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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 27.08.2003
Aktenzeichen: 7 K 2393/01 G
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 15 Abs. 2
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

7 K 2393/01 G

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit erzielt.

Der Kl., ein ausgebildeter Krankengymnast und Pysiotherapeut betreibt eine Praxis für Krankengymnastik in F.

Im März 2000 führte der Beklagte (Bekl.) eine Betriebsprüfung (Bp) für die Streitjahre 1996 bis 1998 beim Kl. durch. Dabei wurde festgestellt, dass in der Praxis ausgebildete Krankengymnasten auf Honorarbasis tätig sind. In den mit dem Kl. abgeschlossenen Verträgen "bezüglich der Behandlung gegen Rechnung, getroffen zwischen 2 frei etablierten Pysiotherapeuten" ist u. a. geregelt, dass die Krankengymnasten unter vollständiger Beibehaltung der eigenen Selbständigkeit und Verantwortlichkeit Patienten in der pysiotherapeutischen Praxis des Kl. behandeln, wozu dieser unentgeltlich ausreichenden Raum und Ausrüstung zur Verfügung stellt. Der Kl. haftete auf keinerlei Weise für das Vorgehen der Therapeuten in seiner Praxis, welche zum Abschluss von eigenen Haftpflichtversicherungen verpflichtet wurden.

Auf Grund der Feststellungen stufte der Betriebsprüfer die Tätigkeit als gewerblich ein, da nach seiner Ansicht eine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit des Kl. bei der Erledigung der einzelnen Aufträge zu verneinen war.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Bp-Bericht vom 03.04.2000 Bezug genommen.

Der Bekl. schloss sich den Ausführungen des Betriebsprüfers an und erließ am 24.05.2000 erstmalig Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuer(GewSt)-Messbetrag für die Jahre 1996 bis 1998.

Dagegen legte der Kl. Einsprüche ein, die er damit begründete, dass keine gewerbliche, sondern freiberufliche Einkünfte erzielt würden. Die Tatsache, dass er sich bei der Ausübung eines Katalogberufs im Sinne des § 18 Einkommensteuergesetz (EStG) der Mithilfe fachlich vorgebildeten Personals bediente, sei unschädlich, weil er die Berufstätigkeit weiterhin persönlich ausübe und dabei auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werde. Er habe das Anweisungs- und Kontrollrecht sowie die fachliche Aufsicht über die ausgeführten Arbeitsanweisungen inne. Diese Leitungsaufgaben führe er persönlich aus. Eine körperliche Mitarbeit in jedem Einzelfall sei dagegen nicht erforderlich. Letztlich sei er allein verantwortlich und trage das Entscheidungsrisiko für die durchzuführenden Behandlungen.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung (EE) vom 28.03.2001 führt der Bekl. im Wesentlichen aus, dass es an einer leitenden und eigenverantwortlichen Tätigkeit des Kl. fehle. Aus den mit den Honorarkräften abgeschlossenen Verträgen ergebe sich, dass diese unter vollständiger Beibehaltung der eigenen Selbständigkeit und Verantwortlichkeit Partienten in der Praxis des Kl. behandelten. Ähnlich wie bei einem Krankenpfleger werde auch bei einem Krankengymnasten eine höchstpersönliche Arbeitsleistung am Patienten geschuldet, so dass auch eine Teilnahme an der praktischen Tätigkeit stattfinden müsse. Die bürodienstmäßige Organisation oder Abrechnung durch den Kl. drücke der Dienstleistung nicht den Stempel des Kl. auf.

Mit der am 26.04.2001 erhobenen Klage verfolgt der Kl. sein Begehren weiter.

