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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 02.12.2008
Aktenzeichen: 9 K 2344/07 G
Rechtsgebiete: GewStG


Vorschriften:

GewStG § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die bis zum 23. Oktober 2008 entstandenen Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 90% und der Beklagte zu 10%; die ab dem 24. Oktober 2008 entstandenen Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob Kaufpreisabschläge, die bei Forderungsverkäufen in einem Asset-Backed-Security-(ABS-)Modell angefallen sind, als Entgelte für Dauerschulden (§ 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes in der bis 2007 geltenden Fassung - GewStG a.F. -) anzusehen sind.

Die Klägerin ist eine AG, auf die mit notariell beurkundetem Vertrag vom 15. Juli 2004 mit Rückwirkung zum 1. Januar 2004 die X.......... eG (G) verschmolzen worden ist.

Die G betätigte sich als genossenschaftliche Warenzentrale mit Produkten für Landwirtschaft, Haus und Garten. Am 18. Dezember 2001 (mit Änderungen vom 17. Januar 2002) schloss sie mit der Y..... Finance Inc. - einem "Special Purpose Vehicle" (Zweckgesellschaft, im Folgenden: Z) mit Sitz auf den Cayman Islands (British West Indies) - ein "Master agreement for the purchase of receivables" (Rahmenvertrag über den Ankauf von Forderungen; im Folgenden kurz als "RV" bezeichnet). Einziger Geschäftszweck der Z ist der Ankauf der Forderungen der G. Sie refinanziert sich durch Ausgabe von Wertpapieren mit einer Laufzeit zwischen einem Tag und drei Monaten (Commercial Papers), als deren Sicherheit die abgetretenen Forderungen dienen ("Verbriefung"). Alleingesellschafterin der Z ist die Q..... Ltd. mit Sitz auf Guernsey (British Channel Islands), Alleingesellschafterin dieser Ltd. ist der Q..... Trust, eine Stiftung nach dem Recht von Guernsey.

Nach dem Inhalt des RV verkaufte die G ihre gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus dem laufenden Geschäftsverkehr bis zu einem Maximalbetrag von 40 Mio. € revolvierend an die Z und trat die Forderungen zugleich aufschiebend bedingt ab (Nr. 1.1, 3.1, 4.1 RV). Die durchschnittliche Zahlungsfrist der Forderungen betrug 32 Tage, die maximale Laufzeit der Einzelforderungen höchstens 90 Tage (Nr. 7.1.14 RV). Überwiegend handelte es sich um Forderungen aus Warenlieferungen an andere Warengenossenschaften; daneben bestanden auch Forderungen gegen externe Kunden, bei denen es sich jeweils um juristische Personen oder Kaufleute (im Folgenden: Nicht-Primärgenossenschaften) handelte. Forderungen gegen Großschuldner wurden nur bis zu einem Betrag von 1,4 Mio. € für die ersten drei Schuldner bzw. 1 Mio. € für die folgenden 20 Schuldner von dem Verkauf an Z erfasst (Anlage A.3 RV; vgl. auch die Abrechnung vom 17. November 2003, Bl. 45 FG-Akte); die übersteigenden Teile der Forderungen verblieben bei G. Der Vertrag hatte zunächst eine Laufzeit von fünf Jahren und sollte sich danach um jeweils ein Jahr verlängern, sofern keine Vertragspartei kündigte (Nr. 1.4 RV).

Als Kaufpreis wurde der Nennwert abzüglich eines Risikoabschlags für Forderungsausfälle (Risk Discount for Bad Debt Risk; Nr. 2.1.1 (a) RV) von 4% und eines Veritätsabschlags für Gewährleistungsrisiken (Dilution Discount for Warranty Risks; Nr. 2.1.1 (b) RV) von 3,5% vereinbart. Der Kaufpreis war drei Bankgeschäftstage nach dem - monatlich erfolgenden - Transfer der jeweiligen Forderungsdaten fällig (Nr. 2.1 RV). Die Forderungsabtretungen sollten den Schuldnern nicht angezeigt werden (Nr. 6 Vorbemerkung RV). G konnte die Forderungen im Außenverhältnis grundsätzlich weiterhin im eigenen Namen einziehen; im Innenverhältnis übernahm G die Verwaltung und den Einzug der Forderungen für Z (Nr. 6.1 RV). Die anfallenden Kosten für die weitere Verwaltung und den Einzug der abgetretenen Forderungen hatte G zu tragen (Nr. 6.6 RV). Die eingezogenen Beträge waren von G an Z zu überweisen bzw. konnten mit dem Kaufpreis für weitere verkaufte Forderungen aufgerechnet werden (Nr. 3.3 RV). Die Abwicklung der Forderungsverkäufe erfolgte über die Zweigniederlassung der B..... Bank Lateinamerika AG auf den Cayman Islands als "Monitor" und die Filiale A-Stadt der B..... Bank AG als "Datentreuhänderin" (Nr. 4.6.1, 4.6.2 RV).

