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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 25.08.2009
Aktenzeichen: 9 K 4142/04 K,F
Rechtsgebiete: EStG, KStG


Vorschriften:

EStG § 5 Abs. 4b
EStG § 6 Abs. 1
KStG § 8 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2004 werden die Bescheide über Körperschaftsteuer und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG a.F. für das Jahr 1998 vom 15. Oktober 2007 sowie der Gewerbesteuermessbescheid 1998 vom 26. Februar 2004 dahingehend geändert, dass - unter gegenläufiger Minderung der Gewerbesteuer-Rückstellung - eine zusätzliche Verbindlichkeit für Fahrzeugrücknahmeverpflichtungen in Höhe von 2.604.700 DM gewinnmindernd berücksichtigt wird.

Die Neuberechnung der festzusetzenden bzw. festzustellenden Beträge wird dem Beklagten übertragen, der das Ergebnis der Klägerin unverzüglich formlos mitzuteilen und nach Rechtskraft der Entscheidung die Verwaltungsakte mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben hat.

Die bis zum 24. April 2009 entstandenen Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 17% und der Beklagte zu 83%; die ab dem 25. April 2009 entstandenen Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob eine Verbindlichkeit für die Verpflichtung zum Rückkauf von Kraftfahrzeugen, die an Mietwagenunternehmen verkauft worden sind, zu bilden ist.

Die Klägerin ist eine AG. Im Jahr 2005 - während des Klageverfahrens - ist sie durch Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin der Fa. A......... Autohandelsgesellschaft mbH (GmbH) geworden. Die GmbH war im Jahr 1996 gegründet worden. Sie betrieb den Groß- und Einzelhandel mit Kraftfahrzeugen, Zubehör und Ersatzteilen. Aufgrund von Rahmenverträgen verkaufte sie zahlreiche Kraftfahrzeuge an international tätige Autovermietungsgesellschaften, zu einem kleineren Teil auch an Leasinggesellschaften.

Die Rahmenverträge, die den späteren Einzel-Kaufverträgen über ein Neufahrzeug zugrunde lagen, enthielten jeweils die Pflicht der GmbH zum späteren Rückankauf der verkauften Neuwagen. Der Rückkaufpreis wurde bereits vorab verbindlich festgelegt; maßgebend war ein von der Dauer der Nutzung des jeweiligen Fahrzeugs abhängiger Prozentsatz des Listenpreises. Machten die Vertragspartner der GmbH von dem Recht auf Rückgabe des jeweiligen Fahrzeugs keinen Gebrauch, war die GmbH in bestimmten Fällen verpflichtet, einen "No-return-Bonus" an die Vertragspartner zu zahlen.

Der Vertrag zwischen der GmbH und der X...... Autovermietung GmbH (X) sah vor, dass die GmbH der X beim Erwerb von Fahrzeugen ohne Rückkaufverpflichtung einen Rabatt von 22% auf den Listenpreis gewährte. Bei Fahrzeugen mit Rückkaufverpflichtung betrug der Rabatt lediglich 18%. Der Rückkaufpreis wurde in Abhängigkeit vom jeweils verkauften Pkw-Modell mit einem Satz zwischen 67,5% und 71,0% des Listenpreises festgelegt. Diese Preise galten für eine Rückgabe nach vier Monaten; bei einer längeren Haltedauer sollte sich der Rückkaufpreis um 0,5 Prozentpunkte je weiteren Monat reduzieren. Nach einer Laufzeit von sechs Monaten erlosch die Rückkaufverpflichtung. Für den Fall, dass X ein Fahrzeug, bei dem Reparaturen für mehr als 2.000 DM erforderlich wurden, selbst verkaufen würde, war die GmbH verpflichtet, der X eine Gutschrift in Höhe von 2% des Listenpreises zu erteilen.

Vergleichbare Regelungen - allerdings mit Ausnahme von "No-return-Klauseln" und von Differenzierungen zwischen den Verkaufspreisen mit bzw. ohne Vereinbarung einer Rückkaufverpflichtung - enthielten die Rahmenverträge mit der V.... GmbH & Co. Autovermietung KG und mit der W... Autovermietung GmbH & Co. KG.

In ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember des Streitjahres 1998 bildete die GmbH eine Rückstellung für Ertragsminderungen aus Fahrzeugrücknahmeverpflichtungen in Höhe von 2.604.700 DM. Sie bemaß die Rückstellung nach der Höhe der erwarteten "No-return"-Zahlungen bzw. nach der Differenz zwischen dem vereinbarten Rücknahmepreis und dem Marktwert der Fahrzeuge. Tatsächlich hat die GmbH im Jahr 1999 insgesamt 5.959 Fahrzeuge zurücknehmen müssen; hieraus ist ihr ein Gesamtverlust von 10.309.188,51 DM (Differenz zwischen den garantierten Ankaufpreisen und den tatsächlichen Verkaufspreisen der Gebrauchtfahrzeuge) entstanden.

Über die rechnerische Höhe dieses Passivpostens besteht zwischen den Beteiligten - nach Ausschöpfung aller hierfür im Rahmen des Klageverfahrens noch gegebenen Aufklärungs- und Erkenntnismöglichkeiten - kein Streit.

Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ der Beklagte (das Finanzamt - FA -) am 26. Februar 2004 die angefochtenen Änderungsbescheide über Körperschaftsteuer (KSt) und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1998 sowie den Gewerbesteuer-(GewSt-)Messbetrag 1998. Die Bescheide wurden verfahrensrechtlich auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützt; die Vorbehalte der Nachprüfung wurden aufgehoben. Das FA versagte die gewinnmindernde Berücksichtigung der Rückstellungen; gegenläufig berücksichtigte es einen entsprechend erhöhten Gewerbesteueraufwand. Den Einspruch der GmbH wies es am 2. Juli 2004 zurück.

Nach Erlass der Einspruchsentscheidung, aber noch vor Klageerhebung ist der angefochtene KSt-Bescheid 1998 am 30. Juli 2004 wegen eines Verlustrücktrags aus 1999 geändert worden. Ein weiterer Änderungsbescheid - ebenfalls wegen des Verlustrücktrags - erging während des Klageverfahrens am 15. Oktober 2007.

Während des Klageverfahrens hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Parallelverfahren die Bildung eines vergleichbaren Passivpostens (Verbindlichkeit) zugelassen (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 IV R 52/04, BFHE 219, 129). Nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten ist der Sachverhalt des vorliegenden Verfahrens mit demjenigen, der der BFH-Entscheidung zugrunde lag, vergleichbar.

Das FA ist jedoch der Auffassung, das angeführte BFH-Urteil sei weder mit den gesetzlichen Regelungen noch mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Bildung von Rückstellungen in Einklang zu bringen. Im Einzelnen führt es hierzu aus:

In seiner bisherigen Rechtsprechung habe der BFH derartige Rückkaufoptionen nicht als "selbständiges (Hilfs-)Geschäft im Rahmen des Neuwagenverkaufs" behandelt, sondern als unselbständigen Bestandteil des schwebenden Geschäfts "Rückerwerb" (BFH-Urteile vom 15. Oktober 1997 I R 16/97, BFHE 184, 439, BStBl II 1998, 249, und vom 25. Juli 2000 VIII R 35/97, BFHE 193, 93, BStBl II 2001, 566). In der neuen Entscheidung missachte und umgehe der BFH das gesetzliche Verbot der Drohverlustrückstellungen (§ 5 Abs. 4a EStG). Ob sich für den Rückkaufverpflichteten überhaupt eine wirtschaftliche Belastung ergebe, hänge allein von den Konditionen des Rückerwerbs ab.

Es handle sich der Sache nach um eine Drohverlustrückstellung. Dies zeige sich auch daran, dass die Höhe der vom BFH angenommenen "Verbindlichkeit" nur auf der Grundlage des drohenden Verlusts ermittelt werden könne.

