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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 13.01.2005
Aktenzeichen: 8 K 2060/03 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 6 Abs 1 Nr 4 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1995 bis 1997

hat der 8. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 13.01.2005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richterin am Finanzgericht ...

Ehrenamtliche Richterin ...

Ehrenamtliche Richterin ...

auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuer, ob für die private PKW-Nutzung die Höhe der Nutzungsentnahmen zutreffend angesetzt worden ist und ob für ein Streitjahr die Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 AO noch geändert werden konnte.

Der Kläger (Kl.) ist selbständiger Unternehmensberater. Für die Streitjahre 1995 bis 1997 reichte er die Einkommensteuererklärungen in 1997, 1998 und 1999 ein. Die Veranlagung für das Kalenderjahr 1995 erfolgte ohne Nachprüfungsvorbehalt. Die Steuerbescheide für 1996 und 1997 ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abgabenordnung (AO).

Der Beklagte (Bekl.) ordnete mit Bescheid vom 24.08.2001 für die Einkommensteuer und Umsatzsteuer bei dem Kl. eine steuerliche Betriebsprüfung der Kalenderjahre 1995 bis 1997 an, die am 26.09.2001 begann. Gegen die Anordnung der Überprüfung der Einkommensteuer 1995 legte der Kl. Einspruch ein. Zur Begründung wies er darauf hin, dass der ESt-Bescheid 1995 nicht mehr geändert werden könne. Denn ein zunächst diesem Bescheid beigefügter Vorbehalt der Nachprüfung sei mit Bescheid vom 02.03.1998 aufgehoben worden. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Klage - 11 K 3249/02 AO - wurde mit Urteil vom 18.07.2003 abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wurde eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt, über die zwischenzeitlich abweisend entschieden wurde. Die Außenprüfung wurde im Kalenderjahr 2002 abgeschlossen. Der Bekl. ermittelte, dass der Kl. im Streitjahr 1995 eine Gutschrift der Firma X nicht als Umsatz verbucht hatte. Ferner stellte er fest, dass in den Kalenderjahren 1995 bis 1997 private Nutzungen des Kraftfahrzeuges nicht versteuert worden waren.

Die als Betriebsausgaben gebuchten gesamten Fahrtkosten beliefen sich im Streitjahr 1995 auf insgesamt 17.381 DM, im Streitjahr 1996 auf 32.140 DM und im Streitjahr 1997 auf 41.438 DM.

Der Bekl. änderte für 1995 die Einkommensteuerfestsetzung zunächst lediglich im Hinblick auf den nicht erfaßten Umsatz. Die Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre 1996 bis 1997 wurden u. a. wegen der privaten PKW-Nutzung (Nutzungsentnahmen) geändert.

Dabei ermittelte der Bekl. die Entnahmen für 1996 und 1997 auf Grundlage der Entnahmewerte des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) wie folgt:

 Bruttolistenpreis PKW142.000,00 DM
Entnahmewert 12 v.H.17.040,00 DM
Eigenverbrauch 80 v.H.13.632,00 DM
Umsatzsteuer 1996 15 %2.044,80 DM
Umsatzsteuer 1997 15 %2.044,80 DM

Gegen die entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheide 1995 bis 1997 legte der Kl. Einspruch ein.

Wegen der Höhe der Nutzungsentnahmen legte er im Rahmen des Einspruchsverfahrens im Nachhinein erstellte Fahrtenaufzeichnungen für die Streitjahre 1996 und 1997 vor. In diesen erfolgten die Kilometerangaben im Regelfall nur gerundet (regelmäßig auf volle 10 km). In einzelnen Monaten wurden zudem keine bzw. nur einzelne größere Privatfahrten angegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf die vom Bekl. eingereichten Aufstellungen verwiesen. Hinsichtlich der privaten und betrieblichen Nutzungen ergaben sich aus den Aufzeichnungen des Kl. für die Monate Januar bis Dezember jeweils die folgenden Verhältniszahlen:

