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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 23.10.2007
Aktenzeichen: 8 K 590/06 Kg
Rechtsgebiete: EStG, BGB


Vorschriften:

EStG § 74 Abs. 1 S. 1
EStG § 74 Abs. 1 S. 3
BGB §§ 1601 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

8 K 590/06 Kg

Tenor:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25.11.2005 sowie der Einspruchsentscheidung vom 17.01.2006 verpflichtet, an den Kläger 154 EUR monatlich ab dem 01.07.2005 bis zum 30.08.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte zu 3/4 und der Kläger zu 1/4.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der je-weilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheits-leistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Si-cherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte (Familienkasse - FK -) es zu Recht abgelehnt hat, das an die Mutter des Klägers (Kl.) gezahlte Kindergeld an den Kl. gemäß § 74 Einkommensteuergesetz (EStG) abzuzweigen.

Die Kindesmutter TT, geb. TD, geb. am 00.00.0000, hat am 00.00.0000 (damals noch ledig) den Sohn ND (Kläger -Kl.-) geboren. Der Kindesvater BT, geb. am 00.00.0000, ist im Juli 1994 gestorben.

TT hat am 00.00.0000 Herrn NT (NT), geb. am 00.00.0000, geheiratet. Sie wohnen seit Januar 1988 in einer Wohnung des Achtfamilienhauses in der A-Str. 15, 00000 I.

NT hatte laut Kindergeldakte noch bis 1993 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: 19.841 DM (1991), 21.223 DM (1992) und 12.602 DM (1993). TT hatte keine eigenen Einkünfte.

Danach bezog NT vom Arbeitsamt I (jetzt Agentur für Arbeit I) unter der Stammnr. 000 000 jedenfalls für die Jahre 1994 und 1995 Arbeitslosen- und Sozialhilfe.

Die Eheleute TT und NT haben außerdem zwei gemeinsame Kinder: K, geb. am 00.00.0000, und M, geb. am 00.00.0000, die mit ihnen in ihrer Dreizimmerwohnung leben. Sie erhalten für ihre drei Kinder Kindergeld.

Nach Beendigung seiner Schulzeit in der Gemeinschaftshauptschule in der Stadt I begann der Kl. am 01.08.2002 eine Berufsausbildung als Tankwart, die er im September 2002 abbrach.

Ab dem 01.09.2003 begann er mit einer Berufsausbildung als Gas- und Wasserinstallateur, die bis 28.02.2007 dauern sollte. Er erhielt monatlich eine Brutto-Ausbildungsvergütung in Höhe von 475 EUR (ab 01.09.2003), 486 EUR (ab 01.09.2004), 531 EUR (ab 01.09.2005) und 586 EUR (ab 01.09.2006). Außerdem erhielt er halbjährlich Sonderzuwendungen, die sich zwischen 120 EUR (November 2003) und 293 EUR (November 2006) bewegten.

Das Ausbildungsvertragsverhältnis endete aufgrund einer schriftlichen Kündigung des Arbeitgebers vom 10.11.2006 mit Ablauf des 31.12.2006.

Der Kl. stellte am 01.10.2004 bei der Familienkasse der Beklagten (Bekl.) den Antrag auf Auszahlung des anteiligen Kindergeldes an ihn selbst.

Nachdem dieser Antrag mit Bescheid im Februar 2005 abgelehnt worden war, stellte der jetzige Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt U diesen Antrag am 01.07.2005 erneut. Zur Begründung trug der Kl. vor, er sei 21 Jahre alt und befinde sich noch in der Ausbildung. Er lebe in einer eigenen Wohnung im selben Mietshaus wie seine Mutter. Seine Mutter sei nicht in der Lage gewesen und sei auch jetzt nicht in der Lage, ihren gesetzlichen Unterhaltspflichten nachzukommen. Die Zahlung des Kindergeldes könne gemäß § 74 Einkommensteuergesetz (EStG) an ihn erfolgen.

