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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: 12 K 317/05
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

12 K 317/05

Einkommensteuer 2002

Tatbestand:

Streitig ist der Ansatz eines Betrages für die private Nutzung eines Mitsubishi L 200 (K60T) nach der sogenannten 1 v.H.-Regelung.

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.

Der Kläger war im Streitjahr gewerblich unter der Bezeichnung "M M L" gewerblich tätig. Nach der Überschussrechnung standen in 2002 Einnahmen in Höhe von 16.001 EUR Ausgaben in Höhe von 26.504 EUR gegenüber.

Nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung transportierte der Kläger im Rahmen dieser Tätigkeit im Auftrag verschiedener Firmen Möbel (z.B. Küchen) und erbrachte Serviceleistungen wie Kundendienst. Als Transportfahrzeug diente ein Mitsubishi L 200 (K60T). Das Fahrzeug verfügt über eine abgeschlossene Doppelkabine, die mindestens vier Personen Platz bietet und eine ständig überbaute Ladefläche hat. Da eine Anhängerkupplung vorhanden ist, konnte das Fahrzeug im Bedarfsfall auch mit einem Anhänger eingesetzt werden. Die Ladefläche des Mitsubishi diente zum Transport kleinerer Möbel, Ersatzteile und Werkzeug. In den im Klageverfahren vorlegten Unterlagen (Kfz-Steuerbescheid vom 21. Juli 1997, TÜV-Nord betr. Hauptuntersuchung vom 8. März 2005, Fahrzeugschein) wird das Fahrzeug als LKW (offener Kasten, Gewicht 2800 kg) bezeichnet. Ein Fahrtenbuch hat der Kläger nicht geführt.

Mit Bescheid vom 14. April 2005 lehnte der Beklagte die Veranlagung zur Einkommensteuer 2002 aufgrund der am 6. April 2005 eingereichten Einkommensteuererklärung mit Hinweis auf den Ablauf der zweijährigen Antragsfrist gemäß § 46 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der vorliegenden Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Durchführung der Einkommensteuerveranlagung 2002 weiter. Auf Hinweis des Gerichtes, dass möglicherweise die Fristversäumung für die Antragsveranlagung entschuldbar gewesen sei, hat sich der Beklagte bereiterklärt, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abgabenordnung (AO) zu gewähren und die Einkommensteuerveranlagung 2002 unter Berücksichtigung der Angaben in der Steuererklärung durchzuführen. Am 30. Mai 2007 hat der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2002 erlassen und neben anderen im Streitfall nicht weiter streitigen Punkten den erklärten Verlust aus Gewerbebetrieb um 2.664 EUR für die private Pkw-Nutzung des Pkw Mitsubishi L 200 gemindert. Bezüglich dieses einzigen verbleibenden Streitpunktes begründen die Kläger ihre Klage wie folgt:

Das Fahrzeug sei ausschließlich betrieblich genutzt worden. Die Rücksitzbank des Fahrzeuges sei für die Transporte ausgebaut worden. Es handele sich bei diesem Fahrzeug Mitsubishi L 200 um einen Lkw. Die Fahrzeugart Lkw ergebe sich aus den eingereichten Unterlagen (Kfz-Steuerbescheid, TÜV-Nord, Fahrzeugschein). Die Kläger hätten im Streitjahr 2002 neben dem Lkw noch zwei Pkw, die auf sie zugelassen gewesen waren, genutzt. Aufgrund der Größe und des Benzinverbrauchs sei der Lkw nicht für private Zwecke genutzt worden. Für private Zwecke seien die kleineren und billigeren Pkw genutzt worden. Da beide Kläger einen eigenen Pkw gehabt hätten, sei niemand in die Verlegenheit gekommen, auf den Lkw privat angewiesen zu sein.

Die Kläger beantragen,

bei der Ermittlung des Verlustes aus Gewerbebetrieb keinen Privatanteil für die Nutzung des Lkw Mitsubishi L 200 in Höhe von 2.664 EUR zu berücksichtigen und die Einkommensteuer 2002 entsprechend herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Bei dem als Lkw angemeldeten Fahrzeug Mitsubishi L 200 handele es sich um ein geländegängiges Fahrzeug mit einer Fahrgastzelle für vier Personen, die komfortabel ausgestattet sei. Das normal als Pickup vertriebene Fahrzeug sei mit einem Aufbau versehen gewesen, so dass eine geschlossene Ladefläche vorhanden sei. Das Fahrzeug sei daher nicht als Transporter anzusehen und eine nichtunternehmerische Nutzung folglich möglich. Die bloße Behauptung der Kläger, das Fahrzeug würde nicht für Privatfahrten genutzt, reiche nicht aus, um den Anscheinsbeweis einer privaten Nutzung zu widerlegen. Ein Gegenbeweis in Form eines Fahrtenbuches sei nicht vorgelegt worden. Der Einwand, bei dem Fahrzeug Mitsubishi L 200 handele es sich laut Kfz-Steuerbescheid um einen Lkw, stehe der privaten Nutzung nicht entgegen. Entscheidend sei, dass das betroffene Fahrzeug nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen einer nicht nur gelegentlichen privaten Nutzung zugänglich sei. Folglich sei auch für so genannte Kombinationskraftwagen (Geländewagen, Pickup), die aufgrund ihres zulässigen Gesamtgewichts für Kfz-Steuerzwecke als Lkw eingestuft werden, ein Privatanteil zu ermitteln. Da das Fahrzeug aufgrund seiner Ausstattung als Personenbeförderungsmittel nutzbar sei, könne eine private Nutzung nicht ausgeschlossen werden.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Recht für das Fahrzeug Mitsubishi L 200 einen Privatanteil nach der 1 v.H.-Methode angesetzt (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG).

a. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs für jeden Kalendermonat mit 1 v.H. des inländischen Listenpreise im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Davon abweichend kann die private Nutzung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG mit den auf die Privatfahrten entfallenden (tatsächlichen) Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Fahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.

Die Regelungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 EStG sind durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 in das Einkommensteuergesetz eingefügt worden. Sie bezwecken die vereinfachte Bewertung der privaten Nutzung betrieblicher Kraftfahrzeuge und enthalten deshalb mit der in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG geregelten so genannten 1 v.H.-Methode eine grundsätzlich zwingende, grob typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung. Deren Anwendung kann der Steuerpflichtige nur durch substantiierten Nachweis der privat veranlassten Kraftfahrzeugkosten, d.h. grundsätzlich nur durch Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG vermeiden.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG lediglich eine Regelung über die Bewertung der Privatnutzung enthält, die die tatsächliche Nutzung des betreffenden Wirtschaftsguts zu privaten Zwecken voraussetzt. Diese ist deshalb in jedem einzelnen Fall vor Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG konkret festzustellen. Insofern gelten allerdings die Grundsätze über den Anscheinsbeweis (Beweis des ersten Anscheins oder Prima-facie-Beweis; vgl. BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2005 - VI B 43/05, BFH/NV 2006, 292 sowievom 11. Juli 2005 - X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801). Denn die Vorschrift beruht auf dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass ein Pkw auch tatsächlich privat mit benutzt wird, wenn eine derartige Mitbenutzung möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. Februar 2002 - X R 23/01, BStBl II 2003, 472 sowie BFH-Beschluss vom 11. Juli 2005 - X B 11/05, BFH/NV 2005, 1801). Wie der BFH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, reicht daher die bloße Behauptung, der betriebliche Pkw werde nicht für Privatfahrten genutzt, nicht aus, um die Anwendung der 1 v.H. - Regelung auszuschließen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 - III R 59/98, BStBl. II 2000, 273). Der allgemeine Erfahrungssatz, dass Personenkraftwagen und Krafträder typischerweise für private Zwecke mit genutzt werden, lässt sich jedoch, wie der BFH mit Urteil vom 13. Februar 2003 (X R 23/01, BStBl II 2003, S. 472) festgestellt hat, nicht auf Lastkraftwagen und Zugmaschinen anwenden. Dies entspricht auch der Auffassung der Finanzverwaltung, wie sie sich aus dem BMF-Schreiben vom 21. Januar 2002 (BStBl I 2002, S. 148) ergibt (Tz. 1 letzter Satz). Was den sachlichen Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG betrifft, ist nach der Rechtsprechung des BFH nicht die nach Kfz-Steuerrecht und Straßenverkehrsrecht vorzunehmende Klassifizierung maßgebend. Für die Festlegung des Anwendungsbereiches des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist diese Klassifizierung im Hinblick auf den mit dieser Regelung vom Gesetzgeber verfolgten spezifischen und gegenüber dem Teleos des KraftStG eigenständigen Sinn und Zweck ungeeignet. Entscheidend ist für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG vielmehr die objektive Beschaffenheit (Bauart und Einrichtung) des zu beurteilenden Fahrzeugs (BFH-Urteil vom 13. Februar 2003 - X R 23/01, BStBl II 2003, S. 472).

b. Nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen, denen der Senat folgt, kann der allgemeine Erfahrungssatz, dass ein Kraftfahrzeug auch für private Zwecke genutzt werde, im vorliegenden Fall auf den hier zu beurteilenden Mitsubishi L 200 angewendet werden.

Aufgrund der Erläuterungen des Klägers, den vorlegten Bildern über das konkrete Fahrzeug, die konkrete Verwendung und den vom Hersteller Mitsubishi selbst beschriebenen und beworbenen Anwendungsbereichen ist das Gericht zu der Überzeugung gekommen, dass es sich bei dem streitbefangenen Fahrzeug seiner Funktion nach um ein Kfz handelt, für das der Erfahrungssatz einer möglichen Privatnutzung aufrechterhalten werden kann, und es nicht um einen klassischen Lastkraftwagen handelt.

