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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 23.05.2001
Aktenzeichen: 8 K 1045/97 E
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977, FGO, ZPO


Vorschriften:

EStG § 49 Abs 1
EStG § 49 Abs 1 Nr 3
EStG § 50a Abs 4
EStG § 50a Abs 5
EStG § 50d Abs 1
AO 1977 § 90 Abs 2
AO 1977 § 151 Abs 5
AO 1977 § 162
AO 1977 § 163
AO 1977 § 191
AO 1977 § 219 S 1
AO 1977 § 227
FGO § 76 Abs 1
FGO § 76 Abs 1 S 1
FGO § 96 Abs 1
FGO § 96 Abs 1 S 1
ZPO § 444
GG Art 3
GG Art 14
EG-Vertrag Art 49
EStG § 1 Abs 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES hat der 8. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 23.05.2001, an der teilgenommen haben:

aufgrund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Tatbestand

Zu entscheiden ist, ob der Beklagte (das Finanzamt - FA -) zu Recht gegenüber der Klägerin (Klin.) einen Haftungsbescheid gem. § 50 a Abs. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) erlassen hat.

Die Konzertdirektion (W.) in M engagierte mit der Vereinbarung (Werkvertrag) Nr. 343/95 über die Konzertdirektion S GmbH, (= Klägerin) das Gitarrenquartett "Lo Ro" aus den USA für einen Auftritt in Deutschland (M) am 03.05.1996. Sie schuldete dafür ein festes Honorar i. H. v. 14.000 DM. Nach Punkt 7 der Vereinbarung übernahm die Klin. die anfallenden Kosten für Honorare, Reisen, Unterkunft und Verpflegung der Künstler.

Die Konzertdirektion W. gab bzgl. des von ihr geschuldeten festen Honorars eine Anmeldung über den Steuerabzug von Vergütungen des § 50 a Abs. 4 EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen ab und führte die angemeldeten Beträge an das FA ab.

Auf einen entsprechenden Antrag der Klin. beim Bundesamt für Finanzen erteilte dieses der Klin. mit Freistellungsbescheid nach § 50 d Abs. 3 EStG vom 13.02.1998 die Freistellung für die Vergütungen, die die Konzertdirektion W. (Schuldner der Vergütung) an die Klin. als Gläubigerin der Vergütungen im Zeitraum 01.05. - 31.05.1996 gezahlt hatte (Leistungsverhältnis Klin.-W.).

Hiervon unabhängig war das FA der Auffassung, daß die ausländischen Musiker mit ihren inländischen Einkünften gem. § 1 Abs. 4 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG beschränkt steuerpflichtig seien. Die ESt werde gem. § 50 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG im Wege des Steuerabzugs erhoben. Die Klin. aus S (Östereich) sei als Vergütungsschuldnerin zum Steuerabzug verpflichtet, da sie mit Inlandsbezug tätig werde (Leistungsverhältnis Künstler - Klin.). Werde der Steuerabzug nicht ordnungsgemäß vorgenommen, hafte die Klin. gem. § 50 a Abs. 5 Satz 5 EStG. Der Steuerabzug könne nur unterbleiben, wenn das Bundesamt für Finanzen einen entsprechenden Freistellungsbescheid erteilen werde. Ein Freistellungsbescheid sei auch bei der Freistellung durch ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) erforderlich (Schreiben des FA an die Klin. vom 11.09.1996).

Als die Klin. weder eine Anmeldung abgab noch einen Antrag auf Freistellung stellte, erließ das FA gegenüber der Klin. am 10.12.1996 einen Haftungsbescheid gem. § 50 a Abs. 5 EStG über insgesamt 3.307 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Bescheides Bezug genommen.

