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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 10.11.2005
Aktenzeichen: 8 K 4606/02 E
Rechtsgebiete: EStG, AO 1977


Vorschriften:

EStG § 46 Abs 2 Nr 8 Satz 2
AO 1977 § 110
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 10.11.2005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Richter am Finanzgericht ...

Ehrenamtlicher Richter ...

Ehrenamtlicher Richter ...

im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

Tatbestand

Streitig ist, ob den Klägern (Kl.) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abgabenordnung (AO) wegen Versäumnis der 2-jährigen Ausschlussfrist zur Abgabe der Einkommensteuer (Est)-erklärung 1998 zu gewähren ist.

Der jetzt 70-jährige Kl. und seine Ehefrau reichten - vertreten von einer Steuerberatungs-GmbH - am 06.11.2001 die ESt-Erklärung 1998 beim Beklagten (Finanzamt -FA-) unter Hinweis auf § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ein. Gleichzeitig wurde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO mit der Begründung beantragt, der Kl. habe seine Lohnsteuerkarte in diesen Tagen wiedergefunden, die in Folge Umzugs im Jahre 1999 abhanden gekommen sei. Aus der ESt-Erklärung 1998 ergibt sich, dass der Kl. in 1998 als Pfarrer Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 98.588 DM erzielte hatte. Die einbehaltene Lohnsteuer (LSt) betrug 19.489,95 DM. Weitere Einkünfte waren nicht erklärt worden.

Das FA sah in dem Bescheid vom 07.11.2001 den Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG als verspätet an. Es lehnte in dem Bescheid den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung ab, der Kl. hätte, um die Frist zu wahren, beim Landeskirchenamt C eine besondere LSt-bescheinigung anfordern können. Dazu hätte der Kl., da die LSt-Karte 1998 beim Umzug im Jahr 1999 abhanden gekommen sein soll, bis zum Ende des Jahres 2000 Zeit gehabt.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs trugen die Kl. vor, nicht einmal Berufsjuristen müssten den § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG kennen (Hinweise auf Urteile des Finanzgerichts Köln vom 24.10.2000 8 K 1839/00 EFG 2001, 755). Mangels Übersendung von Formularen habe es auch keine Hinweise des FA zur Erledigung gegeben. Durch das Nichtfinden der LSt-Karte habe es auch keine Initialzündung "zum aktiv werden" gegeben. Der Hinweis des FA auf die besondere LSt-Bescheinigung gehe völlig fehl. Nicht einmal 5 % der Steuerpflichtigen würden überhaupt von dieser Möglichkeit wissen. Und wenn ein Steuerpflichtiger wegen des Nichtfindens der LSt-Karte nicht an die Abgabe einer ESt-Erklärung denke, würde er auch nicht das Anfordern einer besonderen LSt-Bescheinigung denken. Dass bei einem Umzug Unterlagen auf meist vorübergehende Zeit verloren gehen würden, die sich dann später aber wiederfinden würden, sei normal. Es träfe sie daher kein grobes Verschulden an der Versäumnis.

Der Einspruch war erfolglos (Einspruchsentscheidung (EE) vom 22.07.2002). Das FA meinte, es habe den Antrag auf ESt-Veranlagung 1998 zu Recht abgelehnt. Denn die Kl. hätten schuldhaft die 2-jährige Antragsfrist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG versäumt. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO sei nicht zu gewähren. Bei der Beurteilung des Verschuldens sei zu berücksichtigen, dass Vergesslichkeit kein Wiedereinsetzungsgrund sei. Ebenso sei das Verlieren eines Schriftstücks grundsätzlich nicht entschuldbar.

Das von den Kl. zitierte Urteil des Finanzgerichts Köln sei auf diesen konkreten Fall nicht anzuwenden. In dem im Urteil genannten Verfahren handele es sich um einen Steuerpflichtigen, für den erstmals eine Antragsveranlagung durchzuführen gewesen sei. Dieser sei mit den Vorschriften des § 46 EStG nicht vertraut gewesen, da er in den Vorjahren immer zur Abgabe einer ESt-Erklärung aufgefordert worden sei. Im vorliegenden Fall seien in den vergangenen Veranlagungszeiträumen bereits Antragsveranlagungen durchgeführt worden.

