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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 12.06.2008
Aktenzeichen: 11 K 312/06
Rechtsgebiete: GG, EStG, ErbStG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
EStG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a
EStG § 12 Nr. 3
EStG a.F. § 35
ErbStG § 23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

11 K 312/06

Einkommensteuer einschl. Solidaritätszuschlag 2004

Tatbestand:

Streitig ist, ob die im Streitjahr gezahlte Erbschaftsteuer als dauernde Last gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1a Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen ist.

Die Klägerin ist seit 2003 verwitwet. Neben sonstigen Einkünften in Form einer Witwenrente erzielte die Klägerin im Wesentlichen durch ein ihr zustehendes Nießbrauchsrecht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr begehrte die Klägerin einen Betrag von 25.373 EUR, der für Erbschaftssteuer im Streitjahr aufgewandt wurde, als Sonderausgaben in Abzug zu bringen.

Die genannte Erbschaftsteuer resultiert aus der Erbschaft des Nießbrauchsrechts. Der verstorbene Ehemann der Klägerin erhielt aufgrund eines Nießbrauchs Erbbauzinseinnahmen von Dritter Seite in Höhe von monatlich 20.120,20 DM. Diese Einnahmen unterlagen bei dem Ehemann als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in voller Höhe der Einkommensteuer. Seit dem Tod des Ehemannes stehen die Einnahmen der Klägerin zu. Das Nießbrauchsrecht besteht noch bis zum Jahr 2023. Die Klägerin erklärte die Einnahmen ebenfalls bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Im Zeitpunkt des Todes des Ehemannes betrug der Jahreswert des Nießbrauchsrechts 10.287,29 EUR (=20.120,20 DM) x 12 = 123.447 EUR. Auf Grund der Angaben in der Erbschaftsteuererklärung ermittelte der Beklagte einen Kapitalwert für die Erbbauzinsen in Höhe von 1.546.761 EUR. Die Klägerin wählte nach § 23 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) die Versteuerung nach dem Jahreswert des Nießbrauchsrechts, so dass sie hiernach jährlich Erbschaftsteuer in Höhe von 23.454,93 EUR zu zahlen hat. Im Streitjahr zahlte die Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 25.372,79 EUR, die sich aus der im Jahr 2004 gezahlten anteiligen Jahressteuer 2003 (1.917,86 EUR) und der Jahressteuer 2004 in Höhe von 23.554,93 EUR zusammensetzt.

Der Beklagte lehnte die Anerkennung des Sonderausgabenabzugs für die Erbschaftsteuer ab und erließ am 2. Februar 2006 einen entsprechenden Bescheid für 2004 über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein, der sich neben der Nichtanerkennung der Erbschaftsteuer auch gegen die Ablehnung eines weiteren Abzugsbetrages richtete. Mit Einspruchsbescheid vom 30. Mai 2006 lehnte der Beklagte den Sonderausgabenabzug ab. Den geltend gemachten weiteren Abzugsbetrag berücksichtigte der Beklagte. Gegen den Einspruchsbescheid erhob die Klägerin Klage.

Sie trägt vor, dass auch nach Aufhebung des § 35 EStG a.F. der Sonderausgabenabzug für die Erbschaftsteuer in Betracht käme. Dies ergebe sich daraus, dass bereits vor Einführung des § 35 EStG a.F. die Jahressteuer als dauernde Last abzugsfähig gewesen sei. Durch die Aufhebung des § 35 EStG a.F. habe sich daran nichts geändert. Dies ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung. Die Aufhebung von § 35 EStG a.F. sei nur aus Vereinfachungsgründen erfolgt. Überdies würde die Versagung des Sonderausgabenabzugs zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung führen. Ebenso sei es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zulässig, dass die erzielten Einnahmen doppelt mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer belastet würden.

Die Klägerin beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 2. Februar 2006 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 13. November 2006 zu ändern und die Einkommensteuer insoweit herabzusetzen, wie sie sich bei Abzug der im Jahre 2004 gezahlten Erbschaftsteuer als Sonderausgaben ergibt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, dass ein Sonderausgabenabzug vor Einführung des § 35 EStG a.F. nur deshalb möglich gewesen sei, weil die Einstufung der Erbschaftsteuer als Personensteuer i.S.v. § 12 Nr. 3 EStG erst später durch die Rechtsprechung erfolgte, so dass heute dem Abzug § 12 Nr. 3 EStG entgegenstehe. Überdies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung zur Aufhebung des § 35 EStG a.F., dass dem Gesetzgeber bewusst gewesen sei, dass es durch die Aufhebung zu einer Doppelbelastung kommen könne. Auch ergebe sich aus der Rechtsprechung, dass § 35 EStG a.F. geschaffen worden sei, um eine Doppelbelastung zu verhindern. Mit der Streichung des § 35 EStG a.F. sei nach Auffassung der Verwaltung, der Rechtsprechung und Teilen des Schrifttums die Abzugsfähigkeit als Sonderausgaben entfallen.

