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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 17.09.2008
Aktenzeichen: 8 K 4809/06 GrE
Rechtsgebiete: GrEStG


Vorschriften:

GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 3
GrEStG § 16
GrEStG § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

8 K 4809/06 GrE

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob von der Besteuerung eines Erwerbsvorgangs i.S. des § 1 Abs. 3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG), den die Kaufvertragsparteien rückabgewickelt haben, gem. § 16 GrEStG Abstand zu nehmen ist.

Die Klägerin (Klin.) ist eine Kapitalgesellschaft. Sie erwarb mit privatschriftlichem Kaufvertrag vom 18.12.2002 von ihrer Muttergesellschaft, der Fa. D AG. (im Weiteren D AG), 100 v.H. der Geschäftsanteile an der Fa. DB GmbH (im Weiteren DB GmbH) im Nennbetrag von DM 200.000,00. Die Abtretung der Geschäftsanteile wurde am 19.12.2002 von einem im Ausland ansässigen Notar öffentlich beurkundet.

Die DB GmbH war und ist Eigentümerin inländischen Grundbesitzes.

Weder der Notar noch die Klin. zeigten zunächst dem für die Grunderwerbbesteuerung zuständigen Finanzamt (FA), dem Beklagten (Bekl.), den Erwerb der Geschäftsanteile an. Nach Angaben der Klin. sei man erst Anfang März 2003 durch die beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Übertragung der Geschäftsanteile Grunderwerbsteuer (GrESt) gem. § 1 Abs. 3 GrEStG auslösen würde.

Daraufhin suchte der seinerzeitige Geschäftsführer der Klin., BL, am 05.03.2003 den Sachbearbeiter der GrESt-Stelle des Bekl., Herrn HX, auf und teilte diesem die Übertragung der Geschäftsanteile an der DB GmbH mit. Über den weiteren Inhalt des Gesprächs besteht zwischen den Beteiligten Streit. Nach Angaben der Klin. sei Ergebnis des Gesprächs gewesen, dass die GrESt trotz Ablaufs der gesetzlichen Anzeigefrist von zwei Wochen (§ 19 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 5 GrEStG) nicht festgesetzt werde, sofern die Anteilsübertragung zunächst schriftlich angezeigt und anschließend rückgängig gemacht werde. Der bereits eingetretene Ablauf der Zwei-Wochen-Frist sei wesentlicher Inhalt des Gesprächs zwischen Herrn BL und Herrn HX gewesen. Ferner - so die Klin. weiter - habe Herr HX Herrn BL versichert, im Falle einer Rückabwicklung des Kaufvertrags vom 18.12.2002 auch die Rückübertragung der Geschäftsanteile nicht mit GrESt zu belasten. Aus einem Aktenvermerk des Herrn HX vom 21.03.2006 geht dagegen hervor, dass Absprachen insoweit nicht getroffen worden seien. Herrn BL sei lediglich dringend geraten worden, "sein Vorgehen von der steuerlichen Beratung des Unternehmens (...) prüfen zu lassen".

Ebenfalls am 05.03.2003 hoben die Klin. und die D AG den Kaufvertrag vom 18.12.2002 rückwirkend auf. Die Klin. verpflichtete sich zur Rückabtretung der Geschäftsanteile. Der Vollzug der Rückabtretung wurde am 06.03.2003 im Ausland notariell beurkundet und dem Bekl. am 18.03.2003 angezeigt.

In der Folgezeit setzte der Bekl. weder für den Erwerb vom 18.12.2002 noch für den Rückerwerb vom 05.03.2003 GrESt fest.

Im September 2005 erteilte der Bekl. dem FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung I den Auftrag, den Erwerb der Geschäftsanteile an der DB GmbH auf den 18.12.2002 grunderwerbsteuerlich zu überprüfen. Die Betriebsprüfung vertrat daraufhin die Auffassung, der Erwerb der Geschäftsanteile unterliege gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG der GrESt. Die Voraussetzungen für eine steuerneutrale Rückabwicklung gem. § 16 GrEStG seien vorliegend nicht erfüllt. Der Erwerbsvorgang sei nicht ordnungsgemäß innerhalb der Frist von zwei Wochen angezeigt worden (Tz. 2.2.5 des Betriebsprüfungs-Berichts des FA für Groß- und Konzernbetriebsprüfung I vom 02.03.2006).