Wenn beim Autohändler eine Verbindlichkeit auszuweisen sei, müsse beim Mietwagenunternehmen eine korrespondierende Forderung anzusetzen sein (zur korrespondierenden Bilanzierung bei Optionen Verweis auf das BFH-Urteil vom 18. Dezember 2002 I R 17/02, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126, unter II.7.). Dies sei hier aber nicht möglich. Zudem sei für die "Stillhalteverpflichtung" des Rückkaufverpflichteten weder ein gesondertes Entgelt noch eine detaillierte Leistungsbeschreibung vereinbart. Es handle sich vielmehr um einen verdeckten Preisnachlass.

Jedenfalls im Zeitpunkt des Neuwagenverkaufs habe noch keine ernsthafte Inanspruchnahme aus der Rückkaufoption gedroht. Denn der Rückkauf setze sowohl eine ausdrückliche Erklärung des Vertragspartners als auch den Ablauf einer Mindestzeit voraus. Auch die Höhe des Rückkaufpreises sei ungewiss. Zudem könne der Vertragspartner ein anderes als das zuvor gekaufte Fahrzeug zum Rückkauf anbieten, sofern das andere Fahrzeug mit dem früheren Kaufgegenstand vergleichbar sei.

Einzelne Elemente eines einheitlichen Vertrags dürften nicht herausgelöst und als eigenständige Verbindlichkeit behandelt werden.

Das Urteil verstoße auch gegen das Passivierungsverbot für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind (§ 5 Abs. 4b Satz 1 EStG; hierzu Verweis auf BFH-Urteil vom 21. September 2005 X R 29/03, BFHE 212, 439, BStBl II 2006, 647).

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über Körperschaftsteuer und Feststellungen nach § 47 Abs. 2 KStG a.F. für das Jahr 1998 vom 15. Oktober 2007 und den Gewerbesteuermessbescheid 1998 vom 26. Februar 2004 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2004 dahingehend zu ändern, dass - unter gegenläufiger Minderung der Gewerbesteuer-Rückstellung - ein zusätzlicher Passivposten in Höhe von 2.604.700 DM für Fahrzeugrücknahmeverpflichtungen gewinnmindernd berücksichtigt wird,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Berichterstatter hat die Sache am 17. Juni 2009 mit den Beteiligten erörtert; auf das Protokoll wird Bezug genommen. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind im Umfang ihrer Anfechtung rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die GmbH hat den begehrten Passivposten zu bilden.

1. Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat die GmbH in ihren Bilanzen das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist. Dies gilt gemäß § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes auch gewerbesteuerrechtlich. Zu diesen handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung gehört auch die Pflicht, im Jahresabschluss u.a. sämtliche Schulden auszuweisen (§ 246 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs).

2. Danach ist die GmbH im Streitfall verpflichtet, in ihrem Jahresabschluss zum 31. Dezember 1998 für ihre Verpflichtungen zur Rücknahme zahlreicher einzelner Kraftfahrzeuge entsprechende Verbindlichkeiten auszuweisen. Die vertraglichen Abreden über die Rücknahme begründen - ebenso wie in dem Fall, der dem BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 IV R 52/04 (BFHE 219, 129) zugrunde lag - sowohl im Verhältnis zum vorangegangenen Neuwagenverkauf als auch im Verhältnis zu einem etwa nachfolgenden Rückkaufgeschäft selbständige Leistungspflichten der Klägerin, deren Erfüllung rechtlich erzwingbar ist.

