Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: 8 K 1363/06 GrE
Rechtsgebiete: ZVG


Vorschriften:

ZVG § 114a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

8 K 1363/06 GrE

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Gestritten wird um die Rechtsfrage, ob die bei der Zwangsversteigerung eines Grundstücks eintretende Befriedigungsfiktion nach § 114a Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) Bestandteil der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage ist, sofern der Meistbietende und Ersteher des Grundstücks verpflichtet ist, die nach der Zwangsversteigerung verbliebene Restforderung an den ursprünglichen Gläubiger zurück abzutreten.

Eigentümerin der in 00000 L, A-Str. 10 und 12 belegenen Immobilie war die HD Immobilien-Verwaltung KG (im weiteren D KG genannt). Das Grundstück war belastet mit einer erstrangigen Briefhypothek zu Gunsten der LQ VVaG aufgrund eines Darlehensvertrags über EUR 5.417.137,48. Rechtsnachfolgerin der LQ VVaG ist die WQ VVaG (im weiteren WQ genannt).

Als die Forderung notleidend wurde, leitete die WQ gegen die D KG das Zwangsversteigerungsverfahren beim Amtsgericht (AG) T ein. Der Wert des Grundstücks wurde gem. § 74a Abs. 5 ZVG vom Gericht auf EUR 4.150.000,-- festgesetzt.

Trotz des eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahrens bemühte sich die WQ, die D KG zu einem freihändigen Verkauf des Objekts zu bewegen. Hauptinteressentin war die Klägerin (Klin.). Ursprünglich war im Herbst 2004 geplant, die Immobilie zu einem Kaufpreis von EUR 1.500.000,-- an die Klin. zu veräußern. Nachdem die D KG von diesem Vorhaben allerdings Abstand genommen hatte, suchten die WQ und die Klin. Wege, wie ein Eigentumserwerb der Klin. gesichert werden konnte. Hierbei nahmen die Klin. und die WQ von einer bereits notariell vorformulierten Ausbietungsgarantie in Höhe eines Betrags von EUR 1.500.000,-- Abstand und schlossen am 2.12.2004 einen schriftlichen Kauf- und Abtretungsvertrag, in dem es auszugsweise wörtlich wie folgt heißt:

"§ 1

Vertragsgegenstand

Liste in den Originaldaten

Der WQ steht aus dem Darlehensvertrag [...] eine Darlehensforderung über EUR 5.417.137,48 [...] zu. Die Forderung ist besichert durch eine erstrangige Briefhypothek auf dem Grundstück A-Str. 10, 00000 L, [...] i.H.v. EUR 5.417.137,48 [...]. Diese Darlehensforderung [...] valutiert zum 30.10.2004 noch mit EUR 5.417.137,48 [...].

Liste in den Originaldaten

[...]

§ 2

Verkauf der Forderung

Liste in den Originaldaten

Die WQ [...] verkauft an die Käuferin (Anm.: die Klin.) die unter § 1 Absatz 1 angeführte Darlehensforderung.

Liste in den Originaldaten

Die Kaufpreis beträgt EUR 1.500.000,-- [...].

§ 3

Abtretung der Forderung

Liste in den Originaldaten

In Erfüllung des Kaufvertrages gem. § 2 dieses Vertrages tritt die WQ hiermit [...] ihre Rechte aus dem in § 1 Abs. 1 dieses Vertrages genannten Darlehensvertrag an die Käuferin ab.

Liste in den Originaldaten

Die Käuferin nimmt die Abtretung [...] an.

§ 4

Abtretung der dinglichen Sicherheit

Liste in den Originaldaten

Im Grundbuch [...] ist für die Absicherung der Darlehensforderung [...] eine Briefhypothek [...] eingetragen.

Liste in den Originaldaten

Die WQ übergibt nach Wegfall der aufschiebenden Bedingung gem. § 5 dieses Vertrages den in Absatz 1 dieses Paragraphen genannten Hypothekenbrief.

Liste in den Originaldaten

[...]

§ 5

Aufschiebende Bedingung

Die dinglichen Abtretungserklärungen gem. § 3 und § 4 dieses Vertrages werden erst mit Ablauf des Tages rechtswirksam, an dem der Kaufpreis [...] auf das Konto der WQ [...] eingeht.

