,00 DM ab und erhöhte die Bemessungsgrundlage betreffend die Veräußerung des Anlagevermögens an die W GmbH um 65.500,00 DM, weil dieser Umsatz gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG zu bemessen sei.

Der Beklagte (Bekl.) schloss sich der Auffassung des Betriebsprüfers an, erhöhte die Umsätze um 65.500,00 DM, so dass sich eine um 9.825,00 DM bzw. um 5.023,00 EUR erhöhte Umsatzsteuer(USt)-Schuld ergab. Mit USt-Änderungsbescheid vom 30.08.2002 setzte der Bekl. die USt 1997 unter Verweis auf den Bp-Bericht vom 26.06.2002 in Höhe von 37.369,00 DM bzw. 19.106,47 EUR fest.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 16.01.2004 wies der Bekl. den Einspruch des Kl. als unbegründet zurück mit der Begründung, dass ein Eigenverbrauch i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 a UStG zu versteuern sei, da das Anlagevermögen vor dessen Verkauf komplett aus dem Betriebsvermögen entnommen worden sei.

Daraufhin hat der Kl. Klage erhoben. Er trägt vor, dass es für die korrekte steuerliche Beurteilung eines Veräußerungsvorgangs maßgeblich auf die unternehmerischen Ziele der einzelnen Unternehmen sowie der Gesellschafter ankomme. Hier sei langfristig die Bildung eines einheitlichen Unternehmens mit separat geführten Geschäftsfeldern beabsichtigt gewesen, wobei bis zur formalen Übertragung von Gesellschaftsanteilen die treuhänderische Regelung vereinbart worden sei. Die Ziele und Aktivitäten der Unternehmen der Beteiligten seien diesem Gesamtziel untergeordnet gewesen.

Der Übergang des Anlagevermögens auf die W GmbH stelle für das Einzelunternehmen des Kl. keinen Eigenverbrauch dar. Es handele sich nicht um eine Entnahme aus betriebsfremden Gründen, sondern um eine Veräußerung zu betrieblichen Zwecken. Der vorliegende Fall sei als "Umwandlungsfall" aufzufassen. Er habe seinen einzelkaufmännischen Betrieb praktisch in die W GmbH umgewandelt, wobei das Tätigkeitsfeld ebenso wie das für den Betrieb eingesetzte Anlagevermögen identisch geblieben seien. Diesem Vorgang lägen unternehmerische und nicht gesellschaftsrechtliche Ziele zugrunde. Ein Veräußerungsvorgang liege nach alledem nicht vor. Das betriebliche Gut sei in einen anderen Betrieb des Steuerpflichtigen überführt worden.

Der Kl. ist zudem der Auffassung, dass die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 UStG nicht zur Anwendung kommen könne, da es sich bei der W GmbH nicht um eine nahestehende Person handele. Dies ergebe sich bereits aus dem tatsächlichen Grund, dass die Stimmrechte in der W GmbH entgegen den Beteiligungsverhältnissen hälftig auf ihn, den Kl., und Herrn T verteilt gewesen seien. Herr T habe somit wesentlichen Einfluss auf die unternehmerische Tätigkeit der Gesellschaft gehabt. Bei abweichenden Kapital- und Stimmbeteiligungen sei für die Beherrschung einer GmbH die Stimmbeteiligung maßgebend. Dass die W GmbH keine nahestehende Person sei, zeige sich auch daran, dass er, der Kl., das Anlagevermögen an sich zu einem höheren Preis als zu 90.000,00 DM an die W GmbH habe verkaufen wollen, sie sich aber schließlich einvernehmlich auf diesen Betrag geeinigt hätten. Es handele sich hierbei nicht um eine "Freundschaftsvereinbarung". Zudem werde die W GmbH nicht vom Kl. beherrscht, da die Stimmrechtsbeteiligung des Kl. hierzu über 50 % liegen müsse.

Der Kl. beantragt,

den Änderungsbescheid über USt 1997 vom 30.08.2002 in Gestalt der EE vom 16.01.2004 aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ein gemeinsames Unternehmenskonzept von mehreren natürlichen und juristischen Personen könne nicht dazu führen, dass ein gemeinsamer betrieblicher Bereich vorliege. Es handele sich hier nicht um eine umsatzsteuerneutrale Überführung von Wirtschaftsgütern in einen anderen Betrieb desselben Steuerpflichtigen, da eine natürliche und eine juristische Person beteiligt seien.