 Gefahrene Kilometer im Streitjahr 1996 Gefahrene Kilometer im Streitjahr 1997
 GesamtfahrtenBetrieblichPrivat GesamtfahrtenBetrieblichPrivat
Jan.7.3606.1641.196 3.4683.355113
Feb.6.6906.090600 2.9122.640272
März7.1726.927245 6.0815.250831
April3.5533.200353 4.6554.390265
Mai5.8095.180629 4.6014.53665
Juni5.3574.840517 5.3755.070305
Juli4.2564.21046 3.9001.0762.824
Aug.4.3903.995395 2.7502.340410
Sept.3.9323.545387 4.6383.970668
Okt.4.6254.625  4.1753.977198
Nov.4.1904.190  4.0143.96054
Dez.2.9252.485440 4.5003.925575
Gesamt:60.25955.4514.808 51.06944.4896.580
 92,02%7,98%  87,12%12,88%

Zu verschiedenen Beanstandungen der im Nachhinein erstellten Fahraufzeichnungen für die Streitjahre 1996 und 1997 hat der Kl.-Vertreter mit Schreiben vom 21.01.2003 Stellung genommen. Danach waren die im Nachhinein erstellten Fahraufzeichnungen schon bei einer Überprüfung anhand der eingereichten Buchführungsbelege nicht immer zutreffend. So wurden zum Beispiel Tankfahrten in M nicht erfasst, betriebliche Abstecher und betriebliche Fahrten nicht eingetragen, anstatt einer Fahrt nach Düsseldorf unter falscher Kilometerangabe eine Fahrt nach Köln angegeben. Zudem konnten einige Widersprüche - wie z.B. Tanken in D - nicht aufgeklärt werden.

Die gegen die Einkommensteuerbescheide 1996 und 1997 eingelegten Einsprüche wurden als unbegründet zurückgewiesen. Ferner berücksichtigte der Bekl. nach einem aktenkundig gemachten telefonischen Verböserungshinweis für 1995 ebenfalls noch für 3 Monate für den PKW Nutzungsentnahmen in Höhe der Entnahmewerte des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (netto: 4.260,00 DM). Die in dieser Zeit entstandenen Kraftfahrzeugkosten einschließlich der Abschreibungen beliefen sich auf insgesamt 17.381 DM.

Gegen die Einspruchsentscheidung vom 11. März 2003 richtet sich die vorliegende Klage.

Der Kl. ist der Auffassung, dass die Änderung für 1995 zu Unrecht erfolgt sei. Wegen der Einkommensteuer 1995 habe er die Prüfungsanordnung angefochten. Ein Ansatz des Eigenverbrauches hätte im übrigen nicht mehr erfolgen dürfen, da der Bekl. bereits mit Abgabe der Steuererklärung 1995 Kenntnis von den PKW-Kosten gehabt hätte. Insoweit sei aus gutem Grunde auch zunächst eine entsprechende Änderung der Einkommensteuer für 1995 unterblieben. Wegen der Erfassung des nicht verbuchten Umsatzes mit der Firma X sei das Ergebnis der beim BFH eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde abzuwarten. Er sei jedenfalls der Auffassung, dass eine Änderung nach § 173 AO im Streitfall ausscheide. Auch hätte der Verböserungshinweis schriftlich erfolgen müssen. Hinsichtlich der Werte der in den übrigen Jahren angesetzten Nutzungsentnahmen seien die nachträglich erstellten Fahrtenbücher zu berücksichtigen. Die Fahrtenbücher seien nach bestem Wissen und Gewissen anhand der Aufzeichnungen des Kl. erstellt worden. Es lägen insoweit entgegen der Ansicht des Bekl. ordnungsgemäß erstellte Aufzeichnungen vor. Denn die vorgelegten Tabellen enthielten alle notwendigen Elemente für eine Anerkennung. Der Bekl. verkenne insoweit, dass der BFH es offen gelassen habe, ob eine spätere Erstellung gegen die Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches spräche.

