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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 06.04.2006
Aktenzeichen: 11 K 92/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 13 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb erzielt.

Der Kläger betreibt Pferdezucht und -haltung auf eigenem Hof. Er bildet - im Wesentlichen zugekaufte - Pferde zu Reitsport-, insbesondere Dressurpferden aus. Aus eigener Zucht stammen jährlich ca. 3 Fohlen. Der Verkauf erfolgt ab Hof oder auch auf Auktionen. Daneben hält er eine Herde ...-Rinder und betreibt in sehr geringem Umfang Pensionstierhaltung. Die landwirtschaftliche Nutzfläche des Betriebes betrug in den Streitjahren ca. 31 ha.

Im Wirtschaftsjahr 1995/1996 hat der Kläger insgesamt 61 Pferde verkauft, wovon 56 Pferde beim Einkauf 3 Jahre oder älter gewesen seien. Die durchschnittliche Verweildauer der Pferde im Betrieb des Klägers hat 14,4 Monate betragen. Die Beteiligten sind sich einig, dass die Verhältnisse in den anderen Wirtschaftsjahren ähnlich gewesen sind. Der Tierbestand pro Hektar überschreitet die sich aus § 51 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) und der Anlage 1 zum Bewertungsgesetz ergebende Grenze der landwirtschaftlichen Nutzung (im Streitfall 274 Vieheinheiten) nicht.

Der Kläger erklärte seine Einkünfte als solche aus Land- und Forstwirtschaft. Dies blieb bei einer 1995 für die Jahre 1987 bis 1991 durchgeführten Außenprüfung unbeanstandet. Im Anschluss an eine vom September 1998 bis zum Januar 2001 durchgeführte Außenprüfung für die Jahre 1992 bis 1995 ging der Beklagte (das Finanzamt) dem Prüfer folgend davon aus, dass der Kläger keine Landwirtschaft, sondern einen Gewerbebetrieb unterhalte und erließ Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1993 bis 1995 vom 7. September 2001. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsbescheid vom 22. Januar 2003) die Klage.

Der Kläger meint unter Berufung auf das BFH-Urteil vom 31. März 2004 (I R 71/03, BStBl II 2004, 742), er betreibe Land- und Forstwirtschaft. Die Ausbildung von Pferden zu Renn- und Turnierpferden sei dem Bereich der Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen, wenn der Betrieb seiner Größe nach eine ausreichende Futtergrundlage biete, die Pferde nicht nur ganz kurzfristig dort verblieben und nach erfolgter Ausbildung an Dritte veräußert würden. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Neben der Versorgung der Tiere würden wesentliche Leistungen gegenüber Dritten nicht angeboten.

Die vorhandenen Gebäude und Einrichtungen entsprächen den Anforderungen einer leistungsorientierten, modernen Landwirtschaft und seien gemessen an der heutigen klassischen Intensiv-Landwirtschaft eher bescheiden. Ohne qualifiziertes Personal sei Landwirtschaft heute nicht mehr vorstellbar. Von den im Außenprüfungsbericht genannten 28 Beschäftigten seien nur 20 dem Bereich Pferdezucht zuzuordnen sei. Die Tierhaltung diene auch nicht der Unterstützung oder Vorbereitung einer anderweitigen gewerblichen Tätigkeit. Die Rinderhaltung, Pferdeeigenzucht und Pensionstierhaltung seien unstreitig als landwirtschaftliche Betätigung zu werten.

Die Veranstaltungen auf dem Hof würden nicht von dem Kläger persönlich, sondern von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) angeboten, an der der Kläger beteiligt sei. Der Kläger stelle lediglich die Einrichtungen seines Hofes zur Verfügung.

Der Kläger beantragt,

die Gewerbesteuermessbescheide 1993 bis 1995 vom 7. September 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Januar 2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat zunächst an der im Einspruchsbescheid vertretenen Ansicht festgehalten, die Ausbildung bereits angerittener Pferde habe keinen landwirtschaftlichen Charakter. Der Bundesfinanzhof habe bei der Tierart Pferd in mehreren Urteilen zum Ausdruck gebracht, dass für die Annahme von land- und forstwirtschaftlichen Einkünften neben der ausreichenden Futtergrundlage hinzukommen müsse, dass die mit der Tierzucht und Tierhaltung verbundene Tätigkeit ihrer Art nach den Bereich der Land- und Forstwirtschaft nicht überschreiten dürfe.