Aus dem beigefügten Mietvertrag vom 10.06.2004 ergibt sich, dass der Kl. ab dem 15.08.2004 in dem Achtfamilienhaus A-Str. 15 die Zweizimmerwohnung Nr. 5 im Dachgeschoss zum monatlichen Mietpreis von 200 EUR zzgl. 80 EUR Betriebskostenvorauszahlung gemietet hat. Laut beigefügtem Rentenbescheid vom 08.03.2004 erhielt er monatlich eine Rente in Höhe von 129,24 EUR. Laut des Bescheides der Bekl. vom 06.10.2004 erhielt er außerdem vom 01.08.2004 bis 31.01.2006 monatlich eine Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von 106 EUR.

Auf Aufforderung der Bekl. reichte der Kl. am 13.10.2005 das ausgefüllte Formular "Antrag auf Auszahlung des anteiligen Kindergeldes" ein. Er gab darin u. a. an, dass sein Vater verstorben sei und die Mutter keinen Unterhalt für ihn leiste.

Mit Schreiben vom 17.11.2005 gab die Bekl. der Kindesmutter TT Gelegenheit, sich zu dem Antrag ihres Sohnes zu äußern. In dem beigefügten Formular-Antwortschreiben teilte TT am 22.11.2005 mit, dass sie den Kl. regelmäßig mit Zahlungen in Höhe von 162 EUR monatlich unterstütze. Außerdem brachte sie in diesem Antwortschreiben durch entsprechendes Ausfüllen eines vorbereiteten Textes zum Ausdruck, dass ihr Kind ND weiterhin die Möglichkeit habe, in ihrem Haushalt zu wohnen und verpflegt zu werden. Diese Sachleistung (Naturalleistung) habe sie ihrem Kind ND in einem Gespräch ganz konkret angeboten.

Daraufhin lehnte die Bekl. den Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes mit Bescheid vom 25.11.2005 mit der Begründung ab, dem Kl. werde von der unterhaltsverpflichteten Angehörigen Barunterhalt gewährt. Eine Abzweigung des Kindergeldes an ihn sei deshalb gemäß § 74 Abs. 1 EStG nicht möglich.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruches wies der Kl. darauf hin, die Ablehnung beruhe offensichtlich auf einer Fehlinformation, denn er erhalte keinen Barunterhalt von der unterhaltsverpflichteten Angehörigen. Dies könne sein Großvater, Herr SD, B-Straße 38, 00000 I, bestätigen.

Mit Schreiben vom 06.01.2006 bat die Bekl. TT bis zum 20.01.2006 um Vorlage von Nachweisen, dass sie ihrem Sohn ND ab August 2005 Barunterhalt gewähre.

Derartige Nachweise wurden von TT der Bekl. nicht eingereicht. Auf der in der Akte sich befindenden Ausfertigung des Schreibens vom 06.01.2006 war folgender handschriftlicher Vermerk der Sachbearbeiterin Frau C angebracht:

"S. PC-Vermerk:

Zuletzt KG in 7/05 an Kind gezahlt (bar); seither keinen Barunterhalt; kann aber bei KM wohnen (s. auch Blatt 168)."

Die Bekl. wies sodann den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung -EE- vom 17.01.2006).

Eine Auszahlung an den Kl. käme nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 EStG vorliegen würden. Dafür sei eine Unterhaltspflichtverletzung der TT erforderlich. Als Unterhaltsleistungen seien dabei nicht nur Geldzahlungen, sondern auch Sach- und Betreuungsleistungen zu berücksichtigen. Bei einem unverheiratetem Kind könnten Eltern bestimmen, in welcher Art sie Unterhalt gewähren wollten, dieses Recht bestehe auch bei erwachsenen unverheirateten Kindern.

