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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 13.12.2004
Aktenzeichen: 16 K 640/03
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 10b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Die Klägerin betreibt ein Taxiunternehmen. Sie unterhält diverse Kraftdroschken, für die sie Genehmigungen nach § 47 Personenbeförderungsgesetz hat. Mit den Kraftdroschken werden u.a. Krankenfahrten durchgeführt, deren umsatzsteuerliche Behandlung streitig ist.

Abweichend von der Verordnung über Beförderungsentgelte für die im Landkreis Osnabrück zugelassenen Taxen bestand für die Streitjahre die Vereinbarung der Krankenkassen des Arbeitskreises gesetzliche Krankenversicherung Osnabrück und AOK Melle mit dem Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen e. V., Bezirksgeschäftsstelle Osnabrück über die Vergütung der Krankenfahrten. Nach dieser Vereinbarung zahlen die Krankenkassen den zugelassenen Mietwagen- und Taxiunternehmen in der Stadt Osnabrück und im Landkreis Osnabrück, die die Gewähr für fachgerechte Krankenfahrten erbringen, fest vereinbarte Vergütungssätze für Krankenfahrten. Nach dieser Vereinbarung waren für Fernfahrten je Kilometer 1,15 DM (bis zum 30.06.1996) bzw. 1,18 DM (vom 01.07.1996 - 31.12.1996) bzw. 1,20 DM (ab 01.01.1997) abrechenbar. Nach der Vereinbarung waren Wartezeiten mit 7,50 DM je angefangene Viertelstunde zu vergüten. Die Gebühr für Wartezeiten durfte jedoch insgesamt nicht höher sein, als die abrechenbare Gebühr für eine zweite Fahrt.

Nach einer die Streitjahre umfassenden Außenprüfung nahm der Beklagte an, dass hinsichtlich derjenigen Krankenfahrten, die die Klägerin mit den Krankenkassen abrechnete und in den Abrechnungen Fahrten mit einer jeweiligen Gesamtlänge zwischen 100 - 200 km dargestellt waren, die Anwendung des begünstigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 b UStG nicht in Betracht komme, weil die jeweilige Beförderungsstrecke mehr als 50 km betragen habe. Hinsichtlich dieser Abrechnungen gehen die Verfahrensbeteiligten und das Gericht davon aus, dass die Klägerin einen Patienten von seiner Wohnung zur Behandlung beförderte, wobei die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Behandlungsort zwischen 25 km und 50 km lag, der Klägerin für die jeweilige Leerfahrt eine Vergütung nach festen Kilometersätzen zusätzlich zu stand und zwischen dem Hinbringen des Patienten zur ärztlichen Behandlung und der Rückfahrt des Patienten das jeweilige Taxi nicht vor Ort wartete, sondern den öffentlichen Personennahverkehr anderweitig zur Verfügung stand. Für diese Fälle nahm der Beklagte an, dass die Beförderung des Patienten zum Arzt und die Beförderung des Patienten zurück zur Wohnung unter dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit der Leistung als eine Beförderungsleistung anzusehen sei, mit der Folge, dass sich die Beförderungsleistung mit den Patienten auf einer Beförderungsstrecke von mehr als 50 km abspiele. Der Betriebsprüfer ermittelte diese Einzelfahrten anhand der Rechnungskopien, die sich in der Buchhaltung der Klägerin befanden. Hieraus ermittelte der Prüfer die Summe der Bemessungsgrundlagen je Jahr, auf die er den Regelsteuersatz anwandte.

Gegen die entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit ihrer Klage, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet. Die jeweilige Hinfahrt und Rückfahrt sei für sich zu betrachten. Eine einheitliche Leistung liege nicht vor. Deshalb komme der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung. Da im Streit nicht diejenigen Fallgestaltungen vorlägen, bei denen die Klägerin auf den Patienten während der Behandlung warte, lägen voneinander unabhängige Einzelleistungen vor. Dies gelte schon deshalb, weil die Gefahr bestehe, dass ein anderer Taxenunternehmer die Rückfahrt übernehme, für die ärztlicherseits eine gesonderte Verordnung ausgestellt werde. Diese sogenannten Krankentransportscheine seien allerdings mit der jeweiligen Abrechnung an die Krankenkasse weitergeben und deshalb nicht mehr vorhanden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Umsatzsteuer um X DM niedriger festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Maßgeblich dafür, ob ein einheitlicher Beförderungsvorgang vorliege, sei der Beförderungsvertrag zwischen der Klägerin und ihrem Kunden. Es sei anzunehmen, dass die Klägerin mit dem Kunden jeweils bei Fahrtantritt Hin- und Rückfahrt vereinbart habe, zumal der einzelne Kunde jeweils mit dem selben Taxenunternehmen gefahren sei. Auch sei anzunehmen, dass erfahrungsgemäß immer die gleichen Patienten befördert worden seien. Da sich somit die Vertragsparteien schon bei Fahrtantritt zum Arzt bzw. Krankenhaus über den Rücktransport einig gewesen seien, liege für die gesamte Beförderungsstrecke ein Beförderungsvertrag vor. Daran ändere die Unterbrechung der Fahrt während der Behandlung des Kunden nichts. Für die rechtliche Beurteilung, ob Hin- und Rückfahrt eine einheitliche Beförderungsleistung bildeten, komme es nicht auf das tatsächliche Verhalten während der Wartezeit an. Selbst wenn Hin- und Rückfahrt selbständige bürgerlich-rechtliche Vorgänge bildeten, seien beide Fahrten nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung umsatzsteuerlich einheitlich zu betrachten, weil sie wirtschaftlich zusammen gehörten und als einheitliches Ganzes anzusehen seien. Auf die Entscheidung des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 25. September 2001 zu Az.: 2 K 137/99 werde verwiesen.