Der Risikoabschlag sollte Forderungsausfälle abdecken. Er war allerdings nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen von Z an G zurückzuzahlen (Nr. 8.1 RV): Soweit der später tatsächlich eingezogene Forderungsbetrag den Kaufpreis überstieg, gewährte Z der G eine Gutschrift auf einem internen Forderungsausfallkonto. Z konnte die gesamten tatsächlichen Forderungsausfälle mit dem Guthaben der G auf diesem Forderungsausfallkonto aufrechnen. Ein verbleibendes Guthaben der G, das das Mindestguthaben von 1,6 Mio. € überstieg, war monatlich als "Bonifikation 1" auszuzahlen (Nr. 8.2, 8.3 RV). Nach vollständiger Abwicklung des Rahmenvertrags hatte Z das gesamte Guthaben auf dem Forderungsausfallkonto an G auszukehren (Nr. 8.4 RV). G übernahm keine Gewährleistung für die Bonität der Forderungen (Nr. 7.1.1 RV). Im Fall übermäßiger Forderungsausfälle hatte G - abgesehen von der Möglichkeit der Z, sich aus dem Guthaben auf dem Forderungsausfallkonto zu bedienen - keine weiteren Zahlungen an Z zu leisten (Nr. 8.3.2 RV). Z konnte den Vertrag u.a. fristlos kündigen, wenn die Forderungsausfälle in den letzten zwölf Monaten 4% des Nominalbetrags der Forderungen überstiegen oder der Bestand des Forderungsausfallkontos auf weniger als 1% des aktuellen Ankaufbetrags gesunken war oder die Gutschriften auf dem Forderungsausfallkonto in den letzten drei Monaten hinter den tatsächlichen Forderungsausfällen zurück geblieben sind und es innerhalb von zehn Bankgeschäftstagen nicht zu einer Einigung über eine Anpassung des Risikoabschlags kam (Nr. 17.3.7 RV).

G sicherte im Vertrag zu, dass die tatsächliche Forderungsausfallquote sich für 1999 auf 0,1% und für 2000 auf weniger als 0,1% des Gesamtumsatzes belaufen hatte (Anlage D Nr. 2.7 RV) . Auf 20 Großkunden entfiel jeweils 1 - 4% des Gesamtforderungsvolumens; insgesamt beliefen sich die Forderungen gegen diese 20 Schuldner auf 40% des Gesamtbetrags. Bisher war es bei keinem dieser Großschuldner jemals zu einem Forderungsausfall gekommen. Für die Forderungen gegen Nicht-Primärgenossenschaften war im Rahmen der ABS-Transaktion eine Warenkreditversicherung zugunsten der Z abzuschließen, deren Kosten G zu tragen hatte. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist hierfür eine Entschädigungshöchstgrenze in Höhe des 30-fachen der Jahresprämie, die sich auf knapp 100.000 € belaufen hat, vereinbart worden.

Der Veritätsabschlag sollte der Z als Sicherheit für etwaige Ansprüche gegen G aus den umfangreichen von G übernommenen Garantien (Nr. 7 RV) sowie aus Vertragsverletzungen dienen (Nr. 9.1 RV). Mittelbar waren damit auch Abschläge aus Skonti-, Boni- und Rabattgewährungen sowie Gewährleistungsansprüchen abgedeckt. Auch insoweit wurden die Beträge zunächst einem "Verwässerungskonto" gutgeschrieben (Nr. 9.2 RV). Ein verbleibendes Guthaben der G, das das Mindestguthaben von 1,4 Mio. € überstieg, war monatlich als "Bonifikation 2" auszuzahlen; nach vollständiger Abwicklung des Rahmenvertrags war das gesamte Guthaben auf dem "Verwässerungskonto" an G auszukehren (Nr. 9.4 i.V.m. 8.3, 8.4 RV).

Ferner berechnete die Z der G eine laufende Vergütung für die Verwaltung und Strukturierung sowie für ihre Geschäftsrisiken im Rahmen der Transaktion (Programmgebühr nach Nr. 2.2 sowie Anlage C.2 RV). Diese Programmgebühr war im Wesentlichen von den Refinanzierungskonditionen der Z und von bestimmten Marktzinssätzen abhängig. Bei ihrer Bemessung wurde zudem - allerdings ohne nähere Konkretisierung im Vertrag - berücksichtigt, dass G für Z ohne Anspruch auf gesonderte Vergütung die Verwaltung der Forderungen übernahm (Nr. 6.6 RV). Steuern, Abgaben und Gebühren, die im Zusammenhang mit dem Vertrag anfallen konnten, waren von G zu tragen (Nr. 16.1 RV). Gleiches galt für Steuern und Abgaben, die Z im Zusammenhang mit dem Vertrag in Deutschland auferlegt werden könnten (Nr. 16.2 RV).

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die vorstehende Wiedergabe der wesentlichen Inhalte des Vertrags - trotz gewisser Abweichungen zwischen den verschiedenen vorgelegten Vertragsfassungen und -sprachen - die zwischen den Vertragsparteien bestehenden Vereinbarungen zutreffend darstellt.

Zum 31. Dezember 2003 belief sich das Volumen der abgetretenen Forderungen auf 35.485.566 €. G wies in ihren Bilanzen nicht die Forderungen, sondern die ihr von Z ausgezahlten Kaufpreise (92,5% des Nennwerts der abgetretenen Forderungen) aus. Ferner aktivierte sie in Höhe des Differenzbetrags (7,5%) die Zugänge auf den bei Z geführten Reservekonten. Eine Gewinnminderung nahm sie erst in dem Zeitpunkt vor, in dem tatsächlich ein Forderungsausfall eingetreten war.