[...]

§ 7

Pflichten der Käuferin

Rückabtretung der Forderung

Liste in den Originaldaten

Die Käuferin verpflichtet sich nach Durchführung dieses Vertrages über die Darlehensforderung [...] keine weiteren Verfügungen vorzunehmen und sie insbesondere nicht an einen Dritten abzutreten (Folgeabtretung).

Liste in den Originaldaten

Die Käuferin verpflichtet sich, die gegen die HD Immobilien-Verwaltung KG verbleibende Restforderung nach Abschluss der dinglichen Verwertung der Immobilie zurück abzutreten. [...]

Liste in den Originaldaten

Die Käuferin verpflichtet sich ferner, keinerlei schuldrechtliche Vereinbarungen, insbesondere keine Restschuldvereinbarung hinsichtlich der Darlehensforderung mit der HD Immobilien-Verwaltung KG zu treffen oder Forderungsverzichte und Ähnliches zu erklären.

Liste in den Originaldaten

Leistet die HD Immobilien-Verwaltung KG während des Zeitraums, in welchem die Käuferin Forderungsinhaberin ist, Zahlungen, verpflichtet sich die Käuferin diese im Rahmen der Rückabtretung der Restforderung [...] herauszugeben. [...]

Liste in den Originaldaten

[...]

Liste in den Originaldaten

Verstößt die Käuferin gegen eine der vorgenannten Verpflichtungen und entsteht der WQ daraus ein wirtschaftlicher Schaden, verpflichtet sich die Käuferin, die WQ vollumfänglich freizustellen.

§ 8

Gewährleistung

Liste in den Originaldaten

Für Güte und Einbringlichkeit der [...] verkauften Forderung wird eine Gewährleistung ausgeschlossen. Ebenso haftet die WQ als Verkäuferin der [...] Forderung nicht gem. § 453 BGB für deren Bestand. [...].

Liste in den Originaldaten

Die Käuferin hat über die dingliche Verwertung hinaus kein Interesse an der Durchsetzung der Forderung gegenüber dem Schuldner. Dennoch ist der Käuferin bekannt, dass die Darlehensforderung in höchstem Maße notleidend ist. Eine Realisierung der Forderung erscheint nach dem derzeitigen Sachstand nicht wahrscheinlich. [...]

Liste in den Originaldaten

[...]

[...]"

In der Folgezeit wurde das Zwangsversteigerungsverfahren mit Beschluss des AG T vom 19.1.2005 für die Klin. fortgeführt. Im Versteigerungstermin vom 30.3.2005 blieb die Klin. Meistbietende mit einem Gebot von EUR 28.000,--. Mit Beschluss vom selben Tag wurde der Klin. das Grundstück unter Hinweis auf § 85a Abs. 3 ZVG zugeschlagen. Rechte Dritter blieben nicht bestehen.

Im Anschluss hieran trat die Klin. die verbliebene Restforderung i.H.v. EUR 2.512.137,-- (EUR 5.417.137,-- ./. EUR 2.905.000,--) an die WQ in öffentlich beglaubigter Form zurück ab. Dem Gericht liegt eine Abschrift vom 24.1.2008 vor, in der notariell beglaubigt wird, dass die Abschrift mit der Urschrift der Urkunde übereinstimme.

Mit Bescheid vom 18.4.2005 setzte der Beklagte (Bekl.) gegen die Klin. Grunderwerbsteuer (GrESt) i.H.v. EUR 101.675,-- fest. Zugrunde gelegt wurden hierbei das Meistgebot i.H.v. EUR 28.000,-- sowie nach § 114a ZVG ausgefallene Rechte i.H.v. EUR 2.877.000,--, die wie folgt ermittelt wurden:

 7/10 des Verkehrswerts des Objekts (EUR 4.150.000,--)EUR 2.905.000,--
./. Meistgebot EUR 28.000,--
Befriedigungsfiktion (§ 114a ZVG)EUR 2.877.000,--

Hiergegen richtete sich der Einspruch der Klin., mit dem sie im Wesentlichen wie folgt vortrug:

Die grunderwerbsteuerliche Gegenleistung beliefe sich lediglich auf EUR 1.500.000,--. Nur in dieser Höhe habe bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine persönliche Forderung der Klin. gegenüber der D KG bestanden. Ein weitergehendes Interesse an der Forderung habe - wie der Inhalt des Kauf- und Abtretungsvertrags zeige - für die Klin. nicht bestanden. Dass sich die Befriedigungsfiktion gem. § 114a ZVG nicht bei ihr - der Klin. -, sondern vielmehr bei der WQ realisiert habe, ergebe sich aus der Rückübertragungsverpflichtung der nach der Zwangsversteigerung verbliebenen Forderung. Der Forderungsverlust gem. § 114a ZVG sei ausschließlich in der Person der WQ eingetreten. Die Klin. sollte lediglich kurzfristig in eine Rechtsposition versetzt werden, die es ihr erlauben würde, das Grundstück zu ersteigern. Es habe sich um ein faktisch geliehenes Recht und nicht um ein Vollrecht für die Klin. gehandelt. Das Meistgebot sei daher lediglich für Rechnung der WQ abgegeben worden. Vor diesem Hintergrund müsse von einem Auftragserwerb für die WQ bzw. von einer Treuhänderschaft der Klin. ausgegangen werden, die in ihrer Person den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG erfüllt habe, allerdings lediglich zu einer Gegenleistung i.H.v. EUR 1.500.000,--.

Im Übrigen sei im Rahmen des Grundstückserwerbs auch in erheblichem Umfang Zubehör miterworben worden, welches nicht der GrESt unterliegen würde. Insoweit wird Bezug genommen auf eine im Zuge des Einspruchsverfahrens eingereichte Auflistung der VD GmbH vom 1.12.2005, in der der Wert der Zubehöranteile mit EUR 523.900,-- angegeben wurde.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 3.3.2006 reduzierte der Bekl. die GrESt auf EUR 90.278,-- und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er an:

Bei Erwerben im Wege der Zwangsversteigerung gehörten zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage sowohl das Meistgebot als auch die Befriedigungsfiktion nach § 114a ZVG (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Nr. 1 GrEStG). Die Klin. sei aufgrund des Kauf- und Abtretungsvertrags vom 2.12.2004 aus dem ersteigerten Grundstück befriedigungsberechtigt gewesen. Auch habe die Klin. - wie sich aus den Regelungen in § 8 des Vertrages ergebe - das volle wirtschaftliche Risiko für die erworbene Forderung getragen. Es seien keine Anzeichen dafür ersichtlich, dass die WQ das zwangsvollstreckungsrechtliche Geschehen beherrscht habe. Vielmehr habe die Klin. die dingliche Verwertung aus eigenem Recht und auf eigenes Risiko durchgeführt.

Da die Klin. das Grundstück zusammen mit Zubehör einheitlich durch Zuschlag erworben habe, sei die Gesamtgegenleistung nach Maßgabe der sog. "Boruttau'schen Formel" nach dem Verhältnis aufzuteilen, in dem der Wert des Grundstücks zum Wert der sonstigen Gegenstände stehe (Hinweis auf Sack in: Boruttau, GrEStG, 15. Aufl., § 9 Rz. 111). Dies ergebe eine Bemessungsgrundlage von EUR 2.579.376,97 und demnach eine festzusetzende GrESt i.H.v. EUR 90.278,--. Wegen der derzeitigen Unsicherheit über die Richtigkeit der Zubehörwerte ergehe die Steuerfestsetzung vorläufig gem. § 165 Abgabenordnung (AO).

