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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 24.07.2008
Aktenzeichen: 15 V 43/08
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2 Satze 2
FGO § 69 Abs. 2 Satze 3
FGO § 69 Abs. 2 Satze 4
FGO § 69 Abs. 2 Satze 5
FGO § 69 Abs. 2 Satze 6
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Bildung einer Rückstellung für die weitere Betreuung bereits vermittelter Lebensversicherungen.

Der bilanzierende Antragsteller betreibt als Einzelunternehmer eine Vermittlung von Versicherungen für die XY Versicherung AG. Mit Vertrag vom 6. Februar 1997 übernahm er die Vertretung für die Versicherungsgesellschaft. Er verpflichtete sich in dem Agenturvertrag außer zur Vermittlung von Lebensversicherungen und sonstigen Versicherungen auch zur Betreuung des Bestandes sowie zur Besorgung des Beitragseinzuges, soweit ihm dieser von der Versicherungsgesellschaft übertragen worden ist. Für die Vermittlung von Lebensversicherungsverträgen erhält der Antragsteller eine Provision in Höhe eines Prozentsatzes des ersten tarifmäßigen Jahresbeitrages. Sie wird fällig, sobald der Versicherungsvertrag zustande gekommen ist und soweit die Beiträge gezahlt werden. Eine Bestandsprovision für die Betreuung der Lebensversicherungsverträge ist vertraglich nicht vereinbart.

In der Bilanz zum 31. Dezember 2004 bildete der Antragsteller erstmals eine Rückstellung zur Bestandspflege bereits vermittelter Lebensversicherungen in Höhe von ... EUR. Der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) erließ am 11. Mai 2006 einen endgültigen Einkommensteuerbescheid, in dem es diese Rückstellung unbeanstandet der Besteuerung zugrunde legte. 2006 fand bei dem Antragsteller eine Betriebsprüfung der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 statt, in der der Außenprüfer die Rückstellung nicht beanstandete. In dem Übersendungsschreiben des Bp-Berichts an die Veranlagung wies er darauf hin, dass er die Rückstellung mangels Änderungsmöglichkeit nicht aufgelöst habe. Er regte an, die Rückstellung im Rahmen der Veranlagung für 2005 aufzulösen. Insoweit wird auf Blatt 165 der Bp-Arbeitsakte Bezug genommen.

In der Bilanz zum 31. Dezember 2005 wies der Antragsteller eine Rückstellung zur Bestandspflege bereits vermittelter Lebensversicherungen in Höhe von ... EUR aus. Im Hinblick auf den Erlass des Bundesfinanzministeriums vom 28. November 2006, das Urteil des BFH vom 28. Juli 2004 XI R 63/03 (BStBl. II 2006, 866) zur Bildung von Rückstellung für die Betreuung bereits abgeschlossener Lebensversicherungen nicht anzuwenden, erließ der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller für 2005 am 22. Mai 2007 einen Einkommensteuerbescheid und am 25. Juni 2006 einen Gewerbesteuermessbetragsbescheid, in denen er die Einkünfte des Antragstellers aus Gewerbebetrieb um die ausgewiesene Rückstellung von ... EUR erhöhte.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinen Einsprüchen. In den Einspruchsverfahren legte der Antragsteller dem FA eine Berechnung des Nachbetreuungsaufwand von ... EUR vor. Dieser ergebe sich bei Ansatz eines durchschnittlichen Stundenlohns von 35 EUR und einem durchschnittlichen Zeitaufwand von 1 Stunde für die ... Verträge des Jahres 2001, einem durchschnittlichen Zeitaufwand von 2 Stunden für die ... Verträge des Jahres 2002, einem durchschnittlichen Zeitaufwand von 3 Stunden für die ... Verträge des Jahres 2003, einem durchschnittlichen Zeitaufwand von 4 Stunden für die ... Verträge des Jahres 2004, und einem durchschnittlichen Zeitaufwand von 5 Stunden für die ... Verträge des Jahres 2005.

Nach Ablehnung von Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung durch den Antragsgegner hat der Antragsteller die gerichtliche Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2005 und des Gewerbesteuermessbetragsbescheides 2005 beantragt.

Der Berichterstatter wies den Antragsgegner mit der Eingangsmitteilung darauf hin, dass gegen die Versagung der Bildung einer Rückstellung für Nachbetreuungsaufwand dem Grunde nach im Hinblick auf das Urteil des BFH vom 28. Juli 2004 XI R 63/03 ernstliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit bestünden. Mit Bescheiden vom 28. Februar 2008 hat der Antragsgegner daraufhin die angefochtenen Bescheide unter Ansatz einer Rückstellung in Höhe von ... EUR ausgesetzt.