Vorliegend habe die kindergeldberechtigte Kindesmutter u. a. erklärt, sie habe dem Kl. (Kind ND) in einem Gespräch angeboten, weiterhin in ihrem Haushalt zu wohnen und dort verpflegt zu werden. Es stehe dem Kl. frei, die angebotenen Unterhaltsleistungen anzunehmen. Somit komme eine Abzweigung aus dem Kindergeldanspruch der Kindesmutter nicht in Betracht.

Zur Begründung der hiergegen eingereichten Klage trug der Kl. vor, er lebe zur Miete in einer separaten Wohnung im selben Mietshaus wie seine Mutter, die das Kindergeld derzeit erhalte. Er erhalte keine Unterstützungsleistungen durch die Mutter. Sie sei nie in der Lage gewesen und sei es auch heute nicht, ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht nachzukommen. Entgegen der Angabe der TT habe ihm diese nie angeboten, weiterhin in ihrem Haushalt zu wohnen und dort verpflegt zu werden (Zeugnis des Herrn SD, B-Straße 38 in 00000 I).

Er sei im Jahr 2000 mit 16 Jahren aus der Wohnung der Mutter ausgezogen, da dort für ihn kein Platz gewesen sei. Damals habe seine Schwester das Zimmer für sich allein beansprucht. Er sei damals zu seiner Großmutter, Frau HT (Mutter des Stiefvaters NT), die ihre Wohnung im selben Haus habe, gezogen. Diese sei auch für seinen Unterhalt aufgekommen (Zeugnis der Frau HT, A-Str. 15, 00000 I und Zeugnis des Herrn SD).

Er habe nicht die Möglichkeit gehabt, im Haushalt der Mutter zu wohnen. Die Familie der Mutter lebe mit vier Personen in einer Dreizimmerwohnung, Küche, Diele und Bad und einem Abstellraum. Hier sei räumlich kein Platz für ihn als erwachsene Person. Zudem könne er dort nicht verpflegt werden. Deren Familie sei nicht einmal in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Weder der Ehemann noch die anderen Familienmitglieder, die Schwester K und der Bruder M würden Leistungen von der Stadt I beziehen. Einem Beruf gehe keiner in der Familie nach.

Die Miete werde von den eingehenden Kindergeldbeträgen bezahlt. Da diese Beträge nicht ausreichen würden, bestehe ein erheblicher Mietrückstand, so dass jederzeit die fristlose Kündigung durch den Vermieter ausgesprochen werden könne (Zeugnis des Herrn TC, C-Str. 23 a, 00000 I).

Da sich die Familie selbst nicht unterhalten könne, werde sie von Frau HT unterstützt. Diese kaufe für die gesamte Familie ein, damit insbesondere die Kinder regelmäßig etwas zu essen hätten.

Offensichtlich habe die Bekl. die Angaben der Mutter des Kl. nicht überprüft und habe allein auf ihre Behauptung abgestellt, dass sie ihrem Sohn anbiete, in ihrer Wohnung zu wohnen und ihn auch zu verpflegen, was ihr jedoch, wie ausgeführt worden sei, unmöglich sei.

Er beantrage,

seine Mutter beizuladen.

Der Kl. beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.11.2005 sowie der Einspruchsentscheidung vom 17.01.2006 zu verpflichten, an den Kläger 154 EUR Kindergeld monatlich ab dem 01.07.2005 bis zum 30.08.2006 zu zahlen.

Die Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, sie habe den Abzweigungsantrag zu Recht abgelehnt, da die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) vorliegend nicht erfüllt seien. Ein Anspruch des Kl. auf Abzweigung des Kindergeldes sei nicht gegeben, da die Mutter des Kl. angeboten habe, dass ihr Sohn weiterhin die Möglichkeit habe, in ihrem Haushalt zu wohnen und verpflegt zu werden.

Sie beantragt

die Beiladung der Mutter des Kl. TT gemäß § 174 Abs. 5 Abgabenordnung (AO), da eine Entscheidung nur einheitlich ergehen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die von der Bekl. vorgelegte Kindergeldakte verwiesen.

Der Senat hat die Entscheidung des Rechtsstreits gem. § 6 FGO mit Beschluss vom 25.06.2007 dem Einzelrichter übertragen.