Im laufenden Verfahren hat der Kl. mit Schreiben vom 26.04.2004 noch eine Aufstellung über die im Oktober bis Dezember 1995 durchgeführten Fahrten vorgelegt. Im Oktober hat er danach eine Privatfahrt (gefahrene Kilometer 3.342, davon 115 privat), im November zwei Privatfahrten (gefahrene Kilometer 6.681, davon 176 privat) und im Dezember zwei weitere Privatfahrten (gefahrene Kilometer 4.313, davon 603 privat) vorgenommen. Wegen der Einzelheiten wird auch hier auf die eingereichten Aufstellungen des Kl. verwiesen. Die privaten Nutzungsanteile betragen nach den gefahrenen Kilometern in der Aufstellung für 1995 insgesamt 6,23 %.

Die Kl. beantragen,

den geänderten Einkommensteuerbescheid 1995 vom 23.04.2002 und die Einspruchsentscheidung (EE) vom 11.03.2003 wegen der Einkommensteuerfestsetzung 1995 aufzuheben sowie unter Änderung der geänderten Einkommensteuerbescheide 1996 vom 30.04.2003 und 1997 vom 23.04.2002 und der EE vom 11.03.2003 den Wert der Nutzungsentnahmen anhand der eingereichten Fahrtenbücher zu ermitteln und anzusetzen,

hilfsweise, im Unterliegensfalle, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die Gründe seiner EE und ist der Auffassung, dass die Änderungen für 1995 zu Recht erfolgt seien. Die Prüfung der Einkommensteuer 1995 durch die Betriebsprüfung sei zu Recht erfolgt. Die beim Finanzgericht dagegen eingelegte Klage sei als unbegründet verworfen worden. Die dagegen eingereichte Nichtzulassungsbeschwerde habe der BFH abgewiesen. Daher sei der Ansatz der bisher nicht erfassten Einnahmen im nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Steuerbescheid 1995 zu Recht erfolgt. Auch die Erhöhung der Nutzungsentnahmen sei zutreffend vorgenommen worden. Der Kl. sei auf die Möglichkeit der Verböserung hingewiesen worden. Die Änderung im Einspruchsverfahren sei danach zu Recht erfolgt. Der Kl. habe hinsichtlich der Streitjahre kein ordnungsgemäß erstelltes Fahrtenbuch vorgelegt. Aus diesem Grunde habe das Finanzamt zu Recht die Nutzungsentnahmen unter Ansatz der Werte des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ermittelt.

Gründe

Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.

1) Der Bekl. hat die Nutzungsentnahmen in den Streitjahren 1996 und 1997 zutreffend nach der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ermittelt und der Besteuerung zu Grunde gelegt. Nach dieser Vorschrift ist die private Nutzung von zum betrieblichen Vermögen gehörenden Kraftfahrzeugen grundsätzlich für jeden Kalendermonat mit 1 v.H. des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Dies ist im Streitfall geschehen. Zwar kann die private Nutzung abweichend von der typisierenden Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG auch mit den auf die Privatfahrten tatsächlich entfallenden Aufwendungen angesetzt werden. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die für jedes Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG). Daran fehlt es hier.