G sind für die Einrichtung der ABS-Gestaltung einmalige Vorlaufkosten (im Wesentlichen für Rechtsberatung) in Höhe von ca. 415.000 € entstanden. Ferner hatte G an Z in den Streitjahren laufende Vergütungen in Höhe von 1.381.118 € (2002) bzw. 1.105.024 € (2003) zu zahlen, die sich im Ergebnis mindernd auf den Gewinn und den Gewerbeertrag auswirkten.

Die Beteiligen sind sich darüber einig, dass hieraus - bezogen auf das Gesamtforderungsvolumen - eine Kostenbelastung der G in Höhe von ca. 3,3% resultiert und dass die Kosten für eine Vorfinanzierung durch eine Bank in der damaligen Zeit höher ausgefallen wären.

Entsprechend den abgegebenen Steuererklärungen zog der Beklagte (das Finanzamt - FA -) in den ursprünglichen, unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Gewerbesteuermessbescheiden für 2002 und 2003 keine gewerbesteuerrechtlichen Konsequenzen aus diesem Sachverhalt.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung kamen die Prüfer zu der Auffassung, G hätte die Forderungen aktivieren müssen, weil das wirtschaftliche Eigentum nicht vollständig auf Z übergegangen sei. Maßgebend für die Beurteilung sei die zu Forfaitierungs-Gestaltungen ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. Mai 1999 XI R 6/98, BFHE 188, 415, BStBl II 1999, 735, und vom 8. November 2000 I R 37/99, BFHE 193, 416, BStBl II 2001, 722), die vom Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IdW) auch auf ABS-Gestaltungen übertragen werde (Stellungnahme vom 1. Oktober 2002, Die Wirtschaftsprüfung - WPg - 2002, 1151). Danach sei Voraussetzung für einen Übergang des wirtschaftlichen Eigentums der Übergang des Bonitätsrisikos auf Z. Dieses Risiko sei aber nach der gesamten Vertragsgestaltung, zumal angesichts der geringen Ausfallquoten der Vergangenheit, im Wesentlichen bei G verblieben. Danach handle es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht um einen Verkauf der Forderungen, sondern um ein Darlehensverhältnis. Daher seien die Forderungen zu aktivieren; die von Z erhaltenen Mittel müssten als Darlehensverbindlichkeit passiviert werden. 50% der an Z gezahlten laufenden Entgelte seien dem Gewerbeertrag nach § 8 Nr. 1 GewStG a.F. hinzuzurechnen, weil das Darlehen als Dauerschuld anzusehen sei.

Das FA folgte den Prüfern und erließ am 14. September 2006 entsprechend geänderte Gewerbesteuermessbescheide für 2002 und 2003. Die Bescheide waren an die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der G gerichtet und verfahrensrechtlich auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützt. Zugleich wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

Im Einspruchsverfahren brachte die Klägerin vor, der Risikoabschlag habe so hoch gewählt werden müssen, weil das Rating der Z ansonsten schlecht ausgefallen wäre und die Refinanzierungskosten der Z sich erhöht hätten. Sie behauptete, die Finanzierungskosten seien bei ABS-Transaktionen infolge der nur kurzen Laufzeit der von den Zweckgesellschaften zur Refinanzierung ausgegebenen Commercial Paper meist geringer als bei Bankkrediten. Auf dem Transaktionsmarkt seien Abschläge zwischen 8 und über 10% üblich.

In der Regel könnten Forderungsbestände, die zu mehr als 2% auf einen einzigen Schuldner entfielen, nicht im Rahmen von ABS-Transaktionen verkauft werden. Vorliegend sei die Einbeziehung der Forderungen gegen diese Großkunden nur deshalb möglich gewesen, weil es sich um sichere Schuldner handle. Gleichwohl müsse das "Klumpenrisiko" einbezogen werden. Auch müsse berücksichtigt werden, dass sämtliche oder jedenfalls zahlreiche Schuldner aufgrund externer Einflüsse (Umweltkatastrophen, Wirtschaftskrisen, Bauernboykott) gleichzeitig zahlungsunfähig werden könnten (Katastrophenrisiko). Diese Gefahr werde hier noch dadurch erhöht, dass alle Schuldner aus einer einzigen Branche und einem einzigen Staat stammten. Selbst im Fall der Ausübung des Sonderkündigungsrechts durch Z liege das Ausfallrisiko für die zuvor übertragenen Forderungen weiterhin bei Z.

Ferner sei das Verzugsrisiko zu berücksichtigen. Dies habe im August 2004 bei 1,59% und im April 2006 bei 1,56% gelegen . Diese Zahl repräsentiere die tatsächlich in Anspruch genommenen Einzel- und Pauschalwertberichtigungen auf die nicht an Z abgetretenen Forderungen.

Die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums sei anhand der Kriterien Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten zu prüfen. Die vom FA vorgenommene ausschließliche Betrachtung des Risikos ("Gefahr") sei unzulässig. Die steuerrechtliche Zuordnung dürfe sich nicht allein an einer hypothetischen Störung orientieren, die in der Mehrzahl der Fälle gar nicht eintrete. Besser geeignet seien Kriterien wie die Verfügungsbefugnis und der Zinsertrag ("Nutzungen"). Vorliegend sei die Verfügungsbefugnis auf Z übergegangen. Zinsen seien bei den hier verkauften Forderungen zwar durchweg nicht vereinbart worden. Für den Fall, dass Zinsen anfallen sollten, würden diese aber der Z zustehen.

