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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 27.09.2007
Aktenzeichen: 16 K 437/03
Rechtsgebiete: UStG, AO


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 2
UStG § 24 Abs. 1
AO § 42
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

16 K 437/03

Tatbestand:

Die Klägerin wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 11. Oktober 1999 gegründet. Zweck der Gesellschaft ist die Errichtung eines arbeitsteiligen Systems in der Ferkelerzeugung, bei dem auf Basis langfristiger Liefer- und Abnahmeverträge die Zuchtschweine wiederholt an bestimmte Deck-, Warte- und Abferkelbetriebe und die Ferkel von den Zuchtbetrieben an Aufzuchtbetriebe abgegeben werden (§ 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages). Gründungsgesellschafter sind 11 Landwirte, die jeweils eigenständige landwirtschaftliche Betriebe unterhielten. Die Klägerin übernahm entsprechend der Regelung im Gesellschaftsvertrag die kaufmännische Abwicklung der Liefer- und Abnahmeverträge sowie die Vermarktung der Ferkel an Mastbetriebe. Dabei wurde sie tatsächlich aufgrund gesondert geschlossener Abnahme- und Lieferverträge in Leistungsbeziehungen zu ihren Gesellschaftern einbezogen.

Der Gesamtverlauf der Ferkelerzeugung stellt sich wie folgt dar:

In einem sogenannten Deckbetrieb werden zugekaufte Jungsauen gedeckt. Der Deckbetrieb veräußert die tragenden Sauen an die Klägerin, die im Anschluss die tragenden Sauen an einen sogenannten Warte- und Abferkelbetrieb weiterveräußert. In den Warte- und Abferkelbetrieben werden die tragenden Sauen betreut bis zur Geburt der Ferkel. Anschließend werden die Sauen und die Ferkel zurück an die Klägerin geliefert. Die Klägerin liefert die Sauen zurück an die Deckbetriebe. Die Ferkel werden an Ferkelaufzuchtsbetriebe weitergeliefert. In den Ferkelaufzuchtsbetrieben werden die Tiere gehalten bis sie die Erzeugerstufe "schwere Ferkel" erreichen. Danach werden sie wiederum über die Klägerin an Mastbetriebe weitergeliefert und dort gemästet bis sie die Schlachtreife haben.

Tatsächlich erfolgten die Tiertransporte durch die Klägerin mit eigenem Beförderungsmittel.

Die Klägerin rechnete die von ihr jeweils erbrachten Leistungen mit dem Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG in Höhe von 7 v.H. ab. Diejenigen Leistungen, die sie von Landwirten bezog, die für sich die sogenannte Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG in Anspruch nahmen, wurden der Klägerin unter Berücksichtigung des Steuersatzes in § 24 Abs. 1 Nr. 3 UStG (9 v.H.) in Rechnung gestellt. Die Klägerin machte hieraus den entsprechenden Vorsteuerabzug geltend.

Unter Berücksichtigung aller Besteuerungsgrundlagen ergab sich aus der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2000 ein verbleibender Überschuss vom 19.008,40 DM. Der Beklagte stimmte zunächst der Umsatzsteuererklärung zu. Nach einer durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung nahm der Beklagte hingegen an, dass sowohl die Lieferungen der Tiere durch die Klägerin als auch die Rücklieferungen an sie nicht bei der Umsatzsteuer zu berücksichtigen seien, weil nach § 42 Abgabenordnung (AO) ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten zum Zwecke der Umgehung von Steuergesetzen vorliege. Deshalb setzte der Beklagte mit geänderten Steuerbescheid vom 3. April 2003 die Umsatzsteuer auf 7.615 DM fest. Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage. Die Klägerin macht geltend, dass auch nach dem durchgeführten Einspruchsverfahren nicht deutlich werde, worin der Beklagte im Streitfall eine den wirtschaftlichen Vorgängen nicht angemessene rechtliche Gestaltung sehe. Eine Steuerumgehung gemäß § 42 AO sei nicht ersichtlich. Weder sei die gewählte und vollzogene Rechtsgestaltung unangemessen, noch führe diese Gestaltung zu Steuerergebnissen, die vom Steuergesetz missbilligt würden. Dem Unternehmer stehe es grundsätzlich frei, ob er umsatzsteuerlich als Eigenhändler, Agent oder Kommissionär auftrete. Im Bereich der Landwirtschaft gebe es eine Vielzahl gewerblicher Unternehmen, die Erzeugnisse von Landwirten einkauften, um sie an andere Landwirte wieder zu verkaufen. Diese Unternehmer träten in aller Regel als Eigenhändler oder Kommissionär auf. Dies sei branchenüblich. Es führe dazu, dass für den Fall, dass der veräußernde Landwirt § 24 Abs. 1 UStG anwende, die gesetzliche Vorsteuerentlastung bis zu der jeweiligen Fertigungsstufe eintrete. Das von der Klägerin entwickelte und den Landwirten angebotene Konzept der arbeitsteiligen Schweineaufzucht werde auch von anderen Unternehmern, so z.B. von großen Fleischkonzernen praktiziert. Das Konzept habe außersteuerliche Vorteile, weil es die Verbesserung der Wertbewerbsfähigkeit durch Anpassung an die sich ändernden Rahmenbedingungen herstelle. So könnten sich die einzelnen Landwirte auf den jeweiligen Teilbereich spezialisieren. Es trete eine Verbesserung des Gesundheitsstatus der Tierbestände auf. Die Vermarktung der Ferkel und der schlachtreifen Tiere werde optimiert, weil größere Stückzahlen am Markt angeboten werden könnten. Auch in der Kooperation mit Beratungsorganisationen und Tierärzten sei durch den Konzentrationsprozess eine positive Entwicklung zu verzeichnen.