Das FA habe durch Mitteilung in der örtlichen Presse auf die Abgabe der Steuererklärungen hingewiesen. Alleine die LSt-Karte können nicht als einzige Erinnerung für die Kl. gelten, ihre ESt-Erklärung abzugeben, da die Kl. auch noch durch andere Belege, wie z. B. erhaltene Spendenquittungen, auf die ESt-Erklärung aufmerksam gemacht worden seien. Des weiteren hätten die Kl. gemäß § 90 Abs. 1 AO die Pflicht, sich bei ungenauen Kenntnissen über Abgabefristen zu informieren.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Kl. zunächst eine Verpflichtung des FA erstrebt haben, sie für das Jahr 1998 zur ESt zu veranlagen und die ESt auf einen negativen Betrag in Höhe von 3.122 DM festzusetzen. Dieses Begehren haben die Kl. mit Schriftsatz vom 12.10.2005 dahingehend geändert, dass sie jetzt nicht mehr die Verpflichtung des FA zur Festsetzung eines bestimmten ESt-Betrages erstreben, sondern die Verpflichtung, die Kl. nach Maßgabe der vorliegenden ESt-Erklärung für den Veranlagungszeitraum 1998 zur ESt zu veranlagen.

Sie tragen zur Begründung vor, das FA habe ihnen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 AO zu gewähren und sei verpflichtet, die ESt-Veranlagung für 1998 durchzuführen.

Sie hätten die am 31.12.2000 abgelaufene Ausschlussfrist des § 42 Abs. 2 Nr. 8 EStG für die Abgabe der ESt-Erklärung 1998 schuldlos versäumt. Im Jahr 1999 seien sie umgezogen. Bei diesem Umzug sei die LSt-karte des Kl. "abhanden gekommen", sodass es den Kl. an einer Erinnerung zur Abgabe der ESt-Erklärung gefehlt habe, weil sie den Verlust nicht gemerkt gehabt hätten. Die LSt-Karte sei wenige Tage vor der Antragstellung wiedergefunden und darauf sofort die ESt-Erklärung 1998 erstellt und abgegeben worden.

Wenn der Beklagte zur Begründung des hier angeblich vorliegenden Verschuldens darauf hinweise, dass sich der Kl., um die Frist zu wahren, beim Landeskirchenamt C eine besondere LSt-Bescheinigung hätte anfordern können, gehe dies fehl. Schon dieser Hinweis überzeuge nicht, weil nicht einmal 5 % der Steuerpflichtigen überhaupt von dieser Möglichkeit wüssten. Sie hätten die Steuererklärung nicht deshalb verspätet abgegeben, weil die LSt-Karte oder eine LSt-Bescheinigung fehlen würde, sondern weil sie wegen des Nichtvorliegens der LSt-Karte nicht an die Abgabe erinnert worden seien. Wenn daher ein Steuerpflichtiger wegen des Nichtvorfindens der LSt-Karte nicht an die Steuererklärung denkt, denke er erst recht nicht an die Anforderung einer besonderen LSt-Bescheinigung.

Ihnen, den Kl., sei zudem die für die Antragsveranlagung geltende Frist des § 42 EStG unbekannt gewesen. Wer nicht wisse, dass für ihn eine Frist Gültigkeit habe, könne diese auch nicht bewusst verstreichen lassen. Bis zur Abgabe der Steuererklärung 1998 seien sie nicht steuerlich beraten gewesen. Sie seien allenfalls davon ausgegangen, dass nach Abgabe der Steuererklärung 1998 Verspätungszuschläge vom Beklagten festgesetzt würden. Mit einer Nichtveranlagung hätten sie nicht rechnen können und müssen.

