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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 14.10.2005
Aktenzeichen: 16 K 10593/02
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 138 Abs. 2 S. 1
Krankenfahrten als einheitliche Leistung
Finanzgericht Niedersachsen

Tatbestand:

Der Kläger betrieb ein Taxi- und Mietwagenunternehmen. Einen Teil seiner Umsätze erzielte er durch Krankenfahrten, indem er Patienten in Dialysekliniken, zur Bestrahlung oder aus anderen Gründen zu Arztbesuchen in Tageskliniken fuhr. Teilweise erfolgten die Fahrten z.B. bei Dialysepatienten regelmäßig über einen längeren Zeitraum. Diese Fahrten wurden monatlich mit dem Kostenträger, z.B. der Krankenversicherung, abgerechnet. In einem Teil der abgerechneten Rechnungen wurden Wartezeiten zwischen der Hin- und Rückfahrt in Rechnung gestellt und bezahlt.

Der Kläger hatte die Umsätze aus den Krankenfahrten dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 b UStG unterworfen, weil er davon ausging, dass er mit den Hin- und Rückfahrten jeweils gesonderte umsatzsteuerliche Leistungen erbrachte und damit für die einfache Fahrt unterhalb der für die Steuerbegünstigung erforderlichen 50 km-Grenze lag.

Nach einer Außenprüfung ging der Beklagte davon aus, dass die Fahrgäste der Krankenfahrten des Klägers für die Hin- und Rückfahrt einen einheitlichen Auftrag erteilt hatten. Umsatzsteuerrechtlich nahm er eine einheitliche Leistung an und gewährte den ermäßigten Steuersatz wegen Überschreitens der 50 km-Grenze nicht. Die Rechnungen vom 08.10.1999 an S über ... DM und vom 11.10.1999 an die D über ... DM unterwarf er dem Regelsteuersatz, weil bei S. hinsichtlich der einfachen Fahrt bereits die 50 km-Grenze überschritten war und im Fall der D keine Personenbeförderung vorlag. Dies führte zu Umsatzsteuererhöhungen in 1997 in Höhe von ... DM, in 1998 zu ... DM und in 1999 in Höhe von ... DM. Wegen der Einzelheiten wird auf den BP-Bericht vom 30. April 2002 (AB-Nr...) und auf die darin in Bezug genommene Einzelzusammenstellung verwiesen.