Die Klin. trug zur Begründung ihres dagegen eingelegten Einspruchs vor, es bestehe keine Rechtsgrundlage für diesen Haftungsbescheid. Nach Art. 4 des DBA Österreich seien die Vergütungen, die sie aus der Organisation von Konzerten in der BRD erhalte, steuerpflichtig. Ein Steuerabzug gem. § 50 a Abs. 4 EStG komme nicht in Betracht. Im übrigen sei es leicht nachvollziehbar, daß das DBA Österreich - Deutschland keine dem Art. 17 Abs. 2 OECD-Musterabkommen entsprechende Regelung enthalte. Sie habe kein Verständnis dafür, daß man den gleichen Steuervorgang mehrfach zu versteuern versuche, zumal aufgrund des DBA-Österreich - Deutschland diese Vorgehensweise ausgeschlossen sei. Sie beruft sich insoweit auf die Entscheidung des BFH vom 10.06.1992 I B 1/92 BFH/NV 1993, 27. Die Vergütung, die sie für die Durchführung des Konzertes am 03.05.1996 aufgrund des Vertrages mit der Konzertdirektion W. erhalten habe, sei auf Verantwortung des FA um den Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 EStG gekürzt und vom FA vereinnahmt worden. Sie unterliege nicht den Regeln des deutschen EStG, da sie keine Betriebsstätte in der BRD habe. Die Vergütung, die sie an die Musiker in Österreich bezahlt habe, unterlägen den Regeln des DBA Österreich - USA.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung - EE - vom 22.01.1997).

Es meinte, für die Vornahme des Steuerabzugs gem. § 50 a Abs. 4 EStG durch die Klin. als Schuldnerin der Vergütung sei gem. § 50 d Abs. 1 EStG nicht zu prüfen, ob eine Steuerbefreiung nach einem DBA gegeben sei. Für den Fall einer Steuerbefreiung nach einem DBA verbleibe dem Gläubiger der Vergütung der Anspruch auf Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuer durch Antrag beim Bundesamt für Finanzen.

Da die Klin. trotz mehrfacher Aufforderungen keine entsprechende Anmeldung für die Tätigkeit der Künstler abgegeben und auch keinen Freistellungsbescheid des Bundesamtes für Finanzen vorgelegt habe, sei die Inanspruchnahme der Klin. durch Haftungsbescheid gem. § 50 a Abs. 5 EStG geboten gewesen. Auch die Auswahl, die Klin. durch Haftungsbescheid in Anspruch zu nehmen, sei ermessensgerecht, da sie in grobem Maße ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe und eine Inanspruchnahme der Künstler mangels bekannten Aufenthaltes im Ausland ohne Aussichten auf Erfolg sei.

Hinsichtlich der Höhe der durch Haftungsbescheid geltend gemachten Steuer sei eine Schätzung erforderlich gewesen, da die Klin. trotz mehrfacher Aufforderungen keine Angaben über die tatsächlichen Zahlen gemacht habe.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Zur Begründung trägt die Klin. vor, sie sei nach Art. 1 DBA Österreich gem. Art. 4 des DBA Österreich in Österreich steuerpflichtig. Ein sog. Künstlerdurchgriff wie er in Art. 17 Abs. 2 OECD-Musterabkommen enthalten sei, sei in Österreich nicht verwirklicht worden. Der BFH habe bereits in seinem Urteil vom 20.06.1984 I R 283/81 BStBl II 1984, 828 der Klin. bestätigt, daß ein Besteuerungsrecht i. S. d. Art. 17 Abs. 2 OECD-Musterabkommen für die BRD nicht bestehe. Darüber hinaus mache sie darauf aufmerksam, daß sie weder nach dem DBA noch nach dem Rechtsschutz- und Rechtshilfeabkommen Haftungsschuldner für vermeintliche Steuerschulden Dritter sein könne.