Mit der hiergegen erhobenen Klage verfolgt die Klin. ihr außergerichtliches Vorbringen weiter. Im Wesentlichen trägt sie ergänzend und vertiefend vor:

Die Befriedigungsfiktion gem. § 114a ZVG gehöre aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls nicht zur grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage. Wirtschaftlich betrachtet sei die Befriedigungsfiktion nicht bei der Klin., sondern bei der WQ eingetreten. Letztere sollte nämlich wieder - wie vertraglich vereinbart - Inhaberin der Restforderung werden. Die Klin. habe angesichts dieses Umstands auch gar kein Interesse an der verbliebenen Forderung gehabt. Ausfallrisiken hätten die Klin. nicht getroffen. Sie sei nur zu Verfahrenszwecken - d.h. zur Abwicklung des Zwangsversteigerungsverfahrens - kurzfristig Inhaberin der Forderung geworden. Auch sei der Kaufpreis für die abgetretene Forderung nicht am Wert der Forderungen selbst, sondern ausschließlich am vereinbarten Preis für das Grundstück festgemacht worden. Die Klin. habe bei der Ersteigerung eher als Strohmann bzw. uneigennützige Treuhänderin agiert, da die WQ als Berechtigte das Grundstück aufgrund der im Kauf- und Abtretungsvertrag verankerten Pflichten ersteigern lassen habe und den Gegenwert des Grundstücks bereits im Vorfeld für die Überlassung dieser Rechtsposition vereinnahmt habe. Vor diesem Hintergrund müsse sich die WQ als Ursprungsgläubigerin nach § 114a ZVG so behandeln lassen, als habe sie selbst das Gebot abgegeben.

Mit Schreiben vom 1.2.2008 teilte die Klin. mit, dass der gemeine Wert des Grundstücks mit EUR 1.200.000,-- und der gemeine Wert des miterworbenen Inventars mit EUR 300.000,-- zu berücksichtigten sei.

Die Klin. beantragt,

den Bescheid über die GrESt vom 18.4.2005 in Gestalt der EE vom 3.3.2006 dahingehend zu ändern, dass die GrESt auf EUR 42.000,-- festgesetzt wird;

Ferner beantragt die Klin.,

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Verfahren für notwendig zu erklären.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen

und verweist zur Begründung im Wesentlichen auf seine EE.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die EE sowie die wechselseitigen Schriftsätze nebst beigefügter Anlagen.

Die Parteien haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Klage ist unbegründet. Die Entscheidung des Bekl., in Höhe der nach § 114a ZVG eingetretenen Befriedigungsfiktion eine weitere Gegenleistung für den Grundstückserwerb der Klin. anzunehmen, ist frei von Rechtsfehlern. Eine Rechtsverletzung der Klin. ist daher ausgeschlossen (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Grundstückserwerb der Klin. ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG steuerbar und auch steuerpflichtig. Hiernach unterliegt der GrESt auch das Meistgebot für ein inländisches Grundstück im Zwangsversteigerungsverfahren. Die Klin. war im Versteigerungstermin vom 30.3.2005 Meistbietende.

1. Bemessungsgrundlage für die GrESt ist regelmäßig - wie auch bei Erwerben im Zwangsversteigerungsverfahren - der Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Hierzu zählen neben dem Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG) auch die Beträge, hinsichtlich derer der Erwerber gemäß § 114a ZVG als aus dem Grundstück befriedigt gilt (BFH-Urteile vom 17. September 1975 II R 42/70, BFHE 117, 280, BStBl II 1976, 126; vom 16. Oktober 1985 II R 99/85, BFHE 145, 95, BStBl II 1986, 148; vom 15. November 1989 II R 71/88, BFHE 159, 241, BStBl II 1990, 228; vom 16. März 1994 II R 14/91, BFHE 174, 191, BStBl II 1994, 525; zuletzt vom 13. Dezember 2007 II R 28/07, BFH/NV 2008, 884; Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 9 Rdnr. 125; Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 9 Rdnr. 446). § 114a ZVG soll verhindern, dass ein zur Befriedigung aus dem Grundstück Berechtigter, der nur bis zur unteren Grenze seines weit höheren dinglichen Rechts bietet, wegen dieses Rechts von anderen nicht überboten wird und bei der Erlösverteilung ganz oder zum Teil ausfällt, seine Forderung aber dennoch behält, obwohl ihm das Grundstück weit unter Wert zugeschlagen wurde (BGH-Urteil vom 13. November 1986 IX ZR 26/86, BGHZ 99, 110). § 114a ZVG soll ferner einen Ausgleich dafür schaffen, dass andere potentielle Bieter erfahrungsgemäß von Geboten absehen, solange ein dinglich gesicherter Gläubiger innerhalb der Grenzen seiner Sicherheit bietet (BGH-Urteile vom 6. Juli 1989 IX ZR 4/89, BGHZ 108, 248; vom 9. Januar 1992 IX ZR 165/91, BGHZ 117, 8). Der zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigte Ersteher und der Schuldner (Eigentümer) werden damit rechtlich so gestellt, als ob der Berechtigte ein Gebot abgegeben hätte, das 7/10 des Grundstückswerts erreicht (Stöber, ZVG, 15. Aufl., § 114a Rdnr. 2.3). Die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich der Senat anschließt, ist verfassungsgemäß (BVerfG vom 26. April 1990 2 BvR 331/90, NJW 1990, 2375).