Der Nachweis durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch setzt voraus, dass die danach erforderlichen Aufzeichnungen (mit Angaben zu Reisezweck, Zielort und aufgesuchtem Geschäftspartner sowie Zeitangaben und Kilometerstände zu Beginn und Ende jeder einzelnen betrieblichen Fahrt, zu den Einzelheiten siehe Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 22. Aufl. 2002, § 6 Rn 422 m.w.N.) fortlaufend und zeitnah (FG Saarland, Urteil vom 22.06.1994, EFG 1994, 962) erstellt und im Original (FG München, Urteil vom 01.02.1995, Az. 1 K 3155/99, in: Juris) vorgelegt werden. Die Vorlage bloßer im Nachhinein erstellter Reinschriften genügt nicht. Nur auf diese Weise kann ein Fahrtenbuch seiner Funktion, eine lückenlose Erfassung sämtlicher unternommener Fahrten zu gewährleisten und einer späteren Verifizierung zugänglich zu machen (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.07.1988, EFG 1989, 307), gerecht werden. Wie der Kl. einräumt, handelt es sich bei den vorgelegten Unterlagen nicht um Original-Aufzeichnungen, sondern um im Nachhinein gefertigte Aufstellungen. Diese im Nachhinein gefertigten Aufzeichnungen waren zudem lückenhaft, wie der Kl. in seinem Schreiben vom 21. Januar 2003 selbst zugegeben hat. Dabei kann der Bekl. durch einen Abgleich mit den Belegen der Buchführung nur besondere Auffälligkeiten, nicht jedoch alle möglichen Fehler der im Nachhinein erstellten Aufzeichnungen aufdecken. Der Senat ist daher der Auffassung, dass die nachträglich erstellten Aufzeichnungen kein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch darstellen. Denn wenn der Kl. schon Tankfahrten und Betriebsfahrten nicht mehr im Nachhinein zutreffend erfasst hat, kann das nachträglich erstellte Fahrtenbuch nicht zutreffend und ordnungsgemäß sein. Es kommt im Streitfall daher auch nicht darauf an, wie es dem Kl. überhaupt gelungen ist, kleinere nicht aufgezeichnete Privatfahrten zu erfassen. Soweit der Kl. auf den Beschluß des BFH vom 24.02.2000 hinweist, der es ausdrücklich offen gelassen hat, ob Eintragungen in ein Fahrtenbuch zeitnah zu erfolgen haben oder nachträglich vorgenommen werden können und ob Mängel dieser Aufzeichnungen das FA nur zu einer Schätzung berechtigen oder aber zur Anwendung der Typisierungsregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zwingen, ist der Senat der Auffassung, dass eine nicht zeitnahe Erstellung von Aufzeichnungen stets gegen die Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuches spricht.

Hinzu kommen im Streitfall die festgestellten - inhaltlichen - Mängel. Nach Überzeugung des Senats zeigen auch diese, dass die nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG erforderliche Ordnungsmäßigkeit nicht gegeben ist. Soweit der BFH es in seinem Beschluss zudem offen lässt, ob bei einem nicht ordnungsgemäßen Fahrtenbuch das FA nur zu einer Schätzung befugt sei, vermag der Senat dieser Überlegung nicht zu folgen. Denn nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG genügt für eine abweichende Bemessung nicht die Führung eines fehlerbehafteten Fahrtenbuches, sondern die Führung eines ordnungsgemäßen, d.h. nicht mit groben Aufzeichnungsfehlern behafteten Fahrtenbuches. Hinzu kommt, dass einer Berücksichtigung des nacherstellten Fahrtenbuches die Vorschrift des § 38 AO entgegensteht. Denn nach dieser Vorschrift entsteht der Steueranspruch grundsätzlich nach den jeweiligen Verhältnissen im Veranlagungszeitraum. Tatbestände, die erst nach Ablauf des Veranlagungszeitraums geschaffen werden - wie hier die nacherstellten Fahrtenaufzeichnungen - beeinflussen den einmal verwirklichten Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis damit nachträglich nicht mehr. Der Bekl. hat daher die Kraftfahrzeugnutzungen der Streitjahre 1996 und 1997 in der richtigen Höhe erfasst. Eine andere Beurteilung ergibt sich ferner nicht aus der Überlegung des Kl., dass es durch Kostenvergütungen von den Mandanten zu einer Art Doppelbesteuerung komme. Denn die Art der Abrechnung des Kl., d.h. welche Positionen er in seine Honorarberechnung als selbständiger Wirtschaftsberater einfließen lässt, hat keine Auswirkung auf die Höhe der Kosten und insbesondere auch nicht auf die ertragsteuerliche Bewertung der privaten Nutzungsanteile.

2) Der Bekl. hat die Änderung für das Kalenderjahr 1995 im Hinblick auf die Erfassung der Nutzungsentnahmen jedoch nicht im zutreffenden Umfang vorgenommen.

Der Bekl. war berechtigt, den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1995 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu ändern. Danach sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen.