Der gegen die entsprechenden Änderungsbescheide eingelegte Einspruch war erfolglos. Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger ist der Auffassung, bei den durchgeführten Fahrten könne es sich nicht um eine einheitliche Beförderungsleistung handeln, da nach der Behandlung bzw. Beendigung der jeweiligen Behandlung nach meist mehreren Stunden in jeden Fall ein neuer Beförderungsauftrag erteilt worden sei. Er habe in den Streitjahren mit verschiedenen Taxen Dialysepatienten u.a. Krankenpatienten zu verschiedenen Kliniken bzw. Krankenhäusern im 25 km Nahbereich für die einfache Entfernung des Taxistandortes befördert. Der Taxistandort befinde sich in einem ländlichen Raum. Die in Frage kommenden Kliniken bzw. Krankenhäuser befänden sich zwar im Nahbereich des Standortes, aber in verschiedenen politischen Gemeinden. Die Taxifahrten, die für Patienten, die einer gesetzlichen Krankenkasse angehören, durchgeführt wurden, seien mit dem jeweiligen Versicherungsträgern abzurechnen gewesen. Leistungsempfänger seien aber die Patienten gewesen. Mit den Versicherungsträgern seien lediglich Zahlungsmodalitäten im Rahmen des Versicherungsverhältnisses abgewickelt worden. Aufträge habe der Versicherungsträger nicht selbst erteilt. Somit seien die Hin- und Rückfahrten keine einheitlichen, wirtschaftlichen Vorgänge und beruhten insbesondere nicht auf einem einzigen, bürgerlichen-rechtlichen Rechtsgrund. Sollte dieser angenommen werden, verstieße die Annahme eines einheitlichen Beförderungsvorgangs betreffend die Hin- und Rückfahrt gegen Artikel 3 Grundgesetz - GG -. Der Gleichheitsverstoß sei darin begründet, dass sich der Standort des Taxiunternehmens in einem ausschließlich ländlich geprägtem Gebiet befinde, in der die einfache Entfernung zu den jeweiligen Krankenhäusern in der Regel rund 25 - 30 km betrage, hierfür die Steuerbegünstigung keine Anwendung finden solle, weil die Beförderungsleistung nicht innerhalb einer Gemeinde erbracht werde, für vergleichbare Fahrten in Großstädten aber die Steuervergünstigung gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 a UStG Anwendung finde.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuer 1997 um ... DM, die Umsatzsteuer 1998 um .... DM und die Umsatzsteuer 1999 um .... DM herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, der Kläger habe mit den Krankenfahrten hinsichtlich der Hin- und Rückfahrt eine einheitliche Beförderungsleistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts erbracht. Bei den Fahrten, in denen gegenüber dem Versicherungsträger eine Wartezeit abgerechnet worden sei, ergäbe sich dies bereits daraus, dass von den Kunden bei Antritt der Fahrt vereinbart gewesen sei, dass der Fahrer auf ihn warten solle. Bei den übrigen Rechnungen handelte es sich um so genannte Dauerbeförderungen. Da bei diesen Patienten festgestanden habe, dass sie in regelmäßigen Abständen über einen längeren Zeitraum zu Kliniken würden fahren müssen z.B. bei Dialysepatienten, sei von vornherein ein auf Dauer angelegter Vertrag über die Fahrten abgeschlossen worden. Auch hierbei handele es sich insgesamt um einen einheitlichen Vertrag, der umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche Leistung darstelle.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptung des Klägers, bei den Patientenfahrten 1997 - 1999 seien die Hin- und Rückfahrt jeweils gesondert in Auftrag gegeben und jeweils gesonderte Fahrverträge abgeschlossen worden, durch Vernehmung der Zeugin M sowie über die zwischen dem Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen e.V. mit den Krankenkassen, vertreten durch die AOK Niedersachsen, Geschäftsbereich Taxen/Mietwagen, für 1997 - 1999 getroffene Abrechnungsvereinbarung für Krankenfahrten pro Kilometer und Wartezeiten, durch Vernehmung des Zeugen K. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage unbegründet. Für die in Streit stehenden Beförderungsleistungen ist die Umsatzsteuer nicht mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 b UStG anzusetzen, weil die jeweilige Beförderungsleistung aufgrund einheitlicher Leistungen von mehr als 50 km erfolgte. Ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot besteht nicht.

Bei den streitigen Beförderungsleistungen handelt es sich um Beförderungen von Personen im Kraftdroschkenverkehr. Denn die Klägerin beförderte ihre Kunden mit Kfz, für die ihr die behördliche Genehmigung zum Verkehr mit Taxen nach § 47 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) erteilt war. Derartige Beförderungsleistungen sind steuerbegünstigt, wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km beträgt.

Für den Streitfall ist entscheidend, ob jeweils die Hinfahrt und Rückfahrt für sich zu beurteilen sind mit der Folge, dass die jeweilige Fahrt steuerbegünstigt ist oder ob Hinfahrt und Rückfahrt zusammen eine einheitliche, nicht steuerbegünstigte Beförderungsleistung darstellt. Die Frage ist danach zu entscheiden, ob zwischen den Beteiligten des Leistungsaustausches zwei Beförderungsverträge oder nur ein einheitlicher Beförderungsvertrag geschlossen wurde.

