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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 17.04.2008
Aktenzeichen: 11 K 425/06
Rechtsgebiete: AO, KiStRG


Vorschriften:

AO § 34
AO § 42d
AO § 69
AO § 162
KiStRG § 10 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

11 K 425/06

Haftung für Lohnsteuer

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Kläger für Lohnsteuerforderungen und Nebenleistungen haftet.

Der Kläger war alleiniger Geschäftsführer der A GmbH (GmbH). In der Zeit vom 8. März 2004 bis zum 7. Juli 2004 wurde bei der GmbH eine Lohnsteuer-Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer war der Ansicht, dass der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH in größerem Umfang seinen Arbeitnehmern unversteuert Arbeitslöhne ausgezahlt habe. Dies soll dadurch geschehen sein, dass Lohnzahlungen aus Entgelten erfolgten, die ein Unternehmen B aus P dem Kläger in Rechnung gestellt hatte.

Weiterhin soll eine Arbeitnehmerentleihung durch dieses Unternehmen vorgelegen haben. Der Unternehmer aus P und der Kläger sollen insoweit kollusiv zusammengewirkt haben.

Die Prüfung ergab eine Nachforderung von Lohnsteuer in Höhe von 513.110,89 EUR, von Kirchensteuer in Höhe von 46.179,95 EUR und von Solidaritätszuschlägen in Höhe von 28.221,08 EUR. Die Forderungen betreffen den Prüfungszeitraum 1. Februar 2002 bis 19. Mai 2004. Für die GmbH wurde mittlerweile ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Das Amtsgericht C eröffnete am 3. August 2004 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH (Az. 5 IN 524/04). Es ist noch nicht beendet. Im Insolvenzverfahren wurden die genannten Forderungen zur Tabelle angemeldet.

Gegen den Kläger ist ein Strafverfahren wegen der Feststellungen durch die Außenprüfung durchgeführt worden. Das Amtsgericht Oldenburg - Schöffengericht - verurteilte den Antragsteller am 6. Dezember 2006 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 11 Monaten (Az. 48 Ls 190 Js 8531/05 - 37/05 -). Die gegen die Entscheidung eingelegte Berufung beim Landgericht O (Az. 13 Ns 57/07) ist in der Hauptverhandlung am 29. Oktober 2007 zurückgenommen worden.

Der Beklagte erließ am 29. November 2004 gegen den Kläger nach §§ 34, 69 AO einen Haftungsbescheid für die Rückstände der GmbH in Höhe von insgesamt 601.671,96 EUR. Darin enthalten waren Lohnsteuerforderungen, Nebenabgaben und Verspätungszuschläge in Höhe von 590.704,96 EUR und Säumniszuschläge bis zum 24. November 2004 in Höhe von 10.967 EUR. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein. Am 31. Juli 2006 erging ein Einspruchsbescheid, in dem die Haftungssumme auf 577.805,89 EUR herabgesetzt wurde.

Im Einzelnen ging der Beklagte in der Einspruchsentscheidung von folgenden Berechnungen aus. Ausgangswerte waren die von der Außenprüfung festgestellten Scheckzahlungen, denen die Rechnungen an das Unternehmen aus P zugrunde lagen (699.100,67 EUR - 2002 -, 955.932,03 EUR - 2003 - und 225.322,96 EUR - 2004 -; insgesamt 1.880.365,66 EUR). Diese Beträge wurden zu 20 Prozent als Löhne an eigene Arbeitnehmer der GmbH angesetzt. Zu 80 Prozent soll es sich um Löhne an Leiharbeiter des Unternehmens aus P gehandelt haben. Die Beträge, die an die eigenen Arbeitnehmer der GmbH ausgezahlt worden sein sollen, wurden mit einem Durchschnittssteuersatz von 40 Prozent versteuert. Dabei handelte es sich um einen Pauschalnettosteuersatz.

Die Beträge, die als Lohn an Leiharbeiter behandelt wurden, versteuerte der Beklagte mit dem Nettoeinstiegssteuersatz. Dabei wurden 24,8 Prozent (2002 und 2003) und 19,04 Prozent (2004) als Steuersatz angesetzt.