a. Im Streitfall ist in Person der Klin. die Befriedigungsfiktion gem. § 114a ZVG eingetreten. Die Klin. war, nachdem ihr im Dezember 2004 von der WQ die Darlehensforderung gegen die D KG und auch die dieser Forderung zugrundeliegende Hypothek übertragen worden war, zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigt (vgl. hierzu Stöber, ZVG, 15. Aufl., § 114a Rdnr. 2.4). Das Motiv für die Übertragung ist hierfür ebenso unbeachtlich wie der Umstand, dass sich die Klin. aufgrund der vertraglichen Abreden mit der WQ aus der Forderung nicht über den für den Grundstückserwerb erforderlichen Umfang hinaus wirtschaftlich befriedigen durfte (vgl. §§ 7, 8 Abs. 2 des Abtretungsvertrags vom 2.12.2004 sowie dessen Präambel). Auch liegt insoweit kein Scheingeschäft i.S. des § 117 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor, das zur Nichtigkeit sowohl der schuldrechtlichen Übertragungsvereinbarung als auch der dinglichen Abtretung der Darlehensforderung geführt hätte. Ein Scheingeschäft ist nämlich dann nicht gegeben, wenn der von den Parteien erstrebte Rechtserfolg gerade die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts voraussetzt (vgl. Heinrichs/Ellenberger in Palandt, BGB, 67. Aufl., § 117 Rdnr. 4 m.w.N.). Vorliegend war die Klin. bestrebt, dinglich Berechtigte des zur Versteigerung stehenden Grundstücks zu werden. Hierdurch war es ihr erst möglich, das Zwangsversteigerungsverfahren gegenüber potenziellen Mitbietern zu kontrollieren und den Zuschlag zu einem Meistgebot von unter 7/10 bzw. 5/10 des Grundstückswerts zu erhalten (§ 74b und § 85a Abs. 3 ZVG).

Da die Klin. nicht nur Meistbietende im Versteigerungstermin war, sondern ihr auch der Zuschlag erteilt wurde (§§ 81 Abs. 1, 82, 90 Abs. 1 ZVG), sie demnach Ersteherin des Grundstücks war, liegen auch die weiteren Voraussetzungen für den Eintritt der Befriedigungsfiktion gem. § 114a ZVG vor.

b. Dem Einwand der Klin., nicht sie selbst, sondern die WQ habe die Folgen des gesetzlichen Forderungsverzichts gem. § 114a ZVG gegenüber der D KG zu tragen gehabt, ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zwar zutreffend. Denn Grundlage der Vereinbarungen zwischen der Klin. und der WQ war, dass die Abtretung der Darlehensforderung nur für Zwecke des Zwangsversteigerungsverfahrens erfolgte und die Klin. zur Rückabtretung der um den Forderungsverzicht nach § 114a ZVG verminderten Forderung verpflichtet sein sollte. Für diesen zeitweisen Forderungserwerb hatte die Klin. an die WQ einen Betrag zu zahlen, der ausweislich des zur Gerichtsakte gereichten Entwurfs eines Kaufvertrags über das Grundstück bei freihändigem Verkauf den Preisvorstellungen der Vertragsparteien entsprach. Vor diesem Hintergrund konnte es der Klin. gleichgültig sein, dass mit ihrem Grundstückserwerb ein gesetzlicher Forderungsverzicht gem. § 114a ZVG gegenüber der D KG verbunden war und in welcher Höhe dieser eintrat. Belastete durch die Befriedigungsfiktion des § 114a ZVG war ausschließlich die WQ, die nach erfolgter Rückabtretung nicht mehr berechtigt war, ihre Forderung gegenüber der D KG in voller Höhe geltend zu machen.

