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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 15.08.2007
Aktenzeichen: 8 K 1813/05 GrE
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 14 Nr. 2
GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

8 K 1813/05 GrE

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt - FA -) es zu Recht abgelehnt hat, einen Grunderwerbsteuer (GrESt)-bescheid gem. § 16 GrEStG aufzuheben.

Die Klägerin (Klin.) ist befreite Vorerbin ihres am 21.09.2003 verstorbenen Ehegatten Dipl.-Ing. GN (= Erwerber). Dieser erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 30.09.1999 (UR-Nr. 286/1999 des Notars N1, C) von der L AG & Co. Liegenschaftsverwaltung in C verschiedene in der Gemarkung X Flur 13 gelegene Grundstücke, die u. a. mit einem an sechs Mietparteien vermieteten Wohnhaus sowie mit zu der ehemaligen Werksgärtnerei gehörenden Gebäuden, Aufbauten und Erweiterungen bebaut waren.

Die Besitzübergabe des Kaufobjektes erfolgte mit Vertragsschluss (§ 7 des Vertrages). Der Erwerber trat gem. § 8 des Vertrages in die bestehenden Mietverträge ein.

Gem. § 4 des Vertrages sollte die Übereignung des Kaufobjektes in dem Zustand erfolgen, in dem es sich zur Zeit befand, d. h. wie es stand und lag. Die Verkäuferin übernahm keine Gewähr für eine bestimmte Größe, Güte und Beschaffenheit des Kaufobjekts, für die Freiheit von Mängeln irgendwelcher Art sowie von solchen Rechten, Beschränkungen oder Belastungen zu Gunsten Dritter, die aus dem Grundbuch oder Baulastenverzeichnis nicht ersichtlich sind.

Der Kaufpreis betrug 4 Millionen DM. Er war 14 Tage nach Erteilung der rechtskräftigen Baugenehmigung seitens der Stadt C für das geplante Bauvorhaben auf dem Kaufobjekt fällig, spätestens am 10.06.2000 (§ 5 des Vertrages).

Der Kaufpreis entsprach bei der erworbenen Grundstücksflächengröße von insgesamt 7.343 qm einen Preis von 538 DM/qm.

In § 15 des Vertrages waren folgende Regelungen enthalten:

"a) Der Käufer ist berechtigt von diesem Vertrag bis zum 25.05.2000 zurückzutreten.

b) Für den Fall, dass die rechtskräftige Baugenehmigung zu dem geplanten Bauvorhaben des Käufers nicht zu dem genannten Zeitpunkt vorliegt, sichert die Verkäuferin die Möglichkeit der Verlängerung der Ausübung des Rücktrittsrechts um weitere drei Monate zu; vorausgesetzt, dass der Käufer sich seit Vertragsabschluss intensiv um das Baugenehmigungsvorhaben bemüht hat.

Im Falle der Verlängerung gem. der vorgenannten Bestimmung ist der Kaufpreis vom 10. Juni bis 25. August 2000 mit 6 % p.a. zu verzinsen.

c) Die Ausübung des Rücktrittsrechts hat durch eingeschriebenen Brief an die Verkäuferin und an den amtierenden Notar zu erfolgen.

d) Im Falle des Rücktritts tragen die Vertragsschließenden die Kosten dieses Vertrages je zur Hälfte.

e) Weitergehende Ersatzansprüche sind wechselseitig ausgeschlossen."

Der notarielle Vertrag wurde mit der Gehnehmigungserklärung der Geschäftsführer der Verkäuferin vom 27.10.1999 (UR-Nr. 1988/1999 des Notars N2, E) wirksam.

Das FA setzte gegenüber dem Erwerber ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 4 Millionen DM die Grunderwerbsteuer mit Bescheid vom 13.12.1999 in Höhe von 140.000 DM fest.

In einer notariellen Vereinbarung vom 23.05.2000 (UR-Nr. 124/2000 des Notars N1), bei der die L AG & Co. Liegenschaftsverwaltung durch Herrn NI als Vertreter ohne Vertretungsvollmacht vertreten wurde, vereinbarten die Vertragsbeteiligten auf Seite 2, unter Hinweis auf den Kaufvertrag vom 30.09.1999, folgendes:

"Die Frage der Bebaubarkeit des Kaufgrundstücks konnte bisher nicht abgeklärt werden.

Aus diesem Grunde vereinbaren die Vertragsbeteiligten nunmehr ergänzend, dass der Käufer das Rücktrittsrecht bis zum 30.09.2000 ausüben kann.

Die Erschienenen wurden darüber belehrt, dass die heute getroffene Vereinbarung bis zur Genehmigung der durch den Erschienenen zu 1) Vertretenen schwebend unwirksam ist.

Sollte die Genehmigung endgültig nicht erteilt werden, erklärt der Erschienene zu 2), dass hiermit für diesen Fall vorsorglich das im ursprünglichen Vertrag eingeräumte Rücktrittsrecht mit Wirkung per 25. Mai 2000 ausgeübt wird."

Die Geschäftsführer der L AG & Co. Liegenschaftsverwaltung erteilten schriftlich am 31.05.2000 die Genehmigung zu den Erklärungen des NI (vgl. notarielle Urkunde vom 13.06.2000 (UR-Nr.: 883/2000 des Notars N2, E)).

Entsprechende Vereinbarungen wurden in der notariellen Urkunde vom 28.09.2000 (UR-Nr. 241/2000 des o. a. Notars) getroffen, wobei die Vertragsbeteiligten vereinbarten, dass der Käufer das Rücktrittsrecht bis zum 30.06.2001 ausüben können solle. Das im ursprünglichen Vertrag eingeräumte Rücktrittsrecht übte der Erwerber in dieser Urkunde vorsorglich mit Wirkung zum 30.09.2000 aus.