Zusätzlich zu seinem Vorbringen im Einspruchsverfahren trägt er vor, dass für die Beurteilung seiner Tätigkeit nicht nur die abgeschlossenen Verträge, sondern auch deren tatsächliche Durchführung herangezogen werden müsse. Die leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit ergebe sich nicht durch die eigenhändige Behandlung der Patienten, sondern vielmehr aus den von ihm zu treffenden generellen Therapieentscheidungen, der Kommunikation mit behandelnden Ärzten und Angehörigen, der Ausbildung, Anleitung und laufenden Kontrolle des Personals, der Patientenaufnahme und deren Verteilung auf die Therapeuten und der Empfehlung über Anschlussbehandlungen an den Arzt. Auch der personelle Umfang der Praxis spreche nicht für einen gewerblichen Betrieb; es seien maximal 4 Therapeuten und 3 bis 4 Aushilfskräfte für die Praxisorganisation beschäftigt. Jeden seiner Patienten kenne er persönlich und weise sie dem jeweiligen Therapeuten zu. Dieser sei dann für die weitere Behandlung zuständig. Der Therapeut müsse die durchgeführten Maßnahmen auf einer Karteikarte festhalten, was dann von ihm selbst laufend kontrolliert werde. Des Weiteren werde mit den Therapeuten regelmäßig besprochen, wie die Therapien insgesamt durchzuführen seien. Nach der Zuweisung auf den Therapeuten würde die Anamnese dann allerdings von diesem durchgeführt werden, was aus zeitlichen Gründen nicht anders machbar sei. Regelmäßige Abschlussgespräche würden nicht geführt. Er selbst würde dann konsultiert, wenn es Probleme in der Behandlung gebe. Pro Therapeut würden täglich 25 - 30 Patienten behandelt; die Behandlungsdauer betrage ca. 20 Minuten. Weiter sei zu beachten, dass die Formulierung in den Verträgen die Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit der Honorarkräfte deshalb betonten, weil sie nicht als sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer qualifiziert werden sollten. In einem Verfahren gegen die Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen sei inzwischen festgestellt worden, dass die Therapeuten wegen der Weisungsabhängigkeit vom Kl. versicherungsrechtlich als Arbeitnehmer eingestuft worden seien. Zwar habe er den entsprechenden Bescheid angefochten, jedoch nur deshalb, weil er nach wie vor der Meinung sei, freie Mitarbeiter und Arbeitnehmer zu beschäftigen. Wolle man die praktische Tätigkeit an jedem einzelnen Patienten zur Bedingung für die Anerkennung einer freiberuflichen Tätigkeit machen, könnten freie Mitarbeiter gar nicht eingesetzt werden. Auch soweit seine Ehefrau Kurse in der Praxis abhielte, handele diese nicht in völliger Selbständigkeit.

Der Kl. beantragt,

die GewSt-Messbescheide der Jahre 1996 bis 1998 aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Auffassung, dass es sich bei der Tätigkeit des Kl. um eine gewerbliche Ausübung handelt, fest. Dies ergebe sich aus den abgeschlossenen Verträgen, die auch entsprechend durchgeführt würden. Nicht in allen Fällen würde bei Aufnahme neuer Patienten Rücksprache mit dem Kl. genommen, z. B. wenn die Diagnose des überweisenden Arztes mit den diagnostizierten Beschwerden übereinstimme. Auch die Ehefrau des Kl. leite als gelernte Krankengymnastin im Namen der Praxis verschiedene Kurse wie Rückenschule und Babymassage, die sie ohne Einfluss des Kl. ausübe.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 10.01.2003 erörtert. Auf das Protokoll des Erörterungstermins wird verwiesen.

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Bekl. hat die Tätigkeit des Kl. zu Recht als gewerblich eingestuft, so dass die angefochtenen Steuerbescheide rechtmäßig sind und den Kl. nicht in seinen Rechten verletzen.

Gemäß § 15 Abs. 2 EStG liegt bei einer selbständigen, nachhaltigen Betätigung, die mit der Absicht Gewinn zu erzielen unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ein Gewerbebetrieb vor, es sei denn, die Betätigung ist als Ausübung eines freien Berufs oder andere selbständige Tätigkeit anzusehen.

Welche beruflichen Tätigkeiten zu den freien Berufen gehören ist in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG geregelt. Nach Satz 2 der Vorschrift gehört die selbständige Berufstätigkeit von Krankengymnasten zur freiberuflichen Tätigkeit. Dabei ist ein Angehöriger eines freien Berufs auch dann freiberuflich tätig, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, solange er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird, § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG.

Die Würdigung des Bekl., dass der Kl. nicht in ausreichendem Umfang bei der Erledigung der einzelnen Aufgaben leitend und eigenverantwortlich tätig war, ist nicht zu beanstanden.

Wesentliches Merkmal der freiberuflichen Tätigkeit ist die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Freiberuflers, während bei einem Gewerbebetrieb die persönliche Arbeitsleistung hinter der Betriebsleistung zurücktritt (BFH-Urteil vom 21.03.1995 XI R 85/93, BStBl. II 1995, 732 m. w. N.).

Bedient sich ein Freiberufler der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte, was der Freiberuflichkeit wegen der ausdrücklichen Regelung in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG noch nicht entgegensteht, muss gewährleistet sein, dass ein eigenverantwortliches Handeln des Freiberuflers bei jeder einzelnen Arbeitsleistung erkennbar ist (BFH-Beschluss vom 07.10.1987 X B 54/87, BStBl. II 1988, 17). Die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit muss in ausreichendem Umfang gewährleistet sein, so dass auch die Arbeitsleistungen der Mitarbeiter den "Stempel der Persönlichkeit" des Freiberuflers tragen (so bereits BFH-Urteil vom 25.10.1963 IV 373/60, BStBl. III 1963, 595 und weiter BFH-Urteil vom 05.06.1997 IV R 43/96, BStBl. II 1997, 681). Die Eigenverantwortlichkeit darf sich nicht allein darin erschöpfen, dass der Berufsträger die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des Auftrages trägt (BFH-Urteil BStBl. II 1995, 732).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Tätigkeit des Kl. nicht mehr als freiberuflich einzustufen. Nach der vom Kl. vorgetragenen und im Erörterungstermin selbst geschilderten Arbeitsdurchführung ist keine eigenverantwortliche Behandlung der einzelnen Patienten gewährleistet. Nach den eigenen Angaben des Kl. behandelt jeder der bis zu 4 Mitarbeiter täglich 25 bis 30 Patienten bei einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 20 Minuten, während er selbst neben der Organisation Hausbesuche vornehme und eigene Behandlungen durchführe. Allein die Anzahl der arbeitstäglich von den Mitarbeitern zu behandelnden Patienten (bis zu 120) lässt eine eigenverantwortliche Mitarbeit des Kl., der ja durch eigene Behandlungen, Hausbesuche und die Organisation gebunden war, an den einzelnen Patienten nicht zu.

