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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: 8 K 4694/04 G,F
Rechtsgebiete: EStG, HGB


Vorschriften:

EStG § 5 Abs. 1 S. 1
HGB § 249 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

8 K 4694/04 G,F

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Zu entscheiden ist, ob der Beklagte (Bekl.) berechtigt war, für das Streitjahr 1999 eine Rückstellung gewinnerhöhend aufzulösen, die für Abbruchkosten in voraussichtlicher Höhe von .......... DM für eine vermietete Produktionsstätte zunächst im Wirtschaftsjahr 1993 mit einem Ursprungswert von .......... DM und später im Wirtschaftsjahr 1999 mit dem erhöhten Wert von .......... DM gebildet worden war.

Die Klägerin (Klin.) - die I1. Z. Immobilien-Verwaltungs-GmbH und Co KG - ist Eigentümerin einer Produktionsstätte in P., ................ mit dazugehörigem Grund und Boden. Auf dem Grundbesitz, der von allen Seiten durch Wohnbebauung umgeben ist (vgl. Luftbildaufnahme Blatt 42 der Gerichtsakte), wird ein .............werk mit ...........geschäft betrieben. Ursprünglich wurde der Betrieb von der Fa. "I1. Z. ....handel und ...........werk GmbH & Co. KG", der Rechtsvorgängerin der Klin., betrieben. Diese hatte bereits zum 30.06.1992 eine Rückstellung für Abbruchkosten in Höhe von ....... DM in ihrer Bilanz gebildet (vgl. Tz. 7, 8 und 12 des Betriebsprüfungsberichts vom 18.09.1998). Bei der Rechtsvorgängerin der Klin. und bei der Klin. selbst war diese Rückstellung dann zunächst im Jahre 1993 auf .......... DM erhöht worden und später, im Wirtschaftsjahr 1999, auf .......... DM. Die Höhe der voraussichtlich anfallenden Abbruchkosten ist aufgrund eines Gutachtens des Architekten Y. vom 18.09.1998 unstreitig und zwar auch mit dem im Wirtschaftsjahr 1999 angesetzten Betrag von .......... DM (vgl. Tz. 12 des Betriebsprüfungsberichtes vom 18.09.1998 und Tz. 2.2.1 vom 12.06.2003). Die nach Ansicht der Klin. gebotene Bildung der Rückstellung beruht auf folgendem, zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalt:

Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt hatte bereits im Jahre 1993 und ihm folgend das später für die Angelegenheit zuständige Staatliche Umweltamt ....... im Jahre 1995 Bedenken gegen den Betrieb des ...........werkes in der damaligen Form geäußert. Diese Bedenken bezogen sich auf Luftverunreinigungen und später auch auf die Lärmentwicklung durch den Betrieb.

Mit Schreiben vom 27.05.1993 (Blatt 40 und 41 der Gerichtsakte) hat das damals zuständige Gewerbeaufsichtsamt eine Ordnungsverfügung angedroht. Danach sollten Schüttgossen umgebaut werden und mit Rolltoren versehen werden. Ferner sollte eine Absauganlage eingebaut werden. Sofern diese Maßnahmen nicht bis zum 28.02.1994 durchgeführt sein sollten, wurde angedroht, dass die Schüttgossen solange nicht betrieben werden dürfen, bis die Maßnahme durchgeführt sei. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts vom 27.05.1993 verwiesen.

In der Folgezeit kam es zu Besprechungen mit der Behörde. Dabei wurde von Seiten der Rechtsvorgängerin der Klin. u. a. darauf hingewiesen, dass auch eine Betriebsverlagerung beabsichtigt sei. Eine schriftliche Vereinbarung wurde jedoch nicht getroffen. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt und das später zuständige Staatliche Umweltamt unternahmen zunächst bis in das Jahr 1995 hinein (und später bis zum Jahr 2003) keine weiteren Maßnahmen (vgl. Schriftsatz der Klin. vom 22.02.2005, Seite 2, Blatt 48 der Gerichtsakte sowie die vorhergehende Verfügung des Berichterstatters vom 11.01.2005, Blatt 44 und 45 der Gerichtsakte).