Die Klägerin erziele keine ungerechtfertigten Steuervorteile. Der Umstand, dass sich bei ihr eine negative Zahllast ergebe, liege allein darin begründet, dass wegen des höheren Steuersatzes für die von ihr bezogen Lieferungen mehr Vorsteuer anfalle als sie selbst an Umsatzsteuer für ihre Leistungen schulde. Dies führe aber nicht dazu, dass sie, die Klägerin, mit der Umsatzsteuer einen Gewinn mache. Der Beklagte berücksichtige nicht, dass in der Unternehmerkette sowohl die Umsatzsteuer als auch die Vorsteuer ertragsmäßig und wirtschaftlich nur als durchlaufender Posten anzusehen sei. Eine angenommene Steuerumgehung liege deshalb nicht vor, weil die gleichen steuerlichen Ergebnisse auch dann eintreten würden, wenn die einzelnen Landwirte ihre Leistungen an Dritte Händler erbracht hätten. Als Vergleich könne nicht ein unmittelbarer Leistungsaustausch zwischen Landwirten herangezogen werden, weil es völlig untypisch sei, dass Landwirte direkt untereinander ihre Produkte handelten.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer auf ./. 19.008,37 DM festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält daran fest, dass in der steuerlichen Handhabung der Klägerin ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten zum Zweck der Umgehung von Steuergesetzen vorliege. So habe bereits der BFH vom 9. Juli 1998 V R 68/96 entschieden, dass es rechtsmissbräuchlich sei wenn ein Dritter Gegenstände, die er Dritten zu einem ermäßigten Steuersatz verkaufe, zunächst an einen Landwirt verkaufe und dann von diesem zurückkaufe, um in den u.U. wiederholten Genuss einer in Folge der Regelung des § 24 UStG höheren Vorsteuer zu kommen. Würden im Streitfall die Lieferungen direkt unter den Landwirten vollzogen, so ergebe sich eine umsatzsteuerliche Auswirkung von null. Durch den Umstand, dass die Lieferungen über die Klägerin jeweils erfolgten, ergebe sich ein Überhang von 31.866 DM. Auch für die beteiligten Landwirte ergäben sich keine wirtschaftlichen Gründe für die gewählten Gestaltungen. So würden die Landwirte gegenüber einer Direktvermarktung von der Klägerin mit höheren Einstandspreisen belastet. Im Ergebnis nutze die Klägerin den Vorteil der pauschalierten Vorsteuer aus. Sie mache den Vorsteuerabzug in voller Höhe 9 v.H. aus den Einkäufen von den beteiligten Landwirten geltend, obwohl sie für die von ihr ausgeführten Umsätze an die Landwirte nur 7 v. H. Umsatzsteuer abführe. Damit bleibe die Gewinnneutralität der Umsatzsteuer nicht gewahrt. Hierin liege ein Missbrauch im Sinne von § 42 AO.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und wegen des Inhalts des geschlossenen Gesellschaftsvertrages sowie der abgeschlossenen Liefer- und Abnahmeverträge wird auf die Gerichtsakte und die im Verfahren beigezogenen Steuerakten zu St.-Nr.: .... verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Umsatzsteuer war entsprechend der abgegebenen Steuererklärung festzusetzen. Die Klägerin hat die von ihr getätigten Lieferungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Sie hat darüber hinaus den Vorsteuerabzug aus den empfangenen Lieferungen der Landwirte. Ein Rechtsmissbrauch im Sinne von § 42 Abgabenordnung - AO - liegt nicht vor.

