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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 28.12.2006
Aktenzeichen: 14 K 95/03
Rechtsgebiete: EigZulG


Vorschriften:

EigZulG § 4 S. 1
EigZulG § 4 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

14 K 95/03

Tatbestand:

Streitig ist die Festsetzung einer Eigenheimzulage.

Mit notarieller Urkunde vom 23. Mai 1996 übertrug die Mutter des Klägers diesem ein mit einem Wohngebäude bebautes Grundstück unentgeltlich. Der Kläger bestellte in § 4 des Vertrages seinen Eltern ein ausschließliches Wohnungsrecht an sämtlichen Räumen im Erdgeschoss des Objekts. Das mit einem Jahreswert von 9.600 DM angesetzte Wohnungsrecht wurde im Grundbuch eingetragen. In 2001 errichtete der Kläger auf dem übertragenen Grundstück einen Neubau, der nach Fertigstellung von seinen Eltern zu Wohnzwecken genutzt wurde. Ein Mietvertrag besteht nicht. Das dem Kläger übertragene - bisher von seinen Eltern genutzte - Objekt wird seitdem vom Kläger und seiner Familie bewohnt.

Mit Antrag vom 12. Juni 2001 begehrte der Kläger für das neu errichtete Objekt die Festsetzung einer Eigenheimzulage einschließlich einer Kinderzulage für zwei Kinder wegen unentgeltlicher Nutzungsüberlassung an seine Eltern. Der Beklagte lehnte den Antrag ab, weil er davon ausging, dass die Nutzung durch den Verzicht auf das Wohnrecht nicht unentgeltlich erfolgt sei. Den hiergegen erhobenen Einspruch begründeten die Kläger damit, dass das dingliche Wohnrecht der Eltern an der Erdgeschosswohnung des dem Kläger übertragenen Objekts weiterhin bestehe, jedoch vorübergehend nicht ausgeübt werde. Auf ein dinglich gesichertes Wohnrecht könne gerade nicht durch mündliche oder privatschriftliche Erklärung oder gar durch konkludentes Verhalten verzichtet werden. Hierzu sei ein notarieller Vertrag erforderlich, der im vorliegenden Fall nicht abgeschlossen worden sei. Demzufolge bestehe kein kausaler Zusammenhang zwischen dem eingetragenen Wohnrecht einerseits und der unentgeltlichen Überlassung an die Eltern des Klägers andererseits.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 30. Januar 2003 als unbegründet zurück. Im Streitfall habe der Kläger für die Überlassung der Wohnung an seine Eltern insofern eine Gegenleistung erbracht, als die Eltern ihr eingetragenes Wohnrecht tatsächlich nicht ausübten. Dies sei einem Verzicht auf ein bestehendes Wohnrecht gleichzustellen. Die Eltern des Klägers hätten sich bei Übergabe des Grundstücks durch das vorbehaltene Wohnrecht eine Möglichkeit verschafft, wenigstens ihren Wohnbedarf im Alter zu sichern. Die Ausübung des Wohnrechts leite sich hiernach aus eigenem Recht ab. Insoweit sei das bereits belastete Vermögen auf den Kläger übertragen worden. Hieran ändere sich auch nichts, wenn die wohnrechtsbelasteten Räume nachträglich einvernehmlich getauscht würden. Hierfür seien mündliche Vereinbarungen ausreichend. Gerade die Tatsache, dass der Verzicht auf die Ausübung des vereinbarten Wohnrechts nicht im Grundbuch eingetragen worden sei, deute darauf hin, dass die Eltern in jedem Fall ihr Wohnrecht hätten gesichert wissen wollen. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise setze sich das im Übergabevertrag eingeräumte Wohnrecht an den neu hergestellten Wohnräumen als Surrogat fort. Für den Fall, dass der Kläger seinen Eltern die Räume nicht zur Nutzung überlassen hätte, könnten die Eltern jederzeit auf ihrem Recht bestehen, die bei Übergabe genutzten Räume weiterhin zu nutzen. Der Kläger habe mit der Überlassung der Wohnung lediglich eine gegenüber seinen Eltern eingegangene Verpflichtung erfüllt. Auch unter dem Gesichtspunkt der unentgeltlichen Überlassung käme die Gewährung einer Eigenheimzulage nicht in Betracht, wenn davon auszugehen wäre, dass es sich bei der Nutzung der neuen Räume um ein vom Eigentümer zugewendetes Recht handele. Die tatsächliche Nichtausübung des vertraglich eingeräumten Wohnrechts an den übertragenen Räumen unter gleichzeitiger Nutzungsüberlassung an den Kläger zu dessen eigenen Wohnzwecken stelle dann eine Gegenleistung für die Nutzung der neuen Wohnräume dar, sodass die Voraussetzungen für die Festsetzung der Eigenheimzulage nicht gegeben seien.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der die Kläger ihr bisheriges Begehren weiterverfolgen. Zur Begründung verweisen sie auf den im Vorverfahren geführten Schriftverkehr.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom .... 2001 sowie des Einspruchsbescheids vom .... 2003, den Beklagten zu verpflichten, die Eigenheimzulage ab 2001 antragsgemäß zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seine Ausführungen im Vorverfahren und macht diese vollinhaltlich zum Gegenstand seiner Klageerwiderung.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihre Zustimmung zu einer Entscheidung durch den Berichterstatter gem. § 79 a Abs. 3, 4 FGO erteilt sowie auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Gründe:

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Festsetzung der begehrten Eigenheimzulage einschließlich der Kinderzulage für zwei Kinder. Zu Unrecht hat der Beklagte die Nutzungsüberlassung der in 2001 errichteten Wohnung als nicht unentgeltlich beurteilt.

1. Wird das Förderobjekt nicht zu eigenen Wohnzwecken (§ 4 Satz 1 EigZulG ), sondern durch einen Angehörigen zu Wohnzwecken genutzt, so besteht gemäß § 4 Satz 2 EigZulG ein Anspruch auf Gewährung von Eigenheimzulage, soweit die Wohnung dem Angehörigen (unentgeltlich) überlassen wird. Unentgeltlich i.S. des § 4 Satz 2 EigZulG ist eine Wohnungsüberlassung ohne Gegenleistung gleich welcher Art und Höhe (vgl. Urteil des BFH vom 31. Juli 2001 IX R 9/99, BStBl II 2002, 77, m.w.N.). Ob eine Gegenleistung vorliegt, ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zu bestimmen. Erforderlich ist, dass der als Gegenleistung in Betracht kommende Vorteil im wirtschaftlichen (Veranlassungs)-Zusammenhang (gerade) mit der Wohnungsüberlassung steht (BFH-Urteil in BStBl II 2002, 77).

a) Überlassen einer Wohnung bedeutet, dass der Nutzungsberechtigte seine Berechtigung unmittelbar vom Steuerpflichtigen ableitet. Das ist der Fall, wenn der Steuerpflichtige als bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer dem Angehörigen die Nutzung der für diesen fremden Wohnung durch Einräumung eines obligatorischen oder dinglichen Nutzungsrechts ermöglicht (BFH-Urteil vom 14. Oktober 1998 X R 56/96, BStBl II 1999, 89 - zu § 10h des Einkommensteuergesetzes - EStG -; Thüringer FG, Urteil vom 28. Mai 1998 II 415/96, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1998, 1501; Wacker, EigZulG, 3. Aufl., § 4 Rz. 25). Behält sich der bisherige Eigentümer anläßlich der Übertragung des Grundstückes ein Nutzungsrecht vor, stellt die Einräumung des Nutzungsrechtes kein Entgelt dar. Das Nutzungsrecht mindert vielmehr von vornherein den Wert des übertragenen Vermögens (Urteile des BFH vom 10. April 1991 XI R 7, 8/84, BStBl II 1991, 791;vom 7. Juni 1994 IX R 33, 34/92, BStBl II 1994, 927, m.w.N.). Das bedeutet, der Erwerber - hier der Kläger - kann dem Nutzungsberechtigten kein Recht verschaffen, das dieser sich bereits bei der Übertragung vorbehalten hat.

