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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 08.03.2005
Aktenzeichen: 1 K 10920/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3 Nr. 51
EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob zusätzliche Gehaltszahlungen eines Dritten einkommensteuerpflichtig sind und ob die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 51 EStG (Trinkgeld) vorliegen.

Der Kläger ist bei der Firma X GmbH tätig und erzielt Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Geschäftsanteile der X GmbH gehörten zunächst in Höhe von 90,01 % der Y AG. Im Jahre 2002 veräußerte die Y AG ihre Anteile an der X GmbH an Dritte, z. T. an die amerikanische Firma Z. Über den Anteilsverkauf informierte die X GmbH ihre Arbeitnehmer schriftlich mit Datum vom 7. März 2002. Im dem Schreiben setzte sie ihre Mitarbeiter auch darüber in Kenntnis, dass die Y AG als Dank und Anerkennung jedem Mitarbeiter im Konzern zwei zusätzliche Monatsgehälter zahle. Die Sonderzahlung werde nach Vertragsvollzug mit dem nächsten Monatsgehalt nach Steuerabzug ausgezahlt. Mit weiterem Schreiben vom 21. Mai 2002 unterrichtete die Fa. X ihre Mitarbeiter darüber, dass der Anteilsverkauf am 15. Mai 2002 vollzogen worden sei und dass die Anerkennungsprämie der Fa. Y mit der Gehaltsabrechnung im Monat Juni 2002 erfolgen werde.

Auf diese Weise erhielt auch der Kläger zusätzlich zu seinem Jahreslohn eine Sonderzahlung in Höhe von brutto 9.322 €, von der sein Arbeitgeber (X) Lohnsteuern einbehielt. Das Finanzamt unterwarf die Sonderzahlung der Besteuerung.

Dagegen hat der Kläger nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der er die Freistellung der Sonderzahlung von der Besteuerung erstrebt. Zur Begründung verweist er auf § 3 Nr. 51 EStG. Nach dieser Norm seien Trinkgelder, die ein Dritter einem Arbeitnehmer freiwillig anlässlich einer Arbeitsleistung zahle, steuerfrei. Die Sonderzahlung des X Konzerns erfülle alle Anforderungen des Trinkgeldbegriffs im Sinne dieser Norm. Es liege eine freiwillige Zuwendung vor, auf die er keinen Rechtsanspruch habe. Es handele sich um eine persönliche Schenkung für erwiesene Dienstleistungen. Die Y AG sei auch Dritter im Sinne der Norm, mit der er in keinerlei vertraglichen Beziehungen stehe. Ein Arbeitsvertrag bestehe nur zwischen ihm und der Fa. X GmbH, die Schenkung stamme jedoch von der Konzernmutter Y AG. Der Umstand, dass sein Arbeitgeber X in die Zahlung eingebunden gewesen sei, stehe der Anwendung der Norm nicht entgegen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Einspruchsbescheides vom 25. November 2003 und Änderung des Bescheides vom 28. August 2003 die Einkommensteuer für 2002 zu reduzieren und dabei den von der Fa. Y AG gezahlten Betrag von 9.322 € steuerfrei zu belassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die Sonderzahlung der Fa. Y kein Trinkgeld im Sinne von § 3 Nr. 51 EStG sei. Es existiere zunächst eine betriebsinterne Vereinbarung zwischen der Fa. Y und der Arbeitgeberin X über die Sonderzahlungen. Daraus werde deutlich, dass es sich bei der Zahlung um eine nicht vom Dienstverhältnis losgelöste und nicht auf privaten Motiven beruhende Schenkung handele. Es liege vielmehr ein Drittlohn vor, der im Rahmen eines Dienstverhältnisses üblicherweise für eine Arbeitsleistung erbracht werde.

Wegen des Vortrags der Parteien im Übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klage- und im Vorverfahren Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Die Sonderzuwendung der Fa. Y ist steuerpflichtiger Arbeitslohn des Klägers.

Eine einkommensteuerlich irrelevante Schenkung liegt nicht vor.

