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Gericht: Finanzgericht Münster
Urteil verkündet am 27.03.1990
Aktenzeichen: VI 428/77 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 18 Abs. 1 Ziff. 1
EStG § 34 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster

VI 428/77 E

Einkommensteuer 1974

In dem Rechtsstreitverfahren

hat der VI. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 27. März 1979, an der teilgenommen haben:

1. Vorsitzender Richter am Finanzgericht ... 2. Richter am Finanzgericht ... 3. Richter am Finanzgericht ... 4. Ehrenamtlicher Richter Geschäftsführer Dipl.-Kfm. ... 5. Ehrenamtlicher Richter Buchhalterin ...

im Einverständnis der Beteiligten

ohne mündliche Verhandlung

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.

Gründe:

Streitig ist bei der Einkommensteuer(ESt)-Veranlagung für 1974 (Streitjahr), ob der Inhaber eines psychologischen Instituts Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit - in einem "ähnlichen Beruf" i.S. des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG - bezieht und die Begünstigung der Nebeneinkünfte nach § 34 Abs. 4 EStG beanspruchen kann.

Der Kläger (Kl.) ist Gründer, Leiter und Inhaber eines psychologischen Instituts in ... In diesem Institut bearbeiteten im Streitjahr neben dem Kl. dessen Ehefrau, die als Dipl.-Psychologin teilzeitbeschäftigt war, Bürokräfte und etwa 20 Psychologen als freie Mitarbeiter, von denen mehrere außerhalb Bochums wohnhaft sind, psychologische Gutachten, die dem Institut von Gerichten, insbesondere von Strafgerichten, und anderen Behörden in Auftrag gegeben wurden Für die im Streitjahr erstellten 951 Gutachten berechnete der Kl. seinen Auftraggebern jeweils ca. 500,- DM; davon wendete er rund 80 % den die Gutachten erstellenden freien Mitarbeiter zu.

Außerdem erzielte der Kl. Vergütungen für Vorträge, die er u.a. an der Richterakademie in Trier aus seinem Fachgebiet gehalten hatte, und Honorare für seine schriftstellerische Tätigkeit in Höhe von 2.297,35 DM bzw. 252,13 DM.

Den Antrag des Kl., ihm für diese Nebeneinkünfte - abzüglich 25 % für Betriebsausgaben - Steuervergünstigung gem. § 34 Abs. 4 EStG zu gewähren, lehnte der Beklagte (Bekl.) ab. Das Einspruchsverfahren war erfolglos, weil der Kl. nach Ansicht des Bekl. Einkünfte weder aus nichtselbständiger noch aus selbständiger Arbeit, die aus einem der Katalogberufe i.S. des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG bezogen wurden, erzielte. Auch sei der Beruf des Kl. kein "ähnlicher Beruf" i.S. dieser Vorschrift. Daher fehle es an den von der Rechtsprechung des BFH geforderten Voraussetzungen für die begehrte Steuervergünstigung.

Dagegen richtet sich die vorliegende Klage. Zur Begründung trägt der Kl. im wesentlichen vor:

Der vom Bekl. im Klageverfahren erstmals vertretenen Meinung, daß er, der Kl., unter Umständen nicht als Freiberufler, sondern als Gewerbetreibender anzusehen sei, müsse er entschieden widersprechen. Er selbst habe das Institut gegründet und bei seinem Aufbau die Organisation des Tätigkeitsbereichs aller Beteiligten festgelegt. Es handele sich bei ihm um eine leitende, selbständige und eigenverantwortliche freiberufliche Tätigkeit, und zwar in einem "ähnlichen Beruf" i.S. des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG. Die Tätigkeit eines Psychologen, der speziell als Gerichtspsychologe täterpsychologische Gutachten erstatte, außerdem aussagepsychologische Gutachten zur Frage der Glaubwürdigkeit und Gutachten auf dem Gebiet der forensischen Familienpsychologie, sei der Tätigkeit eines Neurologen und Psychiaters ähnlich.