Die Verbindlichkeiten sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Nr. 2 EStG mit den Anschaffungskosten (Erfüllungsbetrag) oder dem höheren Teilwert zu bewerten. Dies ist hier der Teilbetrag des Kaufpreises aus dem Neuwagengeschäft, der auf die Einräumung der Rückkaufoptionen entfällt. Soweit die Rahmenverträge - wie der mit X abgeschlossene Vertrag - für den Fall der Einräumung einer Rückkaufoption hierfür ein zusätzliches Entgelt in Höhe von 4% des Listenpreises des jeweiligen Fahrzeugs ausweisen, ist dieser Betrag der Bewertung der Verbindlichkeit zugrunde zu legen, da er dem Marktwert der Rückkaufoption entspricht. Soweit die Rahmenverträge keine ausdrücklichen Angaben über die Bewertung der Rückkaufoptionen enthalten, steht gleichwohl fest, dass die Mietwagenunternehmen sich die Einräumung dieser - für sie vorteilhaften - Option etwas haben kosten lassen und die GmbH nicht etwa unentgeltlich zu deren Einräumung bereit war. Auch insoweit ist daher nach den Grundsätzen über die Aufteilung eines Gesamtkaufpreises die gesamte vom Mietwagenunternehmen zu entrichtende Gegenleistung in einen Betrag für den Ankauf des Neuwagens und einen Betrag für die Einräumung der Rückkaufoption aufzuteilen.

Zur näheren Begründung wird auf das BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 IV R 52/04 (BFHE 219, 129, unter D.2., 3.) Bezug genommen.

3. Die vom FA gegen die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung - insbesondere gegen die Ausführungen in der vorgenannten BFH-Entscheidung - vorgebrachten Argumente vermögen den Senat nicht zu überzeugen.

a) Dies gilt zunächst für das Vorbringen, der IV. Senat sei von den BFH-Urteilen vom 15. Oktober 1997 I R 16/97 (BFHE 184, 439, BStBl II 1998, 249), und vom 25. Juli 2000 VIII R 35/97 (BFHE 193, 93, BStBl II 2001, 566) abgewichen, indem er die Rückkaufverpflichtung nicht als unselbständigen Bestandteil des schwebenden Geschäfts "Rückerwerb", sondern als selbständiges Hilfsgeschäft im Rahmen des Neuwagenverkaufs angesehen habe.

aa) Bereits die Sachverhalte der vorgenannten Entscheidungen des I. und VIII. Senats sind weder mit dem Streitfall noch mit dem Sachverhalt, der der Entscheidung des IV. Senats zugrunde lag, vergleichbar.

(1) Im BFH-Urteil vom 15. Oktober 1997 I R 16/97 (BFHE 184, 439, BStBl II 1998, 249) war über eine Konstellation zu entscheiden, in der der vereinbarte Rückkaufpreis nicht etwa - wie im Streitfall - stets oberhalb des Marktpreises lag, sondern auf einer Vorwegnahme des künftigen Marktpreises beruhte. Dies führte im Fall des I. Senats sogar in der Mehrzahl der Einzelgeschäfte zu Gewinnen des Autohändlers aus dem Rückkauf. Es ging in jenem Verfahren lediglich um die Frage, ob für die - wenigen - Einzelrückkaufsgeschäfte, aus denen sich Verluste ergaben, eine Drohverlustrückstellung zu bilden war. Tragende Aussage der Entscheidung des I. Senats war die Erkenntnis, dass keine Saldierung zwischen den einzelnen Gewinn- und Verlustgeschäften vorzunehmen ist, da auf den einzelnen Kaufvertrag, nicht aber auf den Rahmenvertrag abzustellen ist.

Mit der im vorliegenden Fall gegebenen Konstellation, in der die Mitwagenunternehmen für die - aus ihrer Sicht offensichtlich vorteilhafte - Rückkaufoption ein Entgelt von 4% des Listenpreises (so bei den Verträgen mit X) bzw. ein Entgelt im Rahmen des Gesamtkaufpreises (so bei den Verträgen mit den anderen Kunden) gezahlt haben, ist dies nicht vergleichbar.