Gem. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben Gehältern und Löhnen auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Nach S. 2 der Norm ist es gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt und ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht. Das Tatbestandsmerkmal "für" eine Beschäftigung ist nach ständiger Rechtsprechung erfüllt, wenn der Vorteil durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist und sich die Einnahmen als ein Ertrag der nichtselbständigen Arbeit und als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft darstellt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30. Mai 2001 VI R 159/99, BFHE 195, 364, BStBl II 2001, 815; vom 22. März 1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529). Leistet ein Dritter die Zuwendung, dann sind diese Merkmale erfüllt, wenn sie für eine Arbeitsleistung erbracht wird, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt und der Arbeitnehmer sie als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber auffassen kann (BFH-Urteile vom 5. Juli 1996 VI R 10/96, BFHE 180, 441, BStBl II 1996, 545; vom 24. Februar 1981 VIII R 109/76, BFHE 133, 375, BStBl II 1981, 707).

Im Streitfall sind diese Anforderungen erfüllt. Wie die Fa. X dem Kläger mit Schreiben vom 7. März 2002 mitgeteilt hatte, sollten die beiden zusätzlichen Monatsgehälter als Dank und Anerkennung für die Mitarbeit im X-Konzern gezahlt werden. Voraussetzung war ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis am 7. März 2002 und am Tage des Vollzugs des Anteilsverkaufs. Daraus wird deutlich, dass die Sonderzuwendung ein Ertrag der nichtselbständigen Arbeit, eine Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft und eine Frucht der bisherigen Arbeit für den Arbeitgeber ist.

2. Die Sonderzuwendung ist auch nicht gem. § 3 Nr. 51 EStG von der Steuer befreit.

a. Nach dieser Norm in der Fassung des Streitjahres sind Trinkgelder steuerfrei, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Die Norm hat nach dem o. a. Verständnis des Gerichts konstitutive Wirkung und stellt Einnahmen von der Besteuerung frei, die ohne diese Norm steuerpflichtig wären.

b. Der Senat ist der Auffassung, dass die streitigen Zuwendungen freiwillig gezahlt worden sind. Dabei mag dahinstehen, ob die schriftliche Zusage vom 7. März 2002 als rechtlich verbindliches Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB zu qualifizieren ist und der Kläger daraufhin einen verbindlichen Anspruch auf die Leistung erworben hat. Selbst wenn das der Fall sein sollte, wäre die Zuwendung gleichwohl noch freiwillig im Sinne von § 3 Nr. 51 EStG, weil die Fa. Y AG diese mögliche Verpflichtung freiwillig eingegangen ist.

c. Die Zuwendung stammt jedoch nicht von einem Dritten im Sinne der Norm. Das Tatbestandsmerkmal "Dritten" ist ein normativer Begriff, der der Auslegung und Würdigung des Gerichts unterliegt.

aa. Soweit ersichtlich, gehen Rechtsprechung und Schrifttum bisher davon aus, dass Dritter jeder sein könne, der nicht Arbeitnehmer oder Arbeitgeber sei (vgl. z. B. v. Beckerath in Kirchof/Söhn/Mellinghoff, § 3 Nr. 51 Rdnr. B 51/81). Der Trinkgeldgeber und Dritte sei regelmäßig der Empfänger der Leistung des Arbeitnehmers, jedoch seien auch Ausnahmen vorstellbar (z. B. Trinkgeldzahlungen von Angehörigen des Patienten an Krankenhauspersonal, vgl. Beckerath in Kirchof/Söhn/Mellinghoff, § 3 Nr. 51 Rdnr. B 51/81). Das Gericht teilt diese Auffassung grundsätzlich und geht insbesondere davon aus, dass Leistungen des Arbeitgebers von der Befreiung nicht erfaßt werden.