Im März 1995 kam das Staatliche Umweltamt auf die Androhung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes vom 27.05.1993 zurück, eine Ordnungsverfügung zu erlassen. Grund hierfür war die Tatsache, dass die Klin. ihren Antrag auf Genehmigung zur Errichtung eines neuen ...........werkes in M. wegen Änderungen in ihrem Unternehmen zurückgezogen hatte. Zuvor war von der Klin. im Industriegebiet in M. ein Grundstück zur Auslagerung der Produktion erworben worden. Das Staatliche Umweltamt interpretierte die zwischenzeitlichen Besprechungen mit der Klin. bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Vereinbarung, dass "spätestens 6 Monate nach Inbetriebnahme des neuen Werkes in M." die Produktion in P. stillzulegen sei und dass die stillgelegten Anlagen demontiert würden. Mit dem Schreiben vom März 1995 teilte das Staatliche Umweltamt der Klin. mit, dass, unabhängig von dieser Vereinbarung, "die Anordnung von Maßnahmen zur Altanlagensanierung nach der TA Luft für das Werk P. in Erwägung gezogen" werde.

Im Februar 2003 kam das Staatliche Umweltamt auf den Vorgang zurück. Dazu teilte die Firma "Z. und M1.", an die die Betriebsstätte von der Klin. vermietet worden war, mit Schreiben vom 17.02.2003 u. a. mit, dass ein Nachtbetrieb des Gabelstaplers eingestellt worden sei, dass schriftliche Anweisungen an alle Lkw-Fahrer bestünden, hinsichtlich der Lärmentwicklung auf Anwohner besondere Rücksicht zu nehmen, dass in Bezug auf Schalldämpfung, Abluft und Mühlen zur Zeit intensiv geprüft werde, ob ein abluftfreies Mahlsystem zu realisieren sei und dass hinsichtlich der Isolierung und Dämmung des Mühlengebäudes demnächst eine Begehung durch eine Fachfirma stattfinden werde. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 17.02.2003 verwiesen.

In einem Schreiben vom 09.05.2003 stellte das Staatliche Umweltamt fest, dass hinsichtlich der Nachtzeit für die unmittelbare Nachbarschaft die Immissionsrichtwerte für Lärm überschritten seien. Auch seien gemeinsame Maßnahmen mit der Fa. "Z. und M1." abgestimmt worden, um den Immissionsschutz für die Zukunft sicherzustellen. Danach solle der obere Bereich des ......gebäudes sowie das Dach mit Eternitplatten und Stahlblechprofilen verkleidet werden. Die Planung und Durchführung der vorgesehen Maßnahmen solle durch Fachfirmen erfolgen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 09.05.2003 Bezug genommen.

Im Rahmen der Neuordnung der Firmen des Herrn I1. Z. war von der Klin. mit der Fa. "Z. und M1." am 25.03.1994 ein Mietvertrag über den Grundbesitz und die Produktionsstätte geschlossen worden. Danach war eine Miete von ..... DM monatlich zu zahlen. Durch weiteren Vertrag vom 24.06.1998 wurde die Miete auf ...... DM erhöht. Der neue Mietvertrag enthält ausdrücklich den Hinweis, dass der Produktionsstandort P. bis auf weiteres bestehen bliebe - im Gegensatz dazu enthielt der alte Mietvertrag einen Hinweis, dass beabsichtigt sei, einen Neubau in M. zu errichten und die Produktion in P. einzustellen (vgl. Seite 5 der EE vom 02.08.2004).

Die Klin. hatte in der für den Streitfall maßgebenden Bilanz zum 31.12.1999 die bisherige, im Jahre 1993 gebildete Rückstellung für Abbruchkosten in Höhe von .......... DM auf .......... DM erhöht.