In ihrem am Tag vor der mündlichen Verhandlung eingegangenen Telefax ergänzte die Klin. ihr Vorbringen wie folgt: Sie habe die Europa-Tournee des Gitarren-Quartetts als Unternehmer organisiert. Es hätten keine Rechtsbeziehungen zwischen dem inländischen (deutschen) Veranstalter und dem amerikanischen Quartett bestanden. Die Zahlungen an die Künstler seien nicht in der Bundesrepublik Deutschland sondern in Österreich erfolgt. Die Künstler hätten von ihr 7.000 DM, im gesamten Jahr 1996 42.000 DM, also 10.500 DM pro Person erhalten. Die von ihr separat getragenen Kosten für Flüge und Hotels hätten aliquot 1.853,33 DM für das Konzert betragen.

Sie sei auch nicht Schuldnerin der Vergütung im Sinne des § 50 a EStG. Sie unterhalte keine Betriebsstätte in der Bundesrepublik Deutschland. Ergänzend werde darauf hingewiesen, daß die amerikanischen Künstler aufgrund des DBA-USA Einkünfte in Höhe von jeweils 20.000 Dollar in Deutschland nicht zu versteuern hätten. Ein Betrag, der von den Musikern bei weitem nicht erreicht werde.

Die Haftungsinanspruchnahme gemäß § 50 a Abs. 5 EStG sei unrechtmäßig. Die Haftung könne nur eine tatsächliche Steuerschuld und nicht eine fiktive, materiell-rechtlich nicht bestehende Steuerschuld betreffen. Voraussetzung sei die materielle Steuerpflicht des beschränkt Steuerpflichtigen. Nicht-Steuerpflichtige und beschränkt Steuerpflichtige (z. B. Künstler), die aufgrund geringen Einkommens keine oder geringe steuerpflichtige Einnahmen erzielen würden, unterlägen nach materiellem Steuerrecht keiner Steuer oder nur einer geringen Steuer.

Die Besteuerungsansprüche des § 50 a Abs. 4 EStG würden hier durch das vorrangig geltende materielle Steuerrecht des DBA-Österreich überlagert. Danach sei der in Deutschland auftretende ausländische Künstler nicht in Deutschland steuerpflichtig.

Da der gemäß § 50 a Abs. 4 EStG Einbehalte- und Abführungspflichtige nicht Steuerpflichtiger sei, dürfe gegen ihn auch keine Steuerfestsetzung ergehen. Das habe zur Folge, daß der Haftungsschuldner in der Regel auch nicht die Bestimmungen des § 50 a EStG anzuwenden habe, da er nicht nach eigenem Ermessen Steuern erheben, ermäßigen oder freistellen könne, da er nicht die Einkünfte (Einnahmen abzüglich Unkosten) kenne. Eine Verpflichtung zum Einbehalt einer Übermaßbesteuerung sei gesetzlich nicht gedeckt. Soweit der Einbehaltungspflichtige hafte gelte § 191 AO, was bedeute, daß § 155 AO keine Anwendung finden könne, ebenso nicht § 162 AO. Das habe zur Folge, daß eine Haftung nicht durchgeführt werden dürfe, ohne das ein Steuerbescheid vorliege. Eine Schätzung nach § 162 AO sei nicht zulässig, da die Steuerfestsetzung nur gegenüber dem Steuerschuldner erlaubt sei und nicht gegenüber dem Haftungsschuldner.

Der Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 EStG führe zu einer verfassungswidrigen Übermaßbesteuerung, die gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz und Artikel 14 Grundgesetz verstoße. Dem Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 EStG unterlägen die gesamten Einnahmen. Abzüge für Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben und Steuern seien nicht zulässig. Zusätzlich würden Sachaufwendungen, die von Dritten getragen würden, wie z.B. Tagesdiäten, Reisekosten, Hotelkosten etc., also Beträge, die als steuerfreie Einnahmen im Sinne des § 3 EStG Inländern unversteuert ausgezahlt würden, hinzugerechnet und einem Steuerabzug unterworfen. § 50 a Abs. 4 EStG würde daher bereits vom Ansatz her nicht die Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Steuerpflichtigen gewährleisten. Durch die Nichtberücksichtigung der steuerfreien und nicht steuerpflichtigen Einnahmen trete eine Übermaßbesteuerung ein, weil die Steuer nicht selten höher sei als das gesamte Einkommen.