Dieser hat die Mutter des Kl., Frau TT, mit Beschluss vom 01.08.2006 zum Verfahren beigeladen (notwendige Beiladung gem. § 60 Abs. 3 FGO).

In diesem Verfahren ist am 23.10.2007 mündlich verhandelt worden. Auf die Niederschrift hierüber wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist hinsichtlich des in der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2007 eingeschränkt gestellten Klageantrages begründet. Der Kl. hat den ursprünglich weitergehenden Klageantrag, mit dem er auch die Auszahlung des an seine Mutter TT (die Beigeladene) für den Zeitraum September - Dezember 2006 gezahlten Kindergeldes an ihn erstrebt hatte, in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten. Insoweit hat die ursprünglich erhobene Klage keinen Erfolg.

Die beklagte Familienkasse (FK) ist verpflichtet, das Kindergeld für den Zeitraum 01.07.2005 - 31.08.2006 an den Kl. auszuzahlen.

Nach § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG kann das Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Hinsichtlich der gesetzlichen Unterhaltspflicht knüpft diese Vorschrift an die zivilrechtlichen Regelungen der §§ 1601 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) an.

Der Unterhalt ist bei einem volljährigen auswärts lebenden Kind nach § 1612 Abs. 1 BGB regelmäßig durch eine Geldrente zu leisten. Die Gewährung von Unterhalt durch Betreuung im Rahmen der Personensorge bzw. Naturalunterhalt kommt grundsätzlich nur bei minderjährigen Kindern in Betracht (§§ 1612 Abs. 2 Satz 3, 1612 a BGB). Nur ausnahmsweise kann der Unterhaltsverpflichtete bei Vorliegen besonderer Gründe auch gegenüber einem volljährigen Kind verlangen, Unterhalt in anderer Weise - insbesondere durch Naturalunterhalt - zu gewähren (vgl. BFH-Beschluss vom 17.03.2006 III B 135/05, BFH/NV 2006, 1285 m.w.N.).

Nach §§ 1601 ff. BGB ist die Mutter des Kl., TT, diesem gegenüber zur Gewährung von Unterhalt verpflichtet, da dieser auch unter Berücksichtigung von Ausbildungsvergütung, Berufsausbildungsbeihilfe und Halbwaisenrente sich zumindest nicht selbst vollständig unterhalten kann. Über die grundsätzlich gegebene Unterhaltspflicht der Beigeladenen TT besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Aufgrund dieser Unterhaltspflicht hat TT seit September 2006 - Dezember 2006 das Kindergeld in Höhe von monatlich 154,00 ( an den Kl. weitergeleitet.

Die FK meint jedoch, TT sei ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kl. auch für den Zeitraum Juli 2005 - August 2006 dadurch nachgekommen, dass sie dem Kl. angeboten habe, in ihrem Haushalt zu wohnen und verpflegt zu werden. Diese Auffassung ist unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Umstände unzutreffend.

Der Unterhaltsverpflichtete kann nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Gründe auch gegenüber einem volljährigen Kind verlangen, Unterhalt in anderer Form als durch eine Geldrente - insbesondere durch Naturalunterhalt - zu gewähren.

Derartige Gründe liegen hier angesichts der beengten Wohnraumverhältnisse in der Wohnung der Mutter des Kl. und unter Berücksichtigung dessen, dass der Kl. bereits seit dem Jahr 2000 außerhalb der Wohnung seiner Mutter wohnt, nicht vor.

