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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 17.09.2008
Aktenzeichen: 8 K 4659/05 GrE
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

8 K 4659/05 GrE

Tenor:

Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 4.7.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.10.2005 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Voraussetzungen einer mittelbaren Anteilsübertragung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) vorliegen.

Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 31.10.2002 (UR-Nr. 779/2002 des Notars N1, V) verkaufte und veräußerte die SC Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG einen Gesellschaftsanteil an der SC Immobilien Verwaltungsgesellschaft mbH von nominal € 25.200,00 - dies entsprach einem Anteil am Stammkapital von 96,92 v.H. - an die seinerzeit noch unter anderem Namen firmierende Klägerin (Klin.). Den restlichen Gesellschaftsanteil i.H.v. 3,08 v.H. erwarb Herr QC. Die SC Immobilien Verwaltungsgesellschaft mbH, deren Anteile die Klin. erwarb, war zum Zeitpunkt der Anteilsübertragung zu 97,5 v.H. am Stammkapital der IM GmbH beteiligt. Letztere war Eigentümerin inländischen Grundbesitzes.

Bei der Klin. fand im Jahr 2005 eine Betriebsprüfung (Bp) betreffend Grunderwerbsteuer (GrESt) für den Erwerb der Anteile an der SC Immobilien Verwaltungsgesellschaft mbH statt. Die Bp und ihr folgend der Beklagte (Bekl.) vertraten die Ansicht, die Übertragung der Gesellschaftsanteile sei gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG grunderwerbsteuerpflichtig. Die Klin. habe - zumindest mittelbar - über die SC Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH eine dem Gesetz entsprechende beherrschende Stellung bei der IM GmbH eingenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bp-Bericht vom 21.3.2005 verwiesen.

Mit Bescheid vom 4.7.2005 stellte der Bekl. für Zwecke der GrESt den Grundbesitzwert im Wege des Ertragswertverfahrens mit € 35.257.000,00 gesondert fest (§§ 138 ff. Bewertungsgesetz - BewG -). Ebenfalls am 4.7.2005 erließ er auf dieser Grundlage gegen die Klin. einen Bescheid über GrESt i.H.v. € 1.233.995,00 (€ 35.257.000,00 x 3,5 v.H.).

Im anschließenden Einspruchsverfahren wandte sich die Klin. sowohl gegen die Steuerpflicht der Anteilsübertragung an sich als auch gegen die Höhe des festgestellten Bedarfswerts. Erforderlich sei nach ihrer Ansicht, dass bei mittelbaren Anteilsvereinigungen die multiplikative Verknüpfung der Beteiligungsquoten an der Tochter- und Enkelgesellschaft das gesetzliche Quantum von mindestens 95 v.H. erreiche. Dies sei vorliegend nicht gegeben (96,92 v.H. x 97,5 v.H. = 94,49 v.H.).

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 25.10.2005 wies der Bekl. den Einspruch zurück. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG finde - so bereits der Gesetzeswortlaut - auch dann Anwendung, wenn der Anteilserwerber nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt wird. Ein mittelbarer Anteilserwerb werde nicht dadurch ausgeschlossen, wenn rein rechnerisch die 95 v.H.-Grenze in der Beteiligungskette der Unternehmen unterbrochen werde. Maßgeblich sei vielmehr die tatsächliche Beherrschung auf jeder Gesellschaftsebene.

Mit ihrer Klage verfolgt die Klin. ihr außergerichtliches Vorbringen weiter. Sie führt im Wesentlichen an:

Der Gesetzgeber habe weder im Gesetz selbst noch in der Gesetzesbegründung den Begriff der "mittelbaren Übertragung von mindestens 95 v.H. der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft" definiert.