Eine Änderung eines Bescheides ist nach Treu und Glauben nur ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Allerdings muss der Steuerpflichtige dann seinerseits seine Mitwirkungspflicht ordnungsgemäß erfüllt haben. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung, mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 2002 XI R 2/01, BFHE 197, 526, m.w.N.).

Hier hat der Kl. sowohl durch eine Gutschrift erzielte Betriebseinnahmen als auch die private Nutzung seines betrieblichen PKWs nicht zutreffend erklärt. Er ist damit seiner Mitwirkungspflicht zur Offenlegung des wirklichen Sachverhaltes hinsichtlich der Streitpunkte nicht im geringsten nachgekommen. Der Bekl. war daher nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, den Steuerbescheid für 1995 zu korrigieren. Soweit der Kl. andeutet, dass der Bekl. bereits wegen der erklärten Fahrtkosten von einer privaten Nutzung hätte ausgehen können, verkennt er, dass es seine - des Kl. - Pflicht ist, eine Steuererklärung nach bestem Wissen und Gewissen zutreffend abzugeben. Dazu gehört insbesondere auch die Erfassung der privaten Nutzungsentnahmen. Eine bloße Erklärung der Aufwendungen in der Annahme, das Finanzamt könne ja die private Nutzung erkennen und ansetzen, ist dagegen regelmäßig als eine (versuchte) Steuerhinterziehung (mit bedingten Vorsatz) einzuordnen.

Nach diesen Grundsätzen hat das FA die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift zutreffend bejaht; denn die Einnahmen aufgrund der Gutschrift und die private PKW-Nutzung sind dem FA erst nach dem Erlass des ursprünglichen Einkommensteuerbescheides bekannt geworden. Soweit der Bekl. in seinem Änderungsbescheid für 1995 zunächst keine private Pkw-Nutzung angesetzt hatte, ist festzustellen, dass die Kl. im Einspruchsverfahren jedoch ausdrücklich auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung hingewiesen wurden. Entgegen der Auffassung der Kl. ist eine bestimmte Form (Schriftform) für den Verböserungshinweis nicht vorgeschrieben (vgl. Tipke/Kruse § 367 AO Rz. 28). Durch den unmittelbaren Bearbeitervermerk befindet sich der entsprechende Nachweis über die mündliche Ankündigung einer Verböserung auch in der Akte.

Der Senat ist jedoch der Auffassung, dass der Ansatz der privaten Nutzungsanteile für das Streitjahr 1995 zu hoch erfolgte. Zwar kann das nachträglich erstellte Fahrtenbuch - wie bereits für 1996 und 1997 ausgeführt - der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Die Angaben in dem Fahrtenbuch können jedoch im Rahmen einer Schätzung durch das Gericht Berücksichtigung finden. Insoweit ist nämlich zu bedenken, dass die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 EStG zur Bewertung der privaten Pkw-Nutzung erst im Kalenderjahr 1996 Geltung fand. Aufgrund der vom Kl. eingereichten Unterlagen hält der Senat einen schätzweisen Ansatz von 10 v.H. der erklärten Kosten für ausreichend. Die private PKW-Nutzung ist daher anstatt des angesetzten Betrages von 4.260 DM zzgl. 511,20 DM Umsatzsteuer mit einem Betrag in Höhe von 1.738 DM (10 % der Kosten einschl. Abschreibungen) zzgl. 206,56 DM Umsatzsteuer zu erfassen.

Die Steuerberechnung für das Streitjahr 1995 wird dem FA übertragen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kl. zu 100 v.H.. Zwar hat er zu einem geringen Teil obsiegt, jedoch wurden die Grundlagen zur Ermittlung der privaten Nutzungsanteile für das Streitjahr 1995 erst im Klageverfahren beigebracht (§ 137 FGO).

Die Revision wird nicht zugelassen.

Es liegt weder ein Fall von Divergenz noch - wie von den den Kl. geltend gemacht - von grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).

Die Feststellungen zu den Mängeln in den Fahrtenaufzeichnungen des Kl. betreffen die tatsächliche Ebene.

Ende der Entscheidung

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