Im Hinblick auf das BFH-Urteil in BStBl II 2004, 742, trägt das Finanzamt nunmehr vor, der Kläger erbringe auch Dienstleistungen, die nicht mehr der landwirtschaftlichen Betätigung zugeordnet werden könnten. Unter Einsatz erheblicher sächlicher Mittel (Stallungen mit 115 Boxen, Fertigmachstallungen, Reithallen, überdachtes Pferdekarussell, überdachte Longierbahn, Laufbänder, Reitplätze, Reitbahn, Pferde-OP, Bestrahlungsräume) und zahlreichem qualifizierten Personal würden die Pferde nicht nur zu Renn- und Turnierpferden ausgebildet, sondern darüber hinaus als weit überdurchschnittliche Dressurpferde zum Verkauf angeboten. Ferner seien zahlreiche Veranstaltungen auf dem Hof durchgeführt worden.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die Bescheide über den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag 1993 bis 1995 vom 7. September 2001 und der Einspruchsbescheid vom 22. Januar 2003 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Der Kläger unterhält einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und keinen Gewerbetrieb mit der Folge, dass der Betrieb der Gewerbesteuer nicht unterliegt und mangels Gewerbesteuerpflicht ein Messbetrag nicht festzusetzen ist (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz - EStG, §§ 2 Abs. 1, 14 Gewerbesteuergesetz - GewStG).

Der Kläger erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Ob dies der Fall ist, ist nach den in dem BFH-Urteil vom 31. März 2003 (I R 71/03, BStBl II 2004, 742) entwickelten Maßstäben zu beurteilen.

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und 3 EStG zählen zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft u.a. die Einkünfte aus der Tierzucht und Tierhaltung, wenn der Betrieb für die Tiere eine ausreichende Futtergrundlage bietet. Dabei umfassen die Begriffe "Tierzucht" und "Tierhaltung" die Zucht bzw. Haltung von typischerweise in der Landwirtschaft gezogenen Tieren; dazu zählen insbesondere diejenigen, die in den Anlagen 1 und 2 zu § 51 BewG aufgeführt sind, und damit u.a. Pferde. Eine ausreichende Futtergrundlage ist vorhanden, wenn im Wirtschaftsjahr höchstens die in § 13 Abs. 1 Satz 2 EStG bestimmte Anzahl von Vieheinheiten je Hektar der landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt oder gehalten wird. Die hiernach maßgeblichen Grenzwerte sind auf der Basis des § 51 Abs. 2 bis 5 BewG zu bestimmen (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG). Bei dem Betrieb des Klägers waren sie unstreitig nicht überschritten. Daraus folgt, dass die streitigen Einkünfte dem Bereich der Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen sind.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger Pferde ankauft, zu Reit- und Dressurpferden ausbildet und nach durchschnittlich 14,4 Monaten wieder verkauft. Dadurch wird die hier zu beurteilende Tierhaltung nicht zu einer gewerblichen Tätigkeit.

§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG spricht von Einkünften aus "Tierzucht und Tierhaltung". Das ist nicht in dem Sinne zu verstehen, dass Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nur dann vorliegen, wenn der Unternehmer sowohl die Tierzucht als auch die Tierhaltung betreibt. Vielmehr unterfällt der Vorschrift auch die nicht mit einer Zucht verbundene Tierhaltung (BFH-Urteil vom 23. September 1988 III R 182/84, BStBl II 1989, 111). Zudem betreibt der Kläger auch Tierzucht, wenn auch in geringem Umfang.