Der Bekl. schloss sich der Auffassung der Bp. an und setzte mit Bescheid vom 08.05.2006 GrESt in Höhe von € 113.347,00 fest. Bemessungsgrundlage hierfür bildeten die zuvor gesondert festgestellten Bedarfswerte i.H.v. insgesamt € 3.238.500,00 (vgl. Feststellungsbescheide vom 24.01. und 02.02.2006).

Das Einspruchsverfahren, zu dem auch die Oberfinanzdirektion (OFD) N beigezogen war, blieb erfolglos. In der Einspruchsentscheidung (EE) vom 11.10.2006 berief sich der Bekl. erneut darauf, dass die Anzeige des Erwerbsvorgangs nicht fristgemäß und damit nicht ordnungsgerecht i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG erfolgt sei.

Mit der hiergegen erhobenen Klage trägt die Klin. im Wesentlichen Folgendes vor:

Der GrESt-Bescheid sei bereits formell rechtswidrig. Der Bekl. habe gegen die Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG verstoßen. Eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen komme nicht in Betracht. Die Belegenheit des Grundstücks weiche nicht vom Ort der Geschäftsleitung der Klin. ab. Die Rechtswidrigkeit eines Grundlagenbescheides führe automatisch zur Rechtswidrigkeit des daran anknüpfenden Folgebescheides.

Materiell-rechtlich könne die Verwaltungsauffassung vor dem Hintergrund der jüngeren Bundesfinanzhof(BFH)-Rechtsprechung nicht aufrecht erhalten werden. Mit Beschlüssen vom 20.01.2005 und 17.03.2006 habe der BFH von den wortlautstrengen Anforderungen des § 16 Abs. 5 GrEStG aus Gründen des Übermaßverbots Ausnahmen zugelassen. Hiernach könne eine Versäumung der Anzeigefrist durch den Steuerschuldner aus Vertrauensschutzgründen zur Nichtanwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG führen, wenn die Anzeige - wie im Streitfall - bis zum Ergehen des GrESt-Bescheids und vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrags nachgeholt werde. Dem Zweck der Anzeigepflicht sei vorliegend Genüge getan worden. Der Bekl. habe die Möglichkeit gehabt, nach Anzeige des Erwerbsvorgangs GrESt festzusetzen.

Unabhängig hiervon verstieße eine Festsetzung von GrESt gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Die Klin. habe die Rückübertragung der Anteile nur deshalb vorgenommen, da ihr die Steuerfreiheit durch den zuständigen Sachbearbeiter der GrESt-Stelle zugesichert worden sei. Die Ausführungen im Aktenvermerk vom 21.03.2006 könnten keine Beweisrelevanz haben. Der Vermerk sei mehr als drei Jahre später erstellt worden. Über den streitigen Inhalt des Gesprächs an Amtsstelle am 05.03.2003 werde Beweis angeboten durch die Einvernahme des Herrn BL sowie des Herrn HX.

Die Klin. beantragt,

den Bescheid über GrESt vom 08.05.2006 in Gestalt der EE vom 11.10.2006 aufzuheben.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Beide Beteiligten beantragen übereinstimmend,

im Fall des Unterliegens hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Bekl. führt an: Zwar habe der BFH inzwischen ausdrücklich klargestellt, dass eine Anzeige i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG nicht sämtliche in §§ 18 und 19 i.V.m. § 20 GrEStG normierten Anforderungen enthalten müsse. Demnach sei eine Anzeige i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG ordnungsgemäß, wenn eine innerhalb der zweiwöchigen Anzeigefrist eingegangene Anzeige eine einwandfreie Identifizierung von Veräußerer, Erwerber und Urkundspersonen und ggf. der Gesellschaft ermögliche. Die Finanzbehörde müsse in die Lage versetzt werden, die Verwirklichung eines der Tatbestände i.S. der §§ 1 Abs. 2, Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG prüfen zu können. Die von der Klin. darüber hinausgehende begehrte einschränkende Auslegung des § 16 Abs. 5 GrEStG habe der BFH dagegen abgelehnt. Die Erfüllung der gesetzlichen Anzeigepflicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen müsse weiterhin Bestand haben. Anderenfalls würde der Sinn und Zweck des § 16 Abs. 5 GrEStG vollkommen ausgehöhlt. Dem Bekl. sei es innerhalb der zweiwöchigen Anzeigefrist nicht möglich gewesen, die Verwirklichung des Tatbestands des § 1 Abs. 3 GrEStG zu prüfen. Weder der Notar noch die Klin. hätten den Erwerbsvorgang angezeigt. Schließlich könne sich die Klin. nicht auf die Grundsätze von Treu und Glauben berufen. Der genaue Inhalt des Gesprächs vom 05.03.2003 könne von keiner Partei mehr bewiesen werden.