Der Kl. war in dem (vorliegenden) Streitzeitraum Juli 2005 - August 2006 bereits volljährig, da er am 00.00.0000 geboren ist. Er war schon im Jahr 2000 mit 16 Jahren aus der Wohnung der Mutter TT ausgezogen. Er war damals in die Wohnung seiner im selben Achtfamilienhaus wohnenden Großmutter HT (Mutter des Stiefvaters des Kl.) gezogen. Nach den von dem Bekl. und von der Beigeladenen nicht widersprochenen Angaben des Kl. sei die Großmutter des Kl. für seinen Unterhalt aufgekommen, weil seine Mutter hierzu nicht in der Lage gewesen sei. Vielmehr habe die Großmutter zudem noch die Familie seiner Mutter TT unterstützt. Er, der Kl., habe nicht die Möglichkeit gehabt, im Haushalt seiner Mutter zu wohnen. Die Familie der Mutter lebe mit 4 Personen in einer Dreizimmerwohnung, Küche, Diele und Bad und einem Abstellraum. Dort sei nämlich kein Platz für ihn als erwachsene Person. Inzwischen wohnt der Kl. seit dem 10.06.2004 in einer gemieteten Zwei-Zimmer-Wohnung in demselben Achtfamilienhaus.

Wegen der fehlenden besonderen Gründe für eine Unterhaltsgewährung in anderer Form als durch eine Geldrente, kann es hier dahinstehen, ob die vom Kl. widersprochene Behauptung der TT, sie habe dem Kl. angeboten, in ihrem Haushalt zu wohnen und verpflegt zu werden, überhaupt zutreffend ist. Ebenso kann dahinstehen, ob, wenn man gem. § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB von einem Bestimmungsrecht der TT zur Art der Gewährung von Unterhalt ausgehen würde - hier dann überhaupt eine wirksame Unterhaltsbestimmung vorläge.

# Eine wirksame Unterhaltsbestimmung muss nämlich inhaltlich hinreichend bestimmt sein, also im Rahmen eines Gesamtkonzepts alle notwendigen einzelnen und unterschiedlichen Leistungen anbieten. Sie muss daher grundsätzlich den gesamten Lebensbedarf eines Kindes umfassen, insbesondere Unterkunft, Verpflegung, Taschengeld oder Geldleistungen für zweckgebundene Ausgaben, ein allgemeines Angebot von Kost und Logis genügt nicht (Beschluss des OLG Celle vom 05.05.2006 17 WF 60/06, NJW - RR 2006, 1304; FamRZ 2007, 762, m.w.N.). Dies ist bei dem von TT dem Kl. gemachten Angebot zur Unterhaltsgewährung zweifelhaft.

Da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 Satz 1 EStG für eine Abzweigung erfüllt sind, hatte die FK das ihr in dieser Vorschrift eingeräumte Rechtsfolgeermessen, ob und ggfls. in welcher Höhe das Kindergeld an den Kl. auszuzahlen ist, auszuüben (vgl. BFH-Urteil vom 17.11.2004 VIII R 30/04, BFH/NV 2005, 692 m.w.N.).

Die FK ist als Folge ihrer Auffassung, dass der Tatbestand des § 74 Abs. 1 EStG mangels Unterhaltspflichtverletzung der Beigeladenen TT nicht erfüllt sei, ihrer Pflicht zur Ermessensausübung nicht nachgekommen (sog. Ermessensunterschreitung).

Im vorliegenden Fall ist jedoch von dem Erlass eines Bescheidungsurteils gem. § 101 Satz 2 FGO abzusehen, weil die FK zur Auszahlung des gesamten Kindergeldes an den Kl. verpflichtet ist. Im Streitfall ist einzig und allein die Ermessensentscheidung rechtmäßig, das Kindergeld in vollem Umfang an den Kl. auszuzahlen (sog. Ermessensreduzierung auf Null).

Die FK hat bei Ausübung des ihr in § 74 Abs. 1 EStG eingeräumten Ermessens den Zweck des Kindergeldes zu berücksichtigen (§ 5 der Abgabenordnung -AO-). Das Kindergeld dient der steuerlichen Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes und, soweit es dafür nicht erforderlich ist, der Förderung der Familie (§ 31 Sätze 1 und 2 EStG).