Sie hätten sich damit in einem Irrtum über die Ausschlussfrist selbst befunden. Ein unverschuldeter Rechtsirrtum über eine Ausschlussfrist sei, anders als ein Irrtum über das Wesen einer Ausschlussfrist oder über materielles Recht einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand uneingeschränkt zugänglich.

Nach der Rechtsprechung des Finanzgerichts Köln im Urteil vom 24.10.2000 8 K 1839/00 EFG 2001, 755 könne selbst bei einem Berufsjuristen nicht von vornherein unterstellt werden, dass er insbesondere steuerliche Vorschriften betreffend materielles und formelles Recht zu kennen bzw. sich entsprechend zu informieren habe. Die Kenntnis der Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung jeweils zum 31.05. des Folgejahres sei nach diesem Urteil nicht der Kenntnis der maßgebenden Ausschlussfrist des § 42 Abs. 2 Nr. 8 EStG gleichzusetzen. Die allgemeine Abgabefrist sei schließlich nicht als Ausschlussfrist ausgestaltet und bei Nichteinhaltung allenfalls mit Zwangsgeldern und Verspätungszuschlägen belegt. Damit gehe auch der Hinweis des Beklagten, dass das FA durch Mitteilungen in der örtlichen Presse auf die Abgabe der Steuererklärung hingewiesen habe und sich die Kl. regelmäßig gemäß § 90 AO bei ungenauen Kenntnissen über Abgabefristen zu informieren hätten, fehl, zumal die örtliche Presse allenfalls auf den Termin des 31.05. des Folgejahres hinweise. Dass die Kl. sich beim Beklagten hätte erkundigen können und sollen, und dass sie dann sicherlich auf die bestehende und einzuhaltende Ausschlussfrist hingewiesen worden wären, sei unbeachtlich, da dies ein hypothetischer Sachverhalt sei, der im finanzgerichtlichen Verfahren keine Rolle spiele.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Bescheides vom 07.11.2001 sowie der Einspruchsentscheidung vom 22.07.2002 das Finanzamt zu verpflichten, die Kl. nach Maßgabe der vorliegenden ESt-Erklärung für den Veranlagungszeitraum 1998 zur ESt zu veranlagen,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigen für das Vorverfahren für notwendig zu erklären,

und die Revision im Unterliegensfall zuzulassen.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hält an seine Rechtsauffassung unter Hinweis auf den Inhalt der EE fest.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Steuerakte und der Gerichtsakte Bezug genommen. In diesem Verfahren ist am 01.09.2005 erörtert worden. Auf die Niederschrift hierüber wird verwiesen.

Gründe

Die Klage, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Das FA hat die Veranlagung der Kl. zur ESt für das Streitjahr 1998 zu Recht abgelehnt.

Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, wird gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG eine Veranlagung nur auf Antrag durchgeführt, wenn keiner der in Abs. 2 Nr. 1-7 der Vorschrift genannten Gründe für eine Pflichtveranlagung vorliegt. Der Antrag kann nur bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres durch Abgabe einer ESt-Erklärung gestellt werden (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG). Bei der Antragsfrist handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die nicht nach behördlichen Ermessen verlängerbar ist. Bei Versäumung der Antragsfrist ist jedoch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 110 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Im vorliegenden Fall kommt für das Jahr 1998 eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1-7 EStG unstreitig nicht in Betracht. Die Abgabe der ESt-Erklärung 1998 ist erst am 06.11.2001 (Antragsfristende 31.12.2000) und damit verspätet erfolgt. Das FA hat auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zutreffend abgelehnt, da die Kl. nicht ohne Verschulden verhindert waren, die Antragsfrist einzuhalten.

Nach § 110 Abs. 1 AO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist der Antrag innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen.