Das FA wies den Einspruch am 4. Mai 2007 zurück. Zur Begründung führte es aus, das wirtschaftliche Eigentum an den Forderungen sei mangels Übergang des Bonitätsrisikos bei G geblieben, da weder endgültige noch angemessene Kaufpreisabschläge vereinbart worden seien. Endgültige Abschläge hätten vorausgesetzt, dass eventuell höhere Zahlungseingänge allein der Z zugute kommen würden. Nach dem RV habe der Kaufpreis aber nach Einziehung der Forderungen in Abhängigkeit von den tatsächlichen Ausfällen angepasst werden sollen. Die endgültige Höhe des Kaufpreises habe damit erst am Ende der Vertragslaufzeit feststehen können. Die Abschläge seien auch nicht angemessen. Denn sie hätten sich nicht nach den tatsächlichen Erfahrungen der Vergangenheit zuzüglich eines Risikoaufschlags bemessen. Das Ausfallrisiko hinsichtlich der Forderungen an Nicht-Primärgenossenschaften sei vollständig durch die Warenkreditversicherung abgedeckt gewesen; ein besonderes Klumpenrisiko hinsichtlich der Großkunden sei nach den Erfahrungen der Vergangenheit nicht zu erkennen. Bei der Prüfung der Angemessenheit müsse ferner berücksichtigt werden, dass G das Inkasso für Z übernehme, ohne dafür eine Vergütung zu erhalten. Der Wert dieser Leistung sei auf 2% des Forderungsbetrags zu schätzen.

Als Inhaltsadressatin der Einspruchsentscheidung war allein die Klägerin - ohne einen Gesamtrechtsnachfolgezusatz - bezeichnet.

Im Klageverfahren vertritt die Klägerin ergänzend die Auffassung, maßgebend für die Beurteilung seien nicht die Rechtsprechungsgrundsätze zum Factoring, sondern diejenigen zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bei Beteiligungen. Auch die Behandlung von Sicherungsgeschäften wie Credit Default Swaps (CDS), mit denen Gläubiger bestimmte Risiken handelbar machen und von der zugrunde liegenden Kreditbeziehung trennen könnten, zeige, dass das Bonitätsrisiko allein nicht maßgebend sein könne. Denn bei CDS-Gestaltungen gehe das Bonitätsrisiko unzweifelhaft auf den Vertragspartner über, während die Forderung beim ursprünglichen Gläubiger verbleibe. ABS-Gestaltungen seien schon wegen des erheblich höheren Grades an Komplexität nicht mit Factoring-Verträgen vergleichbar.

Eine Angemessenheitsprüfung des vereinbarten Abschlags komme nicht in Betracht, weil die Vertragsparteien einander als fremde Dritte gegenüberstünden. Die gegenwärtige Finanzmarktkrise zeige zudem, dass die Abschläge in einigen Fällen noch zu gering gewesen seien. Es habe seit Ende der neunziger Jahre drei Insolvenzen bei Primärgenossenschaften gegeben; das Branchenrating sei schlecht. Das Eigenkapital solcher Genossenschaften, deren Satzung beim Ausscheiden eines Mitglieds auch die Auszahlung von Anteilen an den Reserven vorsehe, werde von Banken nicht als vollwertig angesehen. Unzutreffend sei auch die Würdigung, wonach Z für die Verwaltung der Forderungen durch G kein Entgelt zahle. Denn diese Dienstleistung der G sei kalkulatorisch bei der Bemessung der von G an Z zu zahlenden Programmgebühr berücksichtigt worden.

Das FA hat am 23. Oktober 2008 die an die Klägerin ergangene Einspruchsentscheidung aufgehoben und am selben Tage eine inhaltsgleiche Einspruchsentscheidung an die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der G gerichtet.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 23. Oktober 2008 die Gewerbesteuermessbescheide für 2002 und 2003 vom 14. September 2006 dahingehend zu ändern, dass

die Hinzurechnung für Dauerschuldentgelte um 690.559 € (2002) bzw. 552.512 € (2003) gemindert wird und

die sich im Obsiegensfall ergebende Minderung der Gewerbesteuer-Rückstellung gegenläufig berücksichtigt wird;

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Berichterstatter hat die Sache am 22. September 2008 mit den Beteiligten erörtert; auf das Protokoll wird Bezug genommen. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide sind rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FA hat zu Recht den Gewerbeertrag der G auf der Grundlage des § 8 Nr. 1 GewStG a.F. um die Hälfte der an Z gezahlten laufenden Vergütungen erhöht. Nach dieser Vorschrift werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb u.a. die Hälfte der Entgelte für Schulden hinzugerechnet, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Bei wirtschaftlicher Betrachtung stellt sich die gewählte Gestaltung nicht als Forderungsverkauf, sondern als Finanzierungstätigkeit dar.

1. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Forfaitierung von Forderungen setzt die Annahme eines Kaufs in derartigen Fallgestaltungen voraus, dass das Risiko der wirtschaftlichen Verwertbarkeit der Forderungen (Bonitätsrisiko) auf den Erwerber übergeht, insoweit also keine Möglichkeit des Regresses besteht. Verbleibt das Bonitätsrisiko hinsichtlich der abgetretenen Forderungen hingegen (teilweise) beim Verkäufer, liegt eine sog. unechte Forfaitierung vor. Die Zahlung des "Kaufpreises" stellt dann eine bloße Vorfinanzierung dar, so dass von einem Darlehensverhältnis - und bei entsprechender Laufzeit gewerbesteuerrechtlich von einer Dauerschuld - auszugehen ist. Die Abgrenzung zwischen Kauf und Darlehen ist im jeweiligen Einzelfall aufgrund einer Gesamtbetrachtung der vertraglichen Bestimmungen vorzunehmen (zum Ganzen BFH-Urteile vom 5. Mai 1999 XI R 6/98, BFHE 188, 415, BStBl II 1999, 735, und vom 8. November 2000 I R 37/99, BFHE 193, 416, BStBl II 2001, 722, unter II.1.).

2. Diese Beurteilung wird vom Hauptfachausschuss des IdW in seiner ausführlichen Stellungnahme vom 1. Oktober 2002 (WPg 2002, 1151) - und im Anschluss daran von der überwiegenden Auffassung in der Literatur (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, Kommentar, 27. Auflage 2008, § 5 Rn. 270 "Factoring"; Blümich/Schreiber, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, § 5 EStG Rn. 740 "Asset-Backed Securities", Stand Mai 2007; Kirchhof/Crezelius, EStG, Kommentar, 8. Auflage 2008, § 5 Rn. 165 "Asset-Backed Securities"; Geurts, Der Betrieb - DB - 1999, 451; Becker/Lickteig, Die steuerliche Betriebsprüfung - StBp. - 2000, 321; ähnlich bereits Wiese, Betriebs-Berater - BB - 1998, 1713) - auch auf ABS-Gestaltungen übertragen. Danach setzt der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums voraus, dass der Veräußerer keinerlei Bonitätsrisiken aus den veräußerten Forderungen mehr trägt und diese vollständig auf den Erwerber übergegangen sind (IdW, WPg 2002, 1151, Tz. 7). Dem schließt der erkennende Senat sich zumindest insofern an, als ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums jedenfalls dann zu verneinen ist, wenn der Veräußerer weiterhin "wesentliche Risiken" der veräußerten Forderungen trägt (vgl. auch IdW, WPg 2002, 1151, Tz. 29).

a) Nach der Interessenlage, wie sie bei den an einer ABS-Gestaltung mit kurzfristig revolvierenden Warenforderungen beteiligten Parteien im Regelfall besteht, kommt es für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) ganz wesentlich auf den Verbleib des Bonitätsrisikos ("Gefahr") an. Denn alle weiteren Kriterien, die üblicherweise in die Gesamtbetrachtung der rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen zwischen den beteiligten Personen und dem maßgebenden Wirtschaftsgut einfließen (Besitz, Nutzungen und Lasten), sind in einem solchen Fall bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Parteien von keiner oder allenfalls nur von untergeordneter Bedeutung. Kriterien, die für die Vertragsparteien selbst aber nicht von Bedeutung sind, können im Rahmen einer an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierten Betrachtung indes nicht herangezogen werden.

Dies gilt zunächst für das Kriterium des "Besitzes" an der Forderung (a.A. Häuselmann, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1998, 826; Hultsch, DB 2000, 2129), das hier durch die Verfügungsmacht ausgefüllt wird. Zwar hätte Z die rechtliche Befugnis, über die Forderungen zu verfügen. Von praktischer Bedeutung für die Vertragsparteien war diese Befugnis angesichts der Kurzfristigkeit der Forderungen und der fehlenden Aufdeckung der Abtretung nach außen aber nicht. Auch nach dem erkennbaren Willen der Vertragsparteien war eine Verfügung der Z über die Forderungen nicht vorgesehen, zumal Z - soweit ersichtlich - über keinerlei Apparat für die Verwaltung einer Vielzahl von Einzelforderungen verfügte, sondern diese Aufgabe vollständig an G übertragen hatte.

Das Kriterium der Befugnis, "Nutzungen" zu ziehen, ist im Streitfall für die Vertragsparteien ohne jede Bedeutung, weil die von dem ABS-Geschäft erfassten Warenforderungen sämtlich unverzinslich waren.

Gleiches gilt für den Gesichtspunkt der "Lasten", weil mit den Warenforderungen keine erkennbaren Lasten verbunden waren.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bei Beteiligungen entwickelten Grundsätze nicht auf die Übertragung kurzlaufender Forderungen im Rahmen von ABS-Gestaltungen übertragbar. Denn mit Beteiligungen sind üblicherweise Gewinnbezugs- und Stimmrechte von erheblichem wirtschaftlichem Gewicht sowie nennenswerte Chancen und Risiken einer Wertveränderung verbunden. An all diesem fehlt es bei kurzfristigen Warenforderungen jedoch. Gesichtspunkte, die im Rahmen der Übertragung des im konkreten Fall zu beurteilenden Wirtschaftsguts für die Vertragsparteien nicht von Bedeutung sind, können zur Beurteilung des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums aber nicht in sinnvoller Weise herangezogen werden.

Auch die weiteren Einwendungen der Klägerin gegen die Heranziehung des Bonitätsrisikos als entscheidendem Beurteilungskriterium vermögen den Senat nicht zu überzeugen. So ist die neuere Rechtsprechung zu Index-Zertifikaten schon deshalb nicht einschlägig, weil diese auf dem besonderen Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beruht.