Bei einer mehrstufigen Beteiligungskette müsse zwingend eine multiplikative Verknüpfung der einzelnen Beteiligungsstufen vorgenommen werden. Es sei zu berücksichtigen, dass die Vorschrift des § 1 Abs. 3 GrEStG vorrangig den Ergänzungstatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG in den Fällen konkretisiere, in denen der Gesellschafter über ein Grundstück wie ein zivilrechtlicher Eigentümer verfügen und dieses auch wirtschaftlich verwerten könne. Der Gesetzgeber habe in § 1 Abs. 3 GrEStG festgelegt, dass ein Anteil von 95 v.H. insoweit ausreiche, um einem Gesellschafter die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Verwertung des Gesellschaftsgrundstücks zuzurechnen. Bei einer mittelbaren Beteiligung von jeweils 95 v.H. auf beiden Stufen hingegen beschränke sich die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks der unteren Gesellschaft durch die obere Gesellschaft auf lediglich 90,25 v.H. und somit auf weniger als 95 v.H. Würde man die Anzahl der Beteiligungsstufen erhöhen, so käme man - bei Zugrundelegung der Auffassung des Bekl. - zu dem nahezu absurden Ergebnis, dass jemand volle GrESt für ein wirtschaftlich nur zu einem Bruchteil verwertbares Grundstück entrichten müsste. Dieses Ergebnis könne nicht dem Zweck und dem Besteuerungsgegenstand des § 1 Abs. 3 GrEStG entsprechen.

Die Klägerin beantragt schriftlich (sinngemäß),

den GrESt-Bescheid vom 4.7.2005 in Gestalt der EE vom 25.10.2005 aufzuheben,

sowie festzustellen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren notwendig war.

Der Bekl. beantragt schriftlich (sinngemäß),

die Klage abzuweisen,

sowie - für den Fall des Unterliegens - die Revision zuzulassen.

Der Bekl. vertritt die Ansicht, die Auffassung der Klin. verstoße gegen die grundsätzliche Struktur des GrESt-Rechts und widerspreche zudem der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Gegenstand der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG sei nicht der Anteilserwerb als solcher. Grunderwerbsteuerlich werde der Erwerber, in dessen Hand sich die Gesellschaftsanteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben. Hierbei handele es sich um eine Fiktion, die denjenigen wie den Eigentümer des Grundstücks behandele, der die Sachherrschaft über das Grundstück tatsächlich dadurch ausübe, dass er die rechtliche Verfügungsmacht an den Gesellschaftsanteilen erlange. Dies gelte auch bei zwischengeschalteten Gesellschaften. Entscheidend sei lediglich, dass die rechtliche Verfügungsmacht über die Gesellschaftsanteile von einer Intensität sei, die einer Sachherrschaft über das Grundstück gleichkomme.

Ein Gesellschafter, der 95 v.H. der Anteile an einer Körperschaft halte, könne zweifellos die Entscheidungen in der Gesellschaft de facto genauso sicher bestimmen als wäre er Alleingesellschafter. Die Mitbestimmungsrechte des restlichen Zwerganteils seien rechtlich vernachlässigbar. Der Gesellschafter, der in der Tochtergesellschaft ungestört durch den Zwerganteil seine Sachherrschaft ausübe, tue dies genauso ungestört durch den dortigen Zwerganteil mittelbar auf der Ebene der Enkelingesellschaft. Die stufenweise ausgeübte Sachherrschaft stelle keine abgeschwächte Macht dar.

Die von der Klin. vertretene Durchrechnung der Beteiligungen berücksichtige nicht die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse. Die Höhe der Vermögensbeteiligung sei grunderwerbsteuerlich für die Frage der mittelbaren Anteilsvereinigung irrelevant. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise sei nicht angezeigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die EE vom 25.10.2005 sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten.

Der Berichterstatter hat mit den Vertretern der Beteiligten am 5.12.2007 den Sach- und Streitstand erörtert. Auf das Sitzungsprotokoll vom selben Tag wird verwiesen.