Eine Fristversäumnis ist als entschuldigt anzusehen, wenn sie durch die äußerste den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhindert werden konnte (BFH-Urteil vom 14.04.1976 I R 43 - 45/75 BStBl. II 1976, 624 m. w. N.). Dabei ist auf die objektiv einem gewissenhaften Steuerpflichtigen nach seinen persönlichen Verhältnissen zuzumutende Sorgfalt abzustellen. Jedes Verschulden, auch einfache Fahrlässigkeit, schließt die Wiedereinsetzung aus (BFH-Beschluss vom 24.09.1985 III B 3/85 BFH/NV 1986, 190).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze, denen der Senat folgt, haben die Kläger vorliegend die Antragsfrist nicht ohne eigenes Verschulden versäumt. Sie können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, ihnen sei die für die Antragsveranlagung geltende Frist des § 42 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG unbekannt gewesen. Zwar ist ein unverschuldeter Rechtsirrtum über eine Ausschlussfrist selbst, anders als ein Irrtum über das Wesen einer Ausschlussfrist oder über materielles Recht, einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich (BFH-Urteil vom 03.07.1986 ÍV R 133/84 BFH/NV 1986, 717). Hier liegt aber kein unverschuldeter Rechtsirrtum über eine Ausschlussfrist vor. Die Kl. hätten - auch als steuerliche Laien - wissen müssen, dass das FA Steuererklärungen nur berücksichtigen muss, wenn sie innerhalb bestimmter Fristen abgegeben werden. Hierüber hätten sie sich vergewissern müssen. Auch ein steuerlicher Laie weiß oder müsste jedenfalls wissen, dass Behörden Erklärungen, die den Steuerpflichtigen begünstigen, nur innerhalb gewisser zeitlicher Grenzen berücksichtigen. Von einem Steuerpflichtigen mit den beruflichen Erfahrungen des Kl. kann zudem bei Zweifeln über die zeitliche Grenze, die Durchführung einer Veranlagung zu beantragen, erwartet werden, dass er sich bei fachkundigen Stellen erkundigt (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht Urteil vom 26.02.2003 2 K 881/99EFG 2003, 1058).

Überdies hätten sich die Kl. die Kenntnis über die zeitlichen Grenzen schon anhand des "Ratgebers für Lohnsteuerzahler" verschaffen können und müssen, den der Kl. wie alle Steuerpflichtigen, die Arbeitslohn unter Abzug von LSt beziehen, als Anlage mit der LSt-Karte erhalten hat.

Auf Seite 3 des Lohnsteuerratgebers 1998 steht unter der gelb hinterlegten und fettgedruckten Überschrift "Daran müssen sie selber denken" u. a. folgendes:

"Vergessen Sie auch nicht, dass Sie zum Ausgleich der 1997 überzahlten LSt bis zum 31.12.1999 eine Veranlagung zur ESt beantragen müssen (Seite 30). Das Finanzamt wird dazu Vordrucke mit besonderen Erläuterungen bereithalten."

Auf Seite 30 steht dazu unter der gelb hinterlegten und fettgedruckten Überschrift "Antragsveranlagung" und unter der danach aufgeführten kleineren und ebenfalls fettgedruckten Überschrift "Haben Sie etwa zuviel Lohnsteuer gezahlt" nach Aufführung einiger Beispiele für zuviel gezahlte LSt:

"... dann beantragen Sie bitte für das abgelaufene Jahr beim Finanzamt die Veranlagung zur Einkommensteuer. Der Antrag auf Veranlagung zu Einkommensteuer wird durch Abgabe der Einkommensteuererklärung gestellt. Achten Sie bitte auf die nichtverlängerbare Antragsfrist (Einkommensteuerveranlagung 1997: 31.12.1999, Einkommensteuerveranlagung 1998: 31.12.2000). Einkommensteuererklärungsvordrucke mit der ausführlichen Anleitung sind nach Ablauf des Jahres kostenlos erhältlich."