Dem Gericht haben die für die Klägerin beim Beklagten geführten Steuerakten sowie die Betriebsprüfungsarbeitsakten vorgelegen.

Gründe:

Die Klage ist begründet.

Für die in Streit stehenden Beförderungsleistungen ist die Umsatzsteuer mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 b UStG anzusetzen, weil die jeweilige Beförderungsleistung auf einer Beförderungsstrecke von weniger als 50 km erfolgte.

Bei den streitigen Beförderungsleistungen handelt es sich um Beförderungen von Personen im Kraftdroschkenverkehr. Denn die Klägerin beförderte ihre Kunden mit Kfz, für die ihr die behördliche Genehmigung zum Verkehr mit Taxen nach § 47 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) erteilt war. Derartige Beförderungsleistungen sind steuerbegünstigt, wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km beträgt. Diese Steuerbegünstigung erklärt sich aus dem Umstand, dass bei Beförderungen im Nahbereich die Taxen Teil des zu begünstigenden öffentlichen Nahverkehrs darstellen.

Für die Streitfall ist entscheidend, ob jeweils die Hinfahrt und die Rückfahrt für sich zu beurteilen sind, mit der Folge, dass die jeweilige Fahrt steuerbegünstigt ist, oder ob Hinfahrt und Rückfahrt zusammen eine einheitliche nicht steuerbegünstigte Beförderungsleistung darstellt. Diese Frage ist danach zu entscheiden, ob zwischen den Beteiligten des Leistungsaustausches zwei Beförderungsverträge oder nur ein (einheitlicher) Beförderungsvertrag geschlossen wurde. Dies kann nicht danach beurteilt werden, ob der jeweilige Fahrgast bereits zeitlich bei Vereinbarung der Fahrt zur Behandlung mit der Klägerin die Rückfahrt vereinbarte. Ebenfalls kann nicht entscheidend sein, ob zwecks Kostenübernahme durch die jeweilige Krankenkasse der behandelnde Arzt die Notwendigkeit der sogenannten Krankenfahrt für die Hin- und Rückfahrt auf einem Formular bescheinigte oder zwei Formulare benutzte oder wann diese Bescheinigung von ihm erteilt wurde (vor Beginn der Hinfahrt, während der Behandlung oder im Nachhinein). Ebenfalls hält es das Gericht nicht für entscheidend, ob dem jeweiligen Patienten und Fahrgast bewusst war, ob er mit der Klägerin ein oder zwei Beförderungsverträge abschloss. Deswegen und auch wegen der inzwischen vergangen Zeit hält es das Gericht nicht für tunlich die Patienten hierzu zu befragen. Für die zu beurteilende Frage ist vielmehr entscheidend, dass in den streitigen Fällen, wie aus den Abrechnungen ersichtlich ist, vereinbart war, dass die Klägerin nach Durchführung der Hinfahrt zur jeweiligen Behandlung am Behandlungsort nicht auf den Patienten zu warten hatte, sondern vielmehr die Rückfahrt zum Firmensitz als Leerfahrt zusätzlich vergütet erhielt und sich zeitlich später erneut mit einem Taxi am Behandlungsort einzufinden hatte, um den Patienten zum jeweiligen Wohnort zu fahren. Bei dieser Fallgestaltung, die zwischen den Beteiligten des Rechtsstreites ebenso als feststehender Sachverhalt gesehen wird, kann aber nicht angenommen werden, es sei eine einheitliche Fahrt zwecks Behandlung des Patienten nur kurzfristig unterbrochen worden. Denn die Klägerin erhielt gerade nicht, wie in anderen von ihr durchgeführten Beförderungsfällen, eine Vergütung dafür, dass sie mit ihrem Taxi während der Behandlung des Patienten wartete und damit während dieser Zeit nicht für andere Personen im begünstigten Nahverkehr zu Verfügung stand. Vielmehr wurde ihr die Leerfahrt zum Betriebssitz zusätzlich vergütet. Die Beförderung des Patienten zur Behandlung hin war deshalb rechtlich und auch wirtschaftlich damit abgeschlossen. Sie erfolgte auf einer Beförderungsstrecke von weniger als 50 km und war deshalb steuerbegünstigt. Gleiches gilt umgekehrt für die jeweilige Rückfahrt.

Das Gericht geht bei seiner Entscheidung davon aus, dass die jeweils der Klägerin zusätzlich vergütete Leerfahrt bei der Frage der maßgeblichen Beförderungsstrecke unberücksichtigt bleibt, weil während der Leerfahrt keine Beförderung von Personen stattfindet.

Nach allem war die Umsatzsteuer herabzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO im Hinblick darauf, dass das Gericht von der Entscheidung des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 25.09.2001 (EFG 201, 625) abweicht.

Ende der Entscheidung

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