Auf entsprechende Anfrage des Berichterstatters teilte der Bekl. mit, nach Maßgabe der Geschäftsordnung der Finanzämter (FAGO) bestünde u.a. sowohl für die Besteuerung von Anteilsvereinigungen gem. § 1 Abs. 3 GrEStG als auch für entsprechende Rückerwerbe i.S. des § 16 GrEStG ein Zeichnungsvorbehalt des Sachgebietsleiters.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge, die EE vom 11.10.2006 sowie die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst beigefügter Unterlagen.

Der Senat hat in dieser Sache am 17.09.2008 mündlich verhandelt. Ergänzend wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom selben Tag.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene GrESt-Bescheid ist rechtmäßig. Eine Rechtsverletzung der Klin. i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) liegt nicht vor.

1. Der Erwerb der Anteile an der DB GmbH durch die Klin. ist grunderwerbsteuerpflichtig gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG. Nach dieser Vorschrift unterliegt der GrESt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 v.H. der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet (Anteilsübertragung). Dies ist vorliegend der Fall. Die Klin. begründete nach Maßgabe des Kaufvertrags vom 18.12.2002 gegen die D AG einen Rechtsanspruch auf Übertragung sämtlicher Anteile an der grundbesitzenden DB GmbH.

Der Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG steht auch nicht entgegen, dass die D AG zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags vom 18.12.2002 Inhaberin aller Anteile an der Klin. war. Die Stellung der D AG als Alleingesellschafterin der Klin. lässt deren zivilrechtliche Selbständigkeit unangetastet. Rechtsvorgänge zwischen selbständigen Rechtsträgern sind notwendigerweise mit einem Rechtsträgerwechsel verbunden und erfüllen damit die Voraussetzungen einer Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 GrEStG. Die Tatsache, dass der alle Anteile an einer Gesellschaft übertragende Rechtsträger zugleich Alleingesellschafter der die Anteile erwerbenden Gesellschaft ist, steht einer Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG somit nicht entgegen (BFH-Urteile vom 31. März 2004 II R 54/01, BFHE 205, 314, BStBl II 2004, 658; vom 01. Dezember 2004 II R 10/02, BFH/NV 2005, 1365; FG Münster, Urteil vom 23. Januar 2002 8 K 2924/00, GrE, F, EFG 2002, 573).

2. Nicht zu folgen ist der Klin. in ihrer Auffassung, der angefochtenen GrESt-Bescheid vom 08.05.2006 sei bereits formell rechtswidrig. Der Bekl. hat verfahrensrechtlich korrekt gehandelt. Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG ist nicht erkennbar.

Nach § 179 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG werden in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG die Besteuerungsgrundlagen durch das Finanzamt (FA), in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung des Erwerbers befindet, gesondert festgestellt, wenn u.a. ein außerhalb des Bezirks dieses FA liegendes Grundstück betroffen ist. Eine gesonderte Feststellung ist somit entbehrlich, wenn sich sowohl die Geschäftsleitung des Anteilserwerbers als auch das vom Erwerb betroffene Grundstück im Bezirk des Geschäftsleitungs-FA befinden. Im Streitfall war eine gesonderte Feststellung gem. § 17 GrEStG entbehrlich, da sowohl das vom Anteilserwerb betroffene Grundstück (A-Str. 9, 00000 C) als auch die Geschäftsleitung der Klin. - nach deren Sitzungsverlegung am 18.12.2002 - im Zuständigkeitsbereich des beklagten FA lagen. Eine gesonderte Feststellung gem. § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG hat der Bekl. auch ersichtlich nicht durchgeführt. Offensichtlich zielte die Klin. mit ihrem Einwand - wie sich in der mündlichen Verhandlung verdeutlichte - auf die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 179 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 138 ff. Bewertungsgesetz - BewG - ab. Die gesetzliche Notwendigkeit einer gesonderten Feststellung der Grundbesitzwerte für die GrESt ergibt sich in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG aus § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG und ist von einer gesonderten Feststellung gem. § 17 GrEStG streng zu unterscheiden.

