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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 07.12.2007
Aktenzeichen: 9 K 6262/04 G, F
Rechtsgebiete: GewStG


Vorschriften:

GewStG § 8 Nr. 10a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

9 K 6262/04 G, F

Tenor:

Unter Änderung der Gewerbesteuermessbescheide 2000 und 2001 vom 23.02.2005 und der Bescheide über die gesonderte Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31.12.1999 bis 31.12.2002 vom 10.06.2003, 12.06.2003, 16.06.2003 und 13.11.2003 und der Einspruchsentscheidung vom 08.11.2004 werden die Gewerbesteuermessbeträge und die vortragsfähigen Gewerbeverluste nach Maßgabe der Entscheidungsgründe neu festgesetzt und festgestellt.

Die Berechnung der festzusetzenden Messbeträge und festzustellenden vortragsfähigen Fehlbeträge wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die gewerbesteuerliche Berücksichtigung einer Gewinnerhöhung auf Grund einer Wertaufholung nach ausschüttungsbedingter Teilwertabschreibung.

Die am 29.10.1998 gegründete Klägerin (Klin.) erwarb am gleichen Tage sämtliche Anteile an der mit einem Stammkapital von 50.000,- DM ausgestatteten T GmbH (GmbH) zu einem Kaufpreis von 1.067.000,- DM. Übertragungsstichtag war der 01.09.1998.

Die GmbH hatte in der Vergangenheit die von ihr erzielten Gewinne in erheblichem Umfang thesauriert. Am 08.12.1998 beschloss die Klin. als nunmehr alleinige Gesellschafterin der GmbH eine Vorabausschüttung in Höhe von 1.220.354,- DM.

Im Jahresabschluss 1998 nahm die Klin. auf die Gesamt-Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung in Höhe von 1.182.706,- DM eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung in Höhe von 896.706,- DM vor und wies den Beteiligungswert - ermittelt nach dem Stuttgarter Verfahren - zum 31.12.1998 mit 286.000,- DM aus.

In der Gewerbesteuererklärung für 1998 kürzte die Klin. den Gewerbeertrag nach § 9 Nr. 2 a Gewerbesteuergesetz (GewStG) um den Beteiligungsertrag.

Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dieser Behandlung zunächst in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Gewerbesteuermessbescheid 1998, setzte den Gewerbesteuermessbetrag auf 0,- DM und stellte den vortragsfähigen Gewerbeverlust nach § 10a GewStG zum 31.12.1998 auf 926.895,- DM fest.

Im Änderungsbescheid vom 06.06.2003 minderte das FA den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf 30.189,- DM, weil es der Auffassung war, dass in Höhe der ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung (896.706 DM) eine Hinzurechnung zum Gewinn nach § 8 Nr. 10 a GewStG vorzunehmen sei. Der Gewerbesteuermessbetrag 1998 wurde weiterhin auf 0,- DM festgesetzt. Auswirkungen aus der geminderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum 31.12.1998 ergaben sich auf die Feststellungen zum 31.12.1999 (vorher 901.859,- DM, nunmehr 5.153,- DM) und zum 31.12.2000 (vorher 622.969,- DM, nunmehr 0,- DM).

Während der Gewerbesteuermessbetrag 1999 auch unter Berücksichtigung des festgestellten verminderten Verlustvortrages zum 31.12.1998 auf 0,- DM festgesetzt wurde, setzte das FA im Klageverfahren den Messbetrag 2000 auf 3.993,19 EUR (7.810,- DM) und den Messbetrag 2001 auf 1.567,11 EUR (3.065,- DM) fest.

Ab dem Jahre 1999 nahm die Klin. - nach der ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung im Veranlagungszeitraum/Erhebungszeitraum 1998 - Wertaufholungen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KStG in Höhe von 33.500,- DM (17.128,28 EUR) im Jahre 1999, 187.500,- DM (95.867,23 EUR) im Jahre 2000 und 66.821,- DM (34.165,03 EUR) im Veranlagungszeitraum 2001 vor. Die um diese Beträge erhöhten Gewinne legte die Klin. auch als Gewerbeerträge im Sinne des § 7 Abs. 1 GewStG zu Grunde.

Mit Bescheid vom 13.11.2003 stellte das FA den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2002 mit 24.784,- DM fest.

Hiergegen hat die Klin. Einspruch erhoben und (zunächst) die Auffassung vertreten, eine Hinzurechnung der Teilwertabschreibung auf die Beteiligung der GmbH nach § 8 Nr. 10 a GewStG sei nicht vorzunehmen, da die für die Abschreibung ursächliche Wertminderung nicht nur auf die Ausschüttung, sondern auch auf andere Umstände zurückzuführen sei. In den Jahren 1999 - 2001 seien zudem gewinnwirksame Wertaufholungen auf die Beteiligung vorgenommen worden, die nicht zu einer Kürzung des Gewerbeertrages geführt hätten. Bei gleichzeitiger Hinzurechnung der Teilwertabschreibung im Jahre 1998 habe dies in den nachfolgenden Erhebungszeiträumen eine ungerechtfertigte "Doppelbesteuerung" zur Folge.