Zur Begründung seines weitergehenden Antrages trägt der Antragsteller vor: Der Antragsteller sei gegenüber der XY Versicherung AG verpflichtet, bereits abgeschlossene Lebensversicherungsverträge künftig zu betreuen. Insofern bestehe zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2005 ein Erfüllungsrückstand. Der Antragsteller sei bei Anwendung des Urteils des BFH vom 28. Juli 2004 XI R 63/03 dem Grunde nach zur Bildung einer Rückstellung berechtigt.

Die Höhe der gebildeten Rückstellung sei nicht angreifbar. Der Antragsteller orientiere sich bei der Berechnung an den anfallenden Arbeiten und dem dadurch entstehenden Arbeitsaufwand. Folgende Betreuungsleistungen seien nach Abschluss von Lebensversicherungen zu erbringen: Änderung der Bankverbindung, Stundung der Beiträge bei Arbeitslosigkeit, Wiederinkraftsetzung der Verträge, Änderung der Bezugsrechte, Arbeitgeberwechsel, Sterbefälle, Abwehr von vorzeitigen Auflösungen, Beitragsfreistellungen. Da ein Großteil der Kunden in Sachsen-Anhalt wohne, sei ein erheblicher Fahraufwand notwendig. Termine würden schriftlich oder telefonisch vereinbart und müssten nach erfolgtem Besuch des Außendienstmitarbeiters nachgearbeitet werden. Für das Jahr 2006 habe der Steuerberater des Anragstellers die grundsätzliche Berechnungsmethode für die Ermittlung des Rückstellungsbetrages dargestellt. Insofern werde auf die Anlage K 7 (Blatt 49 der Gerichtsakte) Bezug genommen. Nach den exemplarischen Aufzeichnungen der Mitarbeiter des Antragstellers sei der Zeitaufwand von Lebensversicherungsverträgen sehr unterschiedlich. Er liege allerdings häufig deutlich über 4 Stunden. Insofern werde auf die als Anlagen K 9 bis K 12 (Blatt 92 bis 95 der Gerichtsakte) Bezug genommen. Der vom Antragsteller gewählte Ansatz von 2,5 Stunden sei daher eher an der unteren Grenze bemessen. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass teilweise erhebliche Fahrtzeiten zu den Kunden hinzukämen. Bei dem Ansatz von 2,5 Stunden sei zudem mindernd berücksichtigt worden, dass die Gespräche nicht nur die Lebensversicherungen, sondern auch andere Versicherungsverträge beträfen. Im Bestand des Antragstellers hätten sich im Streitjahr ... Lebensversicherungsverträge befunden. Hinsichtlich des anzusetzenden Aufwandes pro Stunde sei der Antragsteller gemäß einer Berechnung der Rückstellung für Lebensversicherungsverträge von einem Stundensatz von 26,59 EUR ausgegangen. Diesem Ansatz sei auch der Antragsgegner in seiner Berechnung gefolgt. Die Gesamtgemeinkosten des Antragstellers hätten im Kalenderjahr 2005 ... EUR betragen. Diese Aufwendungen seien durch ... Arbeitsstunden der Mitarbeiter zu dividieren, so dass sich ein Stundensatz von 32,20 EUR ergebe. Die vom Antragsteller geleisteten Arbeitsstunden seien in die Berechnung nicht einzubeziehen. Es ergebe sich somit entsprechend des Urteils des FG Münster vom 13. September 2007 Az. 12 K 6087/04 folgende Berechnung:

... Verträge x 2,5 Stunden x 32,20 EUR = ... EUR.

Einer Reduzierung der im Jahresabschluss gebildeten Rückstellung von ... EUR auf ... EUR würde der Antragsteller zustimmen.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2005 vom 22. Mai 2007 und des Gewerbesteuermessbetragsbescheides 2005 vom 25. Juni 2007 soweit auszusetzen, wie sich die Einkommensteuer 2005 bzw. der Gewerbesteuermessbetrag 2005 unter Ansatz einer Minderung der Einkünfte des Antragstellers aus Gewerbebetrieb um ... EUR ergibt.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner ist dem Aussetzungsantrag, soweit er über die Aussetzungsbescheide vom 28. Februar 2008 hinausgeht, entgegengetreten. Er habe durch Erlass der Aussetzungsverfügungen am 28. Februar 2008 dem Umstand Rechnungen getragen, dass aufgrund des BFH-Urteils vom 28. Juli 2004 XI R 63/03 ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Versagung der streitbefangenen Rückstellung bestünden. Die Rückstellung in geschätzter Höhe von ... EUR ergebe sich aus folgender Berechnung:

... Verträge * 1 Stunde * 25,69 EUR * 0,588.