An der im Einspruchsverfahren und zunächst auch im Klageverfahren vertretenen Auffassung, dass sich der Übergang des Anlagevermögens auf die W GmbH für das Einzelunternehmen des Kl. als eine Entnahme aus betriebsfremden Zwecken darstelle und damit ein Eigenverbrauch zu versteuern sei, hält der Bekl. nicht mehr fest und nimmt nunmehr an, dass es sich um eine Veräußerung von Anlagevermögen handele, auf die die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 UStG anzuwenden sei. Die W GmbH stelle sich hier als nahestehende Person i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG dar, weil Herr W zu 2/3 an der GmbH beteiligt sei.

Am 22.06.2006 hat vor der Berichterstatterin des Senats ein Erörterungstermin stattgefunden. Zum Nachweis des Vorliegens einer nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen ist dem Kl. am 29.06.2006 eine Ausschlussfrist gemäß § 79 b Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum 31.07.2006 gesetzt worden, die auf Antrag bis zum 21.08.2006 verlängert worden ist. Mit Schreiben vom 01.09.2006 hat der Kl. anhand des Kontennachweises zur Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung seines Einzelunternehmens zum 31.12.1998 sowie anhand von Rechnungen zu in 1998 erfolgten Zahlungseingängen dargelegt, wie sich die Umsätze des Einzelunternehmens in 1998 von insgesamt netto 115.091 DM zusammensetzen. Es würde sich ausschließlich um Tätigkeiten auf dem Gebiet der Rechtsberatung handeln. Dieser Bereich hätte nicht auf die GmbH übertragen werden dürfen und sei auch nicht übertragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, auf die vom Bekl. vorgelegten Akten und das Protokoll zum Erörterungstermin vom 22.06.2006 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der USt-Änderungsbescheid vom 30.08.2002 in Gestalt der EE vom 16.01.2004 ist rechtmäßig und verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Die Veräußerungen der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens des Einzelunternehmens an die W GmbH stellen steuerbare Lieferungen dar. Sie stellen keine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung i. S. v. § 1 Abs. 1 a UStG dar, unter die gemäß Satz 2 auch die entgeltliche Übereignung oder Einbringung eines Einzelunternehmens oder eines in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführten Betriebs in eine Gesellschaft fallen würde. Da das Einzelunternehmen des Kl. erst zum 31.12.1999 abgemeldet wurde und der Kl. hierfür im Rahmen der Einkommensteuererklärung 1998 noch einen Gewinn betreffend "Rechtsbeistand / Gutachten" i. H. v. 96.394,00 DM und im Rahmen der Umsatzsteuererklärung 1998 noch Umsätze i. H. v. insgesamt 115.091,14 DM erklärt hat, hätte der Kl. den Nachweis führen müssen, dass die einzelnen Tätigkeitsbereiche des Einzelunternehmens gesondert geführte Betriebe in der Gliederung eines Unternehmens darstellten, dass wirtschaftliche Selbständigkeit der auf die W GmbH übertragenen Tätigkeitsbereiche und wirtschaftliche Selbständigkeit des bei dem Einzelunternehmen verbliebenen Tätigkeitsbereichs der Rechtsberatung bestand und die in 1998 und 1999 erklärten Umsätze einer Geschäftsveräußerung nicht entgegenstanden. Ihn trifft insoweit die Feststellungslast. Diesen Nachweis hat der Kl. nicht geführt. Dass die für das Jahr 1998 erklärten Umsätze allesamt den Bereich der Rechtsberatung betreffen, führt nicht zu dem Schluss, dass die einzelnen Tätigkeitsbereiche wirtschaftlich selbständig waren und in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführte Betriebe darstellten.

Die Lieferungen stellen vorliegend auch keine nicht steuerbaren Innenumsätze in Form der Überführung von Gegenständen von einem Betrieb in einen anderen Betrieb desselben Unternehmers dar. Umsätze zwischen mehreren Betrieben (Teil-Unternehmen) eines Unternehmers sind nicht steuerbare Innenumsätze, weil das Unternehmen eines Unternehmers gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG den Gesamtbereich seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit umfasst und er daher insofern an sich selbst leistet (vgl. Sölch/Ringleb, Kommentar, § 2 UStG, Rz. 181). Zwar erfolgte das streitbefangene Veräußerungsgeschäft im Hinblick auf das einheitliche Unternehmenskonzept des Kl. und Herrn U , im Rahmen dessen der Kl. seine einzelunternehmerische Tätigkeit zugunsten der gemeinsamen GmbH's einstellte. Doch sind das Einzelunternehmen des Kl. und die W GmbH nicht Betriebe desselben Unternehmers. Es handelt sich vielmehr um verschiedene, selbständige Steuersubjekte. Die GmbH als juristische Person ist ein eigenes Steuersubjekt. Sie ist Unternehmerin i. S. v. § 2 Abs. 1 UStG und als Trägerin des Gesellschaftsvermögens Schuldnerin der USt (§ 13 a UStG). Unternehmer sind sowohl der Kl. mit seinem Einzelunternehmen als auch die GmbH selbst.