Wesentliches Merkmal einer Einkommensbesteuerung sei, daß die Einkommensbesteuerung einen Grundfreibetrag (§ 32 a EStG) und einen den Leistungen entsprechenden Steuersatz aufweise. Ob dieser Steuersatz überhaupt in Form einer pauschalen Quellenbesteuerung erhoben werden dürfe, sei fraglich, zumindest müsse die Möglichkeit einer dem tatsächlichen Einkommen entsprechenden Besteuerung geboten werden. Dies werde den ausländischen Künstlern verwehrt. Dies verstoße gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Leistungsprinzip).

Der Steuerabzug gemäß § 50 a Abs. 4 EStG verstoße auch gegen EG-Recht. Er verletzte Artikel 49 des EG-Vertrages. Die Sache sei dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorzulegen. Die Besteuerung von Ausgaben stelle eine Diskriminierung der Abkommensberechtigten dar. Der Steueranspruch nach § 50 a Abs. 4 EStG sei i.V.m. dem DBA auf das im Abkommen vereinbarte Besteuerungsrecht zu reduzieren. Zudem müsse aufgrund des Rechtsschutzabkommens mit Österreich die steuerliche Gleichbehandlung der Abkommensberechtigten erfolgen, was zur Zeit im innerstaatlichen Recht gar nicht vorgesehen sei und, wie im gegenständlichen Verfahren aufgezeigt werde, auch nicht von der Finanzverwaltung erwünscht sei, da bei kleineren oder niedrigeren steuerpflichtigen Einkünften dann keine Steuern anfallen würden.

Der Haftungsschuldner habe ferner Anspruch darauf, daß die Finanzverwaltung ihrer Amtspflicht nachkomme und für die Beitreibung und Sicherstellung der Steuerschuld durch den Steuerschuldner sorge. Die Haftung gemäß § 50 a Abs. 5 EStG sei eine Ausfallhaftung. Die Haftungsvoraussetzung sei die objektive Uneinbringlichkeit der Abgabe. Es bestehe kein Ermessen der Behörde, mittels willkürlicher Ermessensentscheidung (weil es vielleicht einfacher und bequemer sei) beim Haftungsschuldner Steuern einzufordern, von denen der Steuerpflichtige nicht einmal informiert worden sei (kein Steuerbescheid) und damit auch um jedes Rechtsmittel gebracht werde und die er vom Umfang her nicht schulde. Da sowohl sie, die Klin., wie auch die Künstler ausländische Steuerpflichtige seien, gebe es keinen Grund, die Künstler nicht direkt in Anspruch zu nehmen, falls vermeintlich eine Steuerpflicht angenommen werden sollte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Telefax der Klin. vom 22.05.2001 und auf die Anlagen hierzu verwiesen.

Die Klin. beantragt,

den Haftungsbescheid vom 10.12.1996 und die Einspruchsentscheidung vom 22.01.1997 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält an seiner Rechtsauffassung, daß die Klin. wegen des unterbliebenen Steuerabzugs aus der Vergütung, die das o.g. Gitarren-Quartett von der Klin. erhalten habe, hafte. Für diese Vergütung könne das o.g. Gitarren-Quartett unter den Voraussetzungen einer Steuerfreiheit nach dem DBA-USA noch einen Freistellungsbescheid beantragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom FA vorgelegten Steuerakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 23.05.2001 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der Haftungsbescheid vom 10.12.1996 ist rechtmäßig und verletzt die Klin. nicht in ihren Rechten.

Das FA durfte die Klin. gemäß § 50 a Abs. 5 Satz 5 EStG im Haftungswege in Anspruch nehmen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen vor.