(2) In dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 25. Juli 2000 VIII R 35/97 (BFHE 193, 93, BStBl II 2001, 566) zugrunde lag, führten tatsächlich zwar 75% der einzelnen Rückkaufgeschäfte zu einem Verlust des dortigen Autohändlers. Allerdings hat der BFH auch in dieser Entscheidung (unter II.2.c aa) ausdrücklich ausgeführt, dass die dortige Klägerin die später objektiv verlustbringenden Geschäfte nicht bewusst als Verlustgeschäfte kalkuliert hat. Auch darin unterscheidet sich der dortige Sachverhalt vom Streitfall, denn die hier klagende GmbH ist ersichtlich davon ausgegangen, dass mit den Rückkaufoptionen wirtschaftliche Nachteile (Verpflichtungen) für sie einher gehen. Andernfalls wäre beispielsweise X auch nicht bereit gewesen, für die Einräumung der Optionen ein zusätzliches Entgelt in Höhe von 4% des Listenpreises der Fahrzeuge zu bezahlen.

(3) Im Übrigen hat der IV. Senat selbst sich zum Verhältnis seiner Entscheidung zu den genannten Urteilen des I. und VIII. Senats geäußert und eine Abweichung mit der - zutreffenden - Erwägung verneint, er habe über den Ansatz einer Verbindlichkeit aus der Rückkaufverpflichtung entschieden, während die Urteile des I. und VIII. Senats sich mit der Zulässigkeit der Bildung einer zusätzlichen Rückstellung für drohende Verluste aus einzelnen Geschäften befasst hätten (BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 IV R 52/04, BFHE 219, 129, unter D.4.).

bb) Weil es vorliegend nicht um die Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften geht, sondern nur um den Ansatz einer Verbindlichkeit aus der - gesondert oder jedenfalls abgrenzbar vergüteten - Rückkaufoption, geht auch das Vorbringen des FA fehl, der IV. Senat habe sich über das gesetzliche Verbot des § 5 Abs. 4a EStG hinweggesetzt. Ohnehin wäre die Annahme eines schwebenden Geschäfts nur möglich, wenn beide Seiten ihre Verpflichtungen noch nicht voll erfüllt hätten (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2002 I R 17/02, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126, unter II.6.). Vorliegend haben die Fahrzeugkäufer ihre (Entgelt-)Verpflichtungen aber in vollem Umfang erfüllt.

cc) Das FA verkennt die dogmatische Grundlage der Entscheidung des IV. Senats, wenn es ausführt, die "Verbindlichkeit" könne nur auf der Grundlage des drohenden Verlusts bewertet werden. Denn tatsächlich ist der drohende Verlust für die Bewertung der Verbindlichkeit - anders als für die Bewertung einer Rückstellung - zunächst nicht von Bedeutung. Die Verbindlichkeit ist vielmehr - wie unter 2. bereits ausgeführt - mit dem Entgelt zu bewerten, das im Rahmen des Gesamtkaufpreises auf die Einräumung der Rückkaufoption entfällt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob dieses Entgelt - wie im Vertrag mit X - gesondert ausgewiesen ist oder nur im Wege der Aufteilung des Gesamtkaufpreises nach dem Verhältnis der Teilwerte der jeweiligen Einzelverpflichtungen ermittelt werden kann.

Entgegen der Auffassung des FA ergibt sich aus den Rahmenverträgen auch mit hinreichender Eindeutigkeit der Umfang der Leistungen, zu denen die GmbH im Rahmen eines von ihren Kunden gewünschten Rückkaufs verpflichtet war. Denn aus den Verträgen geht klar hervor, dass die GmbH zum Rückkauf der Fahrzeuge gegen Zahlung eines im vorhinein festgelegten Entgelts - bemessen nach einem bestimmten Prozentsatz des bekannten Listenpreises des Fahrzeugs - verpflichtet war. Die zeitliche Staffelung der Rückkaufspreise - deren betragsmäßige Auswirkungen jederzeit eindeutig bestimmbar waren - diente lediglich der pauschalierenden Abgeltung von Wertminderungen.

dd) Nicht recht verständlich ist dem Senat die Erwägung des FA, es sei von den Konditionen des Rückerwerbs abhängig, ob die GmbH aus diesem Geschäft wirtschaftlich belastet sei. Denn die Konditionen des Rückerwerbs standen aufgrund der Rahmenverträge bereits mit dem Abschluss des Kaufvertrags über den einzelnen Neuwagen fest.

b) Der Entscheidung des Senats steht auch der Hinweis des FA auf die Behandlung von Optionsgeschäften beim Inhaber der Option (BFH-Urteil vom 18. Dezember 2002 I R 17/02, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126, unter II.7.) nicht entgegen.