Gleiches gilt für den Sachverhalt der so genannten "Dauerbeförderungen". Auch hier kommt es darauf an, ob ein einheitlicher Vertrag über die regelmäßig zu erbringenden und auf Dauer angelegten Fahrten abgeschlossen oder für jede Fahrt gesonderte Verträge abgeschlossen wurden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes knüpft das Umsatzsteuerrecht zur Bestimmung der Leistung an das Zivilrecht an. Diese Anknüpfungsregel gilt grundsätzlich auch für die Ausgestaltung der Beförderungsverträge und damit die Frage, ob Hin- und Rückfahrten in einem einheitlichen oder in zwei getrennten Verträgen vereinbart wurden.

Der Senat ist davon überzeugt, dass sowohl bei den Beförderungsfahrten, in denen in der Rechnung eine Wartezeit gesondert abgerechnet wurde, wie auch bei den "Dauerbeförderungen" einheitliche Verträge sowohl über die Hin- und Rückfahrt wie auch die Dauerbeförderung abgeschlossen wurden. Für die Fahrten mit Berechnung von Wartezeiten folgt dies daraus, dass der jeweilige Beförderungskunde mit dem Kläger vereinbarte, zur Tagesklinik gebracht und wieder abgeholt zu werden. Für gegenteilige Vereinbarungen, nach denen die Hin- und Rückfahrt jeweils gesondert vereinbart war, liegen keine Anhaltspunkte vor. Solche Vereinbarungen sind vom Kläger auch nicht nachgewiesen. Angesichts der Abrechnungsmodalitäten des jeweiligen Versicherungsträgers mit dem Kläger für Fahrten der Patienten erscheint dies auch unwahrscheinlich. Denn nach den Vereinbarungen über das Entgelt für Krankenfahrten nach § 133 SGB V zwischen der Krankenkasse und dem Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen e.V., die nach Bekundung des Zeugen K in entsprechender Form auch in den Streitjahren bestanden, war sowohl vom Taxenunternehmer wie auch von dem Patienten das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V i.V.m. § 76 Abs. 2 SGB V zu beachten. Dies besagte hinsichtlich Krankenbeförderungen mit Wartezeiten, dass der Taxiunternehmer nur die für die Krankenkasse günstigere Variante abrechnen konnte, je nach dem, ob die Berechnung der Wartezeit oder die Abrechnung von Hin- und Rückfahrt kostengünstiger war. Für den Patienten bedeute das Wirtschaftlichkeitsgebot, das von der Krankenkasse nur die für die Krankenkasse jeweils günstigere Kostenabrechnung übernommen wurde und der Patient für den Fall, dass er sich anders verhält und die Hin- und Rückfahrt zur Klinik jeweils gesondert in Auftrag gibt, die gegenüber dem Wirtschaftlichkeitsgebot sich ergebende Kostendifferenz aus eigener Tasche tragen musste. Für einen einheitlichen Vertrag sprechen auch die Interessen der Vertragsbeteiligten. Mit der gleichzeitigen Vereinbarung über die Rückfahrt hatte der Taxiunternehmer einen Auftrag größeren Umfangs und Planungssicherheit und der Patient den Vorteil, dass der Rücktransport nach Behandlung in der Klinik sichergestellt war. Damit ist auch die für eine einheitliche Leistung erforderliche Verknüpfung über die Hin- und Rückfahrt gegeben.

Gleiches gilt für die Vereinbarung über die Dauerbeförderungen. Aufgrund der Aussage der Zeugin M, die als Dialysepatientin Krankenbeförderungsleistungen des Klägers in Anspruch genommen hat, ist das Gericht davon überzeugt, dass zwischen ihr und dem Kläger ein einheitlicher Vertrag über die längerfristigen Beförderungsleistungen abgeschlossen wurde. Die Zeugin bekundete, dass sie nicht für jede Fahrt mit dem Kläger eine Vereinbarung geschlossen hatte. Vielmehr übergab sie dem Kläger die einmal im Monat von der Dialyseärztin ausgehändigte Bescheinigung wegen der Transportdaten, der daraufhin die erforderlichen Fahrten ohne weitere gesonderte Vereinbarungen jeweils montags, mittwochs und freitags durchführte. Die Rückfahrten waren so organisiert, dass sie nach der Behandlung die Dialysestation den Kläger telefonisch über die erforderliche Rückfahrt informierte. Aufgrund der Regelmäßigkeit der Fahrten waren Hin- und Rücktransport so eingespielt, dass es keiner weiteren besonderen Vereinbarungen hierüber bedurfte.