In den entsprechenden Steuerfestsetzungen für dieses Streitjahr (Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für 1999 vom 21.11.2000, Gewerbesteuermessbetragsbescheid für 1999 vom November 2000 und Bescheid vom 08.12.2000 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1999), die jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, folgte der Beklagte (Bekl.) dieser steuerlichen Bewertung der Klin.. Im Rahmen einer im Jahre 2003 durchgeführten Betriebsprüfung wurde der Sachverhalt aufgegriffen. Die Betriebsprüfung und ihr folgend der Bekl. erkannten die Rückstellung von .......... DM nicht mehr an. Die .......... DM wurden gewinnerhöhend berücksichtigt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 12.06.2003 Bezug genommen. Mit geänderten Bescheiden vom 22.10.2003 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1999, vom 27. November 2003 für den Gewerbesteuermessbetrag des Jahres 1999 und vom 07.11.2003 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes auf den 31.12.1999 wurden die .......... DM neben anderen, im vorliegenden Verfahren nicht streitigen Gewinnänderungen gewinnerhöhend berücksichtigt. Die hiergegen gerichteten Einspruchsverfahren waren erfolglos. Mit zusammengefasster EE vom 02.08.2004 wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der daraufhin erhobenen Klage verfolgt die Klin. ihr Begehren weiter, die gewinnmindernde Rückstellung von .......... DM beibehalten zu können. Sie trägt dazu im Wesentlichen vor, das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt und das Staatliche Umweltamt hätten mit ihren Schreiben vom 27.05.1993 und vom März 1995 Staub und Lärmbelästigungen durch den Betrieb der Produktionsstätte gerügt. Aufgrund von Klagen der Nachbarschaft sei am 09.05.2003 die Auflage erfolgt, den gesetzlich nicht zulässigen Lärm zu unterlassen. Im März 1995 sei die Auflage erteilt worden, dass 6 Monate nach Aufnahme der Produktion in M. die Produktion in P. eingestellt werden müsse und das Werk demontiert werden müsse. Trotz Tolerierung der Produktion bestehe diese Auflage immer noch. Auch das Schreiben vom 09.05.2003 stellte keine Aufhebung dieser Auflage dar. Die Behörde toleriere die Produktion in P., weil zwischenzeitlich Maßnahmen ergriffen worden seien, die die Lärmbelästigung verringerten. Die dritte Schicht sei eingestellt worden. Nicht richtig sei, dass die Bebauungsabsicht in M. aufgegeben worden sei. Zur Zeit werde über die Bebauung des Grundstückes verhandelt. Auch der geänderte Mietvertrag stelle kein Indiz dafür dar, dass in M. nicht mehr gebaut werden solle. Durch die Schließung der dritten Schicht sei eine Auslagerung des Betriebes unerlässlich, weil der Betrieb in zwei Schichten nicht wirtschaftlich geführt werden könne. Sie, die Klin., sei unter Sanktionsandrohung von der Behörde aufgefordert worden, den ordnungswidrigen Zustand zu beseitigen. Dieses reiche aus, eine Rückstellung wegen öffentlichrechtlicher Verbindlichkeit zu bilden. Selbst wenn man der Auffassung der Betriebsprüfung und des Bekl. folge, dass im Jahre 2003 die Abbruchverpflichtung von der Behörde nicht mehr weiterverfolgt worden sei, könne dieses nicht im Jahre 1999 berücksichtigt werden und zur Auflösung der Rückstellung führen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 11.11.2004, 22.05.2005 und 14.06.2005 Bezug genommen.

Die Klin. beantragt,

die EE vom 02.08.2004 aufzuheben und die Bescheide vom 22.10.2003 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 1999, vom 27.11.2003 zum Gewerbesteuermessbetrag 1999 und vom 07.11.2003 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.1999 in der Weise zu ändern, dass gewinnmindernd eine Rückstellung in Höhe von .......... DM weiterhin berücksichtigt wird

und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf die EE vom 02.08.2004 meint er im Wesentlichen, im Streitfall könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klin. ernstlich mit der Inanspruchnahme der Behörde rechnen müsse, den Betrieb einzustellen. Die vorgelegten behördlichen Verfügungen wiesen lediglich darauf hin, dass Maßnahmen zur Altanlagensanierung nach der TA Luft für das Werk P. in Erwägung gezogen würden. Aufgrund der Übernahme des Betriebes F. in T. würden die Pläne zur Umsiedlung des Betriebes nach M. auch nicht mehr weiter vorangetrieben. Sie seien aufgegeben worden. Darauf deute auch der geänderte Mietvertrag vom 24.06.1998 hin, denn in der dortigen Präambel komme zum Ausdruck, dass, anders als zuvor, nicht nur Büro und Lager vermietet würden sondern eine aktive Produktionsstätte. Dementsprechend werde auch eine höhere Miete vereinbart. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die EE vom 02.08.2004 verwiesen.