Seine leitende und eigenverantwortliche Tätigkeit ergebe sich daraus, daß er für jedes von einem freien Mitarbeiter erstellte Gutachten die allgemeine Gliederung zu verschiedenen Fragestellungen ausgebe, die Einleitung selbst abfasse, die Mitarbeiter auswähle, ggfls. einen Mitgutachter beauftrage und schließlich selbst jedes Gutachten, bevor. es herausgehe, intensiv durcharbeite. Es sei ihm möglich, arbeitstäglich ca. vier Gutachten durchzuarbeiten. Die Gutachten, von denen er drei als Beispiele zu den Akten reiche, seien so geartet wie die von Ärzten, insbesondere von Neurologen und Psychiatern erstellten Gutachten.

Auf dem Gebiet der Täterpsychologie würden sie auch heute noch meistens - früher immer - von Ärzten erstattet. Berufe, deren Vertreter die gleiche Tätigkeit ausübten, wenn sie von Gerichten zu gleichartiger Gutachtertätigkeit herangezogen würden, seine zweifellos ähnlich. Wegen ihrer Ähnlichkeit - auf diese komme es an, nicht auf Identität - zähle seine Tätigkeit zu den Katalogberufen des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG; deshalb müsse ihm die Vergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG zugebilligt werden.

Der Kl. beantragt,

unter Aufhebung des ESt-Bescheides 1974 und der Einspruchsentscheidung ihm für seine Nebeneinkünfte Steuervergünstigung nach § 34 Abs. 4 EStG zu gewähren.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Meinung sprechen gewichtige Gründe dagegen, die berufliche Tätigkeit des Kl. als freiberuflich i.S. des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG anzusehen. Die Frage, ob der Kl. in seinem Institut leitend und eigenverantwortlich (§ 18 Abs. 1 Ziff. 1 S. 3 EStG) tätig sei - die er im übrigen aus verschiedenen Gesichtspunkten verneine -, könne dahingestellt bleiben; denn der Kl. erfülle bereits aus anderen Gründen nicht die Voraussetzungen des § 34 Abs. 4 EStG. Seine Tätigkeit sei, selbst wenn sie sich nicht als gewerbliche Tätigkeit darstelle, nämlich mit der Tätigkeit eines Arztes nicht zu vergleichen. Der Arzt diene der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes; inhaltlich bestehe seine ärztliche Tätigkeit in der Verhütung, Feststellung und Heilung von Krankheiten. Während ein Arzt ggfls. eine Krankheit und ihre Ursachen begutachte, zeichne der Kl. ein Bild der psychischen Persönlichkeit eines Täters; er suche die Motivation für eine begangene Straftat durch Beobachtung seiner Verhaltensweisen. Selbst wenn ähnliche Gutachten von Ärzten erstellt würden, so seien sie bei diesen Ärzten nicht Teil der typischen Berufsarbeit. Zudem hätten die Gutachten des Kl. nicht unbedingt medizinischen Charakter. Daher sei die berufliche Tätigkeit des Kl. nicht dem Arztberuf ähnlich.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten und der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Beide Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bekl. hat zu Recht dem Kl. die Steuervergünstigung gem. § 34 Abs. 4 EStG für die Nebeneinkünfte nicht gewahrt, weil dieser weder einen Beruf aus dem Kreis der Katalogberufe des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 S. 2 EStG noch einen den Katalogberufen ähnlichen Beruf ausübt.

Das wäre erforderlich gewesen; denn die Steuervergünstigung für Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer und schriftstellerischer Tätigkeit (§ 34 Abs. 4 EStG) wird nur Beziehern von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aus einer in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 S. 2 EStG ausdrücklich aufgezählten selbständigen "Berufstätigkeit" (als Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Rechtsanwalt usw. oder als Träger einer ähnlichen Katalogberufstätigkeit) gewährt (Leitsatz des BFH-Urteils vom 14.12.1972 IV R 12/68, BStBl II 1973, 159, mit weiteren Nachweisen). Dieser Rechtsauffassung des BFH schließt sich der Senat an.