Im Gegenteil stützt gerade diese vom FA angeführte Entscheidung die Auffassung, der aus dem Optionsrecht Verpflichtete habe eine Verbindlichkeit in Höhe der vereinnahmten Prämie zu passivieren. Die Besteuerung der Optionsinhaber (Mietwagenunternehmen) ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Es sind aber keine Gesichtspunkte erkennbar, weshalb ein kaufmännisch tätiger Neuwagenkäufer, der freiwillig ein Zusatzentgelt in Höhe von 4% des Listenpreises für den Erwerb des Rechts entrichtet, das Fahrzeug innerhalb bestimmter Fristen für einen garantierten Preis zurückgeben zu können, hierfür kein Wirtschaftsgut aktivieren sollte.

c) Nicht zu überzeugen vermag auch die Argumentation des FA, im Zeitpunkt des jeweiligen Neuwagenverkaufs habe noch keine Inanspruchnahme aus der Verbindlichkeit gedroht, weil es noch am Ablauf der Mindestzeit und an der Abgabe der Gestaltungserklärung des Vertragspartners gefehlt habe.

Denn der Ablauf der Mindestzeit ist lediglich für die Frage der Fälligkeit der Verbindlichkeit von Bedeutung. Die - noch - fehlende Fälligkeit einer Verbindlichkeit steht nach allgemeiner Auffassung aber ihrer Passivierung nicht entgegen. Die im Zeitpunkt des Neuwagenverkaufs - richtiger: zum Bilanzstichtag - noch fehlende Abgabe der Gestaltungserklärung des Optionsberechtigten steht der Passivierungspflicht auf Seiten des Optionsverpflichteten ebenfalls nicht entgegen, da es gerade zu den Wesensmerkmalen von Optionsgeschäften gehört, dass die daraus folgenden Rechte nur zu bestimmten Zeitpunkten ausgeübt werden können.

d) Ob aus einer Vertragsurkunde lediglich eine einzige Verpflichtung folgt oder aber mehrere Einzelverpflichtungen, ist in erster Linie aufgrund einer Auslegung des Vertrages (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches) zu beurteilen. Vorliegend kann kein Zweifel daran bestehen, dass die GmbH neben der Verpflichtung zur Lieferung des einzelnen Neuwagens eine zusätzliche Verbindlichkeit in Gestalt der Pflicht zum späteren Rückkauf zu einem von vornherein garantierten Preis eingegangen war. Dafür spricht bereits, dass zumindest im Vertrag mit X für diese zusätzliche Verpflichtung ein gesondertes Entgelt vereinbart war. Es ist nicht ersichtlich, dass diese zusätzliche Verpflichtung der GmbH ihren weiteren Kunden kein gesondertes Entgelt wert war.

e) Der Verweis des FA auf die Vorschrift des § 5 Abs. 4b EStG ist für die Entscheidung des Streitfalls schon deshalb ohne Bedeutung, weil die genannte Norm erst durch das StEntlG 1999/2000/2002 eingefügt worden und erstmals für den VZ 1999 anwendbar ist (vgl. § 52 Abs. 1 EStG 1999). Zum 31. Dezember des Streitjahres 1998 war diese Vorschrift noch nicht anwendbar.