Die Gesamtsumme der sich daraus ergebenden Steuern und Nebenabgaben in Höhe von 587.511,92 EUR reduzierte der Beklagte im Einspruchsverfahren um einen Betrag von 9.706,03 EUR. Dabei handelt es sich insbesondere um Tilgungen durch Umbuchungen. Die gesamte Haftungsschuld betrug somit 577.805,89 EUR. Im Einzelnen ergeben sich die Beträge (in EUR) aus folgender Übersicht:

   Lohnsteuer Soli Kirchensteuer  Lohnsteuer Soli Kirchensteuer
 Festgestellte Scheckzahlungen Lohnanteil eigene AN Pauschalnettosteuersatz   Lohnanteil Leiharbeiter Nettoeinstiegssteuersatz   
       24,8% (2002, 2003)   
  20% 40% 5,5% 9% 80% 19,04% (2004) 5,5% 9%
2002 699.100,67 139.822,13 55.928,85 3.076,08 5.033,59 559.288,54 138.703,55 7.628,69 12.483,31
          
2003 955.932,03 191.186,41 76.474,56 4.206,10 6.882,71 764745,62 189.656,91 10.431,13 17.069,12
          
2004 225.322,96 45.064,59 18.025,83 991,42 1.622,32  34.321,19 1.887,66 3.088,90
 Summe  150.429,24 8.273,60 13.538,62  362.681,65 19.947,48 32.641,33
 Summe Lohnsteuer 513.110,89        
 Summe Solidaritätszuschlag 28.221,08        
 Summe Kirchensteuer 46.179,95        
 Gesamtsumme 587.511,92        
          
 Abzugsbeträge nach         
 Einspruchsbescheid 9.706,03        
- Haftungssumme nach EE 577.805,89       

Soweit der Einspruch erfolglos war, erhob der Kläger Klage.

Er trägt vor, ihm sei zu Unrecht vorgeworfen worden, er habe seine Mitwirkungspflicht verletzt. Die Besteuerungsgrundlagen seien vom Beklagten nicht umfassend ermittelt worden. Auch sei nicht belegt worden, warum 100 Prozent der erzielten Nettoumsätze als Lohnaufwand berücksichtigt wurden. Darüber hinaus seien die Ergebnisse von zwei Monaten auf den gesamten Prüfungszeitraum übertragen worden, ohne dass eine Überprüfung durch den Beklagten erfolgt sei, ob sich nicht die Verhältnisse in den anderen Zeiträumen verändert hätten. Dazu sei der Beklagte verpflichtet gewesen.

Die der Schätzung zugrunde gelegten Monate November 2002 und März 2004 würden Monate vor dem Weihnachtsfest bzw. dem Osterfest betreffen, in denen bekanntlich in der Nahrungsmittelindustrie besonders viel gearbeitet werde. Der angesetzte Nettosteuersatz von 40 Prozent sei angesichts der Tatsache, dass nur gering verdienende Arbeitnehmer angestellt worden seien, nicht zu vertreten.

Es sei nicht belegt, warum der Beklagte von Leiharbeitnehmern des Unternehmens B ausgegangen sei. Auch sei die Eingliederung der Leiharbeitnehmer in das Unternehmen der GmbH nicht nachgewiesen. Im Strafverfahren habe sich herausgestellt, dass in den Jahren 2003 und 2004 für die GmbH keine Arbeitnehmer aus P tätig gewesen seien. Allenfalls in 2003 habe es noch ein paar wenige Arbeitnehmer gegeben.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 29. November 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2006 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, bereits bei dem Vorgängerunternehmen seien Arbeitnehmer unversteuert entlohnt worden. Auch die Arbeitnehmer der GmbH seien - wie auch im Strafverfahren bestätigt worden sei - unversteuert - entlohnt worden. Der Verbleib der ca. 1.800.000 EUR, die durch sog. Abdeckrechnungen in die Buchführung gelangt seien, habe der Kläger nicht nachgewiesen. Die unversteuerten Lohnzahlungen an Arbeitnehmer im Monat November 2002 seien nicht geschätzt worden, sondern durch vorgefundene Unterlagen belegt worden.

Die Strafakten des AG O wurden zum Verfahren beigezogen.

II.