Der Bekl. hat die Ähnlichkeit der vom Kl. ausgeübten Tätigkeit mit der eines Arztes - und nur dieser kann in Betracht gezogen werden - zutreffend verneint.

Die vom Kl. als Gerichtspsychologen von Gutachten, stimmt in wesentlichen Punkten mit der Berufsarbeit eines Arztes nicht überein. Auf dieses Erfordernis kommt es entscheidend an (vgl. BFH-Urteil vom 29.5.1973 VIII R 55-56/70, BStBl II 1974, 447, mit weiteren Hinweisen).

Das wesentliche Kriterium des Arztberufes ist die Arbeit im Bereich des Gesundheitswesens; sie konzentriert sich auf die Ausübung der Heilkunst, d.h. des Verhütens, Feststellens, Behandelns und Heilens menschlicher Krankheiten. Daß seine berufliche Tätigkeit in dieser Hinsicht der Tätigkeit eines Arztes ähnlich sei, behauptet der Kl. selbst nicht. Seiner Meinung, daß jedoch zahlreiche Ärzte, gemeint sind insbesondere Psychiater und Neurologen, mit der Erstellung von Gutachten eine ähnliche Tätigkeit ausübten wie er, kann der Senat nicht folgen.

Nach Auffassung des Senats sind die fachärztlichen Gutachten, auch wenn sie z. H. die Schuldfähigkeit eines Angeklagten feststellen sollen, vom Inhalt und von der Methode her gänzlich verschieden von den Gutachten, wie sie der Kl. als Psychologe erstellt. Ärztliche Gutachten sind schwerpunktmäßig nach medizinischen Gesichtspunkten abgefaßt, indem der ärztliche Gutachter aus dem körperlichen und psychischen Befinden des Probanden, ggfls. aus pränatalen und frühkindlichen Schäden und aus Kinderkrankheiten, aus Erbanlagen und Krankheiten in der Familie seine Schlüsse für seine Gutachten zieht.

Der Kl. entwirft dagegen in seinen Gutachten mit den Methoden der angewandten Psychologie - wie es aus den dem Gericht überreichten Gutachten ersichtlich ist - ein Bild der menschlichen Persönlichkeit. Mit Hilfe von Interviews mit dem Probanden, durch Tests und durch Erforschung der Familienverhältnisse, des Milieus, der Lebensumstände, der Schulbildung, der beruflichen Tätigkeit usw. ist er darum bemüht, die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen zu ermitteln, seine Entwicklung, Reife, Intelligenz, Begabung, Artikulationsfähigkeit u.a.m., bei einem Straftäter auch die Motivation und Verantwortlichkeit für eine Tat zu klären und darzustellen.

Selbst wenn man unterstellen wollte, daß ärztliche und psychologische Gutachten hin und wieder in gewisser Hinsicht Berührungspunkte aufweisen können, so ist es doch - wegen der grundsätzlichen Verschiedenheit der beruflichen Tätigkeit des Kl. und der eines Arztes - nicht gerechtfertigt, die Ähnlichkeit der beiden Berufe i.S. des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG zu bejahen.

Die Tätigkeit des Kl., die sich im wesentlichen auf die Erstellung von Gutachten erstreckt, ist auch nicht mit der eines Psychologen vergleichbar, der, frei praktizierend, sich wie ein Psychiater oder ein Neurologe therapeutisch z.B. mit der Behandlung verhaltensgestörter, schwererziehbarer Kinder befaßt. Eine solche berufliche Tätigkeit eines Psychologen könnte u. U. schon eher eine gewisse Ähnlichkeit mit der ärztlichen Tätigkeit aufweisen.

Bei diesem Ergebnis braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob der Kl. leitend und eigenverantwortlich tätig geworden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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