Die Geschäftsführer der L AG & Co. Liegenschaftsverwaltung erteilten schriftlich am 06.11.2000 die Genehmigung zu den in der o. a. Urkunde abgegebenen Erklärungen des NI (vgl. notarielle Urkunde vom 17.11.2000 (UR-Nr.: 1523/2000 des Notars N2, E)).

Wegen der Einzelheiten wird auf die o. a. notariellen Verträge, die sich in der GrESt-Akte befinden, verwiesen.

Auch nach Ablauf der Frist vom 30.06.2001 bestand nach Angaben der Klin. zwischen den Vertragsbeteiligten Einigkeit, dass dem Erwerber das ihm gem. § 15 des Vertrages vom 30.09.1999 (UR-Nr. 286/1999 des o. a. Notars) zustehende Rücktrittsrecht auch ohne formelle notarielle Vereinbarung weiter zustehe.

In der notariellen Vereinbarung vom 16.12.2003 (UR-Nr. 587/2003 des Notars N1) - rechtswirksam aufgrund der Genehmigungserklärung der Verkäufer vom 19.12.2003 UR-Nr. 2182/2003 des Notars N1 - vereinbarten die Vertragsparteien unter Bezugnahme auf die o. a. notariellen Urkunden unter III. folgendes:

"Die Vertragsparteien stellen übereinstimmend fest, dass der dem Kaufvertrag zu grunde liegende Zweck einer Bebauung der Grundstücke durch den Käufer zu erreichen in absehbarer Zeit nicht verwirklicht werden kann, da weder mit einer Baugenehmigung durch die Stadt C noch mit einem durch die Stadt C zu verabschiedenden Bebauungsplan, der eine Bebauung durch den Käufer ermöglichen würde, zu rechnen ist."

Unter IV. trafen sie folgende Regelung:

"Die Vertragsschließenden heben mithin den Kaufvertrag vom 30.09.1999 mit den in Ziff. II genannten Ergänzungsurkunden mit Wirkung von Anfang an auf. Sie verzichten auf die Geltendmachung von Erfüllungs- und Schadenersatzansprüchen."

Der beurkundende Notar reichte eine Kopie des Aufhebungsvertrages vom 16.12.2003 mit Schreiben vom 09.01.2004 beim FA zur geflissentlichen Verwendung ein.

Mit Schreiben vom 03.03.2004 beantragte die Klin. unter Hinweis auf die Aufhebungsvereinbarung vom 16.12.2003 die Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides und die Rückzahlung von 140.000 DM (= 71.850,86 Euro).

Dies lehnte das FA mit Bescheid vom 25.03.2004 ab, weil der Antrag auf Aufhebung der Grunderwerbsteuer gem. § 16 GrEStG wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist als zu spät gestellt anzusehen sei. Die Festsetzungsfrist sei am 31.12.2003 abgelaufen.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs trug die Klin. vor, es möge zwar sein, dass der Aufhebungsvertrag nicht innerhalb der Festsetzungsfrist dem FA zugeleitet und der Antrag auf Aufhebung nicht innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt worden sei. Darauf komme es jedoch letztlich nicht entscheidend an, da § 16 Abs. 4 GrEStG einschlägig sei. Trete nämlich ein Ereignis ein, das einen Anspruch auf Aufhebung oder Änderung einer bereits erfolgten Steuerfestsetzung begründe, so ende nach dieser Vorschrift die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Eintritt des Ereignisses. Damit ordne § 16 Abs. 4 GrEStG eine besondere Ablaufhemmung an. Sie ende auch hier gem. § 108 Abs. 2 AO mit Ablauf eines Jahres nach Eintritt des Ereignisses.

Es werde auch von der Klin. eingeräumt, dass die Zweijahresfrist für die Ausübung des Rücktrittsrechts überschritten worden sei. Es liege jedoch ein Fall des § 16 Abs. 4 GrEStG vor, sodass der Bescheid vom 13.12.1999 aufzuheben und der gezahlte Betrag zu erstatten sei.

Außerdem teilte die Klin. mit, dass ihr verstorbener Ehemann nicht als Eigentümer der betroffenen Grundstücke im Grundbuch eingetragen worden sei. Die beantragte Baugenehmigung für die Bebauung des Kaufgrundstückes sei seitens der Stadt C nicht erteilt worden. Es sei weder eine Kaufpreiszahlung noch eine grundbuchliche Eintragung erfolgt. Dies wurde durch einen vom FA eingeholten Grundbuchauszug des AG C bestätigt.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück (EE vom 07.04.2005). Es meinte, die Ablehnung der Aufhebung des GrESt-Bescheides vom 13.12.1999 sei zu Recht erfolgt, weil die in § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG genannte Zweijahresfrist überschritten worden sei. Die Steuer entstehe im Streitfall mit der Erteilung der Genehmigungserklärung zum notariellen Vertrag vom 30.09.1999 am 27.10.1999 durch die Geschäftsführer der L AG & Co. Liegenschaftsverwaltung. Die Voraussetzungen des § 14 Nr. 2 GrEStG seien damit erfüllt. Die Zweijahresfrist des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ende deshalb mit Ablauf des 27.10.2001. Der Aufhebungsvertrag sei jedoch erheblich später, d. h. am 16.12.2003 geschlossen worden. Eine Aufhebung gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sei damit nicht mehr möglich. Nur der fristgerechte Rücktritt stelle die Voraussetzung und somit das Ereignis i. S. d. § 16 GrEStG dar. Die Ablaufhemmung des § 16 Abs. 4 GrEStG sei daher aufgrund der Zweijahresfrist des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bedeutungslos.

