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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 03.07.2008
Aktenzeichen: 16 K 481/07
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 10 Abs. 1 S. 1
UStG § 10 Abs. 1 S. 2
UStG § 10 Abs. 1 S. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

16 K 481/07

Umsatzsteuer 2004 und 2005

Tatbestand:

Streitig ist die Frage, ob beim Betrieb von Spielautomaten die Vergnügungssteuer aus der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer herauszurechnen ist.

Die Klägerin, eine GmbH, betreibt die Aufstellung von Spielautomaten mit und ohne Gewinnmöglichkeit. Sie versteuert ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten.

Die Bruttokasseneinnahmen der Spielgeräte betrugen 2004 59.627,50 EUR und 2005 126.669,76 EUR. Vergnügungssteuer zahlte die Klägerin in Höhe von 11.591,00 EUR (2004) und 17.791,00 EUR (2005).

In ihren Umsatzsteuererklärungen für 2004 und 2005 erklärte die Klägerin Umsätze in Höhe von 51.403,00 EUR (2004) und 109.198,00 EUR (2005). Der Beklagte stimmte den Erklärungen jeweils zu.

Mit Schreiben vom 31. Mai 2007 legte die Klägerin Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005 ein und beantragte die Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2004 dahingehend, dass aus den Kassenbruttoeinnahmen der Spielgeräte die Vergnügungssteuer herausgerechnet wird. Der Beklagte lehnte die Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2004 mit Bescheid vom 9. August 2007 ab. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte ebenso wie jener gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005 keinen Erfolg.

Die Klägerin vertritt im Klageverfahren die Auffassung, dass die Vergnügungssteuer aus der Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer herauszurechnen sei. Gem. § 10 Abs. 1 S. 1 UStG bestimme sich der zu versteuernde Umsatz nach dem Entgelt. Entgelt sei alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, abzüglich der Umsatzsteuer. Bei Geldspielgeräten sei nur das zu versteuern, was für die Leistung, d.h. die Zurverfügungstellung des Automaten, tatsächlich vereinnahmt werde. Der EuGH habe klargestellt, dass bei Geldspielgeräten, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften so eingestellt seien, dass festgelegte Teile der Einsätze als Gewinne an die Spieler ausgezahlt werden müssen, nur der Teil der Einsätze die Gegenleistung für die Bereitstellung der Geräte sei, über den der Automatenaufsteller tatsächlich effektiv selbst verfügen könne. Der Teil der Einsätze, der zwecks Auszahlung der Gewinne in die Zahlröhren gelange, gehöre nicht zum Entgelt.

Vergnügungssteuer wie Umsatzsteuer seien Verbrauchsteuern, die zwar technisch vom Automatenaufsteller abgeführt würde, wirtschaftlich aber vom Spieler getragen würden. Was bei der Vergnügungssteuer der Aufwand sei, sei lange streitig gewesen. Es habe sich aber die Auffassung durchgesetzt, dass Aufwand das in der Kasse verbleibende Einspielergebnis sei. Damit knüpfe die Vergnügungssteuer an die Bruttokasse an. Dabei sei nicht die Umsatzsteuer abzuziehen.

Während für innergemeinschaftliche Erwerbe in § 10 Abs. 1 S. 4 UStG geregelt sei, dass die Verbrauchsteuern, die vom Erwerber geschuldet oder entrichtet werden, in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind, fehle eine entsprechende Regelung für Umsätze im Inland. Zwar entspreche es der Auffassung der Umsatzsteuerrichtlinien, dass auch die Vergnügungsteuer zum Entgelt gehöre, weil sie Geschäftskosten darstelle.

Dieser Annahme liege jedoch ein Denkfehler zugrunde. Sie beruhe auf der Gleichsetzung der Vergnügungssteuer mit den Kosten des Unternehmens. Diese von der Rechtsprechung vertretene Theorie der wirtschaftlichen Abwälzung durch Kalkulation nach innen berücksichtige jedoch nicht, dass die Vergnügungsteuer von ihrer Konzeption her auf den Spieler abgewälzt werde.

Wäre die Vergnügungssteuer tatsächlich Teil des Entgeltes, müsste sie zur Zahlung an die Kommune aus dem Entgelt, dem Nettoumsatz, herausgerechnet werden. Man könne nicht einerseits behaupten, die Vergnügungssteuer sei Teil des Nettoumsatzes, andererseits sie von der Bruttokasse errechnen. Nach Zahlung der Umsatzsteuer aus dem Bruttoentgelt - wie vom Beklagten vertreten - stehe das Bruttoentgelt für die Zahlung der Vergnügungssteuer nicht mehr zur Verfügung.

Der Beklagte könne sich auch nicht auf Art. 73 MwStSystRL berufen. Zwar sei in Art. 78 a MwStSystRL geregelt, dass Steuern, Zölle und Abgaben in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen seien. Damit sei aber nicht notwendig die Vergnügungssteuer gemeint. Gemeint seien offensichtlich die Steuern und Abgaben, die etwas mit den Leistungen des Unternehmens zu tun hätten. In einzelnen Bundesländern würde jedoch keine Umsatzsteuer erhoben; die Leistung des Unternehmers werde infolgedessen ohne Vergnügungssteuer erbracht. In anderen Bundesländern werde die Vergnügungssteuer als Einsatzsteuer erhoben. Dies zeige, dass die Vergnügungssteuer fern und unabhängig vom Umsatz nach der Definition des EuGH erhoben werde.