1. Die Klage ist unbegründet.

Der Haftungsbescheid vom 29. November 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der Senat geht davon aus, dass die Haftung für Kirchensteuer nicht Gegenstand des Verfahrens ist. In Kirchensteuerangelegenheiten ist der Finanzrechtsweg in Niedersachsen nicht eröffnet (§ 10 Abs. 2 Kirchensteuerrahmengesetz). Dies gilt auch für die Haftung für Kirchensteuer (vgl. BFH-Urt. v. 07.02.1969 VI R 81/66, BStBl II 1969, 406).

Der Beklagte nahm den Kläger nach Insolvenzeröffnung mit Haftungsbescheid vom 29. November 2004 für rückständige Lohnsteuer und steuerliche Nebenleistungen der GmbH als deren gesetzlicher Vertreter wegen Verletzung der Zahlungspflicht gemäß §§ 69, 34 Abgabenordnung (AO) in Anspruch. Der Kläger hat die Voraussetzungen für seine Inanspruchnahme als Haftender für die Abgabenschulden der GmbH nach § 69 AO erfüllt.

Er war als Geschäftsführer gesetzlicher Vertreter der GmbH nach § 35 Abs. 1 des GmbH-Gesetzes (GmbHG) und als solcher nach § 34 Abs. 1 AO verpflichtet, die steuerlichen Pflichten der GmbH als Arbeitgeberin zu erfüllen. Durch das Unterlassen der Anmeldung und Abführung der entstandenen Lohnssteuerabzugsbeträge entgegen § 41a Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) hat der Kläger die ihm auferlegten steuerlichen Pflichten verletzt.

Der Kläger hat im Haftungszeitraum die "Schwarzlohnzahlungen" durch sog. Abdeckrechnungen verschleiert. Wie der Zeuge O im Strafverfahren erklärt hat, wurden die Rechnungsbeträge der Abdeckrechnungen zu einem Großteil nicht an ihn, sondern an den Kläger oder an seinen Schwager weitergegeben. Es konnte nicht geklärt werden, wo die Zahlungen über insgesamt ca. 1,8 Millionen EUR aufgrund der Abdeckrechnungen verblieben sind.

Der Beklagte hat daraufhin die Lohnsteuer und Nebenabgaben nach § 162 AO in nicht zu beanstandender Höhe geschätzt. Das Finanzamt war zur Schätzung befugt. Wenn nicht in voller Höhe, so doch in ganz erheblichem Umfang wurden die Rechnungsbeträge für "Schwarzlohnzahlungen" verwandt. Der Zeuge K hat im Strafverfahren bestätigt, dass bei der GmbH Mitarbeiter beschäftigt waren und auch entlohnt wurden, ohne dass es zu einer Lohnversteuerung kam. Das Haupttätigkeitsfeld der GmbH war das Erbringen von Arbeitsleistungen im Reinigungsgewerbe. Dazu mussten zahlreiche Mitarbeiter, zeitweise bis zu 160 beschäftigt werden. Bei Insolvenzantragstellung belief sich die Belegschaftsstärke laut Personalliste noch auf 113 Arbeitnehmer. Die Personalkosten waren die wesentlichen Kostenpositionen, wie der Insolvenzverwalter in seinem Bericht feststellte. Da der Kläger ein Interesse an der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes der GmbH hatte, geht der Senat davon aus, dass die durch Abdeckrechnungen des Unternehmens O in die Buchführung aufgenommenen Kosten durchgehend im ganz überwiegenden Teil in Lohnzahlungen geflossen sind. So hat der Zeuge O bekundet, dass ihm die Höhe seiner Rechnungen von dem Schwager des Klägers vorgegeben worden seien, nachdem dieser die Zahlen ermittelt hätte. Dabei sei es sogar in seinem Beisein zu einem Streit zwischen dem Kläger und seinem Schwager um die Höhe der Abdeckrechnungen gekommen. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Abdeckrechnungen des Unternehmens O erst dann angefordert wurden, wenn die Höhe der ermittelten Lohnzahlungen bereits feststand. Um die Lohnkosten in die Buchführung einbringen zu können, wurden entsprechende Abdeckrechnungen des Unternehmens O verwandt.