3. Die Entscheidung des Bekl., die Voraussetzungen des § 16 GrEStG im Streitfall als nicht gegeben anzusehen, ist nicht zu beanstanden.

a. Nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG wird die GrESt auf Antrag sowohl für den Rückerwerb als auch für den vorausgegangenen Erwerbsvorgang nicht festgesetzt bzw. die (bereits erfolgte) Steuerfestsetzung aufgehoben, wenn der Veräußerer das Eigentum an dem veräußerten Grundstück innerhalb einer Zwei-Jahres-Frist ab Steuerentstehung für den Ersterwerb zurückerwirbt. Zwar hat vorliegend weder die Klin. noch die D AG Eigentum am betroffenen Grundstück erworben bzw. zurückerworben - dies verblieb vielmehr im Eigentum der DB GmbH. Erworben bzw. zurückerworben wurden lediglich die Gesellschaftsanteile an der DB GmbH. Insofern ist § 16 GrEStG allerdings sinngemäß anzuwenden (vgl. nur Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 16 Rdnr. 69). Zweifel daran, dass die Klin. und die D AG den Kaufvertrag vom 18.12.2002 wieder vollständig aufgehoben haben, bestehen nicht. Die Klin. hat sich im Vertrag vom 05.03.2003 zur Rückabtretung der Gesellschaftsanteile an der DB GmbH verpflichtet; diese Verpflichtung wurde am 06.03.2003 vollzogen. Im Gegenzug wurde die Klin. von der - bis dahin noch nicht erfüllten - Kaufpreiszahlungsverpflichtung entbunden.

b. Dennoch kommt eine Abstandnahme von der Steuerfestsetzung gem. § 16 GrEStG vorliegend nicht in Betracht. Nach § 16 Abs. 5 GrEStG scheidet eine Steuerfreistellung aus, wenn (u.a.) ein in § 1 Abs. 3 GrEStG bezeichneter Erwerbsvorgang rückgängig gemacht wird, der nicht ordnungsgemäß i.S. der §§ 18, 19 GrEStG angezeigt war. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 GrEStG kodifiziert für die Fälle des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG eine Anzeigepflicht des Steuerschuldners gegenüber der für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörde. Die Anzeigepflichten sind gem. § 19 Abs. 3 GrEStG innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme vom anzeigepflichtigen Vorgang zu erfüllen.

Die Vorschrift des § 16 Abs. 5 GrEStG dient der Sicherung der Anzeigepflichten aus §§ 18 und 19 GrEStG. Sie wirkt dem Anreiz entgegen, durch Nichtanzeige einer Besteuerung der in dieser Vorschrift genannten Erwerbsvorgänge zu entgehen. Insbesondere soll die Vorschrift den Beteiligten die Möglichkeit nehmen, einen dieser Erwerbsvorgänge ohne weitere steuerliche Folgen wieder aufheben zu können, sobald den Finanzbehörden ein solches Geschäft bekannt wird. Es soll möglichen Steuervermeidungsstrategien entgegengetreten werden (vgl. Sack in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 16 Rdnr. 276 m.w.N.).

Fest steht, dass die Klin. als Steuerschuldnerin des Erwerbsvorgangs vom 18.12.2002 (vgl. § 13 Nr. 5 Buchst. a) GrEStG) innerhalb der gesetzlichen Frist des § 19 Abs. 3 GrEStG keine Anzeige gegenüber dem beklagten FA erstattet hat. Erst anlässlich der persönlichen Vorsprache des seinerzeitigen Geschäftsführers am 05.03.2003 erfuhr der Bekl. von der steuerpflichtigen Anteilsübertragung. Eine vorherige Anzeige durch den Notar erfolgte ebenfalls nicht.

Dies hätte bei gesetzestreuer Anwendung der Vorschriften des § 16 Abs. 5 i.V.m. § 19 Abs. 3 GrEStG zur Folge, dass die Voraussetzungen des § 16 GrEStG - trotz tatsächlich vollzogener Rückabwicklung des steuerauslösenden Kaufvertrags - nicht vorliegen würden. Die von der Klin. angeführte Unkenntnis über die GrESt-Pflicht der Anteilsübertragung entlastet sie nicht. Die etwaige Unkenntnis eines Beteiligten über seine Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG schließt die Anwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG nicht aus. Denn für die Anwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG ist es unerheblich, aus welchen Gründen ein von dieser Vorschrift erfasster Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß angezeigt wurde. Die gesetzlich vorgeschriebene Pflicht der Beteiligten zur Anzeige der der GrESt unterliegenden Vorgänge ist objektiver Natur und besteht unabhängig von subjektiven Kenntnissen und Fähigkeiten des zur Anzeige Verpflichteten (BFH-Urteil vom 12. Juni 1996 II R 3/93, BFHE 180, 474, BStBl II 1996, 485).