Der erkennbare Zweck des § 74 Abs. 1 EStG liegt darin, dass dann, wenn der Kindergeldberechtigte keine Aufwendungen für den Unterhalt des Kindes trägt, das Kindergeld nicht ihm, sondern entweder dem Kind oder aber demjenigen zugute kommen soll, der dem Kind tatsächlich Unterhalt gewährt. Dieser Zweck kann im Streitfall nur dadurch erreicht werden, dass das Kindergeld an das Kind, den Kl. des vorliegenden Verfahrens, ausgezahlt wird, da TT keine Aufwendungen für das Kind trägt und, wie der Kl.-Vertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, sehr wenig Kontakt zwischen TT und dem Kind besteht.

Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen, wonach wegen einer angenommenen Unterhaltspflichtverletzung der Beigeladenen das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Abzweigung des Kindergeldes an das Kind gem. § 74 Abs. 1 EStG bejaht worden ist, ist in analoger Anwendung des § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG eine Auszahlung an die Kinder des Kindergeldberechtigten auch dann zulässig, wenn der Kindergeldberechtigte tatsächlich keinen Unterhalt leistet und zivilrechtlich auch nicht dazu verpflichtet ist. Die Ansicht in der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs - DA-Fam. EstG Nr. 74.1.1 Abs. 1 Sätze 1, 3 - wonach eine Abzweigung nur dann in Betracht kommt, wenn der Berechtigte seine Unterhaltspflicht dem Kind gegenüber andauernd verletzt, ist angesichts dessen überholt. Vielmehr besteht damit nach § 74 Abs. 1 EStG (analog) grundsätzlich die Möglichkeit, Kindergeld u.a. an das Kind selbst dann auszuzahlen, wenn der Kindergeldberechtigte - unabhängig von der Frage der Verletzung seiner etwaigen Unterhaltspflicht - tatsächlich keinen Unterhalt leistet (vgl. zum Vorstehenden: Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 04.07.2005 14 K 5656/04 Kg, EFG 2005, 1787 mit Hinweis auf BFH-Urteil vom 28.01.2004 VIII R 21/02, BStBl. II 2004, 555; Finanzgericht Münster, Urteil vom 25.11.2004 5 K 429/02 Kg, EFG 2005, 792 ).

Der Unterhaltspflicht nicht nachkommen bedeutet, dass der Kindergeldberechtigte objektiv und dauerhaft für den wesentlichen Unterhalt des Kindes nicht aufkommt. Eine Abzweigung nach § 74 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG setzt nicht voraus, dass der Kindergeldberechtigte seine Unterhaltspflicht schuldhaft nicht erfüllt oder gar den Straftatbestand der Unterhaltspflichtverletzung (§ 170 b des Strafgesetzbuches) verwirklicht. Auf die Gründe für die Nichterfüllung der Unterhaltspflicht kommt es deshalb nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 23.02.2006 III R 65/04, BFH/NV 2006, 1575).

Dies steht auch im Einklang mit dem Zweck des Kindergeldes. Zweck des Kindergeldes ist es, Eltern einen Ausgleich wegen ihrer Unterhaltsleistungen für ihre Kinder zu verschaffen. Eines solchen Ausgleichs bedarf es nicht, wenn Eltern tatsächlich nicht mit Leistungen für den Unterhalt ihrer Kinder belastet sind (vgl. BFH-Beschluss vom 03.06.2004 VIII S 12/04, [...]; BFH-Urteil vom 17.02.2004 VIII R 58/03, BStBl. II 2006, 130; BFH-Urteil vom 27.10.2004 VIII R 65/04, BFH/NV 2005, 538).

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze, denen sich der erkennende Einzelrichter anschließt, ergibt sich hier Folgendes:

Es kann hier nicht festgestellt werden, dass die Beigeladene TT in dem Streitzeitraum Juli 2005 - August 2006 Barunterhalt oder Naturalunterhalt an den Kl. geleistet hat.

Zwar hat TT im außergerichtlichen Verfahren behauptet, sie habe dem Kl. ab August 2005 monatlich Barunterhalt in Höhe von 162,00 ( gewährt.