Mit Beschluss vom 10.1.2008 hat der Senat den Streit über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts auf den 31.10.2002 abgetrennt und an den hierfür spezialzuständigen 3. Senat des FG Münster verwiesen (Az. 3 K 81/08 F).

Mit Schreiben vom 4.9.2008 überreichten die Prozessbevollmächtigten der Klin. die zuvor vom Gericht angeforderten Gesellschaftsverträge der Klin., der SC Immobilien Verwaltungsgesellschaft mbH sowie der IM GmbH. Hierauf wird verwiesen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der angefochtene GrESt-Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klin. in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Bekl. hat die Anteilsübertragung zu Unrecht als grunderwerbsteuerpflichtig i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG qualifiziert.

1. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in der seit dem 1.1.2000 geltenden Fassung (Steuerentlastungsgesetz - StEntlG - 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl. I 1999, 402) unterliegt der GrESt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer Gesellschaft begründet, zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 v.H. der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers oder in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen oder in der Hand von abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen allein vereinigt werden würden (Anteilsvereinigung). Grunderwerbsteuerpflichtig ist gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG auch ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 v.H. der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet (Anteilsübertragung). Während nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG die erstmalige Vereinigung aller bzw. fast (95 v.H.) aller Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft der GrESt unterliegt, knüpft die GrESt im Falle des - vorliegend grundsätzlich einschlägigen - § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG an die komplette bzw. fast komplette Übertragung bereits vereinigter Anteile an (vgl. zur Differenzierung Baumann, UVR 2000, 334, 335).

2. § 1 Abs. 3 GrEStG ist verfassungsgemäß und verstößt auch nicht gegen europäisches Gemeinschaftsrecht (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10. Juni 1963 1 BvR 345/61, BVerfGE 16, 203; BFH-Urteile vom 19.12.2007 II R 65/06, BStBl II 2008, 489; vom 2. April 2008 II R 53/06, BFH/NV 2008, 1268).

3. Die Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG knüpfen zwar an den Anspruch auf Übertragung bzw. auf Vereinigung von Gesellschaftsanteilen an, erfassen aber die infolge der Vereinigung (Übertragung) der Anteile der Gesellschaft mit Grundbesitz in einer Hand spezifisch grunderwerbsteuerrechtlich veränderte Zuordnung von Grundstücken (BFH-Urteile vom 12. Januar 1994 II R 130/91, BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 408; vom 20. Oktober 1993 II R 116/90, BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121; vom 20. Juli 2005 II R 30/04, BFHE 210, 375, BStBl II 2005, 839; zuletzt in BFH/NV 2008, 1268). Bei den in § 1 Abs. 3 GrEStG geregelten Ersatztatbeständen fingiert das Gesetz - zivilrechtlich nicht vorhandene - grundstücksbezogene Erwerbsvorgänge und trägt damit dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der alle (bzw. 95 v.H. der) Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt oder erwirbt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst. § 1 Abs. 3 GrEStG behandelt den Inhaber aller (bzw. fast aller) Anteile so, als gehörten ihm nunmehr die im Eigentum der Gesellschaft stehenden Grundstücke (BFH in BFH/NV 2008, 1268) bzw. als verfüge er über eine Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich des Gesellschaftsgrundstücks (Teiche, UVR 2003, 258, 261).

4. Eine Vereinigung aller (fast aller) Anteile in einer Hand i.S. von § 1 Abs. 3 GrEStG liegt nicht nur dann vor, wenn der Anteilserwerber die Anteile einer Gesellschaft mit Grundbesitz selbst unmittelbar hält, sondern auch dann, wenn es sich - wie nunmehr durch die gesetzliche Neufassung klargestellt - bei der Beteiligung des Anteilserwerbers um eine nur mittelbare, d.h. über eine andere Gesellschaft vermittelte handelt, an der er beherrschend beteiligt ist (BFH in BStBl II 2008, 489; in BFH/NV 2008, 1268). Da die Anteilsvereinigung die über die rechtliche Verfügungsmacht an den Gesellschaftsanteilen erlangte Sachherrschaft an dem Gesellschaftsgrundstück erfasst, kommt es nicht darauf an, ob diese Sachherrschaft mittelbar durch eine zwischengeschaltete Gesellschaft ausgeübt wird.

