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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 21.03.2007
Aktenzeichen: 8 K 3908/04 F
Rechtsgebiete: EStG 2001


Vorschriften:

EStG 2001 § 7 Abs. 1 S. 1
EStG 2001 § 7 Abs. 1 S. 4
EStG 2001 § 7 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

8 K 3908/04 F

Tenor:

Unter Änderung des Bescheides vom 29.06.2004 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 12.07.2004 wird der Gewinn der Gesellschaft von 768.386 DM auf 765.103 DM und der Gewinnanteil des Klägers demfolgend von 454.758 DM auf 451.475 DM herabgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der Abschreibung für einen betrieblich genutzten Gebäudeteil.

Der Kl. ist Rechtsanwalt und Notar, der seine berufliche Tätigkeit im Rahmen einer GbR mit anderen Rechtsanwälten ausübt. Die von der GbR gemieteten und genutzten Räumlichkeiten stehen in seinem Eigentum. Das 1958 erbaute und 1978 teilweise zur Büronutzung umgebaute Grundstück hatte er im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von seiner Mutter erhalten. Diese hatte sich ein Nießbrauchsrecht vorbehalten, auf welches sie mit Wirkung vom 31.05.2001 verzichtete. Der Kl. behandelte daraufhin den von der GbR genutzten Grundstücksteil als notwendiges Sonderbetriebsvermögen. Im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung für das Streitjahr 2001 ermittelte der Bekl. die Abschreibung für den betrieblichen Gebäudeanteil anhand der Anschaffungskosten der steuerlichen Rechtsvorgängerin des Kl. abzüglich der von ihr in Anspruch genommenen Abschreibungen mit 1.032 DM (70.798 DM * 2,5 % * 7/12). Der gegen diese Ermittlung eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.

Der Kl. ist der Auffassung, dass die Abschreibung von einer Bemessungsgrundlage, die sich aus dem Teilwert der Gebäudeeinlage in Höhe von 530.250 DM abzüglich der durch die Rechtsvorgängerin vorgenommenen Abschreibungen in Höhe von 160.358,41 DM ergebe, zu gewähren sei. Die so ermittelte Bemessungsgrundlage von 369.891,59 DM führe für das Streitjahr zu einer Abschreibung von 4.315,41 DM (369.891,59 DM * 2 % * 7/12). Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG sei insoweit auszulegen, dass Bemessungsgrundlage der Einlagewert abzüglich der bei den Überschusseinkünften zuvor in Anspruch genommenen Abschreibungen sei.

Der Kl. beantragt,

unter Änderung der gesonderten und einheitlichen Feststellung 2001 der GbR bei der Ermittlung des Sonderbetriebsgewinns des Kl. anstatt einer Gebäudeabschreibung in Höhe von 1.032 DM eine Gebäudeabschreibung in Höhe von 4.315,41 DM zu berücksichtigen und den Gewinnanteil des Kl. entsprechend herabzusetzen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die vorhandenen Verwaltungsanweisungen, die in seiner EE umgesetzt wurden. Danach bemesse sich die weitere AfA nach den um die bisherigen Abschreibungen geminderten historischen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten

Die Klage ist begründet.

Der Bekl. hat zu Unrecht bei der Bestimmung der AfA-Bemessungsgrundlage die Anschaffungskosten der Rechtsvorgängerin zugrunde gelegt.

Gem. § 7 Abs. 1 S. 1 EStG in der Fassung 2001 ist bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt, jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungskosten- oder Herstellungskosten abzusetzen, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung entfällt. Da die Bemessungsgrundlage zeitanteilig auf den gesamten Abschreibungszeitraum zu verteilen ist, bedeutet dies, dass die Abschreibung in einem Kalenderjahr für so viele Monate erfolgen kann, wie sich das Wirtschaftsgut im Betriebsvermögen befindet (pro rata temporis). Maßgebliche Bemessungsgrundlage sind die Anschaffungskosten. Bei Gebäuden sind abweichend von § 7 Abs. 1 EStG 2001 die Abschreibungsbeträge nach § 7 Abs. 4 EStG 2001 zu bemessen. Da das Gebäude nach dem 31.12.1924 fertiggestellt wurde, beträgt der Abschreibungssatz nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 a) EStG jährlich 2 vom Hundert der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 4 EStG 2001 gilt nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG 2001 entsprechend. Gem. § 7 Abs. 1 S. 4 EStG in der Fassung 2001 sind bei Wirtschaftsgütern, die nach einer Verwendung zur Erzielung von Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG in ein Betriebsvermögen eingelegt worden sind, die Anschaffungskosten um die Absetzungen für Abnutzungen oder Substanzverringerung, Sonderabschreibungen oder erhöhte Absetzungen, die bis zum Zeitpunkt der Einlage vorgenommen worden sind, zu mindern.

Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 4 EStG wurde eingeführt, um eine doppelte Inanspruchnahme von AfA zu verhindern. Denn vor der Einführung des § 7 Abs. 1 S. 4 EStG war, wenn die 3-Jahresfrist des § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG überschritten war, der Teilwert des eingelegten Wirtschaftsgutes Bemessungsgrundlage für die AfA, auch wenn bereits für das gleiche Wirtschaftsgut AfA berücksichtigt worden war und die Einlage des Wirtschaftsgutes nicht zu einer Realisierung der stillen Reserven führte (siehe BFH vom 27.01.1994, IV R 101/92, BStBl II 1994, 638). Das wollte der Gesetzgeber verhindern, da es keinen sachlichen Grund für einen solchen Steuervorteil gab und die doppelte Abschreibung von der Gestaltungspraxis häufig genutzt worden ist (siehe BT-Drucksache 14/23, 172; Herrmann/Heuer/Raupach-Nolde § 7 EStG Rn. 218).

Die Finanzverwaltung versteht § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG 2001 so, dass sich die weitere AfA nach den fortgeführten historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten bemisst (R 7.3 Abs. 6 EStR). Diese Auffassung ist in der Literatur umstritten (vgl. Gröpl, Deutsches Steuerrecht 2000, S. 1285; Drenseck in: Schmidt, Einkommensteuergesetz, 24. Auflage, § 7 Rz. 68; Brandis in: Blümich, Einkommensteuer, § 7 Rz. 265; Apitz in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Band 20, Steuerreform 1999/2000/ 2002, § 7, R 10; a.A.: Stuhrmann, Finanz-Rundschau 2000, 511; Nolde in: Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 7 Rz. 225; Handzik in: Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 7 Rz. 153; Lamprecht in: Kirchhof, EStG Kompakt Kommentar, § 7 Rz. 88; Keller in: Korn, Einkommensteuergesetz, § 7 Rz. 79).

Maßgebend für die weitere AfA ist nach Auffassung des Senats der Einlagewert nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG als fiktive Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten abzüglich der bereits im Bereich der Überschusseinkunftsarten vorgenommenen Abschreibungen. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des 1. Senats des FG Münsters im Urteil vom 23.08.2006 1 K 6956/03 F (EFG 2007, 178) und des Niedersächsischen Finanzgerichts im Urteil vom 20.09.2005 13 K 661/03 (EFG 2006,723). Dagegen wird der Anmerkung Müller an das Urteil FG Niedersachsen (EFG 2006, 726) nicht gefolgt. Soweit der dortige Verfasser jene Entscheidung wegen des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift rügt, stehen dem folgende Erwägungen entgegen: Auch für den Fall einer Einlage von bisher nicht der Einkunftserzielung dienenden Wirtschaftsgütern (z.B. ein bisher ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutztes Wohnhaus oder ein ausschließlich privat genutzter PKW) wäre nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 7 EStG von den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten auszugehen. Das zeigt gerade, dass der Gesetzgeber die Vorschrift insgesamt nicht klar gefasst hat. Bei Einlagen wird nach der Rechtsprechung als Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen der Einlagewert als Anschaffungs- oder Herstellungskosten (regelmäßig der Teilwert / Ausnahme Einlagen innerhalb von 3 Jahren nach Anschaffung bzw. Herstellung) fingiert (vgl. Schmidt / Drenseck EStG 24 Aufl. § 7 Rz 68 m.w.N.). Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG ist in diesem Zusammenhang entsprechend auszulegen. Es wäre ein nicht mehr nachvollziehbarer Systembruch, würde man bei der Abschreibung von eingelegten Wirtschaftsgütern bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage einmal auf fingierte Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten und einmal auf die ursprünglichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zurückgreifen. Dem Gesetzgeber ging es nur um die Vermeidung doppelter Abschreibungen. Dieser Umstand rechtfertigt es, - im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung - als Abschreibungsbemessungsgrundlage den um die bisherigen Abschreibungen gekürzten Einlagewert anzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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