Allerdings hat der BFH erstmals in einem Beschluss über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) vom 20. Januar 2005, II B 52/04, BFHE 208, 456, BStBl II 2005, 492 unter Berücksichtigung des o.g. Normzwecks den Anwendungsbereich des § 16 Abs. 5 GrEStG einschränkend ausgelegt. Danach soll eine Anzeige schon dann i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG ordnungsgemäß sein, wenn der Vorgang innerhalb der Anzeigefristen des § 19 Abs. 3 GrEStG dem FA in einer Weise bekannt werde, dass es die Verwirklichung eines Tatbestands nach § 1 Abs. 2, 2a und 3 GrEStG prüfen könne. Nach Ansicht des BFH reiche es hierzu regelmäßig aus, wenn die Anzeige die einwandfreie Identifizierung von Veräußerer, Erwerber und Urkundsperson (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 GrEStG) und ggf. der Gesellschaft (§ 20 Abs. 2 GrEStG) ermöglicht und der Anzeige die in § 18 Abs. 1 Satz 2 bzw. § 19 Abs. 4 Satz 2 GrEStG genannten Abschriften beigefügt würden. In diesem Fall könne sich der Steuerpflichtige aufgrund der Ermittlungsmöglichkeiten der Finanzbehörden der Besteuerung nicht mehr entziehen und den Erwerbsvorgang auch nicht mehr, bevor er den Finanzbehörden bekannt werde, ohne steuerliche Folgen wieder aufheben. Nach Ansicht des BFH verstieße es gegen das Übermaßverbot, dass die innerhalb der Anzeigefrist erstattete Anzeige in jeder Hinsicht den Anforderungen der §§ 18, 19 i.V.m. § 20 GrEStG genügen müssten. Die noch fehlenden Angaben könnten innerhalb einer vom FA zu setzenden angemessenen Frist nachgeholt werden - und zwar auf einen entsprechenden innerhalb der Antragsfrist zu stellenden Fristverlängerungsantrags i.S. des § 109 AO (BFH in BFHE 208, 456, BStBl II 2005, 492).

Deutlich zum Ausdruck gebracht hat der BFH allerdings bereits in der zitierten Entscheidung vom 20. Januar 2005, dass eine nach Ablauf der Anzeigefrist rückwirkende Fristverlängerung zur erstmaligen Erstattung der Anzeige ebenso wenig in Betracht kommt wie eine diesbezügliche Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hieran schließt auch die weitere AdV-Entscheidung des BFH vom 17. März 2006, II B 157/05, BFH/NV 2006, 1341 an. Allerdings führt der BFH in jenem Beschluss auch aus, dass die Versäumung der Anzeigefrist aus Vertrauensschutzgründen dann zur Nichtanwendung des § 16 Abs. 5 GrEStG führen könne, wenn die Anzeige - wie im Streitfall - bis zum Ergehen des GrESt-Bescheids und vor dem Abschluss des Aufhebungsvertrags nachgeholt werde. Hierauf beruft sich die Klin.

Der Senat teilt diese Auffassung nicht. Zwar ist dem Steuerpflichtigen in dieser Situation zumindest zugute zu halten, dass er überhaupt eigeninitiativ den Erwerbsvorgang angezeigt hat, ohne dass die Finanzbehörde hiervon bereits vorher Kenntnis erlangt hatte. Auch trifft es zu, dass die Finanzbehörde selbst bei einer nicht fristgerechten - aber schließlich doch erfolgten - Anzeige in die Lage versetzt wird, für den Erwerb GrESt festzusetzen. Allerdings droht im Falle des Verzichts auf die Einhaltung der gesetzlichen Zwei-Wochen-Frist ebenfalls die Gefahr missbräuchlicher Gestaltungen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass sich der Steuerpflichtige - in Kenntnis seiner Verpflichtung zur Anzeige - erst dann zu einer solchen entschließt, wenn sich aus seiner Sicht Anzeichen verdichten, dass die Finanzbehörde auch ohne sein Zutun Kenntnis vom Erwerbsvorgang erlangen könnte (bspw. bei einer Betriebsprüfung beim Veräußerer/Erwerber). Dies dürfte nicht im Sinne der gesetzgeberischen Intention liegen und ist auch nicht mit der Situation vergleichbar, in der fristgemäß innerhalb von zwei Wochen der Erwerbsvorgang angezeigt wird und nur noch weitere steuerrelevante Details nachgereicht werden müssen.