Dem hat jedoch der Kl. widersprochen. Dass die Behauptung der Beigeladenen zutreffend ist, hat sie trotz Aufforderung der FK im Schreiben vom 06.01.2006 weder im außergerichtlichen Verfahren noch im gerichtlichen Verfahren bewiesen.

Die vom Kl. in der mündlichen Verhandlung vorgelegte schriftliche Empfangsbestätigung über die von TT an den Kl. weitergeleiteten Kindergeldbeträge betreffen nur die Monate September - Dezember 2006.

Die Beigeladene und dementsprechend die FK hätte sich hierauf im Klageverfahren nur mit Erfolg berufen können, wenn die Beigeladene spätestens nach ihrer Beiladung schriftsätzlich oder ggfls. im Termin zur mündlichen Verhandlung den erforderlichen Beweis für ihre Behauptung erbracht hätte. Insoweit trifft sie, da sie sich auf eine für sie günstige Tatsache beruft, die objektive Beweislast (Feststellungslast). Das gleiche trifft für die beklagte FK zu, die sich bei ihrer Entscheidung auf diese Behauptung der Beigeladenen stützt.

Außerdem steht fest, dass TT in der von ihr gegenüber dem Kl. bestimmten Weise (Kost und Logis) tatsächlich keinen Unterhalt zugunsten des Kl. im Streitzeitraum Juli 2005 - August 2006 erbracht hat. In dieser Form hatte sie den Unterhalt nur angeboten. Das bloße Angebot zur Erfüllung von Unterhalt rechtfertigt nicht den Schluss, dadurch werde tatsächlich Unterhalt geleistet, die Unterhaltspflicht also tatsächlich erfüllt. Würde man bereits allein das Angebot als eine Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht im Sinne des § 74 EStG bewerten, würde dies dazu führen, dass Personen, die tatsächlich nicht mit Unterhalt belastet sind, obendrein noch Kindergeld ausbezahlt würde (vgl. zum Vorstehenden: Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 04.07.2005 14 K 5656/04 Kg EFG 2005, 1787 unter Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 25.11.2004 5 K 429/02 Kg, EFG 2005, 792 ).

Der Umstand, dass ein Kind Unterhalt der in einer zulässigen Weise bestimmten Form nicht entgegennimmt, führt andererseits dazu, dass die Eltern von ihrer Unterhaltspflicht befreit werden (vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, Kommentar, 65. Aufl., 2006, § 1612 BGB Rdnr. 14), sie ihre Unterhaltspflicht also nicht verletzen (können).

Da jedoch nach Auffassung des BFH - wie bereits ausgeführt - grundsätzlich die Möglichkeit besteht, Kindergeld auch dann abzuzweigen, wenn der Kindergeldberechtigte selbst - unabhängig von der Frage der Verletzung einer etwaigen Unterhaltspflicht - tatsächlich keinen Unterhalt leistet, ist in Fällen wie dem Vorliegenden, in dem die unterhaltsverpflichtete Kindesmutter tatsächlich weder Bar- noch Naturalunterhalt leistet und sie ggfls. von ihrer Unterhaltspflicht befreit ist, eine Abzweigung von Kindergeld an das in Berufsausbildung befindliche Kind möglich.

Für das Rechtsfolgeermessen der FK tritt dann unter Berücksichtigung des Zweckes des § 74 Abs. 1 EStG eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend ein, dass allein eine Auszahlung des festgesetzten Kindergeldes an den Kl. ermessensfehlerfrei ist (vgl. oben).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 136 Abs. 2 FGO. Da der Kl. seinen ursprünglichen Klageantrag teilweise zurückgenommen hat, ist er insoweit unterlegen und hat dementsprechend einen Teil der Kosten zu tragen. Der Beigeladenen waren keine Kosten aufzuerlegen, da sie keine Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat (§ 135 Abs. 3 FGO).

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO analog, § 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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