Die von der Klägerin - im Anschluss an Dreyer/Schmid/Kronat (BB 2003, 91) - aufgezeigten Unterschiede zwischen Factoring/Forfaitierung einerseits und ABS-Transaktionen andererseits rechtfertigen ebenfalls keine andere Beurteilung. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass beim Factoring - anders als bei ABS-Gestaltungen - auch die Verwaltung der Forderungen häufig vom Abtretungsempfänger übernommen werde, folgt daraus nur ein weiteres Argument für die Auffassung des Senats. Denn wenn bereits beim Factoring trotz der Verwaltungsbefugnis des Abtretungsempfängers ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums auf diesen verneint wird, liegt dies im Fall des - hier gegebenen - Verbleibs der Verwaltungsbefugnis beim Abtretenden um so näher. Auch die unterschiedlichen Refinanzierungsstrukturen der Abtretungsempfänger sind nicht von rechtlicher Bedeutung für die Frage des wirtschaftlichen Eigentums, zumal diese Strukturen dem Abtretenden im Einzelnen nicht notwendig bekannt sein müssen. Die von der Klägerin weiter hervorgehobene äußerste Kompliziertheit der ABS-Vertragswerke im Vergleich zu Factoring-Gestaltungen stellt ebenfalls kein geeignetes Abgrenzungskriterium dar, weil die vom BFH verlangte Einzelfallbeurteilung sich an dem wirtschaftlichen Kern der vertraglichen Vereinbarungen, nicht aber am Grad ihrer Komplexität zu orientieren hat.

Auch die von der Klägerin angesprochenen CDS-Gestaltungen führen nicht zu einer anderen Beurteilung. CDS sind gerade darauf gerichtet, das Bonitätsrisiko von der Forderung zu trennen und weisen in ihrem wirtschaftlichen Gehalt Ähnlichkeiten mit Versicherungsprodukten auf. Dies ist aber nicht der vorrangige Zweck von ABS-Transaktionen.

3. Der Senat würdigt die im Streitfall vereinbarte vertragliche Gestaltung dahingehend, dass das Bonitätsrisiko hinsichtlich der abgetretenen Warenforderungen zumindest in wesentlichen Teilen nicht auf Z übergegangen war.

a) Auch wenn der Übergang der einzelnen Forderung scheinbar regresslos erfolgt, bleibt das Bonitätsrisiko bei wirtschaftlicher Betrachtung doch beim Veräußerer der Forderung, wenn zunächst nur ein vorläufiger Kaufpreis vereinbart wird, der nach Einziehung des Forderungsbestands in Abhängigkeit von der Höhe der tatsächlich eingetretenen Forderungsausfälle angepasst wird. Technisches Mittel einer solchen Kaufpreisanpassung kann - so auch im Streitfall - die Vereinbarung eines Risikoeinbehalts sein, der den erwartbaren Forderungsausfall deutlich übersteigt, aber nach Maßgabe des tatsächlichen Ausfalls erstattungsfähig ist (vgl. IdW, WPg 2002, 1151, Tz. 16). Ein nicht endgültig vereinbarter Kaufpreisabschlag bewirkt nur dann einen Übergang des Bonitätsrisikos, wenn er sich nach den in der Vergangenheit tatsächlich eingetretenen Forderungsausfällen zuzüglich eines realitätsgerechten Risikoaufschlags für die Unsicherheit der künftigen Veränderung des Ausfallrisikos bemisst (ähnlich IdW, WPg 2002, 1151, Tz. 23).

Der vom IdW an dieser Stelle verwendete - und von der Klägerin beanstandete - Begriff des "angemessenen Kaufpreisabschlags" ist hier nicht in dem Sinne zu verstehen, dass der zwischen fremden Dritten abgeschlossene Vertrag einer allgemeinen Angemessenheitsprüfung - ähnlich wie bei Verträgen zwischen einander nahe stehenden Personen - zu unterziehen wäre. Auf der anderen Seite darf aber nicht verkannt werden, dass bei der hier gewählten Gestaltung hinsichtlich der Höhe des Kaufpreisabschlags nur ein sehr eingeschränkter Interessengegensatz zwischen den Vertragsparteien besteht. Denn ein lediglich vorläufiger Kaufpreisabschlag, der bereits alle tatsächlichen und theoretisch erwartbaren Risiken abdeckt und daher aller Erfahrung nach niemals in vollem Umfang in Anspruch genommen werden wird, kann von den Parteien beliebig erhöht werden, ohne dass dies - aufgrund des Systems der "Bonifikationen" und Auskehrungen aus dem Reservekonto - irgendwelche Auswirkungen auf den endgültig von G zu erwartenden Kaufpreis hätte. Zu fragen ist daher, ob G sich - unter sonst gleichen Bedingungen - auch dann auf einen Risikoabschlag von 4% eingelassen hätte, wenn dieser als endgültig vereinbart worden wäre und bei geringeren tatsächlichen Forderungsausfällen keine Bonifikation zu erwarten gewesen wäre. In diesem Sinne versteht der Senat den vom IdW verwendeten Begriff der "Angemessenheit" und hält ihn mit diesem Inhalt für zutreffend.