Im Klageverfahren änderte der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung 2004 mit Bescheid vom 13. November 2006. Die Änderung betraf den unstreitigen erstmaligen Ansatz von Beteiligungseinkünften.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist unbegründet.

Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 13. November 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2006 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die im Streitjahr gezahlte Erbschaftsteuer ist nicht als Sonderausgaben abziehbar.

1. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG sind Sonderausgaben auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und Dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Dagegen dürfen die in § 12 Nr. 3 EStG genannten Steuern vom Einkommen und sonstigen Personensteuern, soweit nichts anderes bestimmt ist, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch beim Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Die Erbschaftsteuer ist eine sonstige Personensteuer i.S. des § 12 Nr. 3 EStG( BFH-Urt. v. 9. August 1983 VIII R 35/80, BStBl II 1984, 27; Urt. v. 7. Dezember 1990 X R 72/89, BStBl II 1991, 350; Urt. v. 23. Februar 1994 X R 123/92, BStBl II 1994, 690).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall kann die im Streitjahr angefallene Erbschaftsteuer als Personensteuer nach § 12 Nr. 3 EStG nicht als Sonderausgaben abgezogen werden.

2. Aus der Vorschrift des § 35 EStG a.F. ergibt sich nichts anderes. Eine Ausnahme vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG sah nämlich § 35 EStG a.F. vor, soweit bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte aus Renten, Nießbrauchsrechten und anderen wiederkehrenden Leistungen und Nutzungen berücksichtigt wurden, die mit dem Jahreswert gemäß § 23 ErbStG der Erbschaftsteuer unterlagen. Insoweit enthielt § 35 Satz 3 EStG i.V.m. § 10 Abs.1 Nr.1 a EStG eine spezialgesetzliche Ausnahme (s. bereits BFH-Urt. v. 7. Dezember 1990 X R 72/89, BStBl II 1991, 350; Urt. v. 23. Februar 1994 X R 123/92, BStBl II 1994, 690). Die Vorschrift verfolgte den Zweck, eine Doppelbelastung der Einnahmen mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer zu mildern. Die Vorschrift des § 35 EStG a.F. wurde jedoch durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999, 402; BStBl I 1999, 304) mit Wirkung zum 1. Januar 1999 (§ 52 Abs. 1 EStG) ersatzlos aufgehoben. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird die Abschaffung mit Vereinfachungsgründen gerechtfertigt, obwohl dadurch eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip widersprechende Doppelbelastung von Einkünften mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer eintrete (BT-Drucks. 14/23, 183). Damit erkannte der Gesetzgeber selbst - entgegen der Auffassung der Klägerin - die Konsequenz der Doppelbelastung aus der Streichung der Vorschrift. Jedoch aus Vereinfachungsgründen sei dies gerechtfertigt.

3. Soweit vor Einführung des § 35 EStG a.F. ein Sonderausgabenabzug bejaht wurde (s. BFH-Urt. v. 15. November 1958, VI 79/55 U, BStBl III 1958, 103; Urt. v. 5. April 1965 VI 339/63 U, BStBl III 1965, 360) steht diese Rechtsansicht dem nicht entgegen. Die genannten Urteile des BFH gingen mittelbar von der Aussage aus, die Erbschaftsteuer sei keine Personensteuer i.S.d. § 12 Nr. 3 EStG (s. BFH-Urt. v. 9. August 1983 VIII R 35/80, BStBl II 1984, 27, 29). An dieser Rechtsauffassung wird jedoch seit langem nicht mehr in Rechtsprechung und Schrifttum festgehalten (s. BFH-Urt. v. 9. August 1983 VIII R 35/80, BStBl II 1984, 27; Urt. v. 7. Dezember 1990 X R 72/89, BStBl II 1991, 350; Urt. v. 23. Februar 1994 X R 123/92, BStBl II 1994, 690;Urt. v. 14. September 1994 I R 78/94, BStBl II 1995, 207 m.w.Nachw. aus dem Schrifttum).