Aus grunderwerbsteuerlicher Sicht ist dieser Einwand allerdings unbeachtlich. Die Befriedigungsfiktion gem. § 114a ZVG ist nach Auffassung des Senats auch dann als Gegenleistung mit in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen, wenn nicht der Ersteher, sondern ein Dritter mit den Folgen des gesetzlichen Forderungsverzichts wirtschaftlich belastet ist. Grund hierfür ist die Auslegung des Begriffs der "Gegenleistung" i.S. der §§ 8 Abs. 1, 9 GrEStG. Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerlichen Sinn gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt o d e r die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt. Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb müssen kausal verknüpft sein (vgl. nur BFH-Urteil vom 22. November 1995 II R 26/92, BFHE 179, 177, BStBl II 1996, 162; Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 8 Rdnr. 5). Hierbei ist allerdings nicht erforderlich, dass die Gegenleistung zwischen Grundstücksveräußerer und Grundstückserwerber ausgetauscht wird. Der Gegenleistungsbegriff der §§ 8 Abs. 1, 9 GrEStG ist vielmehr - abweichend von der bürgerlich-rechtlichen Betrachtungsweise - sachbezogen auf das Grundstück zu werten (BFH-Urteile vom 25. Januar 1989 II R 28/86, BFHE 156, 251, BStBl II 1989, 466; in BFHE 179, 177; Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 9 Rdnr. 18; Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 8 Rdnr. 5). Vor diesem Hintergrund ist auch eine solche Leistung Gegenleistung i.S. der §§ 8, 9 GrEStG, die der Veräußerer des Grundstücks aufgrund der Verpflichtung eines Dritten zu fordern berechtigt ist. Ein streng synallagmatisches Austauschverhältnis ist nicht vorausgesetzt (vgl. Viskorf in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 8 Rdnr. 16). Nichts anderes kann nach Auffassung des Senats gelten, wenn die Leistung des Dritten nicht aufgrund dessen schuldrechtlicher Verpflichtung gegenüber dem Grundstücksveräußerer, sondern - wie in den Fällen des § 114a ZVG - aufgrund gesetzlicher Fiktion erfolgt.

Diesen Grundsätzen folgend hat die Klin. als Entgelt für den Grundstückserwerb einen Betrag von EUR 28.000,--, das Meistgebot, gewährt. Der Veräußerer, die D KG, hat für die Veräußerung des Grundstücks einen gesetzlichen Forderungsverzicht i.H.v. 7/10 des Grundstückswerts abzüglich des Meistgebots (EUR 2.877.000,--) empfangen. Dieser Teil der Gegenleistung wurde zivilrechtlich von der Klin. als zu jener Zeit Berechtigte der Darlehensforderung, wirtschaftlich allerdings im Hinblick auf die vereinbarte Rückzession von der WQ erbracht. Für die Schuldnerin und Grundstückseigentümerin (D KG) war die Rückübertragungsvereinbarung ohne Belang. In jedem Fall bedurfte sie des Schutzes des § 114a ZVG. Mit oder ohne Rückübertragung der grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensforderung musste die D KG im Hinblick auf das lediglich geringe Meistgebot davor bewahrt werden, trotz des Eigentumsverlustes weiterhin noch in fast ungeschmälerter Höhe aus der Darlehensschuld verpflichtet zu sein. Auch aus diesem Grund rechtfertigt sich die Einbeziehung des Forderungsverzichts gem. § 114a ZVG in die Bemessungsgrundlage nach §§ 8, 9 GrEStG - und zwar unabhängig davon, wer die Folgen des Verzichts wirtschaftlich zu tragen hat.