Nach dieser Vorschrift haftet u.a. der Schuldner von Vergütungen im Sinne des § 50 a Abs. 4 EStG für die Einbehaltung und Abführung der Steuer. Die Klin. war verpflichtet wegen der Vergütungen, die sie an die 4 amerikanischen Künstler (Musiker) zu zahlen hatte, deutsche Einkommensteuer einzubehalten. Denn bei den von ihr als ausländische (österreichische) Gesellschaft an die in den USA wohnenden Künstler zu zahlenden Honorare handelt es sich um Vergütungen im Sinne des § 50 a Abs. 4 EStG.

Dabei muß es sich um Vergütungen handeln, bei denen der Vergütungsgläubiger (hier: die 4 amerikanischen Künstler) wegen der Vergütungen als beschränkt Steuerpflichtiger deutsche Einkommensteuer zu zahlen hat. Das ist der Fall.

Nach der hier allein in Betracht kommenden Regelung des § 50 a Abs. 4 Nr. 2 EStG wird die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen im Wege des Steuerabzugs erhoben u.a. bei Einkünften aus der Ausübung einer Tätigkeit als Künstler (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 - 4 EStG). Das FA meint zu Recht, daß hier die 4 ausländischen Musiker wegen ihres Auftritts in Deutschland gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig sind. Nach dieser Vorschrift sind inländische Einkünfte im Sinne des § 1 Abs. 4 EStG u.a. Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG), die im Inland ausgeübt worden ist.

Die 4 Musiker aus den USA haben hier in Deutschland bei dem von ihnen gegebenen Konzert eine selbständige Arbeit im Inland ausgeübt. Sie haben aus dieser von ihnen ausgeübten selbständigen Arbeit zwar vom deutschen Veranstalter W. direkt keine Einkünfte (Einnahmen) erhalten. Einen derartigen Anspruch hatten sie nicht. Der deutsche Konzertveranstalter W. hat entsprechend dem mit der Klin. geschlossenen Vertrag eine feste Gesamtvergütung an die Klin. gezahlt. Für die direkte Bezahlung der Künstler und für die Tragung weiterer Kosten war nach dem Vertrag nicht W. sondern die Klin. in Österreich zuständig. Die 4 Künstler aus den USA haben aber dadurch inländische Einkünfte erhalten, daß sie mit der Durchführung ihres Konzertes in Deutschland gleichzeitig eine Forderung gegenüber der Klin. erhalten haben, die das vereinbarte Honorar ihnen schuldete.

Die Klin. hat hier zu Unrecht die deutsche Einkommensteuer nicht einbehalten und nicht an den Bekl. als das hierfür zuständige FA abgeführt. Eine Freistellung hiervon gemäß § 50 d Abs. 3 EStG hat die Klin. bzgl. der Vergütungen, die sie gegenüber den vier amerikanischen Künstlern schuldete, nicht beantragt. Das Bundesamt für Finanzen hat im vorliegenden Fall bisher nur eine Freistellungsbescheinigung für den Steuerabzug erteilt, der von der inländischen Konzertdirektion W. für das feste Honorar vorzunehmen war, daß die inländische Konzertdirektion der Klin. schuldete.

Gemäß § 50 a Abs. 5 Satz 5 EStG haftet die Klin. als Schuldnerin des von ihr gegenüber den 4 amerikanischen Künstlern geschuldeten Honorars für die Einbehaltung und Abführung der Steuer.

Die Klin. kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß sie für die Einkommensteuer der beschränkt steuerpflichtigen Künstler aus den USA deshalb nicht hafte, weil diese nach dem DBA-Österreich mit ihren im Inland erzielten Einkünften hier steuerfrei seien. Zwar setzt gemäß § 151 Abs. 5 AO grundsätzlich der Erlaß eines Haftungsbescheides für Steuern eines Dritten das Bestehen eines Steueranspruches voraus. Diese Haftungsakzessorietät ist aber im vorliegenden Fall gemäß § 50 d Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 EStG durchbrochen.