Da deshalb vielmehr eine Lieferung an einen anderen Unternehmer vorliegt, scheidet insoweit auch die im Laufe des Klageverfahrens vom Bekl. schließlich nicht mehr vertretene Annahme eines Eigenverbrauchs i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 a UStG a. F. aus.

Die steuerbaren Lieferungen der Gegenstände des Anlagevermögens sind gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 1 UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten zu bemessen, weil es sich um Lieferungen eines Einzelunternehmers an eine ihm nahestehende Person gegen ein nicht marktübliches Entgelt handelt.

Der Anwendbarkeit des § 10 Abs. 5 UStG steht im Streitfall nicht deren richtlinienkonforme Auslegung entgegen, nach der diese Sondervorschrift nicht anwendbar ist, wenn der Leistung ein marktübliches Entgelt gegenübersteht (vgl. hierzu Sölch/Ringleb, § 10 Rz. 435 ff. m. w. N., FG Köln v. 20.02.1986 II K 143/84, EFG 1986, 314 m. w. N.). Der Kl. hat die Gegenstände des Anlagevermögens unter dem tatsächlich auf dem freien Markt erzielbaren Entgelt an die W GmbH geliefert. Er lieferte gegen ein weit unter Teilwert und sogar auch unter Buchwert bemessenes Entgelt. Auch aus dem Umstand, dass der Kl. an sich ein höheres Entgelt hatte durchsetzen wollen, er sich allerdings mit Herrn T einvernehmlich nur auf einen Gesamtkaufpreis i. H. v. 90.000 DM einigen konnte, wird deutlich, dass der Kl. zugunsten der gemeinsam mit Herrn T beabsichtigten Einbringung des Anlagevermögens in die W GmbH auf ein Entgelt in marktüblicher Höhe verzichtete.

Der Kl. hat das Anlagevermögen seines Einzelunternehmens an die W GmbH als eine ihm nahestehende Person i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG geliefert. Das UStG selbst definiert den Begriff der "nahestehenden Person" nicht. Fraglich ist, ob auf den hinsichtlich anderer Zielsetzung zugeschnittenen Definitionskatalog des § 1 Abs. 2 AStG, der z. B. in Nr. 1 auch bereits allein die wesentliche Beteiligung ausreichen lässt, zurückgegriffen werden kann. Der Zweck des § 10 Abs. 5 UStG, eine Ungleichbehandlung zu normal berechneten Leistungen zu vermeiden, legt es nahe, zumindest solche Personen hierunter zu verstehen, die auf ihre Geschäfts- bzw. Leistungsbeziehungen einen "außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausüben" können (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG). So knüpft auch der 13. Senat des FG München nicht an allgemeine Beziehungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger an, sondern an die auf unternehmensfremden Gründen beruhende Bevorzugung des Leistungsempfängers durch den Leistenden (Urteil v. 06.10.1988 XIII (XIV) 308/84 U, EFG 1989, 258). § 1 Abs. 2 Nr. 3 a. E. AStG lässt es auch ausreichen, dass entweder der Steuerpflichtige oder die nahestehende Person ein eigenes Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat. Der 2. Senat des FG Köln sieht eine Person als nahestehend an, wenn besondere Einflussmöglichkeiten einerseits oder Interessenidentität andererseits vorliegen (Urteil v. 20.02.1986 II K 143/84, EFG 1986, 314). Die Finanzverwaltung lässt bereits eine enge rechtliche, wirtschaftliche oder persönliche Beziehung ausreichen (Abschn. 158 Abs. 1 Satz 2 Umsatzsteuerrichtlinien - UStR). Die Hinweise des Kl. auf höchstrichterliche Rechtsprechung betreffen allesamt nicht die Begriffsdefinition für das Umsatzsteuerrecht, sondern die im Ertragsteuerrecht herausgebildeten Voraussetzungen hinsichtlich verdeckter Gewinnausschüttung, Betriebsaufspaltung und steuerlicher Anerkennung von Verträgen zwischen Angehörigen. Zwar wird auch im Rahmen der vom Kl. angeführten Rechtsprechung zum Teil auf ein Zusammenwirken wegen gleicher finanzieller Interessen abgestellt, doch geht es dort um die nähere Ausgestaltung des Begriffs der Beherrschung eines anderen Unternehmens in im Hinblick auf den Zweck des § 10 Abs. 5 UStG nicht vergleichbarer Problemstellung. Die Zielsetzung des Umsatzsteuerrechts ist mit der des Ertragsteuerrechts nicht identisch.