c. Der Senat verkennt hierbei nicht, dass die Rechtsprechung des BFH die Einbeziehung der Befriedigungsfiktion in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage bislang auf § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG gestützt hat (BFH in BFHE 145, 95; in BFHE 159, 241; zuletzt BFH in BFH/NV 2008, 884). Nach dieser Vorschrift gehören zur Gegenleistung auch Leistungen, die der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt. Eine Subsumtion unter die vorgenannte Vorschrift ist unproblematisch, wenn sich die Befriedigungsfiktion nach § 114a ZVG - wie in den entschiedenen Fällen - sowohl zivilrechtlich als auch wirtschaftlich zu Lasten des Erstehers vollzieht. Geht man allerdings davon aus, dass die Befriedigungsfiktion wirtschaftlich bei einem Dritten zu Buche schlägt, handelt es sich nicht um eine zusätzliche Leistung des Erwerbers an den Veräußerer. Allerdings liegen nach Auffassung des Senats in dieser Konstellation die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG vor. Hiernach gehören zur Gegenleistung auch diejenigen Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstücks, d.h. ein Dritter, dem Grundstücksveräußerer dafür gewährt, dass dieser dem Erwerber das Grundstück überlässt. Die Grundstücksüberlassung muss der unmittelbare Hauptzweck der Leistung des Dritten sein (vgl. Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 9 Rdnr. 612). Hierbei steht nach Ansicht des Senats nicht entgegen, dass der Grundstückserwerb der Klin. durch staatlichen Hoheitsakt (Zuschlag) erfolgte und auch die Befriedigungsfiktion gem. § 114a ZVG kraft Gesetzes eintrat. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klin. und die WQ mit der Abtretungsvereinbarung vom 2.12.2004 einen Grundstückserwerb der Klin. im Zwangsversteigerungsverfahren bezweckten, der dazu führte, dass die gesicherte Darlehensforderung i.H.v. 7/10 des Grundstückswerts zum Erlöschen gebracht wurde. Eine solche Auslegung wird dem Erfordernis gerecht, den Begriff der Gegenleistung im grunderwerbsteuerlichen Sinne nicht personen- sondern grundstücksbezogen zu werten.

d. Nicht zu folgen ist der Klin. in ihrer Auffassung, ihr Grundstückserwerb sei (quasi) im Auftrag der WQ erfolgt bzw. sie - die Klin. - sei insoweit lediglich als uneigennützige Treuhänderin (bzw. als Strohmann) für die WQ aufgetreten. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die WQ selbst das streitgegenständliche Grundstück erwerben wollte und lediglich die Klin. zwecks Vermeidung der Folgen des § 114a ZVG zu einem Treuhands- oder Auftragserwerb "vorgeschickt" hätte. Nach Aktenlage und auch nach dem eigenen Sachvortrag der Klin. war es ausschließlich sie selbst, die das Grundstück erwerben wollte. Nachdem ein freihändiger Verkauf des Grundstücks an die Klin. gescheitert war, sollte durch die befristete Übertragung der Forderung und des Grundpfandrechts erreicht werden, dass die Klin. das Grundstück sicher im Zwangsversteigerungsverfahren erwerben konnte. Natürlich hätten die Vertragsbeteiligten den beabsichtigten sicheren Grundstückserwerb der Klin. auch durch ein Meistgebot der WQ im Zwangsversteigerungsverfahren und der anschließenden Abtretung der Rechte aus dem Meistgebot an die Klin. erreichen können. Offensichtlich aus Gründen der Vermeidung einer doppelten Belastung mit GrESt (vgl. hierzu BFH in BFHE 174, 191; Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 9 Rdnr. 128) wurde hiervon aber Abstand genommen. Der hier gewählte Weg eines direkten Grundstückserwerbs der Klin. begründet allerdings nicht die Annahme einer Treuhandschaft bzw. eines Auftragserwerbs für die WQ. Letztlich Erwerbende sollte die Klin. sein.