Nach der bis zum 31.12.1999 geltenden Gesetzeslage forderte § 1 Abs. 3 GrEStG die Vereinigung bzw. Übertragung aller Anteile (100 v.H.) an der grundbesitzenden Gesellschaft. Die Zurückbehaltung selbst unbedeutender Zwerganteile führte zur Nichtanwendung der Vorschrift (vgl. BFH-Urteil vom 31. Juli 1991 II R 157/88, BFH/NV 1992, 57). Auch nach damaliger Rechtslage trat die Steuerbarkeit gem. § 1 Abs. 3 GrEStG nicht nur bei der unmittelbaren Vereinigung/Übertragung aller Anteile an einer grundbesitzenden Tochterkapitalgesellschaft ein. Vielmehr reichte es schon bisher aus, wenn eine 100%ige Tochterkapitalgesellschaft, deren Anteile übergingen, 100 v.H. der Anteile an einer nachgeschalteten grundbesitzenden Enkelkapitalgesellschaft hielt (vgl. Gottwald, BB 2000, 69, 72; Beckmann, GmbHR 2000, 81; Eggers/Fleischer/Wischott, DStR 1999, 1301, 1303, jeweils m.w.N.). Unter dieser Voraussetzung wurde die Tochterkapitalgesellschaft der Hand der Mutterkapitalgesellschaft zugerechnet und damit auch die sich im Vermögen der Tochtergesellschaft befindlichen Anteile an der grundbesitzenden Enkelgesellschaft. Erforderlich war allerdings stets eine 100%ige - ggf. auch mehrstufige - Beteiligungskette.

Seit der gesetzlichen Herabsetzung des Quantums von 100 v.H. auf nunmehr lediglich 95 v.H. ist bislang ungeklärt, unter welchen Voraussetzungen von einer mittelbaren Anteilsvereinigung/-übertragung ausgegangen werden kann.

a. Rechtsprechung des BFH bzw. der Instanzgerichte liegt zu dieser Frage - soweit ersichtlich - noch nicht vor. Im Schrifttum wird die Problematik streitig diskutiert. Zum Teil wird sich dafür ausgesprochen, dass die Beherrschung des Gesellschafters auf jeder Beteiligungsebene die gesetzliche Quote von mindestens 95 v.H. erreichen müsse (vgl. Baumann, UVR 2000, 334, 338; Eggers/Fleischer/Wischott, DStR 1999, 1301, 1304; Rödder, DStR 2002, 710, 711; wohl auch Pahlke in Pahlke/Franz GrEStG, 3. Aufl., § 1 Rdnr. 335). Sofern - so die Begründung dieser Ansicht - einer Muttergesellschaft im Falle einer unmittelbaren Beteiligung von 95 v.H. die Grundstücke der Tochtergesellschaft mit ihrem vollen Wert zuzurechnen seien, müssten dieser im Falle mittelbarer Beteiligung auch die Anteile der Tochtergesellschaft an einer grundbesitzenden (Enkel-) Gesellschaft in voller Höhe zugerechnet werden (so Eggers/Fleischer/Wischott, DStR 1999, 1301, 1304).

b. Dagegen wird von anderer Seite gefordert, dass im Falle mittelbarer Beteiligung die Beteiligungsquoten durchgerechnet werden müssten und dieses Rechenergebnis auf Ebene der Muttergesellschaft die 95 v.H.-Grenze erreicht (Hörger/Mentel/Schulz, DStR 1999, 565, 575 f.; Beckmann, GmbHR 2000, 81; Schmidt, DB 1999, 1872, 1873; Gottwald, BB 2000, 69, 73 f.; ders., MittBayNot 1999, 338, 342; tendenziell auch Teiche, UVR 2003, 258, 262; unklar Fischer in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 1 Rdnr. 892c).