Folgende Gesichtspunkte sind dabei nach der Überzeugung des Gerichts ausschlaggebend:

Der Mitsubishi L 200 verfügt im Unterschied zu einem klassischen Lkw über eine Doppelkabine, die mindestens 4 Personen Platz bietet. Damit ist das Fahrzeug - was die Transportmöglichkeiten von Personen betrifft - nicht zu unterscheiden von einem Pkw oder einem anderen Kombinationsfahrzeug. Die konkrete Innenausstattung ist ebenfalls substantiell vergleichbar. Hinsichtlich des Erfahrungssatzes einer möglichen Privatnutzung ist die Abgeschlossenheit zur Ladefläche als Besonderheit nicht entscheidend.

Bei dem streitbefangenen Fahrzeug ist die Ladefläche vollständig geschlossen. So erweckt das Fahrzeug auf den ersten Blick den Eindruck eines großen Kombi, der neben der Personenbeförderung zu jeglichen Transportzwecken auch privater Natur genutzt werden kann. Dies gilt umso mehr, als den Klägern daneben nur Kleinwagen für private Transporte zur Verfügung stehen.

Da der Mitsubishi L 200 sowohl zum Transport von Gütern als auch Personen eingesetzt werden kann und hierzu auch bestimmt und eingerichtet war, handelt es sich um ein Kombinationsfahrzeug, dass keine Nähe zum klassischen Lkw oder der Zugmaschine aufweist (so auch der BFH im Urteil vom 13. Februar 2003 - X R 23/01, BStBl. II 2003, 472 für Geländewagen mit 5 Fahrgastplätzen und Gesamtgewicht von 2.950 kg). Dies unterscheidet den Streitfall im Übrigen von dem vom FG Berlin entschiedenen Fall (Urteil vom 14. August 2006 - 8 K 8004/04, n.v.: Mercedes Vito als Lkw; Nichtzulassungs-beschwerde erhoben, Az. des BFH: VIII B 212/06, vormals IV B 108/06). In diesem Streitfall war der streitbefangenen Mercedes Vito lediglich zum Transport von Gütern eingerichtet und bestimmt (siehe auch FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 1. Dezember 2006 - 1 K 81704, Information StW 2007, 442; Rev. eingelegt, Az. des BFH: VI R 34/07 zur Anwendung der 1 v.H.-Regelung bei einem Opel Combo mit aufwendiger Aufschrift und Ausstattung mit Werkzeug).

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es auf die straßenverkehrsrechtliche und kraftfahrzeugsteuerliche Einordnung nicht an. Soweit im Streitfall z.B. auf das Gewicht (2.800 kg) im Kfz-Steuerscheid abgestellt wurde, ist dieser Aspekt einkommensteuerlich nicht entscheidend, denn ein Gewicht von 2.800 kg steht einer Privatnutzung nicht entgegen. Davon angesehen ist auch die kraftfahrzeugsteuerliche Einstufung als Lkw im Streitfall zweifelhaft. Wie der BFH im Beschluss vom 26. Oktober 2006 (VII B 135/06, BFH/NV 2007, 770) ausgeführt hat, ist die Einstufung als Pkw eines Pickup der Marke Mitsubishi mit Doppelkabine, ausgestattet mit fünf Sitzplätzen, bei dem die offene Ladefläche weniger als die Hälfte der gesamten nutzbaren Ladefläche, und bei dem die Zuladungsmöglichkeit ca. 32 v.H. des Gesamtsgewichts beträgt, rechtlich nicht bedenklich. Im Streitfall ist die Ladefläche sogar vollständig überbaut.

Hinzu kommt, dass der Hersteller Mitsubishi die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten des Mitsubishi L 200 bewirbt und dabei die Mehrfachnutzung auch für Freizeit- und Urlaubsaktivitäten herausstellt. Hierauf ist auch das Zubehörangebot des Herstellers, dass sich in diesem Bereich nicht von dem eines anderen Kombis unterscheidet, abgestellt. So werden beispielsweise Kindersitze, Fahrradträger, Anhängerkupplung für Wohnwagen und Segelyacht angeboten. Dies dokumentiert die Palette der privaten Einsatzmöglichkeiten. Dem steht auch nicht entgegen, dass die vom Kläger benutzte Version des Mitsubishi L 200 (K60T) - wie der Kläger behauptet - über eine gegenüber der Pkw-Version längere Ladefläche verfügt.

Gegen eine tatsächlich im Streitfall erfolgte ausschließlich betriebliche Nutzung des Fahrzeugs sprechen im Übrigen die relativ geringen Einnahmen (ca. 16.000 EUR). Dies deutet darauf hin, dass eine 100%ige betriebliche Auslastung nicht gegeben war und damit das Fahrzeug tatsächlich auch für eine konkrete Privatnutzung zur Verfügung stand.

Der Umstand, dass den Klägern neben dem Mitsubishi L 200 auch weitere Fahrzeuge für Privatfahrten zur Verfügung standen, ist für die grundsätzliche Anwendbarkeit der 1 v.H.-Regelung ohne Bedeutung (so der BFH im Urteil vom 13. Februar 2003 - X R 23/01, BStBl. II 2003, 472).

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Im Hinblick auf die im Klageverfahren erfolgte Durchführung der begehrten Einkommensteuerveranlagung war eine Kostenquotelung auf der Basis des erstrebten Erstattungsbetrages vorzunehmen.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt auch § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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