Allerdings kann nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, eine Tierhaltung unter bestimmten Umständen gewerblichen Charakter annehmen (BFH-Urteil vom 24. Januar 1989 VIII R 91/83, BStBl II 1989, 416 ). Das ist dann der Fall, wenn entweder zusätzlich zu der Versorgung der Tiere wesentliche Leistungen gegenüber Dritten angeboten werden (BFH-Urteile vom 16. November 1978 IV R 191/74, BStBl II 1979, 246: Reitunterricht; vom 13. August 1996 II R 41/94, BFH/NV 1997, 169: Polospielanlage) oder wenn die Tierhaltung lediglich der Unterstützung oder Vorbereitung einer anderweitigen gewerblichen Tätigkeit dient (BFH-Urteile vom 2. Februar 1989 IV R 109/87, BFH/NV 1989, 692; vom 19. Juli 1990 IV R 82/89, BStBl II 1991, 333: Teilnahme an Pferderennen). Schließlich kann eine Tätigkeit, bei der Tiere angekauft und sodann - mit oder ohne Verarbeitung - alsbald weiterveräußert werden, nicht als "Haltung" der Tiere angesehen werden; in einem solchen Fall liegt vielmehr ein als gewerblich einzustufender Tierhandel vor.

Im Streitfall handelt es jedoch um keine dieser Gestaltungen, da der Kläger sich auf die Ausbildung der Tiere beschränkt hat und diese in den Streitjahren durchschnittlich 14,4 Monate und damit mehr als ein Jahr auf dem Hof verblieben sind. Die anschließende Veräußerung der Tiere ist keine zusätzliche Leistung gegenüber Dritten, sondern die Verwertung der "fertig hergestellten" Tiere, die den landwirtschaftlichen Charakter der Tätigkeit unberührt lässt.

Dass die ausgebildeten Pferde als überdurchschnittliche Dressurpferde zum Kauf angeboten worden sind, ist keine zusätzliche Leistung des Klägers. Der Kläger hat lediglich hochwertige landwirtschaftliche Produkte hergestellt und verwertet. Der Vertriebsweg - Verkauf ab Hof oder auf Auktionen - spielt ebenfalls keine Rolle. Die Tierhaltung dient auch nicht der Unterstützung oder Vorbereitung einer anderweitigen gewerblichen Tätigkeit.

Die Gebäude und Betriebsvorrichtungen wie auch das qualifizierte und zahlreiche Personal sind nur Mittel zum Zweck, der in der Herstellung hochwertiger landwirtschaftlicher Produkte liegt, und machen die Tätigkeit des Klägers nicht zu einer gewerblichen.

Auch wenn angerittene Pferde ausgebildet werden, unterfällt die Tätigkeit bei Vorliegen einer ausreichenden Futtergrundlage § 13 EStG (BFH in BStBl II 2004, 742). Die Finanzverwaltung hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen (H 13.2 EStH 2005).

Ob derjenige gewerblich handelt, der nicht selbst Pferde hält, sondern nur von anderen gehaltene Pferde ausbildet, bedarf keiner Entscheidung. Der Kläger hat nur eigene Pferde ausgebildet.

Die verschiedenen Veranstaltungen auf dem Hof des Klägers können auch nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Die vom Finanzamt konkret benannten Veranstaltungen fanden sämtlich nach den Streitjahren statt. Zwar wurde in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass auch vorher ähnliche Veranstaltungen stattgefunden haben. Der Kläger hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, dass sie alle nicht von ihm, sondern von einer GmbH, an der der Kläger beteiligt ist, organisiert und durchgeführt worden sind. Der Kläger überlässt der GmbH lediglich die Einrichtungen seines Hofes zur Nutzung.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO) zugelassen. Es erscheint sinnvoll, eine Entscheidung des IV. Senats des Bundesfinanzhofs, der für Einkommensteuer betreffend Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung zuständig ist, herbeizuführen. In seiner Entscheidung vom 2. Februar 1989 (IV R 109/87, BFH/NV 1989, 692) hatte er für die Zucht, die Ausbildung und das Training von Trabern ausdrücklich offen gelassen, ob dies bei einer ausreichenden Futtergrundlage noch § 13 EStG unterfällt oder als gewerbliche Tätigkeit anzusehen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

Ende der Entscheidung

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