b) Der Senat ist aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Beteiligten davon überzeugt (§ 96 FGO), dass G einen endgültigen Risikoabschlag von 4% nicht akzeptiert hätte. Dies folgt sowohl aus den bekannten Risikodaten der Vergangenheit als auch aus einer Würdigung der aus Sicht des Zeitpunktes des Vertragschlusses künftig - auch bei vorsichtiger und risikoscheuer Einschätzung - einzukalkulierenden Risiken.

aa) Ausgangspunkt jeder Risikoeinschätzung - auch einer Betrachtung durch ABS-Berater, Zweckgesellschaften und Rating-Agenturen - sind zunächst die tatsächlichen Forderungsausfälle in der Vergangenheit. Diese Ausfälle haben sich in den Jahren unmittelbar vor dem Vertragschluss auf höchstens 0,1% des Nennbetrags der Forderungen belaufen. Zu dem tatsächlich vereinbarten - vorläufigen - Abschlag von 4% stehen sie daher nicht in einem angemessenen Verhältnis.

bb) Die aus Sicht des Zeitpunkts des Vertragschlusses erkennbaren, erwartbaren oder auch nur höchst vorsorglich einzukalkulierenden Risiken rechtfertigen einen Zuschlag in Höhe des 40-fachen der tatsächlichen Forderungsausfälle der Vergangenheit ebenfalls nicht.

Es ist nicht erkennbar, dass sich die Zusammensetzung des Forderungsbestands der G nach Vertragschluss in einer Weise verändert hätte, die zu einer signifikanten Erhöhung des Bonitätsrisikos geführt hätte. Die Klägerin behauptet zwar, dass der Anteil der - offenbar bonitätsschwächeren - Forderungen gegen Nicht-Primärgenossenschaften angestiegen sei, ohne hierzu aber konkrete Zahlen zu nennen. Insoweit darf jedoch nicht verkannt werden, dass diese Forderungen von einer Warenkreditversicherung erfasst waren. Den bei Z geführten Reservekonten der G wurden daher nur solche Forderungsausfälle belastet, die nicht durch die Warenkreditversicherung abgedeckt waren. Der in diesem Zusammenhang vereinbarte Selbstbehalt war für die Vertragsparteien kalkulierbar und konnte jedenfalls nicht zu Extremrisiken führen. Das von der Klägerin hervorgehobene Risiko aus der Begrenzung der Entschädigungshöhe auf ca. 3 Mio. € jährlich muss ins Verhältnis zum Gesamtbetrag der hiervon erfassten Forderungen gesetzt werden. Zwar hat die Klägerin den Anteil der Forderungen gegen Nicht-Primärgenossenschaften nicht mitgeteilt. Aus ihrem Vorbringen ergibt sich jedoch, dass dieser im Zeitpunkt des Vertragschlusses bei deutlich unter 15% gelegen haben muss. Dies folgt aus den Angaben einer Ausfallquote von Nicht-Primärgenossenschaften von 0,7% einerseits und der durchschnittlichen Ausfallquote von weniger als 0,1% andererseits, die rechnerisch nur darstellbar ist, wenn die Forderungen gegen Primärgenossenschaften mindestens das siebenfache Volumen der Forderungen gegen Nicht-Primärgenossenschaften aufweisen. Selbst wenn man annimmt, dass sich der Anteil der Forderungen gegen Nicht-Primärgenossenschaften im Laufe der Zeit auf 25% erhöht hätte, würde die Entschädigungshöchstgrenze bei einem Gesamtbetrag der Forderungen gegen Nicht-Primärgenossenschaften von 10 Mio. € (25% von 40 Mio. €) sogar bei einer Ausfallquote von 30% noch keine nachteiligen Auswirkungen für Z und G entfalten. Eine solche Versicherungsdeckung erscheint als hinreichend, zumal die langjährigen tatsächlichen Ausfallzahlen in der Branche der G sich nach der von der Klägerin vorgelegten Untersuchung eines Brancheninformationsdienstes (Bl. 140 FG-Akte) im Laufe der Jahre zwischen 0,37% und 0,65% bewegten.

Waren die Forderungen gegen Nicht-Primärgenossenschaften danach in hinreichender Weise extern abgesichert, könnte sich ein Risiko, das einen 40-fachen Zuschlag auf die Erfahrungswerte der Vergangenheit rechtfertigt, nur noch aus den Forderungen gegen Primärgenossenschaften ergeben. Insoweit ist die Klägerin jedoch der in der Hinweisverfügung vom 27. Juni 2008 von Seiten des Gerichts aufgrund der Kenntnis zahlreicher einschlägiger Bilanzen geäußerten Einschätzung, Primärgenossenschaften seien üblicherweise hoch eigenkapitalisiert und solide wirtschaftend, nicht substantiiert entgegen getreten. Weder hat sie nähere Erläuterungen zu den von ihr behaupteten drei Insolvenzfällen - insbesondere zum Umfang der bei G aus Anlass dieser Insolvenzen eingetretenen Verluste - noch zu den aus Sicht des Senats ungewöhnlichen Satzungsbestimmungen über eine Auskehrung der Reserven an ausscheidende Genossen gegeben.