Gemäß § 50 d Abs. 1 Satz 1 EStG sind u.a. dann, wenn Einkünfte, die dem Steuerabzug aufgrund des § 50 a EStG unterliegen und nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht oder nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden können, die Vorschriften über die Einbehaltung, Abführung und Anmeldung der Steuern durch den Schuldner der Vergütungen im Sinne des § 50 a EStG ungeachtet des Abkommens anzuwenden.

Nach Satz 2 bleibt der Anspruch des Gläubigers der Vergütungen auf völlige oder teilweise Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Steuern unberührt; der Anspruch ist durch Antrag nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck geltend zu machen.

Nach Satz 4 dieser Vorschrift kann sich der Schuldner im Haftungsverfahren nicht auf die Rechte des Gläubigers aus dem Abkommen berufen.

Die Vorschrift des § 50 d Abs. 1 Satz 4 EStG soll im Anschluß an Satz 1 den vollen Abzug und die Haftung unabhängig von DBA-Vorbehalten sicherstellen. Dadurch sollen die Vergütungsschuldner im eigenen Haftungsinteresse den durch § 50 d EStG vorgeschriebenen Abzug bei allen nach DBA steuerfreien Einkünften vornehmen, schon um den Steuerschuldner zur Vorlage einer Wohnsitz- und Freistellungsbescheinigung anzuhalten. In Zweifelsfällen kann nur dieser die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nachweisen, weshalb ihn gemäß §§ 90 Abs. 2 AO, 76 Abs. 1 Satz 1 FGO eine besondere Mitwirkungspflicht trifft (vgl. Heinicke in Schmidt, EStG 19. Auflage § 50 d Rdn. 12, 13 m.w.N.).

§ 50 d Abs. 1 Satz 2 EStG zwingt die in den USA ansässigen 4 Künstler, eine möglicherweise nach dem DBA gegebene Steuerbefreiung entweder in einem Freistellungs- oder in einem Erstattungsverfahren geltend zu machen. In einem dieser beiden Verfahren müssen die in den USA ansässigen Künstler eine Bescheinigung der zuständigen amerikanischen Steuerbehörde vorlegen, aus der sich ergibt, daß sie im Sinne des DBA in den USA ansässig sind. Auf diese Weise wird sichergestellt, daß das DBA zutreffend angewendet wird und daß die ggfls. in der Bundesrepublik zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung steuerbefreiten Einkünfte zumindest im Wohnsitzstaat steuerlich erfaßt werden können.

Die in § 50 d Abs. 1 Satz 1 getroffene Regelung ist rechtmäßig. Insoweit verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des BFH in seinen Urteilen vom 13.07.1994 I R 120/93 BStBl. II 1995, 129 und vom 17.05.1995 I B 183/94 BStBl. II 1995, 781).

Entgegen der Auffassung der Klin. hat das FA auch sein Ermessen beim Erlaß des Haftungsbescheides im Sinne des § 191 AO zutreffend ausgeübt. Zum einen steht hier nicht mit Sicherheit fest, ob die Voraussetzungen gemäß § 50 a Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 EStG für den Erlaß eines Nachforderungsbescheides gegenüber den 4 amerikanischen Musikern vorlagen. Denn die Klin. hat in keinem Verfahrensstand konkrete Angaben darüber gemacht, ob sie gegenüber den amerikanischen Künstlern die Vergütung nicht vorschriftmäßig gekürzt hat und diese nur nicht vorschriftsmäßig an das FA abgeführt hat. Aber auch wenn man davon ausgeht, daß die Klin. die Vergütungen gegenüber den Künstlern nicht vorschriftsmäßig gekürzt und demgemäß das FA auch die 4 amerikanischen Künstler durch Nachforderungsbescheide gemäß § 50 a Abs. 5 Satz 6 Nr. 1 EStG hätte in Anspruch nehmen können, hat das FA ermessensgerecht die Klin. per Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Das FA hat insoweit in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, die Auswahl, die Klin. durch Haftungsbescheid in Anspruch zu nehmen, sei ermessensgerecht, da sie im großen Maße ihre Mitwirkungspflicht verletzt habe und eine Inanspruchnahme der Künstler mangels bekannten Aufenthalts im Ausland ohne Aussicht auf Erfolg sei.