Übereinstimmend mit den Beteiligten geht das Gericht unter Zugrundelegung der abgeschlossenen Abnahme- und Lieferverträge davon aus, dass die Klägerin in dem jeweiligen Lieferprozess zwischen den einzelnen Erzeugungsstufen sowohl als Leistungsempfängerin als auch anschließend als Leistende einbezogen war. Die Klägerin hatte insbesondere die tatsächliche Verfügungsmacht über die Tiere, die sie mit eigenem Transportgerät zwischen den einzelnen landwirtschaftlichen Betrieben bewegte. Dabei hatte die Klägerin die von ihr getätigten Lieferungen mit dem Steuersatz nach § 12 Abs. 2 UStG zu besteuern. Demgegenüber stand der Klägerin der Vorsteuerabzug aus den Lieferungen der Landwirte aufgrund der jeweils erteilten Gutschriften zu. Die Klägerin durfte insoweit mit Gutschriften abrechnen, als dies zuvor mit den Landwirten vertraglich vereinbart war.

Ein Rechtsmissbrauch im Sinne von § 42 AO ist nicht ersichtlich. Nach § 42 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne dieser Vorschrift ist (auch) gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftlich oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall sämtlich nicht erfüllt.

Die vom Beklagten monierte Rechtsgestaltung, nach der die Klägerin in die Liefervorgänge als Leistungsempfänger und Leistender eingeschaltet war, ist keine unangemessene Rechtsgestaltung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin einerseits jeweils vertraglich dazu verpflichtet hatte die Tiere in der jeweiligen Erzeugerstufe vom Leistenden abzunehmen, dass andererseits es in der Landwirtschaft die überaus gängige Praxis ist, dass der einzelne Landwirt seine Erzeugnisse an andere Unternehmer, die nicht selbst Landwirte sind, veräußert. Schon deshalb kann keine unangemessene Gestaltung vorliegen. Denn anstatt der Klägerin hätte sonst ein anderer Marktteilnehmer beispielsweise die erzeugten schweren Ferkel vom jeweiligen Erzeuger abgenommen. Dann aber hätte sich die selbe umsatzsteuerliche Folge ergeben, nämlich der konkrete Vorsteuerabzug aus der Lieferung des Landwirts mit Steuersatz 9 v.H., wenn der Landwirt unter § 24 UStG fiele.

Im Streitfall liegt auch keine Gestaltung vor, wie sie etwa dem BFH-Urteil vom 9. Juli 1998 V R 68/96 zu Grunde lag. Eine künstliche Erhöhung der Umsatzsumme seitens der beteiligten Landwirte ist in keiner Weise ersichtlich. Im Streitfall hätten die Umsatzvolumen der beteiligten Landwirte sich nicht dadurch vermindert, dass sie die von ihnen erzeugten Produkte unmittelbar an Dritte weitergeliefert hätten.

Der Beklagte verkennt offensichtlich, dass sich für die Klägerin keine beachtliche umsatzsteuerliche Auswirkung aus dem Umstand ergab, dass sie in die Lieferprozesse eingebunden war. Denn die Klägerin musste die Vorsteuerbeträge, die sie geltend macht, an die liefernden Landwirte über den jeweiligen Kaufpreis weitergeben. Hierfür blieb mithin nicht der Vorsteuerüberhang, den sie gegenüber dem Beklagten mit ihrer Steuererklärung darstellte. Dagegen verblieb den beteiligten Landwirten aus der Veräußerung ihrer Produkte diejenige Umsatzsteuer, die sich aus der Anwendung des § 24 Abs. 1 UStG ergibt. Dies gilt unabhängig davon, wem gegenüber die Landwirte ihre landwirtschaftlichen Produkte veräußerten. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten kann der Klägerin in keiner Weise vorgeworfen werden, dass die den Vorsteuerabzug in gesetzlicher Höhe geltend gemacht hat.

Nach allem war entsprechend des Klageantrages und der abgegebenen Umsatzsteuererklärung die Steuer für das Streitjahr festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.



Ende der Entscheidung

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