Zur Begründung der hiergegen eingelegten Klage trägt die Klin. vor, die Regelungen im Vertrag vom 30.09.1999 würden den Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG erfüllen. Vertragsbedingung i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sei die Bebaubarkeit des erworbenen Grundstücks nach den Plänen des Erwerbers gewesen. Aus dem Vertrag gehe hervor, dass der Erwerber ein ganz bestimmtes Bauvorhaben verfolgt habe. Nur zu diesem Zweck habe er das Grundstück erworben. Zwischen den Parteien habe Einigkeit bestanden, dass der Erwerber den Kaufpreis nur dann zu zahlen haben sollte, wenn sich das Bauvorhaben realisieren ließe. Aus diesem Grunde sei die Fälligkeit des Kaufpreises an die Erteilung der rechtskräftigen Baugenehmigung geknüpft gewesen. Gleichzeitig habe § 15 a des Vertrages dem Erwerber das Recht eingeräumt, vom Vertrag bis zum 25.05.2000 zurückzutreten.

Ausweislich § 15 b des Vertrages habe die Verkäuferin dem Käufer die Möglichkeit eingeräumt, das Rücktrittsrecht auch noch drei Monate später auszuüben, sofern die Baugenehmigung am 25.05.2000 noch nicht vorliege. Daraus ergebe sich folgender Wille der Vertragsparteien: Der Erwerber habe zur Zahlung des Kaufpreises nur verpflichtet sowie an den Vertrag gebunden sein sollen, wenn die Bebaubarkeit des Grundstücks nach den Plänen des Erwerbs rechtskräftig festgestanden habe. Die Verkäuferin habe demzufolge das diesbezügliche Risiko des Käufers übernommen. Sie habe dafür einzustehen gehabt, dass das Grundstück nach den Plänen des Erwerbers bebaubar sein würde.

Der diesbezügliche Wille der Vertragsparteien folge aus § 5 a sowie aus § 15 des Kaufvertrages. Die Frage der Bebaubarkeit sollte einzig und allein in der Risikosphäre der Verkäuferin liegen. Der Käufer sollte nicht verpflichtet sein, den Kaufpreis zu zahlen und das Grundstück zu übernehmen, sofern dies nicht bebaubar gewesen sei. Für den diesbezüglichen Willen der Vertragsparteien berufe sich die Klin.

1.) auf das Zeugnis des Herrn Notar N1, der hiermit gleichzeitig von seiner Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden werde, und

2.) auf das Zeugnis des Herrn LC.

Hinsichtlich der Bebaubarkeit sei die allgemeine Regelung in § 4 des Kaufvertrages modifiziert worden. Da das Risiko der Bebaubarkeit ausschließlich bei der Verkäuferin habe liegen sollen, habe diese nach dem Willen der Vertragsparteien die Gewähr für die Bebaubarkeit des Grundstücks übernommen. Die Parteien hätten hierüber auch nie gestritten. Die Verkäuferin habe den Käufer nie auf Zahlung des Kaufpreises und Übernahme des Grundstücks in Anspruch genommen. Auf Grund der Absprachen zwischen den Parteien sei hierüber nie auch nur diskutiert worden.

Auch der Tatbestand des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sei erfüllt. Der Käufer habe sein Rücktrittsrecht bereits durch Urkunde vom 23.05.2000 (UR-Nr. 124/2000 des Notars N1) mit Wirkung zum 25.05.2000 ausgeübt. Die Zweijahresfrist habe mit Ablauf des 27.10.2001 geendet. Aufgrund der Ausübung des Rücktritts durch notarielle Urkunde vom 23.05.2000 mit Wirkung zum 25.05.2000 sei der Rücktritt demzufolge auch innerhalb der Zweijahresfrist gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfolgt. Dass die Bebaubarkeit des Kaufgrundstückes nach den Plänen des Erwerbers nicht gegeben gewesen sei, habe bis zum 27.10.2001 längst festgestanden.

Im Übrigen beruft sich die Klin. darauf, dass das FA in einem vergleichbaren Fall den GrESt-Bescheid gem. § 16 GrEStG aufgehoben habe. Das FA habe zuvor geprüft gehabt, ob der Kaufpreis auch wirksam zurückgezahlt worden sei. Im vorliegenden Fall sei es gar nicht erst zur Zahlung des Kaufpreises gekommen. Dementsprechend habe der Kaufpreis auch nicht zurückgezahlt werden müssen. Da sich in dem anderen Fall der zugrundeliegende Sachverhalt vom vorliegenden Sachverhalt nicht unterscheide, sei es für sie nicht einsichtig, warum das FA in ihrem Fall anders entscheide.

Die Klin. beantragt,

unter Aufhebung der EE vom 07.04.2005 sowie unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 25.03.2004 das FA zu verpflichten, den GrESt-Bescheid vom 13.12.1999 aufzuheben, und

hilfsweise

für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen, und

hilfsweise

für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Es beruft sich zur Begründung auf den Inhalt der EE und meint ergänzend, es könne dahinstehen, ob der von der Klin. angeführte Sachverhalt tatsächlich vergleichbar sei. Selbst wenn dieses der Fall wäre, begründe der aus Art. 3 GG abzuleitende Anspruch auf Rechtsanwendungsgleichheit keinen Anspruch auf Fortführung einer gesetzeswidrigen Verwaltungspraxis (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 25.01.2005 I B 79/04 BFH/NV 2005, 1232).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie auf die Grunderwerbsteuerakte des FA Bezug genommen.

Der Senat hat in diesem Verfahren am 15.08.2007 mündlich verhandelt. Das Gericht hat den Sohn des Erwerbers, Herrn BN, zu dem Ablauf der mündlichen Verhandlung im Zusammenhang mit den Verlängerungen des Rücktrittsrechts sowie der Vertragsaufhebung als Zeuge vernommen. Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird - auch hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme - verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Das FA hat zu Recht einen Anspruch der Klin. auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 13.12.1999 verneint. Ein derartiger Anspruch ergibt sich entgegen der Auffassung der Klin. weder aus § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG noch aus § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG.

Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, so wird nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG auf Antrag die Steuerfestsetzung u. a. dann aufgehoben, wenn die Rückgängigmachung durch Vereinbarung oder durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer stattfindet.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die GrESt entsteht im vorliegenden Fall gemäß § 14 Nr. 2 GrEStG mit Erteilung der Genehmigungserklärung zum Kaufvertrag vom 30.09.1999 am 27.10.1999 durch die Geschäftsführer der Verkäuferin. Die Zweijahresfrist des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG endet deshalb mit Ablauf des 27.10.2001. Der Vertrag, mit dem die Vertragsschließenden den Kaufvertrag vom 30.09.1999 einvernehmlich von Anfang an aufgehoben haben, ist jedoch erheblich später und zwar erst am 16.12.2003 geschlossen worden.

Die Klin. kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, sie habe ihr im Kaufvertrag gemäß § 15 vorbehaltenes Rücktrittsrecht bereits in der notariellen Vereinbarung vom 23.05.2000 (UR-Nr.: 124/2000 des Notars N1) mit Wirkung zum 25.05.2000 ausgeübt. Dies ist nicht der Fall.

Zwar ist die ungeklärte Frage der Bebaubarkeit des Kaufgrundstücks der Grund für die notarielle Vereinbarung vom 23.05.2000 gewesen. Darin ging es dem Erwerber aber nicht darum, dass er sein ihm im Kaufvertrag vom 30.09.1999 vorbehaltenes Rücktrittsrecht ausüben wollte. Für ihn kam es nur darauf an, rechtzeitig vor Ablauf der in § 15 des Kaufvertrages vom 30.09.1999 geregelten Frist zur Ausübung des Rücktrittsrecht (25.05.2000) eine Verlängerung dieser Frist zu erhalten. Ohne eine derartige Verlängerung wäre ansonsten der Kaufpreis aufgrund der Fälligkeitsvereinbarung in § 5 des Kaufvertrages unabhängig davon, ob zuvor eine rechtskräftige Baugenehmigung seitens der Stadt C für das geplante Bauvorhaben auf dem Kaufobjekt erteilt worden war, zur Zahlung fällig gewesen. Denn nach § 5 des Vertrages war der Kaufpreis in Höhe von 4.000.000 DM 14 Tage nach Erteilung der rechtskräftigen Baugenehmigung seitens der Stadt C fällig, spätestens am 10.06.2000.

Dementsprechend haben die Vertragsbeteiligten die Frist, bis zu der der Erwerber das Rücktrittsrecht ausüben konnte, entsprechend der Verlängerungsmöglichkeit im Kaufvertrag bis zum 30.09.2000 verlängert. Allerdings konnte der Erwerber dieses Ziel nur dann erreichen, wenn die am 23.05.2000 vereinbarte Verlängerung noch rechtzeitig vor dem 25.05.2000 wirksam wurde. Dies war jedoch keineswegs sicher, weil die Verkäuferin sich bei der Beurkundung von einem Vertreter ohne Vertretungsvollmacht hatte vertreten lassen und deshalb die vertragliche Regelung in der Urkunde vom 23.05.2000 (UR-Nr.: 124/2000 des Notars N1) schwebend unwirksam war. Hierüber sind die Vertragsbeteiligten bei Abfassung der Urkunde vom Notar dahingehend belehrt worden, dass die an diesem Tage getroffene Vereinbarung bis zur Genehmigung der durch den Erschienenen zu 1. Vertretenen schwebend unwirksam ist.

Nur hierauf bezieht sich der nächste Satz in der Urkunde vom 23.05.2000. Darin war geregelt, dass für den Fall, dass die Genehmigung endgültig nicht erteilt wurde, der Erwerber erklärt hatte, dass er hiermit für diesen Fall vorsorglich das im ursprünglichen Vertrag eingeräumte Rücktrittsrecht mit Wirkung zum 25.05.2000 ausübe.

Da diese unter Vorbehalt ausgeübte Rücktrittserklärung nur wirksam werden sollte, falls die Geschäftsführer der Verkäuferin nicht den Vertrag vom 23.05.2000 endgültig genehmigen sollten, ist diese Rücktrittserklärung hier nicht wirksam geworden, weil die Geschäftsführer der Verkäuferin den Vertrag vom 23.05.2000 mit Genehmigungserklärung vom 31.05.2000 genehmigt haben.

Die Klin. meint in der Klageschrift zu Unrecht, der letzte Satz in dem Vertrag vom 23.05.2000 ("sollte die Genehmigung endgültig nicht erteilt werden ...") beziehe sich auf eine endgültig nicht erteilte Baugenehmigung. Dies ist schon deshalb nicht zutreffend, weil vorher im Text der Vereinbarung vom 23.05.2000 von einer "Baugenehmigung" nicht die Rede war. Im 3. Absatz auf Seite 2 des Vertrages vom 23.05.2000 geht es nur darum, dass die Frage der Bebaubarkeit des Kaufgrundstücks bisher nicht geklärt werden konnte. Hinsichtlich der Frage der Bebaubarkeit ging es jedoch nicht nur um die Baugenehmigung sondern auch darum, ob die Stadt C einen Bebauungsplan verabschieden würde (vgl. dazu III. des Aufhebungsvertrages vom 16.12.2003).

Im Übrigen wäre es bei der von der Klin. gewollten Auslegung der Regelung im Vertrag vom 23.05.2000 unverständlich, warum sich die Vertragsbeteiligten des Kaufvertrages vom 30.09.1999 jeweils erneut vor Ablauf der Frist zur Ausübung des zugunsten des Erwerbers geregelten Rücktrittsrechts über eine Verlängerung des Rücktritts verständigt haben, wenn bereits - wie die Klin. meint - der Erwerber das Rücktrittsrecht einvernehmlich mit der Verkäuferin bereits in der Urkunde vom 23.05.2000 mit Wirkung zum 25.05.2000 ausgeübt haben soll.

Die Klin. hat auch gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG keinen Anspruch auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 13.12.1999.

Wird ein Erwerbsvorgang rückgängig gemacht, bevor das Eigentum am Grundstück auf den Erwerber übergegangen ist, so wird nach dieser Vorschrift auf Antrag die Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang deshalb aufgrund eines Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird.