Ferner widerspricht der von der Klin. geforderte Verzicht auf die Einhaltung der zweiwöchigen Anzeigefrist dem eindeutigen Wortlaut der § 16 Abs. 5 i.V.m. § 19 Abs. 3 GrEStG. Nach Ansicht des erkennenden Senats gehört die Anzeigefrist des § 19 Abs. 3 GrEStG - anders als die einzelnen Detailangaben i.S. des § 20 GrEStG - zu den prägenden Elementen des § 16 Abs. 5 GrEStG. Eine - im Streitfall sogar erhebliche - Verfristung der Anzeige kann nicht als "ordnungsgemäß" bezeichnet werden. In § 16 Abs. 5 GrEStG verweist der Gesetzgeber per Klammerzusatz auf die §§ 18, 19 GrEStG. Auch hieraus schlussfolgert der Senat, dass die in § 19 Abs. 3 GrEStG geregelte Zwei-Wochen-Frist - anders als die in § 20 GrEStG genannten Inhaltsanforderungen für eine Anzeige - unverzichtbare Prämisse für eine steuerneutrale Rückabwicklung des Kaufvertrags gem. § 16 GrEStG ist.

Darüber hinaus wäre eine Verzicht auf die Einhaltung der gesetzlichen Anzeigefrist auch nicht durch das verfassungsrechtlich garantierte Übermaßverbot gerechtfertigt. Der BFH hat sich - zu Recht - lediglich dafür ausgesprochen, dass der Inhalt der Anzeige innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nicht sämtlichen Anforderungen des § 20 GrEStG genügen müsste. Vom Übermaßverbot nicht betroffen ist dagegen die gesetzliche Forderung an den Steuerpflichtigen, innerhalb einer Frist von zwei Wochen den Erwerbsvorgang der Finanzbehörde überhaupt zur Kenntnisnahme zu bringen.

Zudem hält es der Senat für nicht hinnehmbar, dass der Zeitpunkt der Anzeige ins Belieben des Steuerpflichtigen gestellt wird. Die Anzeigepflichten gem. §§ 18 ff. GrEStG dienen der Sicherung des Steueraufkommens (Viskorf in Boruttau, GrEStG, 16. Aufl., § 18 Rdnr. 11). Gerade bei Beurkundungen durch ausländische Notare, für die nach überwiegender Ansicht eine Anzeigepflicht gegenüber den deutschen Finanzbehörden nicht besteht (vgl. Pahlke in Pahlke/Franz, GrEStG, 3. Aufl., § 18 Rdnr. 2), ist die Finanzverwaltung zur Durchsetzung des Steueranspruchs auf eine zeitnahe Mitwirkung des Steuerpflichtigen angewiesen. Unterlässt er - aus welchen Gründen auch immer - diese Mitwirkung bzw. erfüllt er sie nicht fristgemäß, erscheint es gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber eine steuerneutrale Rückabwicklung des Rechtsgeschäfts ausschließt.

Schließlich kann sich die Klin. nicht auf Vertrauensschutz berufen. Dass ihr die durch den BFH-Beschluss vom 20. Januar 2005 (in BFHE 208, 456, BStBl II 2005, 492) erstmals eingeräumte Möglichkeit einer Fristverlängerung i.S. des § 19 Abs. 3 GrEStG - naturgemäß aufgrund der Chronologie der Abläufe - unbekannt gewesen ist, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Denn die zwischenzeitliche Rechtsfortbildung durch den BFH zur Auslegung der §§ 16 Abs. 5, 19 Abs. 3 GrEStG hatte im Streitfall keinen Einfluss auf die versäumte Anzeigeerstattung. Die fehlende Kenntnis über die Möglichkeit einer Fristverlängerung war insoweit nicht kausal. Nach eigenen Angaben soll der Klin. nämlich bis Anfang März 2003 gar nicht bekannt gewesen sein, dass der Anteilserwerb überhaupt grunderwerbsteuerliche Folgen mit sich zog.