Der Senat ist der Auffassung, dass für die Richtigkeit der Feststellungen des Lohnsteuerprüfers die nicht unerhebliche Verurteilung des Antragstellers durch das Schöffengericht in Oldenburg spricht. Die Feststellungen und Schlussfolgerungen des Schöffengerichts sind nicht zu beanstanden, so dass die Voraussetzungen für eine Haftung des Antragstellers nach § 42d AO gegeben sind. Das Finanzgericht darf tatsächliche und rechtliche Feststellungen in einem Strafurteil oder Strafbefehl übernehmen, wenn nach der freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung des Finanzgerichts (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) diese Feststellungen zutreffend sind und wenn keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafgerichts erhoben werden (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschl. v. 13. Januar 2005 VII B 261/04, BFH/NV 2005, 936;Urt. v. 2. Dezember 2003 VII R 17/03, BFH/NV 2004, 265 m.w.N.). Nach anderer Auffassung ist die Verwertung zulässig, wenn die Beteiligten keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen erheben und keine verfahrenserheblichen Beweisanträge stellen (BFH-Beschl. v. 29. Januar 1999 V B 112/97, BFH/NV 1999, 1103). Die Unterschiede in diesen Meinungen spielen im Streitfall keine Rolle.

Gegen die Feststellungen des Strafgerichts hat der Kläger im Streitfall keine ausreichend substantiierten Einwendungen erhoben bzw. Beweisanträge gestellt. Soweit es um die Rechnungen des Unternehmens aus P geht, die O aus P ausgestellt haben soll, ist es Sache des Klägers substantiiert vorzutragen, dass es sich um ordnungsgemäße Rechnungen handelt. Er hat alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen um insoweit seiner Nachweispflicht nachzukommen. Ebenso ist es Sache des Klägers, nachdem der Zeuge K und die Feststellungen im Strafurteil den Schluss zuließen, das "Schwarzlöhne" gezahlt wurden, diese Schlußfolgerung durch substantiierten Vortrag zu entkräften. Weder im Berufungsverfahren, das durch Rücknahme des Klägers beendet wurde, noch im vorliegenden Verfahren, hat der Kläger substantiierte Einwendungen gegen die Feststellungen erhoben.

Im Streitfall ist zudem die Besonderheit zu beachten, dass der Kläger von ordnungsgemäßen Rechnungen des Unternehmens aus P ausgeht. Er unterliegt damit der erhöhten Nachweispflicht. Es geht um einen Sachverhalt mit Auslandsbezug, den der Kläger unter Ausschöpfung aller seiner rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten aufzuklären hat (§ 90 Abs.2 AO 1977). Der Kläger genügt der erhöhten Nachweispflicht nicht allein dadurch, daß er die Zeugenvernehmung des Ausländers angeboten hat (BFH-Beschl. v. 2. Oktober 1989 X B 20/89, BFH/NV 1990, 616). Er hätte ferner die wirtschaftlichen Hintergründe der Rechnungen in allen Einzelheiten darlegen und unter Beweis stellen müssen.

So ist es Sache des Klägers, unter Beweisantritt darzulegen in welcher Höhe die Lohnanteile anzusetzen sind und ob sich insoweit eine Differenz zu der Schätzung des Beklagten ergibt. Pauschale Einwände gegen die Schätzung des Beklagten genügen nicht. Ebenso ist der Einwand gegen den Ansatz der beim Kläger verbliebenen Rechnungsbeträge als Lohnaufwand zu bewerten. Der Kläger hat nicht dargetan und unter Beweis gestellt, dass nur ein geringerer Anteil als Lohnaufwand zu erfassen ist. Dies war umso mehr erforderlich, als der Beklagte und das Schöffengericht von Scheinrechnungen in Form von sog. Abdeckrechnungen ausgegangen sind.

Soweit der Kläger vorträgt, die Verhältnisse hätten sich in den Jahren, auf die die Ermittlungen des Beklagten im Schätzungswege übertragen wurden, geändert, sind seine Einwendungen nicht Erfolg versprechend. Warum vor der Weihnachtszeit im November und der Osterzeit in der Nahrungsmittelindustrie ein erhöhter Reinigungsbedarf gegeben sei, ist für den Senat nicht ersichtlich.

Wie viel Arbeitnehmer bei der GmbH im Einzelnen beschäftigt gewesen waren, ist unerheblich soweit der Vorwurf, es handele sich bei den Rechnungen des Unternehmens aus P um Scheinrechnungen im Sinne von sog. Abdeckrechnungen nicht beseitigt wurde. Es geht in dem Verfahren um "Schwarzlohnzahlungen". An welche einzelnen Arbeitnehmer sie gezahlt wurden, konnte bisher nicht festgestellt werden. Es obliegt der Mitwirkungspflicht des Antragstellers, dies durch eine Aufklärung der Rechnungsentgelte zu beseitigen.