Aufgrund dieser Aussage ist das Gericht davon überzeugt, dass die Zeugin mit dem Kläger jeweils einmal im Monat einen Vertrag über die durchzuführenden Fahrten abgeschlossen und der Kläger diese vereinbarungsgemäß durchgeführt hat. Da sowohl der Kläger wie auch die Zeugin ein Interesse sowohl an der Hin- wie an der Rückfahrt hatten, ist auch insofern die innere Verknüpfung der Leistung gegeben, mit der Folge, dass umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche Leistung vorliegt. Die Zeugin hat zwar ferner erklärt, dass sie frei gewesen sei, mit welchem Taxiunternehmer sie die jeweilige Fahrt durchführen wolle. Tatsächlich sei sie aber immer mit dem Kläger gefahren. Allein die Möglichkeit, einen anderen Vertrag schließen zu können, spricht jedoch nicht gegen die Einheitlichkeit der umsatzsteuerrechtlichen Leistung. Ferner spricht auch in diesem Fall das Gebot der Wirtschaftlichkeit für eine einheitliche Leistung.

Der erkennende Senat befindet sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (vgl. BFH, Beschluss vom 24.10.1990, V B 60/89, BFH/NV 1991, 562) und der Finanzgerichte (vgl. FG Mecklenburg-Vorpommern, Az.: 2 K 137/99, EFG 2001, 1625). Danach ist bei der Beförderung von Personen im Kraftdroschkenverkehr bei kurzfristigen Unterbrechungen eine einheitliche Beförderungsleistung anzunehmen, weil einheitliche wirtschaftliche Vorgänge auch umsatzsteuerrechtlich einheitlich beurteilt werden müssen, insbesondere, wenn sie auf einem einzigen bürgerlich-rechtlichen Rechtsgrund beruhen (vgl. BFH, Urteil vom 12.05.1955, V 85/54 U, BFHE 61, 47, BStBl III 1955, 215). Die einheitlichen Faktoren des wirtschaftlichen Vorganges seien Teil einer sie umfassenden einheitlichen Leistung, wenn sie so aufeinander abgestimmt sind, dass sie hinter dem Ganzen zurücktreten. Dem hat sich die Kommentarliteratur im Wesentlichen angeschlossen, in dem sie bei der Prüfung, ob eine einheitliche oder mehrere Beförderungsstrecken vorliegen, auf Inhalt und Umfang der jeweils zu beurteilenden Beförderungsleistung abstellt. Maßgeblich soll auch hier regelmäßig der Beförderungsvertrag sein (vgl. Plückebaum/Malitzky, UStG, 10. Aufl., § 12 Abs. 2 Nr.10 Rz. 1456; Waza in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG § 12 Abs. 2 Nr. 10 Rz. 86).

Einen Verstoß gegen das Gleichheitsgebot (Art. 3 GG) besteht nicht, da die bestehende gesetzliche Differenzierung innerhalb des weit gefassten gesetzgeberischen Ermessens liegt.

Für die Fahrten mit Rechnungsdatum 08.10.1999 betreffend S und 11. Oktober 1999 betreffend D liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bereits deshalb nicht vor, weil es sich bei der Fahrt S um eine Fahrt über 50 km gehandelt hat und bei der D keine Personenbeförderung vorliegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.



Ende der Entscheidung

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