4. Auch führt die umstrittene Einkommensteuerbelastung nicht zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sich ergebende Ungleichbehandlung. Die Klägerin wird gegenüber anderen Steuerpflichtigen, die von ihren Einnahmen aus steuerpflichtigen Einkünften Steuern absetzen können (z.B. bzgl. Umsatzsteuer), nicht ohne Rechtfertigung ungleich behandelt. Soweit andere Steuern bei der Ermittlung der Einkünfte als Abzugsposten berücksichtigt werden, handelt es sich um Steuern, die die Besteuerung der durch den Betrieb des Steuerpflichtigen oder durch den Einsatz seines Vermögens sich ergebenden Gewinne oder Überschüsse oder Umsätze betreffen. Die Erbschaftsteuer betrifft aber nicht die Besteuerung dieser Einnahmen, sondern durch sie soll allein der Vermögensvorteil des Erben, den dieser durch die Erbschaft erlangt hat, der Besteuerung mit Erbschaftsteuer unterworfen werden. Der Aufwand durch die Erbschaftsteuer ist daher entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht durch die Einkunftsquelle veranlasst, sondern durch den erlangten Vermögensvorteil des Erben. Mithin handelt es sich dann auch nicht um Werbungskosten.

5. Auch wegen der Doppelbelastung der Einnahmen mit Erbschaftsteuer und Einkommensteuer ist eine Verfassungswidrigkeit der Besteuerung nicht gegeben. Eine solche Doppelbelastung ist nicht schlechterdings verfassungsrechtlich unzulässig. Die Doppelbelastung ergibt sich als Folge daraus, dass Einkommensteuer und Erbschaftsteuer unterschiedliche Besteuerungsgegenstände betreffen und somit im System der beiden Steuern begründet ist (Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 35 Tz. 6; Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 35 Anm. R 3 a.E.). So hat auch das BVerfG (Beschl. v. 8. Januar 1999 1 BVL 14/98, NJW 1999,1098) entschieden, dass der Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG bei der Wahl des Steuergegenstandes, also der Steuerquelle, einen weiten Gestaltungsspielraum habe, dass es kein einheitliches Steuersystem (Steuerfindungsrecht!) gebe, sondern bereits die Verfassung eine Vielzahl von Steuern aufführe, es mithin auch keinen Verfassungsrechtssatz des Inhalts gebe, dass alle Steuern aufeinander abgestimmt werden müssten, also etwa keine Lücken entstehen dürften bzw. mehrfache Belastungen vermieden werden müssten, dass es keinen Verfassungsrechtssatz des Inhalts gebe, dass alle Steuern (nur) unter Berücksichtigung existenzsichernder Freibeträge erhoben werden dürften, es insbesondere keinen Verfassungsrechtssatz des Inhalts gebe, wonach persönliches Gebrauchsvermögen (ungeachtet der Steuerart) von jeglicher Steuer freizustellen sei (BVerfG-Beschl. v. 8. Januar 1999 1 BVL 14/98, NJW 1999,1099; vgl. auch BVerfG-Beschl. v. 17. November 1998 1 BvL 10/98, FR 1999, 528).

Nach dieser Rechtsprechung des BVerfG kommt dem Gesetzgeber somit bei der Wahl des Steuergegenstandes ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dies - so das BVerfG -ergebe sich auf der Grundlage einer heterogenen, durch Steuervielfalt gekennzeichneten Finanzverfassung (Art. 105 f GG). Der Gleichheitssatz belässt dem Steuergesetzgeber somit bei der Erschließung von Steuerquellen einen weit reichenden Gestaltungsspielraum (BVerfG-Beschl. v. 8. Januar 1999 1 BVL 14/98, NJW 1999,1100).

Eine sachliche Rechtfertigung für die Abschaffung des § 35 a.F. EStG ergibt sich zum einen aus dem erbschaftsteuerlichen Stichtagsprinzip und zum anderen daraus, dass nur tatsächlich bestehende Belastungen die erbschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage mindern dürfen (Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 35 Anm. R 3 a.E.). Eine Verfassungswidrigkeit ist in der Abschaffung des § 35 a.F. EStG daher nicht zu erkennen (so auch Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 35 Anm. R 3 a.E.).

6. Die Abschaffung des § 35 EStG a.F. führt auch nicht zu einer übermäßigen Besteuerung mit der Folge einer Verfassungswidrigkeit wegen eines Verstoßes gegen Art. 14 GG. So hat der BFH mit Urteil vom 11. August 1999, XI R 77/97, NJW 1999, 3798, bereits entschieden, dass eine Gesamtsteuerbelastung von insgesamt rund 60% (im konkreten Fall: Einkommensteuer und Gewerbeertragssteuer) des zu versteuernden Einkommens nicht verfassungswidrig sei. Dem GG sei kein Gebot zu entnehmen, die Steuern auf das Einkommen und den Gewerbeertrag auf höchstens 50% des Gesamtbetrags der Einkünfte oder des zu versteuernden Einkommens zu begrenzen. Nichts anderes kann für die Einkommensteuer und Erbschaftsteuer gelten (ebenso Hessisches FG Urt. v. 26. April 2005 13 K 1460/02, [...]).

II.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.



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