Der Anspruch auf Aufhebung der Steuerfestsetzung erfordert eine Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges, der einseitig und gegen den Willen des anderen am Grundstücksgeschäft Beteiligten erzwungen werden kann. Dabei wird vorausgesetzt, dass ein gesetzliches oder vertraglich ausbedungenes Recht zur Rückgängigmachung des Grundstücksgeschäftes besteht und als solches ausgeübt wird. Der entscheidende Unterschied zwischen den Nr. 1 und 2 des § 16 Abs. 1 besteht darin, dass sich die Nr. 1 auf die Fälle bezieht, in denen das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft aufgrund freien Entschlusses der Beteiligten oder aufgrund eines vorbehaltenen Rücktrittsrechtes oder eines Wiederkaufsrechtes aufgehoben wird, während die Nr. 2 einen Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung derart verlangt, dass dieser einseitig und gegen den Willen des anderen am Grundstücksgeschäft Beteiligten durchsetzbar ist und die - jedenfalls für einen Vertragsbeteiligten unfreiwillige - Rückgängigmachung auf der Ausübung dieses Rechts beruht. Denn in den Fällen, in denen ein Erwerbsvorgang freiwillig rückgängig gemacht wird (ohne dass ein Rechtsanspruch besteht) hat es jeder Beteiligte in der Hand, ob er der Rechtsänderung zustimmen will oder nicht. Der Gesetzgeber hat in diesen Fällen eine zeitliche Begrenzung der Vergünstigung für angebracht gehalten, weil die Beteiligten die steuerrechtlichen Folgen ihres Entschlusses berücksichtigen können und nach Ablauf der Frist von zwei Jahren die Steuer in Kauf nehmen müssen, während bei der unfreiwilligen Rückgängigmachung alle am Geschäft Beteiligten dieses wirtschaftliche Ergebnis hinnehmen müssen und die Zeit, die bis zur Verwirklichung des Anspruches vergeht, sehr verschieden sein kann. Einer Rückgängigmachung aufgrund eines Rechtsanspruchs steht es nicht entgegen, wenn der Erwerbsvorgang im Einvernehmen aller Beteiligten durch Vereinbarung rückgängig gemacht wird. In diesen Fällen muss jedoch das Rücktrittsrecht vor Vertragsabschluss unbestritten feststehen.

Darüber hinaus bedarf es - wie auch bei Abs. 1 Nr. 1 - der tatsächlichen und vollständigen Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs. Dazu ist erforderlich, dass die Vertragsbeteiligten sämtliche Wirkungen aus dem Kaufvertrag aufheben und sich so stellen, wie wenn der Erwerbsvorgang nicht zustande gekommen wäre, insbesondere, dass sie die etwa empfangenen Leistungen zurückgewähren (vgl. zum Vorstehenden BFH-Urteil vom 08.06.1988 II R 90/86 BFH/NV 1989, 728 m. w. N.).

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Ein zeitlich unbefristet begünstigter Fall des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG liegt nur vor, wenn die Vertragsbedingungen nicht erfüllt werden und der Erwerbsvorgang aus diesem Grund rückgängig gemacht wird. Der Ausdruck "Vertragsbedingungen" ist nicht im eigentlichen juristischen Wortsinn auszulegen. Unter "Vertragsbedingungen" sind nicht Bedingungen im Rechtssinn ( §§ 158 ff BGB), sondern Vertragsbestimmungen zu verstehen. Eine "Nichterfüllung der Vertragsbedingungen" ist es deshalb auch dann, wenn sich (auch ohne Zutun eines Beteiligten) die Vertragsbedingungen (= Vertragsbestimmungen) nicht erfüllt haben und dadurch ein Rechtsanspruch auf Rückerwerb entstanden ist (vgl. Sack in Boruttau, GrEStG-Kommentar, 16. Auflage, § 16 Rdn. 37).

Als Anspruchsgrundlagen für die Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages kommen neben den Tatbeständen der Leistungsstörung des allgemeinen Schuldrechts (Verzug, Unmöglichkeit, Fehlen und Wegfall der Geschäftsgrundlage) auch die des Gewährleistungsrechts des besonderen Schuldrechts in Betracht.

Entgegen der Ansicht der Klin. lagen die Voraussetzungen eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs auf Rückabwicklung des notariellen Kaufvertrages vom 30.09.1999 im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages vom 16.12.2003 nicht vor.

Die Klin. meint zu Unrecht, Vertragsbedingung im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sei hier die Bebaubarkeit des Kaufobjektes nach den Plänen des Erwerbers gewesen. Sie meint außerdem, aus dem Kaufvertrag vom 30.09.1999 ergebe sich für die Verkäuferin die Pflicht zur Herbeiführung der Bebaubarkeit des Grundstückes bzw. die Pflicht für das Einstehen hinsichtlich der Bebaubarkeit des Kaufgrundstücks. Eine derartige Vertragsbedingung bzw. Pflicht der Verkäuferin, die sie hätte verletzen können, besteht nach dem Wortlaut des notariellen Vertrages nicht. Entgegen der Auffassung der Klin. haben die Vertragsbeteiligten nicht mit den beurkundeten Erklärungen einen derartigen rechtsgeschäftlichen Willen zum Ausdruck gebracht.

Dieses ergibt sich zum Einen aus den Regelungen in § 4 des Kaufvertrages, wonach die Verkäuferin gerade keine Gewähr für eine bestimmte Größe, Güte und Beschaffenheit des Kaufobjektes übernommen hat.