Der Senat ist der Auffassung, dass der Kl. sowohl durch den Ratgeber für LSt 1998 des FA als auch durch die vielen LSt-Ratgeber, die der Kl. für die davor liegenden Veranlagungszeiträume mit der LSt-Karte erhalten hat, eindeutig auf die Notwendigkeit hingewiesen worden ist, innerhalb der 2-jährigen Ausschlussfrist die Durchführung einer Veranlagung zu beantragen, um die zuviel gezahlte LSt vom FA erstattet zu bekommen. Der Kl. war im Streitjahr 1998 bereits 62 Jahre alt. Aufgrund seiner Lebenserfahrung und unter Berücksichtigung seines Berufes als Pfarrer war ihm bekannt, dass derartige Hinweise des FA aufmerksam zu lesen und zu beachten sind. Hinzu kommt hier, dass der Hinweis des FA nicht etwa an einer versteckten Stelle in der 31-seitigen Broschüre enthalten ist, sondern bereits zu Beginn auf Seite 3.

Es kommt deshalb auch nicht darauf an, dass die Kl. bis zu Abgabe der ESt-Erklärung 1998 nicht steuerlich beraten waren.

Die Kl. können sich ebenfalls nicht mit Erfolg auf die Gründe im Urteil des Finanzgerichts Köln vom 24.10.2000 VIII K 1839/00 EFG 2001, 755 berufen. Das FA weist zutreffend daraufhin, dass die Gründe jenes Urteil nicht auf den hier vorliegenden Fall übertragen werden können. In dem jenem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt war für einen Steuerpflichtigen, der jahrelang zur ESt veranlagt worden war, in einem Veranlagungszeitraum erstmals die Regelung über die sogenannte Antragsveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG anzuwenden. Bei einem solchen Sachverhalt kann eventuell die Auffassung vertreten werden, dass die Versäumung der 2-jährigen Antragsfrist wegen Unkenntnis dieser Regelung unverschuldet ist. Jener Steuerpflichtige war mit den Vorschriften des § 46 EStG nicht vertraut, da er in den Vorjahren zur Abgabe einer ESt-Erklärung aufgefordert worden war. Im hier vorliegenden Streitfall wurden jedoch in den vergangenen Veranlagungszeiträumen bereits Antragsveranlagungen durchgeführt. Da sich die steuerlichen Verhältnisse bei den Kl. hinsichtlich der Notwendigkeit, eine Antragsveranlagung durchzuführen, nicht geändert hatten, war für die Kl. eindeutig, dass für sie nur die Hinweise für die Durchführung einer Antragsveranlagung von Bedeutung sein konnten. Der Senat hält deshalb auch nicht die Gründe des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 10.12.2003 4 K 508/01 EFG 2004, 506 (Revision eingelegt, Aktenzeichen des BFH VI R 46/04) auf den Streitfall für übertragbar. Darin hat das Niedersächsische Finanzgericht aufgeführt, dass für diejenigen, die - wie die Kl. in jenen Verfahren - nicht wissen, ob sie zu dem Kreis der Pflichtveranlagten oder dem der Antragsveranlagten gehören würden, die Hinweise in der Anleitung zur ESt-Erklärung 1998 und im LSt-Ratgeber 1998 wegen ihrer - für steuerliche Laien - mangelnden Eindeutigkeit ohne Aussagewert seien. Das ist im Streitfall gerade nicht der Fall.

Die Kl. können sich wegen des von ihnen geltend gemachten mangelnden Verschuldens nicht mit Erfolg darauf berufen, ihnen habe es deshalb an der Erinnerung zur Abgabe der ESt-Erklärung gefehlt, weil zunächst die LSt-Karte des Kl. wegen des in 1999 stattgefundenen Umzuges verlorengegangen und erst wenige Tage vor der Antragstellung wiedergefunden worden sei. Hierauf kann es nicht ankommen. Die Kl. hätten sich ohne weiteres andere zusätzliche Möglichkeiten schaffen können, an die rechtzeitige Abgabe der ESt-Erklärung zu denken. Ein bloßes Vergessen schließt das Verschulden nicht aus. Dass beim Umzug Dinge zeitweise nicht auffindbar sind, sind, zudem Umstände, die die Kl. aufgrund ihrer Lebenserfahrung außerdem hätten berücksichtigen können und müssen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Da zu der hier streitigen Frage mehrere Revisionen beim BFH unter den Aktenzeichen VI R 46/47,48,70/04 anhängig sind, hat der Senat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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