c. Die Finanzverwaltung hat sich zu dieser Frage bislang nicht eindeutig positioniert. Im Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 2. Dezember 1999, BStBl I 1999, 991, heißt es lediglich, dass Anteilsvereinigungen bzw. -übertragungen i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG bereits dann GrESt auslösen würden, wenn mindestens 95 v.H. der Anteile unmittelbar oder mittelbar vereinigt oder übertragen würden (Rdnr. 1 des Erlasses). Dies steht im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut. Aus dem im zitierten Erlass aufgeführten Beispiel 1 könnte allerdings geschlussfolgert werden, dass auch die Finanzverwaltung bei mittelbaren Beteiligungen lediglich den durchgerechneten Faktor berücksichtigen will: Im dortigen Beispielsfall wird eine grundbesitzende AG angeführt, an der zunächst zwei Kapitalgesellschaften (Y-GmbH und Z-GmbH) zu je 50 v.H. beteiligt waren. Gesellschafter der Y-GmbH waren A und B je zur Hälfte, Gesellschafter der Z-GmbH andere Personen. Später erwarb A 95 v.H. der bisher von Z-GmbH gehaltenen Anteile an der grundbesitzenden AG. Wiederum später erwarb A die bisher von B gehaltenen Anteile an der Y-GmbH. Grunderwerbsteuerlich führt dies für A nach Ansicht der Finanzverwaltung zu folgenden Konsequenzen: Ursprünglich war A zu 25 v.H. über die Y-GmbH an der AG beteiligt (50 v.H. x 50 v.H.). Der Erwerb der Anteile an der Z-GmbH erhöhte seine nunmehr zu 47,5 v.H. teils unmittelbare (95 v.H. der ursprünglich von der Z-GmbH gehaltenen 50%igen Beteiligung) und weiterhin zu 25 v.H. teils mittelbaren Beteiligung auf insgesamt 72,5 v.H. Die bisher von B gehaltenen Anteile an der Y-GmbH erhöhte A's mittelbare Beteiligung an der AG auf nunmehr 50 v.H. (100 v.H. x 50 v.H.) und führt nach Ansicht der Finanzverwaltung zur Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1/2 GrEStG (47,5 v.H. unmittelbare Beteiligung zuzüglich 50 v.H. mittelbare Beteiligung). Für die Bestimmung der Höhe einer mittelbaren Beteiligung rechnet die Finanzverwaltung demnach durch.

Dagegen vertritt sie in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG offensichtlich die Auffassung, dass mittelbare Anteilsänderungen nicht anteilig - d.h. durchgerechnet - sondern in voller Höhe zu berücksichtigen sind (vgl. Erlass des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 26. Februar 2003, BStBl I 2003, 271 Rdnr. 4.2.3). Hieraus wird im Schrifttum vereinzelt der Schluss gezogen, dass dieselben Grundsätze auch in Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG zu ziehen sind (vgl. u.a. Fischer in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 1 Rdnr. 892c i.V.m. Rdnr. 848b). Diese Auffassung überzeugt allerdings bereits im Ansatz nicht. Denn bei genauerer Betrachtung weist der Sinn und Zweck der Vorschriften § 1 Abs. 2a GrEStG und § 1 Abs. 3 GrEStG erhebliche Unterschiede auf. Während es sich bei § 1 Abs. 2a GrEStG um eine Vorschrift zur missbräuchlichen Steuervermeidung bei Gestaltungsüberlegungen bei Gesamthandsgemeinschaften handelt (vgl. u.a. Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 1 Rdnr. 268), beruht § 1 Abs. 3 GrEStG auf dem Gedanken, dass derjenige, der zumindest 95 v.H. der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft in seiner Person vereinigt, jedenfalls die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Grundstücke der Gesellschaft hat. § 1 Abs. 2a GrEStG fingiert demnach den Grundstücksverkauf an eine andere Personengesellschaft; § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG fingiert dagegen den Verkauf des Grundstücks vom Veräußerer der Anteile an den nunmehr beherrschenden Gesellschafter (vgl. Fischer in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 1 Rdnr. 851; Schmidt, DB 1999, 1872, 1873). Letzteres verlangt, dass dem Erwerber der Anteile in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG auch tatsächlich eine derartige Herrschaftsmacht an der grundbesitzenden Gesellschaft zugesprochen werden kann, die die Fiktion erlaubt, ihm gehöre das Grundstück bzw. er sei zu dessen wirtschaftlicher Verwertung berechtigt. Begründet der Erwerber seine Herrschaftsmacht über eine vermittelnde Zwischengesellschaft, so fordert die Fiktion, dass er nicht nur an der vermittelnden Gesellschaft eine dem Gesetz entsprechende Beherrschungsstellung inne hat, sondern darüber hinaus auch an der grundbesitzenden Untergesellschaft.