Zum Anderen folgt dieses auch aus der Regelung zur Kaufpreiszahlung in § 5 des Kaufvertrages. Darin ist lediglich die Fälligkeit der Kaufpreiszahlung und damit die Fälligkeit einer Vertragspflicht des Erwerbers von der Erteilung der rechtskräftigen Baugenehmigung seitens der Stadt C abhängig gemacht worden. Der Kaufpreis in Höhe von 4.000.000 DM war danach erst 14 Tage nach Erteilung der rechtskräftigen Baugenehmigung zu zahlen, spätestens jedoch am 10. Juni 2000. Von einer die Verkäuferin treffenden Pflicht, für die Bebaubarkeit des Grundstücks einzustehen, war an keiner Stelle des Vertrages die Rede. Vielmehr ist in dem Vertrag von den Vertragsbeteiligten die Risikoverteilung hinsichtlich der Bebaubarkeit des Grundstücks in der Weise geregelt worden, dass dem Erwerber von vornherein ohne weitere Bedingungen ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag eingeräumt worden ist (§ 15 des Kaufvertrages). Die Vertragsbeteiligten haben sich hinsichtlich der Frage der Bebaubarkeit insoweit abgesichert, dass die Verkäuferin aufgrund der Fälligkeitsklausel in § 5 des Vertrages in jedem Fall unabhängig von der Frage der Bebaubarkeit einen Anspruch darauf hatte, dass der Erwerber spätestens am 10. Juni 2000 den Kaufpreis zu zahlen hatte. Damit war klar gestellt, dass auch bei Nichterteilung der von den Vertragsbeteiligten erhofften Baugenehmigung die Frage der Fälligkeit der Kaufpreiszahlung eindeutig geregelt war. Die Nichterteilung der rechtskräftigen Baugenehmigung seitens der Stadt C konnte danach weder der Verkäuferin noch dem Käufer als Pflichtverletzung zugerechnet werden. Die Nichterteilung der von den Vertragsbeteiligten erstrebten rechtskräftigen Baugenehmigung seitens der Stadt C konnte deshalb auch nicht zu einer "Nichterfüllung einer Vertragsbedingung" im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG durch die Verkäuferin führen.

Eine derartige Pflicht konnte sich, entgegen der Meinung der Klin., für die Verkäuferin auch nicht in Verbindung mit der Regelung des zugunsten des Erwerbers in § 15 des Kaufvertrages geregelten Rücktrittsrechts ergeben. In dieser Regelung ist nämlich die Frage der Bebaubarkeit des Grundstückes nicht erwähnt worden.

Bei der Auslegung der vertraglichen von Willenserklärungen sind gemäß §§ 133, 157 BGB jedoch nicht nur der Wortlaut sondern auch die Begleitumstände, die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Auch bei formbedürftigen Erklärungen sind Umstände außerhalb der Urkunde bei der Auslegung mit zu berücksichtigen. In einem ersten Untersuchungsschritt ist festzustellen, wie die Erklärung unter Berücksichtigung aller maßgebenden Umstände auszulegen ist. Dabei dürfen Umstände außerhalb der Urkunde nur berücksichtigt werden, soweit sie bewiesen sind. Erst anschließend ist zu prüfen, ob die so ausgelegte Erklärung der Form genügt. Bei der Prüfung folgt die Rechtsprechung der sogenannten Andeutungstheorie. Sie verlangt, dass der aus Umständen außerhalb der Urkunde ermittelte rechtsgeschäftliche Wille in der Urkunde einen, wenn auch unvollkommenen Ausdruck gefunden haben muss. Die Andeutungstheorie tritt jedoch hinter den allgemeinen Grundsatz zurück, dass eine unabsichtliche Falschbezeichnung auch bei formbedürftigen Erklärungen unschädlich ist. Im Übrigen gilt, dass bei formbedürftigen Erklärungen nur der Wille beachtlich ist, der unter Wahrung der vorgeschriebenen Form erklärt worden ist (Palandt/Heinrichs, BGB-Kommentar, 66. Auflage, 2007, § 133 Rdn. 14 bis 19 m. w. N.).

Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen kann hier entgegen der Auffassung der Klin. nicht festgestellt werden, dass die Vertragspartner beim Abschluss des Kaufvertrages am 30.09.1999 den Willen gehabt haben, dass der Erwerber zur Zahlung des Kaufpreises nur verpflichtet sowie an den Kaufvertrag nur gebunden sein sollte, wenn die Bebaubarkeit des Grundstückes nach den Plänen des Erwerbers rechtskräftig festgestanden habe, und die Frage der Bebaubarkeit einzig und allein in der Risikosphäre der Verkäuferin liegen sollte und die Verkäuferin für die Bebaubarkeit einzustehen hatte.

Die von der Klin. zu ihren Behauptungen beantragte Vernehmung des Geschäftsführers der Verkäuferin LC und des beurkundenden Notars N1 als Zeugen war nicht durchzuführen. Wie oben bereits ausgeführt, ist der von der Klin. behauptete übereinstimmende Wille der Kaufvertragsbeteiligten, wonach der Erwerber an dem Kaufvertrag nur gebunden sein sollte, wenn die Bebaubarkeit des Grundstücks nach den Plänen des Erwerbers rechtskräftig festgestanden habe und die Frage der Bebaubarkeit einzig und allein in der Risikosphäre der Verkäuferin liegen sollte, in der Vertragsurkunde nicht einmal andeutungsweise zum Ausdruck gekommen.

Die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunde wirkt sich bei der Auslegung des Vereinbarten dahin aus, dass die Partei, die ein ihr günstiges Auslegungsergebnis auf Umstände außerhalb der Urkunde stützt, dies zu beweisen hat (vgl. BGH-Urteil vom 05.02.1999 V ZR 353/97 (KG) NJW 1999, 1702 m. w. N.).

Nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen hat die Vertragsauslegung in erster Linie den von der Partei gewählten Wortlaut der Vereinbarung und den von diesem zu entnehmenden objektiv erklärten Parteiwillen zu berücksichtigen. Beruft sich eine Vertragspartei auf einen vom eindeutigen Wortlaut des Vertrags abweichenden übereinstimmenden Willen der Vertragspartner, so obliegt ihr für die dem zugrunde liegenden auslegungsrelevanten Umstände die Darlegungs- und Beweislast (BGH-Urteil vom 11.09.2000 II ZR 34/99 NJW 2001, 144 m. w. N.).

