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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 01.08.2008
Aktenzeichen: 11 K 239/08
Rechtsgebiete: GVG, ArbGG, FGO


Vorschriften:

GVG § 13
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e
FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

11 K 239/08

Gründe:

I.

Streitig sind Eintragungen auf der Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2007.

Die Klägerin war seit Oktober 1998 als Gardinendekorateurin und Verkäuferin bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Kündigung der Klägerin zum 31. Mai 2007 beendet.

Ausweislich der ausgestellten Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2007 bezog die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. März 2007 Bruttoarbeitslohn in Höhe von ... EUR.

Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2008 erhob die Klägerin Klage gegen ihre ehemalige Arbeitgeberin auf Korrektur der von dieser für das Kalenderjahr 2007 ausgestellten Lohnsteuerbescheinigung.

Sie trägt vor, die Beklagte habe ihr im Jahr 2007 lediglich das Januargehalt in Höhe von ... EUR brutto gezahlt. Ihre Entgeltansprüche für die Monate Februar, März und Mai 2007 habe sie gerichtlich geltend machen und den ihr im Rahmen eines Vergleichs zugesprochenen Anspruch sodann vollstrecken müssen. Die Beitreibung dieses Betrags sei erst im Jahr 2008 erfolgt. Die von der Beklagten für das Kalenderjahr 2007 ausgestellte Lohnsteuerbescheinigung sei falsch und dementsprechend zu korrigieren.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die ihr erteilte Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2007 dahingehend zu korrigieren, dass als Beschäftigungszeit die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Mai 2007 sowie zu Ziffer 3 ein Bruttoarbeitslohn einschließlich Sachbezüge in Höhe von ... EUR anzugeben sind.

Die Berichterstatterin hat nach Eingang der Klage Zweifel an der Zulässigkeit des Finanzrechtswegs geäußert und darauf hingewiesen, dass eine Verweisung an das örtlich zuständige Arbeitsgericht beabsichtigt sei.

Das Gericht hat den Beteiligten gemäß § 17 a Abs. 2 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Verweisung gegeben.

Die Klägerin teilte daraufhin unter Verweis auf den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 11. Juni 2003 5 AZB 1/03 mit, ihrer Ansicht nach sei der Finanzrechtsweg für Klagen auf Berichtigung unrichtiger Eintragungen in der Lohnsteuerbescheinigung gegeben. Rein vorsorglich werde aber eine Verweisung an das Arbeitsgerichts ... beantragt.

Die Beklagte hat sich in ihrem Schriftsatz vom 30. Juli 2008 zu der Frage der Zulässigkeit des Finanzrechtswegs nicht geäußert.

II.

Der Rechtsweg zum Niedersächsischen Finanzgericht ist nach § 33 Finanzgerichtsordnung (FGO) unzulässig.

Für Klagen eines Arbeitnehmers gegen seinen früheren Arbeitgeber auf Korrektur der ausgestellten Lohnsteuerbescheinigung ist der Weg zu den Arbeitsgerichten eröffnet, § 13 GVG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Nach § 17a Abs. 2 Sätze 1 und 2 GVG ist der Rechtsstreits an das von der Klägerin bestimmte Arbeitsgericht ... zu verweisen.

Nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO ist der Finanzrechtsweg in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten gegeben, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Dagegen gehören Rechtsstreitigkeiten, die das bürgerlich-rechtliche Verhältnis zwischen Rechtspersonen des Privatrechts betreffen und in denen es um bloße Reflexwirkungen von Abgabenvorschriften in den Bereich des Privatrechts geht, vor die ordentlichen Gerichte, soweit nicht besondere Gerichtsbarkeiten (z.B. Arbeitsgerichte) eingerichtet sind (vgl. dazu Gräber/Koch, FGO, 6. Auflage 2006, § 33 Rn 1).

Entscheidend für die Frage, welche Gerichtsbarkeit zuständig ist, ist die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Wenn an dem Rechtsstreit ausschließlich Privatrechtssubjekte beteiligt sind, scheidet eine Zuordnung des Rechtsstreits zum öffentlichen Recht grundsätzlich aus (FG München, Beschluss vom 20. Juli 2007 1 K 1376/07, EFG 2007, 1707 m.w.N.).

Nach der einhelligen Auffassung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und der steuerrechtlichen Literatur handelt es sich beim Streit über die Erteilung einer Lohnsteuerbescheinigung und über die zutreffende Eintragung, Ergänzung oder Berichtigung von Daten in der Lohnsteuerbescheinigung um einen bürgerlichen Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über Arbeitspapiere, für den ausschließlich die Gerichte für Arbeitsrechtliche Sachen zuständig seien (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 29. Juni 1993 VI B 108/92, BStBl II 1993, 760; Sächsisches FG, Beschluss vom 18. Mai 2005 5 K 612/05, [...]; FG Münster, Beschluss vom 4. Juli 2005 10 K 640/05 S, EFG 2006, 238; FG München, Beschluss vom 20. Juli 2007 1 K 1376/07, EFG 2007, 1707; BFH-Urteil vom 13. Dezember 2007 VI R 57/04, BStBl II 2008, 434; Gräber/Koch, FGO, 6. Auflage 2006, § 33 Rn 30 "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis"; Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Auflage 2008, § 41b Rn 1 und § 38 Rn 1).

Entgegen der Entscheidung des 5. Senat des BAG (Beschluss vom 11. Juni 2003 5 AZB 1/03, NJW 2003, 2629), nach der für Klagen auf Berichtigung unrichtiger Eintragungen in der Lohnsteuerbescheinigung nicht die Gerichte für Arbeitssachen, sondern die Finanzgerichte zuständig seien, schließt sich der erkennende Senat der von der Finanzrechtsprechung vertretenen Auffassung an.

Das Begehren der Klägerin zielt nach seinem sachlichen Gehalt ausschließlich auf die Klärung der Frage, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum die Beklagte nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten und der tatsächlich von der Klägerin erbrachten Arbeitsleistung Arbeitslohn schuldet bzw. gezahlt hat.

Das Klagebegehren betrifft die Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht und damit die Rechtsbeziehung zwischen Arbeitnehmer und (ehemaligem) Arbeitgeber als bürgerlich-rechtliche Streitigkeit über Arbeitspapiere, für die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG der Weg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist. Das Einkommensteuerrecht begründet hierfür keine Rechtsansprüche des Arbeitnehmers. Allein die Tatsache, dass steuerrechtliche Vorschriften - wie bspw. das Zuflussprinzip des § 11 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) - für einzelne Eintragungen eine Rolle spielen, führt nicht zum Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit.

Die Beschwerde wird gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG zugelassen, weil die Frage des zulässigen Rechtswegs für Fälle wie dem vorliegenden im Interesse des effektiven Rechtsschutzes einer höchstrichterlichen Klärung bedarf und der erkennende Senat von einer Entscheidung eines obersten Gerichtshofs des Bundes, dem BAG-Beschluss vom 11. Juni 2003 5 AZB 1/03, NJW 2003, 2629 abweicht.



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