Unter Zugrundelegung der dargestellten Auslegungsvarianten stellt sich die W GmbH als eine dem Kl. nahestehende Person dar. Es besteht eine enge personelle Verflechtung, weil der Kl. 2/3 der Anteile an der GmbH hält und 50 % der Stimmrechte innehat. Er hat hiermit auch zugleich besondere Einflussmöglichkeiten auf die W GmbH und kann auf sie auch einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausüben. Ein solcher außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeter Einfluss lag auch dem vorliegenden Veräußerungsgeschäft insoweit zugrunde, als der Kl. sein Anlagevermögen zugunsten des mit Herrn T vereinbarten gemeinsamen Unternehmenskonzepts unter Marktpreis veräußerte. Der Vortrag des Kl., dass er den von ihm angestrebten Veräußerungspreis gegenüber Herrn T nicht habe durchsetzen können und es sich hier gerade nicht um einen Freundschaftspreis handele, spricht letztlich nicht gegen das Vorhandensein besonderer Einflussmöglichkeiten des Kl. Der Kl. und Herr T sind hinsichtlich ihrer Stimmanteile gleichberechtigte Partner. Es gab keine Regelung, die besagte, dass Herr T in einer Pattsituation allein entscheiden kann. Es handelte sich somit um eine einvernehmliche Entscheidung. Der Kl. hätte sich auf den Preis nicht einlassen müssen, da der Verkauf des Anlagevermögens im "Letter of intent" nicht vorgesehen war. Der Kl. war vielmehr frei in seiner Entscheidung und hätte sein Anlagevermögen auch auf dem freien Markt verkaufen können, wenn er den marktüblichen Preis hätte erzielen wollen. Stattdessen hat er sich aber dem einheitlichen Unternehmensziel untergeordnet und sein Anlagevermögen zum Wohl der GmbH zu einem Preis unter Marktwert verkauft. Die Bevorzugung der W GmbH als Leistungsempfänger beruhte dementsprechend auf dem Einzelunternehmen des Kl. fremden Gründen, nämlich auf Gründen, die der W GmbH zugute kamen. Außerdem hatte der Kl. als Gesellschafter der GmbH ein eigenes Interesse an einem niedrigen Verkaufspreis. Zwar liegen insoweit gegenläufige Interessen vor, als der Kl. durch den Verkauf des Anlagevermögens unter Marktwert den Gewinn seines Einzelunternehmens geschmälert hat. Doch bestehen insoweit eigene Kapital- und Ertragsinteressen des Kl. und ist insoweit Interessenidentität mit den Interessen der W GmbH gegeben, als dem Kl. insbesondere im Hinblick auf die gemeinsame geschäftliche Zukunft in Form der GmbH's auch daran gelegen sein dürfte, die Ausgaben der W GmbH möglichst niedrig und damit den Gewinn der W GmbH möglichst hoch zu halten. Den Verkauf unter Wert hätte er aber nicht vorgenommen, wenn er nur sein Einzelunternehmen im Blick gehabt hätte. Der Kompromiss mit Herrn T über den Verkaufspreis diente den Zwecken der GmbH.

Für die Lieferungen der Gegenstände des Anlagevermögens des Einzelunternehmens sind die vom Prüfer ermittelten und vom Bekl. angesetzten Teilwerte als Einkaufspreise zuzüglich Nebenkosten zum Zeitpunkt der Umsätze i. S. v. § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG anzusetzen. Der Nachweis, dass die tatsächlichen Einkaufspreise zuzüglich Nebenkosten zum Zeitpunkt der Umsätze möglicherweise niedriger anzusetzen sind, ist nicht geführt worden. Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin dahingehend verständigt, dass die Höhe der vom Prüfer angesetzten Teilwerte als Einkaufspreise zuzüglich Nebenkosten zum Zeitpunkt der Umsätze i. S. v. § 10 Abs. 4 Nr. 1 UStG anzusehen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

Zurück