Diese Ermessenserwägungen sind nicht zu beanstanden. Denn bei der Auswahl der in Anspruch zu nehmenden Personen durfte das FA zu Recht mit auf den Gesichtspunkt abstellen, daß der Haftungsanspruch kurzfristig zu realisieren war (vgl. Finanzgericht Münster Urteil vom 27.02.1996, 15 K 3290/95 U EFG 1996, 619).

Entgegen der Auffassung der Klin. hängt die Haftungsinanspruchnahme gemäß § 50 a Abs. 5 EStG nicht davon ab, daß die Einkommensteuer beim Steuerschuldner uneinbringlich ist. Zwar darf ein Haftungsschuldner gemäß § 219 Satz 1 AO auf Zahlung nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben ist, oder anzunehmen ist, daß die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Gemäß § 191 Satz 2 AO gilt diese Einschränkung jedoch u.a. dann nicht wenn, der Haftungsschuldner - wie hier die Klin. - gesetzlich verpflichtet war, Steuern einzubehalten und abzuführen.

Das FA war entgegen der Auffassung der Klin. im Rahmen des § 191 AO zur Schätzung gemäß § 162 AO berechtigt. Die Möglichkeit der Schätzung muß auch bei der Inanspruchnahme des Haftenden gegeben sein. Die Interessenlage ist dieselbe wie bei der Steuerfestsetzung, so daß § 162 Abs. 1 AO analog angewendet werden muß (vgl. Tipke/Kruse, AO, Stand Oktober 1999, § 191 Rdn. 117 m.w.N.).

Das FA war zur Schätzung der Vergütungen, die die Klin. gegenüber den 4 amerikanischen Künstlern schuldete, berechtigt, da sie diese weder ermitteln noch berechnen konnte. Die Klin. hat hierzu trotz Aufforderung durch das FA keine Angaben in Form einer Anmeldung gemacht. Nach erfolgter Schätzung im Haftungsbescheid vom 10.12.1996 hat das FA nochmals im Schreiben vom 27.12.1996 darauf hingewiesen, daß es der Klin. unbenommen bleibe, die tatsächlichen Werte nachzuweisen.

Das Gericht hält die vom FA im Schätzungswege zugrundegelegte Honorarzahlung an die amerikanischen Künstler in Höhe von 9.000 DM für zutreffend. Die Klin. hat auch im gerichtlichen Verfahren keine andere Höhe der Zahlung nachgewiesen. Dazu wäre sie aber aufgrund der Beweisnähe verpflichtet gewesen. Ihre Angaben im Telefax, das sie einen Tag vor der mündlichen Verhandlung an das Gericht geschickt hat, sie habe lediglich 7.000 DM an die 4 Künstler gezahlt, führt zu keinem anderen Ergebnis. Für diese Behauptung hat sie keinen Nachweis erbracht, obwohl bereits das FA im Schreiben vom 27.12.1996 ihr deutlich gemacht hat, daß sie eine andere (als die geschätzte) Höhe des Honorars nachweisen müsse.

