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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 26.06.2008
Aktenzeichen: 1 K 381/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 9 Abs. 1
EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

1 K 381/06

Einkommensteuer 1992

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im zweiten Rechtsgang um die steuerliche Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen der Klägerin und ihren minderjährigen Enkeln.

Wegen des Sachverhalts wird auf das Urteil im ersten Rechtsgang vom 17.12.2003 (1 K 10543/00) und den Gerichtsbescheid des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 07.06.2006 (IX R 4/04 - BStBl. II 2007, 294) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1992 vom 19.08.1998 und der Einspruchsentscheidung vom 17.08.2000 die Einkommensteuer 1992 auf 6.446 DM herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die streitigen Darlehenszinsen sind nicht als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 EStG) bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen. Die Darlehensverträge zwischen der Klägerin und ihren Enkeln sind steuerlich nicht anzuerkennen.

1. In der Revisionsentscheidungvom 07.06.2006 (IX R 4/04 - BStBl. II 2007, 294) führt der BFH aus, dass das Finanzgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Darlehensverträge bereits auf Grund ihrer Formunwirksamkeit steuerrechtlich nicht anzuerkennen seien.

Nach der Rechtsprechung BFH sei die steuerrechtliche Anerkennung von Vertragsverhältnissen zwischen nahen Angehörigen u.a. davon abhängig, dass die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden seien und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprächen.

Die Anforderungen der Rechtsprechung an die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen gründeten auf der Überlegung, dass es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessengegensatz ermangele und somit zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden könnten. Im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung sei es daher geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen.

Die Beachtung der zivilrechtlichen Formerfordernisse bei Vertragsabschluss und die Kriterien des Fremdvergleiches aber bildeten lediglich Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften stünden oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) zugehörig seien. Insbesondere die zivilrechtliche Wirksamkeit des Vertragsabschlusses dürfe nicht zu einem eigenen Tatbestandsmerkmal dergestalt verselbständigt werden, dass allein die Nichtbeachtung zivilrechtlicher Formvorschriften die steuerrechtliche Nichtanerkennung des Vertragsverhältnisses zur Folge habe. (vgl. BVerfG, Beschluss in BStBl II 1996, 34). Diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben habe der BFH im Urteil in BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386 aufgenommen und entschieden, dass die zivilrechtliche Unwirksamkeit eines Vertragsabschlusses zwischen nahen Angehörigen nicht ausnahmslos zum Ausschluss der steuerlichen Anerkennung des Vertragsverhältnisses führen dürfe. Dem schließe sich der erkennende Senat für den Streitfall an.

Danach seien die streitigen Darlehenszinsen nicht bereits deshalb vom Abzug als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 EStG) bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausgeschlossen, weil die zu Grunde liegenden Darlehensverträge gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zunächst schwebend unwirksam gewesen seien. Denn stelle die zivilrechtliche Unwirksamkeit nur ein Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung dar, so sei angesichts der tatsächlichen Durchführung der Verträge indiziell auch zu würdigen, dass die Parteien nach Erkennen der Unwirksamkeit zeitnah auf eine Genehmigung durch den Ergänzungspfleger hingewirkt hätten.