d. Nach Auffassung des erkennenden Senats setzt eine Vereinigung/Übertragung von mittelbar mindestens 95 v.H. der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft voraus, dass die Muttergesellschaft (bzw. der einzelne Gesellschafter) über eine vermittelnden (Zwischen-)Beteiligung auch tatsächlich zu mindestens 95 v.H. am Vermögen der Untergesellschaft beteiligt ist. Dies erfordert, dass die Beteiligungsquoten bei mittelbaren Anteilsvereinigungen bzw. -übertragungen "durchzurechnen" sind. Eine jeweils nur 95%ige Beteiligungsquote auf den einzelnen Beteiligungsstufen genügt nicht. Vor diesem Hintergrund hat die Klin. nicht mittelbar zumindest 95 v.H. der Anteil an der IM GmbH erworben, sondern rechnerisch lediglich 94,49 v.H. (96,92 v.H. x 97,5 v.H.).

Für diese Sichtweise spricht zum einen, dass die Quote einer mittelbaren Beteiligung stets - auch in anderen steuerlichen und außersteuerlichen Rechtsgebieten - durchgerechnet zum Ausdruck gebracht wird. Es versteht sich von selbst, dass z.B. derjenige, der zu 50 v.H. an einer Zwischengesellschaft beteiligt ist, die wiederum 50 v.H. der Anteile an einer Untergesellschaft hält, an jener Untergesellschaft mittelbar nicht zu 50 v.H., sondern - durchgerechnet - zu lediglich 25 v.H. beteiligt ist.

Nichts anderes kann in Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG gelten. Lässt der Gesetzgeber eine mittelbare Beteiligung von zumindest 95 v.H. an der grundbesitzenden Gesellschaft genügen, erfordert dies auch eine tatsächliche Beherrschung in Höhe dieses Quantums. Nur in diesem Fall erfährt die rechtliche Verfügungsmacht an den Gesellschaftsanteilen eine Intensität, die es erlaubt, zu unterstellen, der Beherrschende übe tatsächlich auch die Sachherrschaft über das Grundstück aus. Vor diesem Hintergrund ist der Einwand des Bekl., eine Durchrechnung der Beteiligungen berücksichtige nicht die tatsächlichen Herrschaftsverhältnisse, nicht nachvollziehbar. Genau dies tut sie.

Unzutreffend ist ferner das Argument des Bekl., eine stufenweise ausgeübte Sachherrschaft stelle keine abgeschwächte Macht dar. Dies kann nur dann richtig sein, wenn auf jeder Beteiligungsstufe eine Beherrschungsidentität von 100 v.H. vorliegt. Sofern der Beherrschende auf jeder Beteiligungsstufe mit einem ggf. abweichenden Verhalten des/der Kleingesellschafter(s) rechnen muss, kann nicht die Rede davon sein, dass er bei wirtschaftlicher Betrachtung das Grundstück der Untergesellschaft verwerten kann. Dies gilt umso weniger, je mehrkettiger die Beteiligungsstufen sind. Genauso diesem Umstand trägt das Erfordernis der Durchrechnung der Beteiligungsquoten Rechnung.