Würde die Umsatzsteuer ebenso wie die Vergnügungssteuer aus der Bruttokasse herauszurechnen sein, würde dies dann nicht der Definition des Entgeltes nach der Definition des EuGH als frei zur Verfügung stehender Gestaltungsmasse entsprechen, wenn nach dem Ausspielverhältnis die nach der Bruttoeinnahme berechnete Vergnügungssteuer den Kasseninhalt aufzehre. Die Vergnügungssteuer stelle sich als durchlaufenden Posten dar. Die kommunale Vergnügungssteuer sei wie der Gewinn des Spielers dem Zugriff des Automatenaufstellers entzogen. Er könne nicht durch wirtschaftliche Entscheidungen über den Teil der Kasse, der als Vergnügungssteuer zu entrichten sei, verfügen.

Gleiches gelte auch für Unterhaltungsgeräte.

Die Klägerin stellt klar, dass sie sich für die Streitjahre nicht auf die Entscheidung des EuGH zur Steuerfreiheit von Umsätzen mit Glücksspielgeräten vom 17. Februar 2005 C-453/02, 462/02 -Linneweber-, BFH/NV 2005, Beilage 2, 94 beruft, sondern eine Besteuerung nach nationalem Umsatzsteuerrecht begehrt.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 2004 um 1.598,77 EUR und die Umsatzsteuer 2005 um 2.453,92 EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, dass die Vergnügungssteuer mit zum Entgelt gehöre. Ob der Unternehmer einen Gewinn erziele, sei unerheblich. Geschäftskosten und Geschäftsverluste könnten nicht abgezogen werden. Dies entspreche auch der Mehrwertsteuersystemrichtlinie; insoweit sei ausdrücklich geregelt, dass Steuern Zölle und Abgaben in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen seien.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer ist nicht um die von der Klägerin gezahlte Vergnügungssteuer zu mindern.

Der Umsatz wird nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Bei Umsätzen mit Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit gehört zum Entgelt nur der Teil der Einsätze, über den der Betreiber effektiv verfügen kann. Der gesetzlich festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinnen entspricht, gehört indes nicht zur Besteuerungsgrundlage der Umsatzsteuer EuGH Urteil vom 5. Mai 1994 C-38/93 - Glawe - UR 1994, 308).

Von dem Teil der Einnahmen, der in die Kasse der Spielgeräte gelangt, ist nur die Umsatzsteuer in Abzug zu bringen. Dies ergibt sich aus der Legaldefinition des Entgelts in § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG, die nicht vorsieht, dass die Bruttoeinnahmen um andere Steuern und Abgaben zu mindern sind als die Umsatzsteuer.

Die Klägerin kann auch aus dem Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer nichts für sich herleiten. Die Umsatzsteuer ist nur bei wirtschaftlicher Betrachtung der Steuerwirkungen eine Verbrauchssteuer. Rechtlich ist sie in ihrem Haupttatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG hingegen als Rechtsverkehrssteuer ausgestaltet. Sie ist mag zwar generell auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt sei. Ob aber die Überwälzung auf den Verbraucher im Einzelfall ganz, teilweise oder nicht gelingt, ist abhängig von der jeweiligen Marktsituation; dies ist Gegenstand finanzwissenschaftlicher Untersuchungen. Rechtlich ist es für den Besteuerungstatbestand der Umsatzsteuer hingegen gänzlich unerheblich, ob dem Unternehmer die Überwälzung der Umsatzsteuer auf den Verbraucher gelingt.

Soweit die Klägerin einen Widerspruch zwischen der Bemessung der Umsatzsteuer anhand der lediglich um die Umsatzsteuer geminderten Einnahmen und der Berechnung der Vergnügungssteuer anhand der Bruttokasse sieht, ist auch dieses für den Rechtsstreit nicht erheblich. Eine eventuell rechtsfehlerhafte Festsetzung der Vergnügungssteuer kann nicht im Verfahren der Festsetzung der Umsatzsteuer geltend gemacht werden.

Die Vergnügungsteuer ist aber auch nicht deshalb aus der Steuerbemessungsgrundlage der Umsatzsteuer herauszurechnen, weil es sich um einen durchlaufenden Posten handelt. Nach § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG gehören die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt, nicht zum Entgelt. Daraus folgt, dass der Unternehmer Gelder rechtlich, nicht nur wirtschaftlich für fremde Rechnung vereinnahmen muss, soll es sich um einen nicht zur Steuerbemessungsgrundlage gehörenden durchlaufenden Posten handeln.

Die Klägerin hat aber nicht Teile der Spieleinsätze im Namen und für Rechnung der Kommunen vereinnahmt; die Vergnügungssteuer erhebende Kommune tritt gegenüber dem Spieler in keiner Weise in Erscheinung. Der Glückspielumsätze erzielende Unternehmer hat, soweit eine öffentlich-rechtliche Körperschaft Vergnügungssteuer erhebt, dieser gegenüber eine Steuerverbindlichkeit zu erfüllen. Ob die Zahlung aber konkret mit jenen Geldmitteln erfolgt, die er mit den Glückspielgeräten vereinnahmt hat oder ob diese aus seinem sonstigen Vermögen stammen, bleibt ihm überlassen. Damit handelt es sich aber nicht um einen durchlaufenden Posten im Rechtssinne.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Das Gericht lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.



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