Zwar entspricht das in § 5 Abs. 4b EStG 1999 angeordnete Passivierungsverbot für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, weitgehend den Grundsätzen der bereits zuvor geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung. Diese ist im Streitfall aber nicht einschlägig, weil die hier zu passivierende Verbindlichkeit lediglich die von der GmbH vereinnahmte Optionsprämie widerspiegelt, nicht aber in die Anschaffungskosten eines anderen Wirtschaftsguts - womit nach Auffassung des FA offenbar die anzukaufenden Gebrauchtfahrzeuge gemeint sind - eingehen kann.

f) Der im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 12. August 2009 ([...]) enthaltene Einwand, der Belastung aus der Rückkaufverpflichtung stehe ein wirtschaftlicher Vorteil in Form eines Anspruchs auf Übertragung der Fahrzeuge gegenüber, kann ebenfalls nicht überzeugen. Denn dem Anspruch auf Übertragung der Fahrzeuge steht nicht die Rückkaufverpflichtung, sondern allein das für den Rückankauf bereits im Voraus vereinbarte Entgelt gegenüber. Die Gegenleistung für die Einräumung der Rückkaufoption besteht vielmehr in einem Teilbetrag des Gesamtkaufpreises im Rahmen des Neuwagengeschäfts, den die Klägerin bereits erhalten hat.

4. Über die Höhe der anzusetzenden Verbindlichkeit besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Der Senat hat keine Umstände feststellen können, die gegen die Richtigkeit des von der GmbH angesetzten - und auch vom FA für plausibel gehaltenen - Betrages von 2.604.700 DM sprechen könnten.

Die Plausibilität dieses Betrags ergibt sich auch aus der folgenden Kontrollüberlegung:

Umsätze der GmbH aus Neuwagenverkäufen an Großkunden 90.123.000 DM

hochgerechneter Listenpreis bei einem tatsächlichen Verkaufspreis von 80% des Listenpreises 112.654.000 DM

davon 4% = Entgelt für die Rückkaufoption 4.506.000 DM

davon entfallen bei einer durchschnittlichen Laufzeit von sechs Monaten je Vertrag 50% auf Verträge, die am Jahresende noch nicht abgewickelt waren 2.253.000 DM

Dieser Betrag liegt zumindest in der Nähe des von der GmbH angesetzten und vom FA für plausibel gehaltenen Betrags. Weitere Sachaufklärungsmöglichkeiten stehen dem Gericht hinsichtlich der Höhe der Verbindlichkeit nicht zur Verfügung, ohne dass dies einer der Beteiligten zu vertreten hätte.

5. Die Entscheidung des Senats führt zu einer Minderung des Gewerbesteueraufwands im Streitjahr 1998. Dies ist bei der Ermittlung der geänderten Festsetzungen der KSt und der GewSt-Messbeträge gegenläufig zu berücksichtigen. Die Berechnung der Höhe der Steuer- und Messbetragsfestsetzungen wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

6. Weil für die Höhe des Verlustrücktrags aus 1999 die Feststellung des Verlusts nach § 47 Abs. 2 Nr. 2 KStG a.F. für das Jahr 1999 verbindlich ist, bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung, ob und inwieweit sich die Änderung des Bilanzansatzes zum 31. Dezember 1998 auf die Höhe des im Folgejahr 1999 entstandenen Verlusts und damit auf die Höhe des körperschaftsteuerlichen Verlustrücktrags in das Streitjahr 1998 auswirkt.

7. Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung beruht auf § 90 Abs. 2 FGO.

Die Kostenentscheidung für die Zeit bis zur Einschränkung des Klageantrags hinsichtlich der Gewerbesteuer-Rückstellung (Schriftsatz der Klägerin vom 21. April 2009, beim Gericht eingegangen am 24. April 2009) folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 709 der Zivilprozessordnung.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen. Zwar hat der BFH bereits über einen vergleichbaren Sachverhalt entschieden; die Finanzverwaltung wendet diese Entscheidung aber nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus an (BMF-Schreiben vom 12. August 2009, BStBl. I 2009, [...]). Zudem hat das FA im vorliegenden Verfahren Argumente gegen die BFH-Rechtsprechung vorgetragen, die vom BFH noch nicht erwogen worden sind. Die grundsätzliche Bedeutung der hier zu entscheidenden Rechtsfrage folgt auch daraus, dass hierzu allein beim erkennenden Senat noch weitere Verfahren anhängig sind.

Ende der Entscheidung

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