aa) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das Tatbestandsmerkmal des § 4 Satz 2 EigZulG erfüllt. Zwar lag im Streitfall ursprünglich keine unentgeltliche Nutzungsüberlassung in diesem Sinne vor, weil sich die Eltern des Klägers im Zuge der Übertragung des Grundstücks auf ihn das Wohnrecht an der Erdgeschosswohnung des übertragenen Objekts vorbehalten hatten. Vorliegend begehrt der Kläger jedoch nicht die Eigenheimzulage auf der Basis der ursprünglichen Nutzungsüberlassung, sondern aufgrund der seinen Eltern nachträglich eingeräumten Nutzungsüberlassung des von ihm errichteten Neubaus. Diese steht nach Auffassung des Gerichts in keinem direkten Zusammenhang mit dem dinglich gesicherten vorbehaltenen Wohnrecht an der Erdgeschosswohnung des Altbaus. Letzteres im Grundbuch eingetragene, den Eltern des Klägers zustehende Wohnrecht existiert nach wie vor und kann von ihnen jederzeit ohne Angabe von Gründen wieder beansprucht werden. Entgegen der Ansicht des Beklagten kann die vorübergehende Nichtausübung des Wohnrechts der Eltern nicht einem endgültigen Verzicht gleichgestellt werden.

bb) Im Streitfall hat der Kläger mit seinen Eltern bzgl. des von ihm errichteten Neubaus ein mündliches oder konkludentes Nutzungsrecht vereinbart. Zum Ausschluss der Eigenheimzulage kann jedoch nur eine (unentgeltliche) Nutzung führen, die auf einer gesicherten Rechtsposition, etwa einem dinglichen Vorbehaltsnießbrauch oder dem Abschluss eines Nutzungsvertrages, beruht. Nur dann steht der Nutzende nicht dergestalt in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Eigentümer, dass dieser es jederzeit in der Hand hat, das Nutzungsverhältnis - aus welchen Gründen auch immer - zu beenden. Bei Fehlen einer gesicherten Rechtsposition des Nutzenden hat der Eigentümer ein uneingeschränktes, unbeeinträchtigtes Eigentumsrecht inne, das ihn befähigt, nach Gutdünken zu schalten und zu walten (vgl. Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22. August 2006 2 K 2486/04, EFG 2006, 1650). So liegen die Verhältnisse im Streitfall.

cc) Denn der Kläger war nach Errichtung des Neubaus auf dem ihm übertragenen Grundstück frei, seinen Eltern den Neubau zur Nutzung zu überlassen. Er ist rechtlich in der Lage, seinen Eltern jederzeit die Nutzung des Neubaus wieder zu entziehen. Andererseits können auch die Eltern auf Grund des weiterhin bestehenden dinglichen Wohnrechts jederzeit wieder die Nutzung der Erdgeschosswohnung im Altbau beanspruchen, da sie nur vorübergehend auf dessen Ausübung verzichtet haben. Es handelt sich somit aus der Sicht beider Parteien um eine tatsächliche, jedoch rechtlich ungesicherte Nutzung, die auf dem fortbestehenden - jederzeit entziehbaren - Einverständnis der Beteiligten beruht, mithin auf einer Ableitung vom Eigentümer in einer geradezu klassischen Konstellation. Dies stellt keine Gegenleistung dar und erfüllt den Tatbestand einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung i.S.d. § 4 Satz 2 EigZulG.

b) Diese Beurteilung entspricht auch dem Zweck der Eigenheimzulage, die Bildung von Wohnungseigentum zu fördern. Durch Begünstigung der Überlassung von Wohnraum an Angehörige soll die Mobilisierung von Raumreserven im Eigenheimbereich gefördert werden, nicht jedoch die Umverteilung des Eigentums innerhalb der Familie einen Anspruch auf Förderungsleistung eröffnen, ohne dass tatsächlich für die Familie neuer Wohnraum hergestellt oder angeschafft worden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Juli 1999 IX B 43/99, BFH/NV 2000, 35). Unstreitig aber ist durch den Neubau eine neue Wohnung hergestellt und der Wohnraum innerhalb der Familie erweitert, mithin ein neues, förderungswürdiges Objekt geschaffen worden (vgl. BFH-Urteil vom 10. Mai 2006 IX R 57/04, BFH/NV 2006, 1635).

2. Dem Kläger steht daher die Eigenheimzulage einschl. der Kinderzulage für zwei Kinder ab 2001 in gesetzlicher Höhe nach Maßgabe des § 9 Abs. 2, Abs. 5 EigZulG zu.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 11 ZPO, § 155 FGO.

Ende der Entscheidung

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