Mit Einspruchsentscheidung vom 08.11.2004 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Es hielt zunächst daran fest, dass der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes ermittelte Gewinn - der unter Berücksichtigung der ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung ermittelt worden sei - gewerbesteuerlich durch eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 10 a GewStG zu korrigieren sei, weil die Teilwertabschreibung ausschließlich ausschüttungsbedingt gewesen sei.

In den Erhebungszeiträumen ab 1999 seien die einkommen- und körperschaftsteuerrechtlich notwendigen Wertaufholungen auch in gleicher Höhe bei der Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge und bei der Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste zu berücksichtigen. Diese Folge sei systembedingt und hätte bei der Entscheidung der Klin. für die Vornahme einer Teilwertabschreibung im Falle späterer Wertsteigerungen der Beteiligung mit einkalkuliert werden müssen. Zur weiteren Begründung nimmt das FA Bezug auf die Verfügung der OFD Düsseldorf vom 21.01.2004, FR 2004, 242.

Hiergegen hat die Klin. Klage erhoben und zunächst in der Hauptsache geltend gemacht, die Hinzurechnung von 896.706,- DM nach § 8 Nr. 10 a GewStG sei rechtwidrig, weil die Abschreibung auf den niedrigeren Beteiligungsansatz nicht allein ausschüttungsbedingt erfolgt sei. Nach einer Erörterung der Sach- und Rechtslage hält die Klin. an dieser Auffassung nicht mehr fest. Sie begehrt nunmehr nur noch, die Gewerbeerträge ohne die nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG notwendigen Wertaufholungen zu ermitteln.

Die Klin. hält es für nachvollziehbar, dass bei der Einkommensteuer/Körperschaftsteuer zunächst die Teilwertabschreibungen gewinnmindernd und anschließend die Zuschreibungen gewinnerhöhend berücksichtigt werden. Bei der Gewerbesteuer komme es jedoch zu dem Ergebnis, dass die Teilwertabschreibungen in Folge der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 10a GewStG nicht gewerbeertragsmindernd berücksichtigt wurden und darüber hinaus die Zuschreibungen zusätzlich in den Jahren der Wertaufholung gewerbeertragserhöhend berücksichtigt werden. Insofern komme es gewerbesteuerrechtlich zu einer doppelten Belastung. Dieses - als unbillig empfundene - Ergebnis ließe sich durch eine erweiterte Auslegung des § 9 Nr. 2 a GewStG vermeiden. Das Ergebnis könne auch dann korrigiert werden, wenn - wie in der Literatur diskutiert - rückwirkend die Anwendungsvoraussetzungen des § 8 Nr. 10 a GewStG zu korrigieren seien und eine sogenannte negative Hinzurechnung vorzunehmen wäre.

Die Klin. beantragt,

unter Änderung der Bescheide über die gesonderte Feststellung der vortragsfähigen Gewerbeverluste auf den 31.12.1999 bis 31.12.2002 vom 10.6.2003, 12.6. 2003, 16.6.2003 und 13. 11. 2003 und der Gewerbesteuermessbescheide 2000 und 2001 vom 23.02.2005 Wertaufholungen in Höhe von 33.500 DM (1999), 187.500 DM (2000) und 66.821 DM (2001) bei der Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge 2000 und 2001 und bei der Feststellung der vortragsfähigen Fehlbeträge nach § 10a GewStG unberücksichtigt zu lassen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das FA hält an seiner Auffassung fest, dass die Wertaufholung einer ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung, die nach § 8 Nr. 10 a GewStG korrigiert wurde, weder zu einer Kürzung nach § 9 Nr. 2 a GewStG, noch zu einem rückwirkenden Wegfall der Anwendungsvoraussetzungen des § 8 Nr. 10 a GewStG führt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind im Umfang ihrer Anfechtung rechtswidrig und verletzen die Klin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 FGO). Da sich die ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung im Erhebungszeitraum 1998 durch die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 10a GewStG gewerbesteuerlich nicht ertragsmindernd ausgewirkt hat, dürfen durch § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 i.V.m Nr. 1 S. 4 EStG gebotene einkommen- und körperschaftsteuerlich wirksame Wertaufholungen nicht noch einmal gewerbesteuerlich erfasst werden.