2. Im Urteil vom 22.02.2007 (IX R 45/06 - BFH/NV 2007, 799) führte derselbe Senat des BFH in einem ähnlich gelagerten Fall zur Indizwirkung der Nichtbeachtung zivilrechtlicher Formerfordernisse aus: Ließen die Vertragsbeteiligten zivilrechtliche Formerfordernisse unbeachtet, so führe dieses Beweisanzeichen gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung - anders als z.B. das Nichterfüllen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals - nicht allein und ausnahmslos dazu, das Vertragsverhältnis steuerrechtlich nicht anzuerkennen (BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2162, m.w.N.; vgl. auch BVerfG, Beschluss in BStBl II 1996, 34). Die Indizwirkung gegen den vertraglichen Bindungswillen werde aber verstärkt, wenn den Vertragspartnern die Nichtbeachtung der Formvorschriften insbesondere bei klarer Zivilrechtslage angelastet werden könne (dazu BFH-Urteil in BFHE 191, 250, BStBl II 2000, 386). Das Finanzgericht habe in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH maßgebend darauf abgestellt, dass die Nichtbeachtung der zivilrechtlichen Formvorschriften den Steuerpflichtigen anzulasten gewesen sei, weil die Rechtslage sich klar aus dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften des BGB ergeben habe. Weil das Finanzgericht die Voraussetzungen für die verstärkte Indizwirkung der Nichtbeachtung der zivilrechtlichen Formvorschriften bejaht habe, komme es nicht mehr darauf an, ob die Parteien nach Erkennen der Unwirksamkeit zeitnah auf eine Genehmigung durch den Ergänzungspfleger hingewirkt hätten.

3. Der erkennende Senat folgt der dargestellten Rechtsprechung des BFH. An die Revisionsentscheidung vom 07.06.2006 ist er nach § 126 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden. Soweit der IX. Senat des BFH mit seinemUrteil vom 20.02.2007 - IX R 45/06 eine Änderung seiner Rechtsprechung vollzogen hat (vgl. einerseits Heuermann DStR 2007, 1267; anders ders. StBp 2006, 355, 357 und andererseits Tiedtke / Möllmann DStR 2007, 1940), ist die Bindung des Senats an die Revisionsentscheidung in derselben Sache durch die abweichende Rechtsprechung des BFH entfallen (vgl. Gräber / Ruban, Kommentar zur FGO, 6. Aufl. 2006, § 126 Tz 29, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).

Der erkennende Senat bejaht im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Gesamtbetrachtung die Voraussetzungen für die Annahme der verstärkten Indizwirkung gegen den vertraglichen Bindungswillen der Beteiligten, weil den Vertragspartnern nach Maßgabe der Rechtsprechung des BFH die Nichtbeachtung der zivilrechtlichen Formvorschriften anzulasten ist. Die streitigen Darlehensverträge waren gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB schwebend unwirksam. Das Erfordernis einer Pflegerbestellung ergab sich aus dem Wortlaut des Gesetzes (§ 1629 Abs. 2, § 1795 Abs. 1, § 1909 Abs. 1 BGB).

Gegen die steuerliche Anerkennung der streitigen Darlehensverträge spricht auch die fehlende Besicherung. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 07.11.1990 - X R 126/87 - BStBl. II 1991, 291;Beschluss vom 29.11.2002 - IX B 69/02 - n. v. [[...]]) bedürfen Darlehensverträge mit minderjährigen Angehörigen mit einer Laufzeit von mehr als vier Jahren - wie im Streitfall - zu ihrer steuerlichen Anerkennung einer werthaltigen und den Kapitalstamm umfassenden verkehrsüblichen Besicherung auch dann, wenn sich der Darlehensnehmer - wie im Streitfall die Klägerin - in günstigen Vermögensverhältnissen befindet.

Weil im Streitfall die Voraussetzungen für eine verstärkte Indizwirkung der Nichtbeachtung der zivilrechtlichen Formvorschriften vorliegen, bleibt es auf das Ergebnis der Gesamtbetrachtung ohne Auswirkung, dass die Beteiligten nach dem Erkennen der Unwirksamkeit der Darlehensverträge zeitnah auf eine Genehmigung durch den Ergänzungspfleger hingewirkt haben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1 und 143 Abs. 2 FGO.

5. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO. Es bestehen Zweifel, ob die Entscheidung des BFH vom 22.02.2007 - IX R 45/06 - BFH/NV 2007, 1400 den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinemBeschluss vom 07.11.1995 - 2 BvR 802/90 - BStBl. II 1996, 34, formuliert hat (vgl. dazu Tiedtke / Möllmann DStR 2007, 1940).

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