Im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16. November 2006 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Zu Recht hat der Bekl. die für zukünftige Abbruchkosten gebildete Rückstellung von .......... DM in Höhe des bis zum Wirtschaftsjahr 1998 bereits bestehenden Teilbetrages (.......... DM) gewinnerhöhend aufgelöst und den Erhöhungsbetrag des Wirtschaftsjahres 1999 (....... DM) nicht anerkannt. Ausgehend von dem unstreitigen und von der Klin. vorgetragenen Sachverhalt, kann eine zur Bildung einer derartigen Rückstellung notwendige, konkrete öffentlichrechtliche Abbruchverpflichtung zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung für das Streitjahr 1999 nicht angenommen werden. Der Senat verneint bereits eine Abbruchverpflichtung. In jedem Fall musste die Klin. aber zum Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz für das Streitjahr 1999 nicht ernstlich damit rechnen, in Anspruch genommen zu werden. Die Klin. ist daher durch die angegriffenen, geänderten Festsetzungen und die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes nicht in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Das gilt sowohl für privatrechtliche als auch für öffentlichrechtliche Verpflichtungen. Allgemein ist hierfür Voraussetzung das Bestehen oder die Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde und/oder der Höhe nach, ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag und der Umstand, dass der Schuldner mit seiner Inanspruchnahme ernsthaft rechnen muss. Bei ungewissen öffentlichrechtlichen Verpflichtungen ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Das ist dann der Fall, wenn eine entsprechende Verfügung der zuständigen Behörde erlassen worden ist, die ein bestimmtes Handeln des Verpflichteten vorsieht oder wenn sich eine derartige Verpflichtung unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Letzteres kann dann angenommen werden, wenn das Gesetz ein inhaltlich genau bestimmtes Handeln in sachlicher Hinsicht vorsieht, wenn es in zeitlicher Hinsicht ein Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums fordert und wenn dieses Handlungsgebot sanktionsbewehrt und damit durchsetzbar ist (vgl. grundlegend BFHUrteil vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92, BStBl. II 1993 sowie BFHUrteile vom 19. November 2003, I R 77/01 BFH/NV 2004, 271, vom 27. Juni 2001, I R 45/97, BStBl. II 2003, 121, vom 08. November 2001, I R 6/96, BStBl. II, 2001, 570, vom 12. Dezember 1991, IV R 28/91, BStBl. II 1992, 600, vom 19. Mai 1987, VIII R 327/83, BStBl. II 1987, 848 und vom 19. Mai 1993, IV R 205/79, BStBl. II 1983, 670 sowie BFHBeschluss vom 20. Januar 2004, II B 59/02, BFH/NV 2004, 614, jeweils m. w. N.). Ergibt sich die Verbindlichkeit unmittelbar aus dem Gesetz, ist es - neben einer konkreten gesetzlichen Verpflichtung - auch erforderlich, dass die Behörde Kenntnis davon hat, dass der Schuldner/Verpflichtete dieser Verpflichtung unterliegt. Nur dann muss der Steuerpflichtige mit einer Inanspruchnahme ernsthaft rechnen. Anderes gilt nur, wenn die Behörde konkludent erklärt hat, auf die Durchsetzung des öffentlichrechtlichen Anspruches auf eine zeitnahe Einhaltung der Verpflichtung verzichten zu wollen (vgl. in diesem Sinne BFHUrteil vom 25. März 2004, IV R 35/02, BFH/NV 2004, 1157).

Im Streitfall sind diese Voraussetzungen für die Bildung bzw. Fortführung einer Rückstellung wegen öffentlichrechtlicher Verpflichtung nicht erfüllt. Dabei kann an dieser Stelle offen bleiben, ob die Rückstellung überhaupt gebildet werden durfte, denn der dann fehlerhafte Bilanzansatz wäre dann in der Schlussbilanz des ersten Jahres richtig zu stellen, dessen Veranlagung noch geändert werden kann (vgl. nur BFHUrteil vom 30. März 2006, IV R 25/04, BFH/NV 2006, 1293 und vom 05. September 2001, I R 107/00, BStBl. II 2002, 134 m. w. N.). Das ist hier das Streitjahr 1999. Durfte ursprünglich eine Rückstellung gebildet werden, hat ihre Auflösung zu erfolgen, wenn nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag die Gründe für ihre Bildung und demgemäß die Gründe für die Beibehaltung der Rückstellung nicht mehr vorliegen (§ 249 Abs. 3 Satz 2 HGB - vgl. nur BFHUrteil vom 30. Januar 2002, I R 68/00, BStBl. II 2002, 688).