bb. Im Streitfall liegt jedoch eine Besonderheit insoweit vor, weil der Trinkgeldgeber bei wirtschaftlicher Betrachtung mit dem Arbeitgeber identisch ist. Wesentlich für die Überzeugung des Senats ist der Umstand, dass die Fa. Y AG, die die Sonderzuwendung gezahlt hat, mit dem Arbeitgeber des Klägers, der Fa. X GmbH, wirtschaftlich im selben Konzern miteinander verbunden ist. Beide Unternehmen verfolgen dieselben wirtschaftlichen Ziele und sind am wirtschaftlichen Wohlergehen des jeweils anderen interessiert. Es kommt für den Streitfall hinzu, dass nicht nur eine konzernmäßige Verbundenheit besteht, sondern dass die Konzernmutter Y kraft ihrer Mehrheitsbeteiligung faktisch in der Lage ist, die Geschicke der Konzerntochter X wirtschaftlich zu lenken und maßgeblichen Einfluss auf sie zu nehmen. Das wirtschaftliche Ergebnis der Konzerntocher X kommt daher unmittelbar auch der Konzernmutter Y zugute. Von daher profitiert die Fa. Y in gleicher Weise von der Arbeitsleistung des Klägers wie die Fa. X. Für das Konzernergebnis macht es keinen Unterschied, ob der Kläger für die Fa. X oder die Fa. Y tätig wird. Die Fa. Y steht daher bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dem Arbeitgeber des Klägers gleich und ist daher nicht Dritter im Sinne von § 3 Nr. 51 EStG.

cc. Mit dieser Auffassung sieht sich das Gericht im Einklang mit den Motiven, die den Gesetzgeber veranlasst haben, die Norm des § 3 Nr. 51 EStG zu novellieren. Die ab dem 1. Januar 2002 geltende Fassung der Norm wurde durch das Gesetz zur Steuerfreistellung von Arbeitnehmertrinkgeldern vom 8. August 2002 geschaffen. Bis dahin waren Trinkgelder nur in Höhe von 2.400 DM steuerfrei. Der überschießende Betrag unterlag dem Lohnsteuereinhalt. Der Arbeitgeber hatte daher für die freiwillig von Dritten gezahlten Trinkgelder Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Das setzte voraus, dass der Arbeitgeber von den Trinkgeldern und deren Höhe Kenntnis erhielt, er entweder vom Arbeitnehmer selber oder vom Dritten darüber informiert und vielleicht sogar in die Auszahlung des Trinkgeldes eingeschaltet wurde. Mit dieser Information war nicht selten eine Beeinträchtigung des Verhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer verbunden. Außerdem führte die bisherige Regelung zu einem verfassungsrechtlich bedenklichen Erhebungsdefizit. Mit der gesetzlichen Neuregelung sollte dieses Erhebungsdefizit vermieden werden. So hat die Koalitionsfraktion den von ihr eingebrachten Gesetzentwurf zur Novellierung des § 3 Nr. 51 mit einer Entlastung des Niedriglohnsektors und einer Vermeidung von Vollzugsproblemen begründet (Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG § 3 nr. 51 Rdnr. B 51/77).

Der mit der Novellierung verfolgte Zweck, Vollzugsdefizite zu vermeiden, geht für den Streitfall ins Leere. Bei der Konzernverbundenheit zwischen der Fa. Y und der Fa. X besteht nicht die Sorge, dass die Information über das Trinkgeld vom Trinkgeldgeber an den Arbeitnehmer nicht weitergeleitet werden könnte. Bei derart verbundenen Unternehmen muss angenommen werden, dass der Arbeitgeber von der Sonderzahlung des Dritten Kenntnis erhält. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber in der ab 2004 geltenden Fassung des § 38 Abs. 1 S. 3 EStG den Arbeitgeber verpflichtet, für Lohnleistungen Dritter Lohnsteuer einzubehalten, wenn er von der Leistung wisse, wobei die gesetzliche Vermutung aufgenommen wurde, dass diese Kenntnis insbesondere dann angenommen werden müsse, wenn Arbeitgeber und Dritter verbunden Unternehmen im Sinne von § 15 AktG seien. Der Streitfall zeigt, dass die vorgenannte Vermutung zutrifft. So hat nicht Y den Kläger von der beabsichtigten Sonderzahlung informiert, sondern die Arbeitgeberin X selber. Vollzugsdefizite waren daher von vornherein nicht zu befürchten.

Außerdem bestand im Streitfall auch nicht die Sorge, dass das Verhältnis zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber durch die Zahlung der Konzernmutter hätte Schaden nehmen können.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Soweit ersichtlich, liegt Rechtsprechung zu der Frage, ob freiwillige Sonderzahlungen einer Konzernmutter an Arbeitnehmer eines konzernverbundenen Unternehmens Trinkgelder sind, noch nicht vor.

Ende der Entscheidung

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