Mit ihrem o. a. Vorbringen hat die Klin. ihre Darlegungs- und Beweislast nicht erfüllt. Sie hat gerade keine konkreten Tatsachen behauptet, aus denen sich z. B. ergibt, dass die Vertragsbeteiligten einen Schriftverkehr oder noch anlässlich der Vertragsbeurkundung konkrete Gespräche geführt haben, aus dem bzw. aus denen sich die Richtigkeit ihrer Behauptungen zu dem abweichend vom beurkundeten Vertragswortlaut angeblich vorhandenen übereinstimmenden Vertragswillen ergeben könnte. Stattdessen hat die Klin. nur auf den von ihr behaupteten vom Vertragstext abweichenden übereinstimmenden Willen der Vertragsbeteiligten ihrerseits aus den im Kaufvertrag getroffenen Regelungen in § 5 und 15 geschlossen und diese Schlussfolgerung in das Wissen der benannten Zeugen gestellt. Dies stellt jedoch keinen zulässigen Beweisantritt hinsichtlich von evtl. Hilfstatsachen, die die Zeugen bestätigen könnten dar, sondern einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Soweit die Klin. die Zeugen benannt hat, um sich von ihnen ihre Schlussfolgerung bei der Vertragsauslegung bestätigen zu lassen, war die Vernehmung der Zeugen nicht erforderlich, weil es nicht die Aufgabe von Zeugen ist, Schlussfolgerungen der Klin. bei der Vertragsauslegung zu bestätigen. Die Auslegung von Verträgen ist Aufgabe des Gerichts. Zeugen können allenfalls konkrete Behauptungen für Umstände außerhalb der Vertragsurkunde bestätigen, die bei der Auslegung des Vertrages von Bedeutung sind. Derartige konkrete Behauptungen hat die Klin. hier jedoch nicht aufgestellt. Derartige Umstände sind aufgrund des Akteninhalts auch nicht ersichtlich.

Der Senat hat auch geprüft, ob zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages vom 16.12.2003 über die Aufhebung des Kaufvertrages vom 30.09.1999 die Klin. einen Anspruch hatte, unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vom Vertrag zurückzutreten, und sie dieses Recht als solches in dem Aufhebungsvertrag vom 16.12.2003 ausgeübt hat. Dies ist zu verneinen.

Das Rechtsinstitut des Fehlens oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann bei Vorliegen seiner Voraussetzungen zu einem vertraglichen Rückabwicklungsanspruch führen, der nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG die Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer rechtfertigen kann (vgl. BFH-Urteil vom 08.06.1988 II R 90/86 BFH/NV 1989, 728).

Die Geschäftsgrundlage bilden nach ständiger Rechtsprechung die bei Abschluss des Vertrages zu Tage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut. Die Geschäftsgrundlage ist daher zum Einen vom einseitig gebliebenen Motiv, zum Anderen vom Vertragsinhalt zu unterscheiden (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 313 Rdn. 3, 9 und 10 m. w. N.).

Die Prinzipien der Vertragstreue und der Rechtssicherheit fordern, dass Verträge grundsätzlich Bestand haben und von den Parteien erfüllt werden. Nur unter ganz besonderen Umständen können schwerwiegende Gründe einen Einbruch in die Vertragsordnung und in die Rechtssicherheit geboten erscheinen lassen, wenn ein Festhalten am Vertrage Treu und Glauben widersprechen und zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbaren Ergebnissen führen würde, mindestens einer Partei ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist (O. Werner in Ehrmann, a. a. O., § 242 Rdn. 173 m. w. N.).

Eine Partei kann sich nicht mit Erfolg auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen, wenn sich aus den Parteivereinbarungen oder der Art des Schuldverhältnisses ergibt, dass sie das mit unvorhergesehenen Veränderungen der Umstände verbundene Risiko zu tragen hat. Umstände, die nach dem Vertragszweck in das Risiko nur einer Partei fallen, geben grundsätzlich kein Recht, sich auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen. Der Erwerber trägt das Risiko einer mit dem Erwerb eines Grundstücks bezweckten Verwendung z. B. als Bau- oder Straßenland oder als Bauerwartungsland (vgl. O. Werner in Ehrmann, a. a. O., § 242 Rdn. 172 m. w. N.).

Das aus dem Prinzip von Treu und Glauben abgeleitete Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage hat nur sekundäre Bedeutung. Es findet keine Anwendung, wenn die Veränderungen der Vertragsgrundlage durch ergänzende Vertragsauslegung sachgerecht berücksichtigt werden können. Es greift nur ein, wenn und soweit der Wegfall der Vertragsgrundlage nicht schon auf andere Weise durch Gesetz oder Vertrag geregelt ist (vgl. O. Werner in Ehrmann, BGB-Kommentar, 10. Auflage, 2000, § 242 Rdn. 171 unter Hinweis auf BGH-Urteile vom 27.04.1977 IV ZR 143, 76 NJW 1977, 1234 und vom 26.11.1981 IX ZR 91/80 NJW 1982, 1093).

Bei Anwendung dieser von der Zivilrechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsätze, denen der Senat folgt, konnte sich die Klin. bei Abschluss des Aufhebungsvertrages am 16.12.2003 nicht mit Erfolg für einen Anspruch auf Aufhebung des Kaufvertrages vom 30.09.1999 auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.

Zwar geht der Senat davon aus, dass für die Vertragsbeteiligten des Kaufvertrages gemeinsame Geschäftsgrundlage die Erwartung war, dass die erstrebte Baugenehmigung für die Bebauung des Kaufgrundstücks nach den Plänen des Erwerbers wenn auch unter Schwierigkeiten erreichbar war.