Der Antragsteller habe nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er berechtigt sei, eine Rückstellung in der Bilanz auf den 31. Dezember 2005 für Nachbetreuungsaufwand zu bilden, die über ... EUR hinausgeht.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

II. Der Antrag ist unbegründet.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO i.V.m. § 69 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 FGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel sind zu bejahen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. BFH Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BStBl. III 1967, 182). Im Aussetzungsverfahren ist das Gericht der Hauptsache grundsätzlich auf präsente Beweismittel beschränkt und kann seiner Entscheidung i. d. R. nur solche Tatsachen zugrunde legen, die sich entweder aus dem unstreitigen Sachverhalt oder zweifelsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Akten ergeben oder deren Vorbringen von dem Beteiligten, deren Vorbringen sich auf diese Tatsachen stützt, im einzelnen glaubhaft gemacht wurde (vgl. BFH Beschluss vom 14. Juli 1998 VIII B 38/98, BFHE 186, 379).

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat der Antrag keinen Erfolg. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, die eine Aussetzung der Vollziehung der Bescheide unter Ansatz einer ... EUR übersteigenden Rückstellung für die weitere Betreuung bereits vermittelter Lebensversicherungen rechtfertigen würden.

Der Antragsteller war nach der Rechtsprechung des BFH, wonach Versicherungsvertreter, die vom Versicherungsunternehmen die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags erhalten, für die Verpflichtung zu künftiger Vertragsbetreuung eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstandes zu bilden haben (vgl. BFH Urteil vom 28. Juli 2004 XI R 63/03, BStBl II 2006, 866), dem Grunde nach verpflichtet, in seiner Bilanz auf den 31. Dezember 2005 eine Rückstellung für Nachbetreuungsaufwand zu bilden.

Besteht - wie im Streitfall - der Anlass für die Bildung der Rückstellung in einem Erfüllungsrückstand, ist maßgeblich die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens der Verbindlichkeit und ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag (vgl. BFH Urteil vom 27. Juni 2001 I R 45/97, BFH/NV 2001, 1334). Diese Voraussetzungen sind im Einzelfall auf der Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender Tatsachen aus der Sicht eines sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 30. Januar 2002 I R 68/00, BFH/NV 2002, 845). Dabei ist der Steuerpflichtige gehalten, zur Rechtfertigung der von ihm begehrten Rückstellung konkrete Tatsachen darzulegen; er trägt die Feststellungslast (vgl. BFH Urteil vom 30. April 1998 III R 40/95, BFH/NV 1998, 1217).

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ergeben weder aus den Akten noch aus dem Vortrag des Antragstellers Umstände, die den Antragsteller nach kaufmännisch vernünftigen und objektiv nachprüfbaren Umständen zur Bildung einer ... EUR übersteigenden Rückstellung zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2005 berechtigt hätten.

Insofern fehlt jeder substantiierte Vortrag des Antragstellers, in welchem Umfang ihm für die Betreuung von Lebensversicherungen nach dem Bilanzstichtag Lohnaufwand entstehen wird. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, Lohnaufwand für Nachbetreuung für zurückliegende Zeiträume, der durch geeignete Anschreibungen zeitnah ermittelt wurde, darzulegen und durch Vergleich der Lebensversicherungsbestände der Vergangenheit mit den am Bilanzstichtag vorhandene Beständen hochzurechnen. Die dem Gericht als Anlagen K 9 bis K 12 (Blatt 92 bis 95 der Gerichtsakte) übersandten Tätigkeitsnachweise genügen diesen Anforderungen schon deshalb nicht, weil sich diesen Unterlagen nicht entnehmen lässt, wann der Aufwand entstanden ist, welcher zeitliche Anteil auf die Nachbetreuung von Lebensversicherungen entfallen ist und wie sich der Nachbetreuungsumfang für diese vier Lebensversicherungen auf die übrigen Lebensversicherungen übertragen lässt.

Nach allem war der Antrag abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner auf Hinweis des Berichterstatters dem Begehren teilweise entsprochen hat.

Ende der Entscheidung

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