Zwar ist dem Kläger insoweit zuzustimmen, dass die Schätzung des Beklagten im Einzelnen nicht unbeanstandet bleiben kann; jedoch sieht sich der Senat nicht in der Lage eine vom Finanzamt abweichende Schätzung vorzunehmen, die zu einer niedrigeren Abgabenlast führt. So ist nach Auffassung des Senats zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass nicht zu 100 Prozent die Rechnungsbeträge als Lohnaufwand anzusetzen sind, da davon auszugehen ist, dass ein geringerer Teil dieser Beträge bei O verblieben sind (möglicherweise Beträge in Höhe der von O eingereichten Schecks). Zu berücksichtigen ist zudem, dass bei "Schwarzlohnzahlungen" nicht von einer Nettolohnvereinbarung auszugehen ist, sondern es sich dabei um Bruttolohnzahlungen handelt. Somit ist nicht - wie durch den Beklagten vorgenommen - ein durchschnittlicher Nettosteuersatz bzw. Nettoeinstiegssteuersatz anzusetzen, sondern der Bruttosteuersatz (vgl. BFH-Urt. v. 21. Februar 1992 VI R 41/88, BStBl II 1992, 443; Drenseck in Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2007, § 39b Tz. 13). Damit wäre nicht von einem Pauschalnettosteuersatz von 40 Prozent, sondern vom Pauschalbruttosteuersatz in Höhe von 28,58 Prozent auszugehen.

Die sich daraus ergebenden Steuervorteile führen jedoch nicht zu einer Reduzierung der Haftungssumme, da der Beklagte fehlerhaft den Berechnungen eine Aufteilung nach Arbeitslohnzahlungen (20 Prozent) und Zahlungen für Leiharbeiter (80 Prozent) zugrunde legte. Nach Ansicht des Senats, der insoweit den Feststellungen des Schöffengerichts O in seinem Urteil vom 6. Dezember 2006 folgt, handelt es sich nicht um Leiharbeiter. Damit sind nicht die vom Beklagten berücksichtigten Nettoeinstiegsteuersätze von 24,8 Prozent (für 2002 und 2003) und 19,04 Prozent (für 2004) bzw. 15 Prozent nach § 42d Abs. 6 Satz 7 EStG zu berücksichtigen, sondern der wesentlich höhere Durchschnittsbruttosteuersatz von 28,58 Prozent. Die sich daraus ergebenden höheren Steuern kompensieren die oben genannten Vorteile für den Kläger, von denen der Senat ausgeht.

Der Senat geht statt von einer Haftung nach § 42d Abs. 6 EStG von einer Haftung nach § 42d Abs. 1 EStG der GmbH aus. Einerseits liegt diesen Haftungstatbeständen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde; anderseits ist der Beklagte selbst in seiner Einpruchsentscheidung von der Haftung nach § 42d Abs. 1 EStG ausgegangen.

Darüber hinaus handelt es sich nicht um einen Austausch der Haftungsgrundlage beim Kläger, sondern nur bei der GmbH. Es handelte sich um Arbeitnehmerleistungen, die unversteuert entlohnt wurden und für die Abdeckrechnungen in der Buchführung aufgenommen wurden. Dieser Lebenssachverhalt lag beiden Beurteilungen bzgl. des Haftungstatbestandes zugrunde. Zudem ist zu beachten, dass sich damit nicht die Haftungsgrundlage für die Inanspruchnahme des Klägers geändert hat. Es ist bei der Haftung nach §§ 34, 69 AO verblieben.

Ermessensfehler sind nicht zu erkennen. Weder ist das Entschließungsermessen, noch das Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt worden. Insbesondere wurde dem Kläger in der Einspruchsentscheidung mitgeteilt, dass er als einziger Geschäftsführer nur allein nach §§ 34, 69 AO in Anspruch genommen werden kann. Die Haftung des kollusiv mitwirkenden O nach § 71 AO wurde vom Beklagten erkannt und durch Haftungsbescheid geltend gemacht.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).



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