Das von der Klägerin hervorgehobene "Klumpenrisiko" (Risiko des Ausfalls von Forderungen gegen Großkunden) ist im Streitfall schon dadurch deutlich reduziert, dass für alle Kunden Höchstbeträge vereinbart waren, bis zu denen die Forderungen überhaupt nur von den Abtretungen erfasst wurden. Diese Höchstbeträge lagen bei maximal 1,4 Mio. € und damit unter dem auf dem Reservekonto vorzuhaltenden Mindestguthaben von 1,6 Mio. €. Selbst der vollständige Ausfall eines Großkunden wäre daher wirtschaftlich in vollem Umfang von G zu tragen gewesen und hätte Z nicht belastet. Im Übrigen darf nicht verkannt werden, dass die Großkunden jedenfalls nach den Erfahrungen der Vergangenheit von bester Bonität waren. Denn bei ihnen war es noch nie zu einem Forderungsausfall gekommen. Dass die tatsächliche Entwicklung in der Folgezeit einen anderen Verlauf genommen hätte, hat auch die Klägerin nicht behauptet.

Auch das Katastrophenrisiko ist zwar in die Risikobetrachtung mit einzubeziehen, darf aber nicht überbewertet werden. Denn nach der ausdrücklichen gesetzlichen Vorgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 ist auf den "Regelfall" abzustellen. Die von der Klägerin skizzierten Katastrophenszenarien schwersten Grades sind aber nicht mehr als "Regelfall" anzusehen. Großflächige Zusammenbrüche der Wirtschaft ganzer Landstriche und Branchen sind ohnehin praktisch nicht in sinnvoller Weise zu kalkulieren. Hinsichtlich der weiteren von der Klägerin vorgebrachten, konkret eingetretenen "Katastrophen" (Elbe-Hochwasser, Branchenkrisen, Bauernboykott in Argentinien) hat sie nicht vorgetragen, in welcher Weise sich diese Umstände auf die Entwicklung der tatsächlichen Forderungsausfälle bei G ausgewirkt haben.

Die Klägerin hat zwar auf die gegenwärtige Finanzmarktkrise Bezug genommen. Für den Senat ist aber nicht erkennbar, dass sich hierdurch die Bonität der abgetretenen Forderungen in signifikanter Weise und einem nicht durch den Risikoabschlag abgedeckten Umfang verschlechtert hätte. Vielmehr dürfte die Finanzmarktkrise lediglich die Fähigkeit der Z beeinträchtigen, ihre langfristigen Verpflichtungen durch äußerst kurzfristige Kredite zu refinanzieren. Dieser - zunächst ausschließlich den Risikobereich der Z betreffende und nur über die Höhe der Programmgebühr mittelbar die G bzw. die Klägerin berührende - Gesichtspunkt ist für den Übergang des Bonitätsrisikos in Bezug auf die Warenforderungen aber nicht von Bedeutung.

Die von der Klägerin - exemplarisch für zwei Monate - behaupteten Zahlen zum sog. Verzugsrisiko betreffen nicht die Streitjahre. Von der vom Berichterstatter angeforderten Vorlage von Zahlen für die Streitjahren hat die Klägerin abgesehen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Z bei einer nachteiligen Entwicklung der Forderungsausfälle ein Recht zur fristlosen Kündigung des Vertrags - nach einer zehntägigen Frist für Verhandlungen über eine Vertragsanpassung - zustand. Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass eine fristlose Kündigung den rechtlichen Übergang der bereits in der Vergangenheit abgetretenen Forderungen auf Z unberührt lassen würde. Gleichwohl ist das Kündigungsrecht ein geeignetes Mittel der Z, um sich jedenfalls vor solchen Risiken zu schützen, die in einer allmählichen Verschlechterung der Bonitätsstruktur der abgetretenen Warenforderungen liegen.

c) Für eine Würdigung als Finanzierungsgestaltung - nicht aber als Kauf - spricht im Streitfall des Weiteren, dass die Programmgebühr im Wesentlichen von den Refinanzierungskonditionen der Z und den Marktzinsen abhängig ist. Auch die bilanzielle Behandlung durch G selbst deutet in diese Richtung. Denn sie hat die Beträge auf den bei Z geführten Reservekonten als ihr Guthaben aktiviert und Aufwandsbuchungen erst im Zeitpunkt tatsächlicher Forderungsausfälle vorgenommen. Dies zeigt, dass sie selbst das Bonitätsrisiko - jedenfalls für den in § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 angesprochenen "Regelfall" - als bei ihr liegend angesehen hat.

4. Die der G von Z überlassenen Beträge haben dem Betrieb der G sowohl nach der rechtlichen Konzeption als auch nach der tatsächlichen Durchführung der Vereinbarung im Ergebnis für einen nicht nur vorübergehenden Zeitraum - länger als ein Jahr - zur Verfügung gestanden. Dies ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.

5. Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beruht auf § 90 Abs. 2 FGO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, soweit über den Rechtsstreit durch Urteil zu entscheiden war. Im Übrigen hat der Senat gemäß § 138 Abs. 2 FGO berücksichtigt, dass das FA die ursprüngliche Einspruchsentscheidung aufgehoben und mit einer zutreffenden Bezeichnung des Inhaltsadressaten neu erlassen hat. Im Hinblick darauf, dass das eigentliche Interesse der Beteiligten den materiell-rechtlichen Fragen des Rechtsstreits gilt, hat der Senat den auf die Aufhebung der Einspruchsentscheidung entfallenden Kostenanteil mit 10% bemessen.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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