Zwar ist dem Kl. zuzubilligen, dass er nicht bei jedem Auftrag selbst "Hand anlegen" muss, um seine Freiberuflichkeit zu wahren. Jedoch hat der BFH wiederholt darauf hingewiesen, dass auf eine persönliche Mitarbeit am einzelnen Auftrag nicht verzichtet werden könne (vgl. BFH-Urteil BStBl. II 1995, 732 und BFH-Urteil BStBl. II 1997, 681) und dass selbst eine besonders intensive leitende Tätigkeit, die hier angesichts der Wahrnehmung eigener Behandlungen etc. dem Senat zweifelhaft erscheint, eine eigenverantwortliche Tätigkeit nicht ersetzen kann (BFH-Urteil BStBl. II 1995, 732).

Dies gilt umso mehr, als bei einem Krankengymnasten/Pysiotherapeuten, anders etwa als bei einem Laborarzt (vgl. diesbezüglich BFH BStBl. II 1995, 732) eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung an dem jeweiligen Patienten geschuldet wird. Die vom Kl. vorgetragene Organisation, insbesondere die Zuweisung eines Patienten an einem bestimmten Therapeuten und die Kontrolle der von diesen auf Karteikarten festzuhaltenden Behandlungsmaßnahmen lassen erkennen, dass der persönliche Dienst des Kl. am Patienten in den Hintergrund trat. Bereits die Anamnese, d. h. also die Aufnahme der individuellen Krankengeschichte des Patienten wurde dem behandelnden Mitarbeiter überlassen, welcher so als Einziger ausführlich über die speziellen Einzelheiten der zu behandelnden Beschwerden persönlich informiert wurde. Auch nach Beendigung der Behandlung wurde kein abschließendes Gespräch zwischen Patient und Kl. über die Behandlung oder ggf. zu beachtenden Maßnahmen geführt. Der Kl. wurde nur dann noch einmal konsultiert, wenn es zu Problemen bei der Behandlung kam oder Rücksprachen mit den überweisenden Ärzten notwendig wurden. Eine maßgebliche Beeinflussung der einzelnen Aufträge liegt bei einer solchen Arbeitsweise nicht vor. Die am Patienten vorgenommene Dienstleistung stellt sich vielmehr allenfalls als solche der Praxis, d. h. des Betriebes als solchem dar.

Nach Ansicht des Senats ist der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt auch nicht mit dem dem nichtveröffentlichten Urteil des BFH vom 30.05.1984 (Az. I R 71/80) zu Grunde liegenden Sachverhalt vergleichbar. In jenem Fall hatte der BFH entschieden, dass der Kl., ein Bademeister und Masseur, auch in der Damenabteilung seiner Badeanstalt eigenverantwortlich tätig war, obwohl er sich dort persönlich gar nicht betätigte. Der BFH hat entscheidend darauf abgestellt, dass es bei der Art des Unternehmens nicht erforderlich gewesen sei, alle Einzelheiten der Behandlung zu besprechen oder in der Abteilung selbst anwesend zu sein. Bei der Verabreichung medizinischer Bäder und Durchführung von Heilmassagen handelt es sich um weniger qualifizierte Leistungen als denen eines Krankengymnasten und Pysiotherapeuten, so dass dort eine fachliche Überprüfung der Arbeitsabläufe der Mitarbeiter ausreichend gewesen sein mag.

Dass der Kl. nicht in besonderem Maß eigenverantwortlich die einzelnen Aufträge durchgeführt hat, ergibt sich letztlich auch daraus, dass vertraglich geregelt war, dass die Mitarbeiter der Patienten unter vollständiger Beibehaltung der eigenen Selbständigkeit und Verantwortlichkeit zu behandeln hatten, der Kl. im Innenverhältnis auf keinerlei Weise für das Vorgehen der Therapeuten haftete und diese zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichtet waren. Es ist schwer vollstellbar, dass die Mitarbeiter derart weit reichende Verpflichtungen einzugehen bereit gewesen wären, wenn der Kl. tatsächlich in erheblichem Umfang deren Behandlungsentscheidungen beeinflusst hätte.

Die Kostentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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