Im Streitfall scheidet eine hinreichende Konkretisierung in Form einer behördlichen Verfügung aus. Die Schreiben des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts vom 27.05.1993 und des Staatlichen Umweltamtes vom März 1995 stellen keine Verfügungen (Verwaltungsakte) dar, mit denen bestimmte Auflagen verbindlich festgelegt worden sind. Vielmehr wird in den Schreiben eine Ordnungsverfügung zur Luftreinhaltung angedroht (Schreiben vom 27.05.1993) bzw. die Anordnung von Maßnahmen zur Altanlagensanierung nach der TA Luft in Erwägung gezogen (Schreiben vom März 1995). Diese Schreiben stellen lediglich Ankündigungsschreiben zum Erlass eines eventuellen Verwaltungsaktes dar. Das Schreiben des Staatlichen Umweltamtes vom 09. Mai 2003 kann insoweit außer Betracht bleiben, denn der dort gerügte Misstand wirkt nicht auf den hier streitigen Veranlagungszeitraum 1999 zurück. Abgesehen davon werden in diesem Schreiben, das ebenfalls nicht die Rechtqualität eines Verwaltungsaktes hat, auch nur Ergebnisse von Besprechungen wieder gegeben. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall auch von dem Fall des Finanzgerichts RheinlandPfalz (Urteil vom 13. Januar 2005, 6 K 1075/01, EFG 2005, 616), auf den sich der Bevollmächtigte der Klin. in der mündlichen Verhandlung berufen hat, denn in dem genannten Urteilsfall ergab sich die Beseitungsverpflichtung für eine Windkraftanlage aus Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung (Verwaltungsakt). Eine ungewisse Verbindlichkeit aufgrund eines öffentlichrechtlichen Vertrages, der einer Verfügung (Verwaltungsakt) gleichsteht, scheidet bereits deshalb aus, weil hierfür die Schriftform erforderlich ist (§ 57 Verwaltungsverfahrensgesetz) und weil diese Schriftform nicht eingehalten worden ist. Es ist unstreitig, dass Absprachen im Rahmen der Minderung der Belastungen nach dem Schreiben vom 27.05.1993 nicht schriftlich festgelegt worden sind. Daran ändert auch die Wiederholung der mündlichen Vereinbarung zur Stilllegung der Produktion in P. spätestens 6 Monate nach Inbetriebnahme eines neuen Werkes in M. nichts, die dem Schreiben des Staatlichen Umweltamtes vom März 1995 zu entnehmen ist und die dort erkennbar erstmals nach annähernd 2 Jahren schriftlich durch die Behörde fixiert worden ist. Es handelt sich insoweit lediglich um eine Wiederholung einer mündlich geäußerten Absichtserklärung der Klin.. Ein Rechtsbindungswille sowohl der Behörde als auch der Klin. kann bei dieser Verfahrensweise nicht angenommen werden.

Eine ungewisse Unverbindlichkeit öffentlichrechtlicher Art, die die Bildung einer Rückstellung für Abbruchkosten des Betriebes in P. zum Bilanzstichtag 31.12.1999 rechtfertigen kann, ist auch nicht aufgrund gesetzlicher Anordnung gegeben.