1. Mit der - soweit ersichtlich - einhelligen Meinung, der sich der Senat anschließt, kann allerdings das Ergebnis nicht aus einer Auslegung der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 2a GewStG hergeleitet werden, da es sich bei der Wertaufholung nicht "um Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft" handelt. Hierunter fallen nur die wirtschaftlichen Vorteile, die aus dem Besitz der Anteile gezogen werden, insbesondere Dividenden (vgl. BFH-Urteile v. 8. 5. 2003 IV R 35/01, BStBl II 2004, 460;v. 15. 9. 2004 I R 16/04, BStBl II 2005, 297 unter II. 2; OFD Düsseldorf, Vfg. vom 21. 1. 2004, FR 04, 242; Blümich/Gosch § 9 GewStG Rz. 187 m.w.N.).

2. Der Senat folgt jedoch nicht der in der vorgenannten Verwaltungsanweisung vertretenen Auffassung, dass der aus der Wertaufholung resultierende Gewinn, ungeachtet der Tatsache, dass sich die Teilwertabschreibung aufgrund der Sonderregelung in § 8 Nr. 10a GewStG im vorhergehenden Erhebungszeitraum nicht ausgewirkt hat, bei der Ermittlung des Gewerbeertrages in den nachfolgenden Erhebungszeiträumen zu erfassen ist.

a) Für die Gewerbesteuer wird der Gewinn aus Gewerbebetrieb, der bei der Berechnung des Gewerbeertrags zugrunde zu legen ist, selbständig ermittelt (gewerblicher Gewinn). Dabei sind, soweit sich nicht aus dem Einkommensteuergesetz, dem Gewerbesteuergesetz oder dem Wesen der Gewerbesteuer Abweichungen ergeben, grundsätzlich die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften anzuwenden, § 7 GewStG.

Notwendige Abweichungen ergeben sich im Streitfall daraus, dass die Folgen einer steuerpflichtigen Wertaufholung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 i.V.m. Nr. 1 S. 4 EStG nicht mit der vorhergehenden Hinzurechnung nach § 8 Nr. 10a GewStG abgestimmt sind (vgl. auch Roser in Lenski/Steinberg § 8 Nr. 10 GewStG Rz. 17; zu anderen Abstimmungsproblemen im Zusammenhang mit der Wertaufholung vgl. Schmidt/Glanegger, EStG, 26. Aufl., § 6 Rz. 51 m.w.N.; Ernst & Young, KStG, § 50c EStG a.F., Rz. 70).

In Rechtsprechung und Literatur besteht Einvernehmen darüber, dass Gewinnbestandteile, die auf der Auflösung oder dem Rückfluss von in früheren Jahren gewinnmindernd berücksichtigten, bei der Gewerbesteuer jedoch nach § 8 GewStG hinzugerechneten Beträgen beruhen, bei der Ermittlung des Gewerbeertrages auszuscheiden sind, BFH-Urteile v. 27. 3 1961 I 278/60 U, BStBl III 1961, 280;v. 13. 12. 1966 I R 18/66, BStBl III 1967, 187; Blümich/von Twickel § 7 GewStG Rz. 76; Selder in Glanegger/Güroff, § 7 GewStG Rz. 4. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Beurteilung in R 38 Abs. 2 der Gewerbesteuerrichtlinien, soweit es um Hinzurechnungen nach § 8 Nr. 1 oder 11 geht, angeschlossen.

b) Nach Auffassung des Senats ist die Fragestellung einzubeziehen in den allgemeinen Problemkreis der Gegenkorrektur außerbilanzieller Hinzurechnungen (vgl. zum Meinungsstand bei verdeckten Gewinnausschüttungen BFH-Urteil vom 21. 8. 2007, I R 74/06, DStR 07, 2260 m.w.N.). Die gewerbesteuerliche Vermeidung einer doppelten Berücksichtigung durch - gewerbesteuerliche - außerbilanzielle Hinzurechnung einerseits und Erfassung der Wertaufholung in der nachfolgenden Zeit ist durch sinngemäße Auslegung des § 7 GewStG dahin zu lösen, dass die hier streitigen Wertaufholungsbeträge als negative Hinzurechnungen, so auch die Formulierung in R 38 Abs. 2 S. 7 Gewerbesteuerrichtlinien, aus dem Gewerbeertrag zu eliminieren sind.

3. Die Feststellung der vortragsfähigen Fehlbeträge zum 31. 12. 1999 bis 31. 12. 2002 und die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge 2000 und 2001 wird dem FA übertragen. Dabei hat das FA die unstreitigen Wertaufholungsbeträge zu Grunde zu legen.

4. Wegen der entgegenstehenden Verwaltungsanweisung der OFD Düsseldorf, FR 2004, 242, misst der Senat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu und lässt die Revision zu, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

5. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 151 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 FGO iV.m. § 709 ZPO.



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