Der Senat sieht in der Nichtvorlage eines geeigneten Beweismittels (z.B. Kontoauszug oder Quittung) eine schuldhafte Verletzung der steuerlichen Mitwirkungspflichten der Klin. Da die Tatsachen und Beweismittel aus dem Wissens- oder Tätigkeitsbereich der Klin. stammen und sie außerdem bei Auslandssachverhalten gemäß § 90 Abs. 2 AO eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft, führt dies im vorliegenden Fall in rechtsanaloger Anwendung des § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz i.V.m. § 162 AO und des § 444 ZPO zu einer Begrenzung der Sachaufklärungspflicht und zu einer Minderung des Beweismaßes (vgl. BFH-Urteil vom 15.02.1989) X R 16/86 BStBl. II 1989, 462; Tipke/Kruse, FGO Stand April 1999, § 96 Rdn. 70 ff). Der Senat zieht aus dem Verhalten der Klin. den Schluß, daß sie gar nicht in der Lage ist, die von ihr behauptete Zahlung von lediglich 7.000 DM an die 4 amerikanischen Künstler nachzuweisen, weil sie dieses ansonsten schon längst getan und nicht nur einen Tag vor der mündlichen Verhandlung eine entsprechende Behauptung aufgestellt hätte.

Die Klin. kann sich ebenfalls nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der in § 50 a Abs. 4 Satz 2 - 4 EStG geregelte Steuerabzug in Höhe von 25 v.H. der Einnahmen, wobei Abzüge z.B. Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben und Steuern nicht zulässig sind, verfassungswidrig sei und gegen das EG-Recht verstoße.

Das ist nicht der Fall. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des BFH im Urteil vom 20.04.1988 I R 219/82, BStBl. II 1990, 701.

Eine aus der Bruttobesteuerung bei beschränkt Steuerpflichtigen ohne Veranlagungsmöglichkeit sich ergebende Mehrbesteuerung halten der BFH, das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof im Grundsatz für sachgerecht und verfassungsmäßig. Ausnahmefälle einer konfiskatorischen Übermaßbesteuerung werden ggfls. durch verfassungsrechtlichen Anspruch auf Billigkeitserlaß gemindert, § 50 Abs. 7 EStG bzw. §§ 163, 227 AO (vgl. dazu Heinicke in Schmidt a.a.O. § 1 Rdn. 4 m.w.N.).

Eine weitere gesetzlich kodifizierte Vergünstigung in Fällen - wie der hier vorliegende - besteht in der in § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG im Jahressteuergesetz 1997 rückwirkend ab 1996 geregelten Ausnahme vom abgeltenden Steuerabzug nach § 50 a Abs. 4 EStG. Dabei handelt es sich zwar nicht um Veranlagungsverfahren wie in § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 EStG, aber um ein vereinfachtes Festsetzungs-(Erstattungs-) Verfahren. Der Hintergrund der Regelung ist, daß der abgeltende Steuerabzug zur Überbesteuerung führt, wenn die Betriebsausgaben/Werbungskosten 50 v.H. der Einnahmen übersteigen (der Abzugsbetrag von 25 v.H. beruht auf der Fiktion eines Steuersatzes von 50 v.H. auf Einkünfte in Höhe von 50 v.H. der Einnahmen).

Die 4 amerikanischen Künstler gehören grundsätzlich zum Personenkreis dieser Regelung. Die Regelung ist auch auf die Vergütungen, die die 4 Musiker von der Klin. erhalten haben, zeitlich anwendbar, weil die Vergütungen nach dem 31.12.1995 zugeflossen sind. Es ist hier aber davon auszugehen, daß die 4 amerikanischen Künstler von dieser Regelung bereits deshalb kein Gebrauch gemacht haben, weil die von ihnen selbst zu tragenden Aufwendungen äußerst gering waren. Denn nach der hier zwischen der inländischen Konzertdirektion W. und der Klin. getroffenen Regelung übernahm die Klin. die anfallenden Kosten für Honorare, Reisen, Unterkunft und Verpflegung der Künstler.

Was den Verstoß gegen das EG-Recht angeht, können sich die 4 amerikanischen Künstler hierauf ohnehin nicht berufen, weil sie als Amerikaner keine EG-Bürger sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.s

Ende der Entscheidung

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