Die im Streitfall allein in Betracht kommenden Regelungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes sehen keine derartige konkrete Verpflichtung vor. Zwar enthält das Bundesimmissionsschutzgesetz Regelungen zur Genehmigung und zum Betrieb von Anlagen, die Umweltbeeinträchtigungen hervorrufen können (vgl. z. B. § 4 Bundesimmissionsschutzgesetz). Auch können bei genehmigungspflichtigen Anlagen nachträgliche Anordnungen getroffen werden (§ 17 Bundesimmissionsschutzgesetz). Dabei ist nach § 67 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz eine Genehmigung, die vor in Kraft treten des Bundesimmissionsschutzgesetzes nach § 16 oder § 25 Abs. 1 der Gewerbeordnung erteilt worden ist, als Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz anzusehen. Auch stellen das Bundesimmissionsschutzgesetz und dazu ergangene Verwaltungsvorschriften, z. B. die technische Anleitung Luft und die technische Anleitung Lärm, die im Streitfall inhaltlich angesprochen sind, Regeln auf, die bei dem Betrieb von Anlagen einzuhalten sind. Die Verletzung dieser Regelungen führt jedoch noch nicht zum Erlöschen der Genehmigung. Diese müssen vielmehr entweder widerrufen werden oder es muss eine Untersagungsverfügung, eine Stilllegungsverfügung oder eine Beseitigungsverfügung ergehen (§§ 21 und 20 Bundesimmissionsschutzgesetz). Gleiches gilt dann, wenn durch nichtgenehmigungsbedürftige Anlagen Grenzwerte überschritten werden (§ 25 Bundesimmissionsschutzgesetz, der ausdrücklich eine Untersagungsverfügung vorschreibt). Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ansicht des Bevollmächtigten der Klin. enthalten diese Regelungen keine in den Gesetzestext aufgenommene Automatik, dass eine Verletzung von Regelungen zu Umweltauflagen oder nach umweltrechtlichen Vorschriften eine Stilllegung oder gar einen Abbruch der betrieblichen Anlagen und Gebäude nach sich zieht. § 20 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz enthält nur eine "KannRegelung", die inhaltlich auch nur darauf abzielt, Auflagen oder Anordnungen durchzusetzen, die darauf abzielen, den Betrieb mit diesen Auflagen weiter zu führen. Für Maßnahmen nach § 20 Abs. 2 Bundesimmissionsschutzgesetz, die eine nicht genehmigte oder wesentlich geänderte Anlage voraussetzen, bestehen nach Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte. Auch werden keine Tatsachen vorgetragen, nach denen gemäß § 21 Bundesimmissionsschutzgesetz ein Widerruf von Genehmigungen in Betracht käme. Abgesehen davon ist die Widerrufsmöglichkeit beschränkt auf einen Zeitraum von einem Jahr nach Kenntnisnahme der Tatsachen für einen Widerruf. Darüber hinaus enthält auch die letztgenannte Regelung keine allein aufgrund des Gesetzes eintretende Folge, nach der ein Abbruch der Anlagen und Gebäude erfolgen müsste. Damit fehlt auch unter Berücksichtigung der Gesetzeslage für den Immissionsschutz die hinreichende Konkretisierung, die für eine ungewisse öffentlichrechtliche Verpflichtung gegeben sein muss.

Darüber hinaus könnten die von der Klin. genannten Schreiben auch inhaltlich gesehen keine Rückstellung für Abbruchkosten rechtfertigen, sondern allenfalls eine Rückstellung für Kosten, die zur Einhaltung der Luftreinhaltewerte und der Lärmwerte voraussichtlich erforderlich sind. Eine Beseitigung der Produktionsstätte gehört nicht zu diesen Mitteln. Es fehlen jedoch Anhaltspunkte dafür, dass zum Bilanzstichtag 31.12.1999 noch zukünftige Kosten für Maßnahmen zur Beseitigung der in den Schreiben vom 27.05.1993 und vom März 1995 genannten Beanstandungen (Luftverunreinigung und Lärm) anfallen konnten. Dieses wird auch von der Klin. nicht behauptet. Ansonsten wäre es auch unverständlich, dass der Betrieb ohne jegliche weitere Auflage und ohne jegliches Einschreiten der Behörde weiterbetrieben werden konnte. Darauf deutet letztlich das Schreiben des Staatlichen Umweltamtes vom 09. Mai 2003 hin, in dem lediglich noch gerügt wurde, dass die zumutbaren Lärmwerte in der Nachtzeit überschritten würden.

Selbst wenn man die im Schreiben des Staatlichen Umweltamtes vom März 1995 zitierte "Vereinbarung" zur Inbetriebnahme eines neuen Werkes und zur Stilllegung der Produktion in P. als verbindliche öffentlichrechtliche Vereinbarung ansieht, fehlt es an einer ausreichenden Konkretisierung dieser Verpflichtung. Zwar ist ein Tätigwerden innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nicht mehr unabdingbare Voraussetzung für eine Konkretisierung einer öffentlichrechtlichen Verpflichtung. Sie kann jedoch als Indiz dafür gewertet werden, ob ein Steuerpflichtiger mit seiner Inanspruchnahme ernstlich rechnen muss (vgl. BFHUrteil vom 25. März 2004, BFH/NV 2004, 1157, 1159). Im Streitfall fehlt eine zeitliche Konkretisierung der "Verpflichtung" das Werk in P. stillzulegen, da diese Stilllegung von der Inbetriebnahme eines neuen Werkes in M. abhängig sein soll und eine Regelung darüber fehlt, nach der ein konkreter Zeitraum erkennbar wird, innerhalb dessen eine Inbetriebnahme des neuen Werkes in M. zu erfolgen hat.

Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob die Klin. durch den geänderten Mietvertrag vom 24.06.1998 zu erkennen gegeben hat, dass kein Werk in M. gebaut werden soll.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Angesichts dieser Entscheidung ist der Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO) gegenstandslos.



Ende der Entscheidung

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