Für die hier vertretene Ansicht spricht zudem der Wortlaut der Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG setzt voraus, dass der Erwerber die Übertragung von mindestens 95 v.H. der Anteile an derjenigen Gesellschaft beanspruchen kann, zu deren Vermögen das Grundstück gehört. In Fällen mittelbarer Beteiligung muss demnach die Anteilsvereinigung/-übertragung nicht auf Ebene der vermittelnden Zwischengesellschaft, sondern auf derjenigen der Muttergesellschaft erfolgen (vgl. Hörger/Mentel/Schulz, DStR 1999, 565, 576; Beckmann, GmbHR 2000, 81). Es liegt in der Konsequenz dieses Wortlautarguments, dass mittelbare Beteiligungen stets durchgerechnet berücksichtigt werden müssen (a.A. dagegen Rödder, DStR 2002, 710, 711 f.; Eggers/Fleischer/Wischott, DStR 1999, 1301, 1304).

Auch steht die hier vertretene Ansicht - anders als der Bekl. meint - nicht im Widerspruch zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Der BFH hat, soweit ersichtlich, bislang noch nicht über die vorliegend relevante Konstellation entschieden. Die bisherige - zur Rechtslage vor dem 1.1.2000 ergangene - Rechtsprechung musste sich noch nicht zu Gestaltungen äußern, in denen eine herabgesetzte Beteiligungsquote von nur 95 v.H. galt. Nicht nachzuvollziehen vermag der Senat den Hinweis des Bekl., die von der Klin. vertretene und letztlich vom Senat geteilte Ansicht verstieße gegen die grundsätzliche Struktur des GrESt-Rechts. Zu befinden ist gerade darüber, ob eine lediglich vermittelte Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft auch dann eine wirtschaftliche Verwertungsmöglichkeit des anteilerwerbenden Gesellschafters fingieren kann, wenn er zwar auf jeder Beteiligungsebene das gesetzliche Quantum von 95 v.H. erreicht, bei verknüpfender Berechnung der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligung allerdings weniger als 95 v.H. der Gesellschaftsanteile (der grundbesitzenden) Gesellschaft hält. In Frage steht somit, ob eine durchgerechnet unter 95 v.H. liegende mittelbare Beteiligung ausreicht, um dem Gesellschafter eine faktische Sachherrschaft an dem Gesellschaftsgrundstück zukommen zu lassen. Insofern werden keine grundsätzlichen Strukturen des GrESt-Rechts in Frage gestellt; auch geht hiermit keine "vollständige Neuorientierung" einher. Gegenstand des Rechtsstreits ist lediglich die Auslegung der gesetzgeberisch neu gefassten Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG, die zur Überzeugung des Senats im Sinne der hier vertretenen Ansicht zu erfolgen hat.

5. Da zudem weder aus dem Kauf- und Abtretungsvertrag vom 31.10.2002 noch sonst aus den vorgelegten Unterlagen Anzeichen dafür abzuleiten sind, dass der Gesellschaftsanteil des Herrn QC an den Zwischengesellschaft, der SC Verwaltungsgesellschaft mbH (3,08 v.H.), der Klin. oder deren Mehrheitsgesellschafterin zuzurechnen war, sondern - wie im Erörterungstermin am 5.12.2007 betont - Herr QC als vollwertiger Gesellschafter fungierte, waren vorliegend die gesetzlichen Anforderungen an einer steuerpflichtige Anteilsübertragung i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG nicht erfüllt.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

7. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung sowie zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO).

Beschluss:

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 4 Satz 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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