4. Auch stehen der angefochtenen GrESt-Festsetzung nicht die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) entgegen. Der Bekl. hat, selbst wenn man den von der Klin. behaupteten Inhalt des Gesprächs zwischen Herrn BL und Herrn HX als wahr unterstellen würde, keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, der es gebieten würde, die GrESt nicht festzusetzen. Eine Zeugeneinvernahme der Herren BL und HX war somit nicht geboten.

Zwar kann die Finanzbehörde nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert sein, einen nach dem Gesetz entstandenen Steueranspruch geltend zu machen, wenn es einem Steuerpflichtigen zugesichert hat, dass ein bestimmtes Verhalten einen solchen Anspruch nicht auslöst. Das Gesetz regelt zwar nur die verbindliche Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung (vgl. §§ 204 bis 207 AO). Das schließt jedoch nicht aus, dass die Finanzbehörde - ggf. auch mündlich - auch in anderen Fällen Auskünfte mit bindender Wirkung erteilen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, tritt eine Bindungswirkung bei einer behördlichen Zusicherung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben allerdings nur dann ein, wenn sie der im Zeitpunkt der Auskunftserteilung für die spätere Entscheidung im Verwaltungsverfahren zuständige Beamte oder der Vorsteher der Finanzbehörde gegeben hat. Der zuständige Beamte ist dabei regelmäßig nicht der Sachbearbeiter, sondern der abschließend Zeichnungsberechtigte, also in der Regel der Sachgebietsleiter (vgl. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274; vom 26. November 1997 III R 109/93, BFH/NV 1998, 808; vom 22. April 1998 X R 4/95, BFH/NV 1998, 1221; BFH-Beschlüsse vom 09. Dezember 2004 VII B 129/04, BFH/NV 2005, 663; vom 19. Januar 2007 IV B 51/05, BFH/NV 2007, 1089). Etwas anderes gilt nur, wenn ausnahmsweise nicht dem Sachgebietsleiter das abschließende Zeichnungsrecht vorbehalten ist, sondern der Sachbearbeiter selbst zur Schlusszeichnung befugt ist.

Vorliegend war der Sachbearbeiter der GrESt-Stelle des beklagten FA ausweislich des Schreibens vom 27.08.2008 u.a. sowohl in den Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG als auch in denjenigen des § 16 GrEStG nicht zur abschließenden Zeichnung befugt. Es bestand ein Zeichnungsvorbehalt für den Sachgebietsleiter. Auch aus der in den vorgelegten Verwaltungsvorgängen befindlichen Verfügung des angefochtenen GrESt-Bescheids vom 08.05.2006 ergibt sich, dass der seinerzeit zuständige Sachgebietsleiter (Herr T) abschließend gezeichnet hat. Dass das Gespräch an Amtsstelle am 05.03.2003 auch im Beisein des Sachgebietsleiters der GrESt-Stelle geführt worden sein soll, hat die Klin. nicht behauptet. Ein schützenswerter Vertrauenstatbestand ist für die Klin. somit - selbst bei unterstellter Rechtswidrigkeit der "Zusage" - nicht geschaffen worden.

Auch der Umstand, dass der Bekl. nach Anzeige des ursprünglichen Anteilserwerbs zunächst keine GrESt gegen die Klin. festgesetzt hatte, rechtfertigt insoweit kein anderes Ergebnis. Die Finanzbehörde ist befugt, den Rahmen der gesetzlichen Festsetzungsfristen auszunutzen. Auch begründet der - vermeintlich - späte Zeitpunkt der Steuerfestsetzung nicht zwangsläufig die Annahme, dass die von der Klin. behauptete Zusicherung tatsächlich abgegeben wurde. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte die Zusicherung mangels Entscheidungskompetenz des Sachbearbeiters keine Bindungswirkung entfaltet und demnach kein schützenswertes Vertrauen auf Seiten der Klin. schaffen können.

5. Die Kostentragungspflicht der Klin. beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Vor diesem Hintergrund ist eine Entscheidung über den Antrag der Klin., die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO), gegenstandslos.

6. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO). Der BFH soll die Möglichkeit erhalten, im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Anzeige i.S. des § 16 Abs. 5 GrEStG zu klären und ggf. zu präzisieren.

Ende der Entscheidung

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