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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 12.06.2006
Aktenzeichen: 16 K 4/06
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 2
UStG § 3a Abs. 1 S. 2
UStG § 4 Nr. 6 d
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

16 K 4/06

Tatbestand:

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren sogenannte Bäderschiffe auf der Fährlinie zwischen Wilhelmshaven und Helgoland. Die von den Fahrgästen vereinnahmten Beförderungsentgelte beließ die Klägerin umsatzsteuerfrei entsprechend § 4 Nr. 6 d UStG. Den Fahrgästen wurde an Bord der Schiffe die Möglichkeit geboten, entgeltlich einen Liegestuhl an Deck der Schiffe anzumieten. Hierfür verlangte die Klägerin ein besonderes Entgelt. Das Entgelt wurde in bar an Bord des Schiffes erhoben. Die Klägerin erzielte aus der Vermietung der Liegestühle Einnahmen .

Nach durchgeführter Außenprüfung nahm der Beklagte an, dass die Entgelte für die Vermietung der Liegestühle als eigenständige Leistung umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig seien. Dementsprechend erhöhte er die Umsatzsteuer durch die angefochtenen Steuerbescheide vom 1. August 2005. Mit der hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, dass die Vermietung der Liegestühle Nebenleistung zur steuerfreien Beförderungsleistung sei und demzufolge ebenfalls umsatzsteuerbefreit sei. Es bestehe eine Analogie zur umsatzsteuerlichen Behandlung bei Bahnunternehmen. Dort werde das zusätzliche Entgelt für die Nutzung der Plätze der 1. Klasse oder für Liege- oder Schlafwagen als unselbständige Nebenleistung zur Hauptleistung der Beförderung angesehen.

Der Beklagte hält daran fest, dass die Vermietung der Liegestühle eine eigenständige Hauptleistung sei. Sie sei damit eigenständig umsatzsteuerlich zu beurteilen. Es liege eine sonstige Leistung vor, die gemäß § 3 a Abs. 1 Satz 1 UStG als an dem Ort ausgeführt gelte, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Dies sei im Inland. Der Umsatz sei demgemäß umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte.

Dem Gericht haben die für die Klägerin beim Beklagten geführten Steuerakten vorgelegen.

In der mündlichen Verhandlung ist mit den Beteiligten diskutiert worden, ob ggf. das Seebäderschiff selbst als Betriebsstätte im Sinne des § 3 a Abs. 1 Satz 2 UStG angesehen werden müsse.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.

Die Vermietung der Liegestühle an Fahrgäste auf den Bäderschiffen ist als eigenständige Leistung zu beurteilen. Sie ist nicht unselbständige Nebenleistung zur Beförderungsleistung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, der sich der erkennende Senat anschließt, ist zur Annahme einer Nebenleistung erforderlich, dass diese im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammen hängend und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt. Nebensächlich wäre eine derartige Leistung, wenn sie die Hauptleistung als solche ergänzt, abrundet oder verbessert (vgl. BFH Urteil vom 12.12.1985, V R 15/80, BStBl II 1986, 499 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des EuGH liegt eine Nebenleistung vor, wenn diese für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern nur das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. EuGH vom 25.02.1999, Rs.C-349/96, CPP, Slg 1999, I-973 = DStRE 1999, 271).

Unter Beachtung der aufgezeigten Rechtsprechung ist die Vermietung eines Liegestuhles auf einem Seebäderschiff keine Nebenleistung. Die Inanspruchnahme eines Liegestuhles auf dem Sonnendeck eines Schiffes während einer Seereise hat eine eigenständige Bedeutung, die losgelöst ist von der Beförderung auf dem Schiff. Über die Frage, ob der Streitfall mit der umsatzsteuerlichen Behandlung von Liege- oder Schlafwagen - Nutzung bei Bahnunternehmen vergleichbar ist, musste der Senat nicht befinden.

Der Ort der erbrachten Vermietungsleistung bestimmt sich entgegen der Auffassung des Beklagten nach § 3 a Abs. 1 Satz 2 UStG. Nach dieser Vorschrift gilt die Betriebsstätte als der Ort der sonstigen Leistung, wenn die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt wird. Der Begriff der Betriebsstätte ist nicht mit dem in § 12 Abgabenordnung identisch. Nach der Rechtsprechung des BFH, die ihrerseits auf Rechtsprechung des EuGH beruht, verlangt eine Betriebsstätte einerseits die Unselbständigkeit gegenüber dem Unternehmen, andererseits bedarf es eines Mindestbestandes an personellen und sachlichen Mitteln zur Ausübung der Leistungen und eines hinreichenden Grades an Beständigkeit. Im Streitfall konnte die Klägerin die Dienstleistung der Vermietung der Liegestühle jeweils autonom auf dem Seeschiff erbringen. Dort standen die Stühle zur Verfügung. Dort wurde abkassiert. Dort wurden die entsprechenden Grundaufzeichnungen über die vereinnahmten Beträge vorgenommen. Darüber hinaus war die Leistungserbringung der Vermietung von Liegestühlen auch nur allein an Bord des Seeschiffes möglich. Auch nach außen hin verdeutlichte die Klägerin, dass eine solche Vermietung nur an Bord erfolgen könne und der Preis hierfür an Bord zu entrichten sei. Dies ergibt die in der mündlichen Verhandlung eingereichte Aufstellung über die Fahrpreise und Preiszuschläge für die Nutzung der Seebäderschiffe.

Aufgrund der Ortsbestimmung der Leistung nach § 3 a Abs. 1 Satz 2 UStG sind die von der Klägerin erbrachten Leistungen nur zum Teil steuerbar. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Seebäderschiffe auf ihren Fahrten zwischen Wilhelmshaven und Helgoland nur zum Teil im Inland im Sinne des § 1 Abs. 2 UStG waren, jedoch überwiegend nicht im Inland. Das Gericht schätzt den Anteil der im Inland erbrachten steuerpflichtigen Leistungen anhand der geografischen Gegebenheiten mit 20 v.H. der gesamten Leistungen. Dementsprechend ist die Umsatzsteuer herabzusetzen und mit den im Urteilstenor dargestellten Beträgen festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Finanzgerichtsordnung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1, 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung -ZPO-.

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