Für den Erwerber war - wovon die Vertragsbeteiligten übereinstimmend ausgingen - der hohe Kaufpreis von 4.000.000 DM, was einem Quadratmeterpreis von 538 DM entsprach, nur gerechtfertigt, wenn das Kaufgrundstück rechtlich bebaubar war. Für die Verkäuferin war bei Abschluss des Kaufvertrages erkennbar und von ihr akzeptiert, dass der Erwerber ohne rechtlich feststehende Bebaubarkeit des Kaufgrundstücks an dem Kaufvertrag nicht gegen seinen Willen festgehalten werden wollte.

Der am 21.09.2003 verstorbene Ehemann der Klin. (= Erwerber) hatte aber aufgrund der Regelung in § 4 des Kaufvertrages grundsätzlich das Risiko der Bebaubarkeit des Kaufgrundstücks übernommen. Danach sollte die Übereignung des Kaufobjektes in dem Zustand erfolgen, in dem es sich zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrages vom 30.09.1999 befand. Die Verkäuferin übernahm keine Gewähr für eine bestimmte Größe, Güte und Beschaffenheit des Kaufobjekts.

Der Erwerber hatte sich gegen das Risiko, den Kaufpreis trotz fehlender Bebaubarkeit zahlen zu müssen, dadurch abgesichert, dass er sich von der Verkäuferin in § 15 des Kaufvertrages ein voraussetzungsloses Rücktrittsrecht hatte einräumen lassen. Da die Ausübung dieses Rücktrittsrechts zeitlich bis zum 25.05.2000 befristet war, musste der Erwerber allerdings aufgrund der Regelung zur Fälligkeit des Kaufpreises - dieser war spätestens am 10.06.2000 unabhängig von der Bebaubarkeit fällig - darauf achten, dass er rechtzeitig von der ihm in § 15 des Vertrages eingeräumten Möglichkeit zur Verlängerung der Ausübung des Rücktrittsrechts oder aber rechtzeitig von dem Rücktrittsrecht selbst Gebrauch machte.

Der Erwerber bzw. nach dessen Tod am 21.09.2003 die Klin. als seine Rechtsnachfolgerin hatte noch im Zeitpunkt des Abschlusses des Aufhebungsvertrages am 16.12.2003 einen Rechtsanspruch gegenüber der Veräußerin, sich durch Ausübung des in § 15 des Kaufvertrages geregelten Rücktrittsrecht von dem Kaufvertrag zu lösen. Das Recht zur Ausübung des Rücktrittsrechts ist von den Vertragsbeteiligten in der notariellen Urkunde vom 23.05.2000 bis zum 30.09.2000 und in der notariellen Urkunde vom 28.09.2000 bis zum 30.06.2001 verlängert worden. Auch nach Ablauf der Frist vom 30.06.2001 bestand nach den vom FA in der EE vom 07.04.2005 zugrunde gelegten Angaben der Klin. zwischen den Vertragsbeteiligten Einigkeit, dass dem Erwerber das ihm gemäß § 15 des Kaufvertrages vom 30.09.1999 zustehende Rücktrittsrecht auch ohne formelle notarielle Vereinbarung der Verlängerung weiter zustand. Diese Angaben hat der Sohn des Erwerbers, BN, in seiner Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung am 15.08.2007 bestätigt. Die formlose Verlängerung der Ausübung des Rücktrittsrecht war rechtlich möglich. Ist in einem notariell beurkundeten Grundstückkaufvertrag vereinbart, dass eine Partei innerhalb einer bestimmten Frist vom Kaufvertrag zurücktreten kann, dann bedarf eine Vereinbarung, durch die diese Frist verlängert wird, nicht der notariellen Beurkundung, wenn diese Vereinbarung - wie hier - noch vor der Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch erfolgt (vgl. BGH-Urteil vom 05.05.1976 IV ZR 63/75 BGHZ 66, 270; MDR 1977, 35).

Das von beiden Vertragsbeteiligten beim Abschluss des Kaufvertrages gesehene Risiko, das sich bei Nichteintritt der Erwartung der Vertragsbeteiligten hinsichtlich der Erteilung einer rechtskräftigen Baugenehmigung für das Kaufgrundstück ergab, war demnach bereits in dem Kaufvertrag selbst sachgerecht geregelt. Bei dieser Sachlage ist es nicht gerechtfertigt, die von der Zivilrechtsprechung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entwickelten Rechtsgrundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage bzw. das durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz in § 313 BGB normierte Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage anzuwenden. Ein Rückgriff auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage mit dem Ziel, dem Erwerber hierdurch eine Loslösung von den Kaufvertragspflichten zu ermöglichen, ist dann nicht erforderlich. Das vertragliche Rücktrittsrecht schließt die Anwendung des nur sekundär anzuwendenden Rechtsinstituts des Wegfalls der Geschäftsgrundlage aus.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Gründe kommt es nicht mehr darauf an, ob hier die erforderliche tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs erfolgt ist. Hieran bestehen nach Aktenlage deshalb Zweifel, weil dem Erwerber bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages am 30.09.1999 der Besitz am Kaufobjekt übertragen worden ist. Der Erwerber, der in die mit 6 Mietparteien bestehenden Mietverträge hinsichtlich eines sich auf dem Kaufobjekt befindenden Hauses eingetreten war, konnte somit bereits seit dieser Zeit Mieteinkünfte erzielen. Von einer Rückabwicklung der Mieterträge ist in dem Aufhebungsvertrag nicht die Rede. Die Vertragsbeteiligten verzichteten darin lediglich auf die Geltendmachung von Erfüllungs- und Schadensersatzansprüchen.

Die Klin. kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das FA in einem vergleichbaren Fall den GrESt-Bescheid gem. § 16 GrEStG aufgehoben habe. Es kann dahinstehen, ob dies zutrifft. Wenn dies zutreffen sollte, wäre die Entscheidung in dem anderen Fall zu Unrecht ergangen. Ein aus Art. 3 GG herzuleitender Anspruch auf "Gleichbehandlung im Unrecht" besteht jedenfalls nicht (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 25.01.2005 I B 79/04 BFH/NV 2005, 1232 m. w. N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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