2. Der Senat sieht auch keine Veranlassung, die Höhe des vom AG T gem. § 74a Abs. 5 ZVG festgesetzten Grundstückswerts, der Bemessungsgrundlage für die Befriedigungsfiktion ist, in Zweifel zu ziehen. Regelmäßig ist der festgestellte Grundstückswert für das Prozessgericht bei der Bestimmung des Umfangs der zivilrechtlichen Tilgungswirkung des Zuschlags gemäß § 114a ZVG bindend (BGH in BGHZ 99, 110 sowie in BGHZ 117, 8), so dass insoweit auch grunderwerbsteuerrechtlich nichts anderes gelten kann (BFH in BFHE 159, 241; Bruschke, UVR 1995, 269, 271). Allerdings hat der BFH jüngst entschieden, dass eine derartige Bindungswirkung dann nicht bestehe, wenn mangels Rechtsschutzinteresses ein Antrag auf abweichende Festsetzung des Grundstückswerts gar nicht gestellt werden könnte. In diesem Fall könne - so der BFH - der Ersteher nicht mehr an einer etwaig überholten Festsetzung des Grundstückswerts festgehalten werden (BFH in BFH/NV 2008, 884 unter Hinweis auf BGH-Beschluss vom 27. Februar 2004 IXa ZB 298/03, NJW-RR 2004, 666). Im Streitfall fehlte der Klin. das Rechtsschutzinteresse für einen (etwaigen) Änderungsantrag. Die 7/10- und die 5/10-Grenze gem. § 74a Abs. 1 und § 85a Abs. 1 ZVG spielten für die Klin. als eine die Zwangsvollstreckung betreibende Grundpfandgläubigerin gem. § 74b bzw. § 85a Abs. 3 ZVG keine Rolle. Dennoch bestehen aus Sicht des Senats keine Anzeichen dafür, dass der Grundstückswert vom AG T der Höhe nach unzutreffend festgesetzt wurde bzw. zum Zeitpunkt des Meistgebots und Zuschlags wertmäßig überholt war. Insbesondere die Klin. hat hierzu nichts vorgetragen, so dass keine Veranlassung bestanden hat, der Frage der Höhe des Grundstückswerts aus Amtsermittlungsgrundsätzen nachzugehen. Dass die Klin. den vom AG festgesetzten Wert offensichtlich für zutreffend hielt, ergibt sich zudem daraus, dass der Vereinbarung über die Rückabtretung der Forderung an die WQ ein Betrag nach § 114a ZVG i.H.v. EUR 2.905.000,-- zugrunde gelegt wurde (7/10 des festgesetzten Grundstückswerts i.H.v. EUR 4.150.000,--).

3. Auch ansonsten bestehen gegen die Höhe der festgesetzten GrESt keine Bedenken. Im Rahmen der EE vom 3.3.2006 hat der Bekl. dem Umstand Rechnung getragen, dass die Klin. nach eigenen Angaben Zubehörteile im Wert von EUR 523.900,-- (vgl. Aufstellung vom 1.12.2005) miterworben hat. Diese unterliegen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GrEStG nicht der GrESt. Wird - wie vorliegend - ein Grundstück zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern, die nach § 2 GrEStG nicht als Teile des Grundstücks anzusehen sind, einheitlich zu einem Gesamtpreis (Gesamtgegenleistung) erworben, so ist die GrESt nur von dem Teil der Gegenleistung zu erheben, der auf das Grundstück entfällt. Die Gegenleistung ist nach dem Verhältnis zu verteilen, in dem der Wert des Grundstücks (hier EUR 4.150.000,--) zum Wert der sonstigen Gegenstände (hier EUR 523.900,--) steht, sog. Boruttau'sche Formel (vgl. BFH in BFHE 179, 177, Sack in Boruttau, GrEStG, 15. Aufl., § 9 Rdnr. 111). Insoweit wird hinsichtlich der weiteren Berechnungsgrundlagen auf die zutreffenden Ausführungen in der EE vom 3.3.2006 verwiesen (§ 105 Abs. 5 FGO).

4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

5. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Der BFH hatte sich - soweit ersichtlich - noch nicht mit der Frage zu beschäftigen, ob die Befriedigungsfiktion nach § 114a ZVG bei einem Grundstückserwerb im Rahmen der Zwangsversteigerung auch dann Bestandteil der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage ist, wenn der durch § 114a ZVG gesetzlich fingierte Forderungsverzicht des Berechtigten wirtschaftlich nicht beim Erwerber des Grundstücks, sondern bei einem Dritten zu Buche schlägt.



Ende der Entscheidung

Zurück