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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 01.09.2006
Aktenzeichen: 2 K 419/04
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 3 S. 4
EStG § 5
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 1
EStG § 55 Abs. 1 S. 1
EStG § 55 Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

2 K 419/04

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe ein Gewinn aus der Veräußerung eines Milchlieferrechts (Milchreferenzmenge) entstanden ist und in welcher Höhe die Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt haben.

Der Kläger bewirtschaftete bis Februar 2000 seinen in W belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb als aktiver Landwirt. Er betrieb den Hof seit Juni 1998 als Milchviehhof, nachdem seine Mutter ihm den Hof gegen Zahlung einer dauernden Last i.H.v. ... DM monatlich und Einräumung eines durch Reallast abgesicherten Wohnrechts überlassen hatte... Die Milchquote des Betriebes betrug 155.155 Kilogramm (kg). Im Februar 2000 (08.02.2000) veräußerte der Kläger die Milchquote für 232.732,50 DM (155.155 kg à 1,50 DM und zusätzlich eine freie Milchmenge für 4.500 DM (15.000 kg zu 0,30 DM).

Das FA ermittelte einen Gewinn in Höhe von 66.716 DM aus der Veräußerung der Milchquote wie folgt:

 Erlös232.732 DM
Buchwert: 155.155 kg á 1,07 DM =166.015,85 DM
Gewinn:66.716 DM

Den Betrag von 1,07 DM ermittelte das FA nach Maßgabe der Tabelle in Rz. 18 des BMF-Schreibens vom 14.01.2003 (Az. IV A 6 - S 2134-52/02). Dabei legte es als durchschnittlichen Verkehrswert pro qm im Gebiet "Wiesmoor" zum 02.04.1984 2,20 DM/qm zugrunde. Diesen Betrag minderte der Beklagte um 10% und ermittelte einen durchschnittlichen Verkehrswert zum 01.07.1970 von 1,95 DM/qm. Es legte zudem - abgeleitet aus dem Einheitswert zum 01.01.1964 - eine durchschnittliche Ertragsmesszahl des Betriebes von 33,5 zugrunde. Bei Ansatz dieser Ausgangsgrößen ergibt sich nach Auffassung des BMF, der das Finanzamt folgt, ein Buchwert von 1,07 DM (vgl. Rz. 18 des BMF-Schreibens, a.a.O.).

Der Kläger ist der Auffassung, er habe durch die Veräußerung der Milchmengen keinen Gewinn realisiert. Ein solcher Gewinn entstehe - wie sich aus dem BFH-Urteil vom 05.03.1998, BStBl II 2003, 56 ergebe - erst dann, wenn die Summe der Teilwerte - Lieferrecht sowie Grund und Boden - den doppelten Ausgangbetrags nach § 55 Abs. 1 EStG überstiegen. Dies sei hier aber nicht der Fall. Das BMF-Schreiben vom 14.01.2003 sei nicht mit der BFH-Rechtsprechung vereinbar. Bei einer zeitlich versetzten Veräußerung von Milchquote und Grund und Boden dürfe die Abspaltung von Grund und Boden sowie Milchreferenzmenge nicht zu einer Schlechterstellung des Steuerpflichtigen führen. Bei richtiger Berechnung ergebe sich vielmehr ein - gem. § 55 Abs. 6 EStG - nicht abziehbarer Verlust. Der Kläger ermittelte einen Verlust aus der Veräußerung der Milchquote:

 Gesamterlös:237.232 DM (232.732 DM + 4.500 DM)
zzgl. Entnahmewert Grubo zum 30.04.2004182.218 DM 
Gesamt419.450 DM 
./. Buchwert673.295 DM 
(Nicht abziehbarer) Verlust./. 253.845 DM

Der Kläger hatte zudem Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 5.219 DM erklärt. In dem Betrag von 5.219 DM waren keine Einnahmen aus Konten bei der Kreissparkasse A. enthalten. Das Finanzamt setzte die Einkünfte aus Kapitalvermögen mit 7.624,26 DM an, nachdem es festgestellt hatte, dass der Kläger bei der Kreissparkasse A. einen Freistellungsauftrag in Höhe von 2.150 DM erteilt hatte. Zwischenzeitlich hat der Kläger Selbstanzeige erstattet und Zinsen in Höhe von 7.432 DM erklärt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Abänderung der Einkommensteuerbescheide 1999 vom 11.01.2002 und 2000 vom 29.08.2005 in der Fassung der Einspruchsbescheide die Einkommenssteuer 1999 auf 889,41 EUR und die Einkommensteuer 2000 auf 0 EUR herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist weiterhin der Auffassung, das Finanzamt habe den Gewinn aus der Veräußerung des Milchlieferrechts ordnungsgemäß ermittelt. Der BFH habe an der sogenannten Einheitsbetrachtung nicht festgehalten. Außerdem habe der Kläger den Abspaltungsbetrag nicht nach den Wertverhältnissen zum 02.04.1984 ermittelt, sondern den Verkehrswert des Grund und Bodens aus dem Jahre 2004 nebst dem Verkaufserlös der Milchreferenzmenge dem Buchwert des Grund und Bodens gem. § 55 Abs. 1 EStG gegenüber gestellt. Mangels detaillierter Angaben über die maßgeblichen Wertverhältnisse durch den Kläger habe der Abspaltungsbetrag für die Milchreferenzmenge daher nur nach der Vereinfachungsregelung in Tz. 18 des BMF-Schreibens vom 14.01.2003 ermittelt werden können.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Steuerakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat die Einkünfte des Klägers der Höhe nach richtig berechnet.

1. Der durch die Veräußerung der Milchreferenzmenge erzielte Veräußerungserlös ist lediglich dem abgespaltenen Buchwert für die Milchreferenzmenge gegenüberzustellen. Dies hat der Beklagte bei seiner Berechnung auch getan. Bei Steuerpflichtigen, deren Gewinn für das Wirtschaftsjahr, in das der 30. Juni 1970 fällt, nicht nach § 5 EStG zu ermitteln ist, gilt nach § 55 Abs. 1 Satz 1 EStG bei Grund und Boden, der mit Ablauf des 30. Juni 1970 zu ihrem Anlagevermögen gehört hat, als Anschaffungs- oder Herstellungskosten (§ 4 Abs. 3 Satz 4 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1) das Zweifache des nach den Absätzen 2 bis 4 zu ermittelnden Ausgangsbetrags. Zum Grund und Boden im Sinne des Satzes 1 gehören nicht die mit ihm in Zusammenhang stehenden Wirtschaftsgüter und Nutzungsbefugnisse, § 55 Abs. 1 Satz 2 EStG.

Entgegen der noch in den BFH-Urteilen vom 5. März 1998 (IV R 23/96, BFHE 185, 434 und 435) vertretenen sog. Einheitsbetrachtung waren die abzuspaltenden Buchwerte nach der (sog.) Gesamtwertmethode zu bestimmen und getrennt für Grund und Boden und Milchreferenzmenge mit dem jeweiligen Veräußerungserlös zu verrechnen. Nach einer Einheitsbetrachtung wäre es im Streitfall zwar - wie vom Kläger beantragt - lediglich erforderlich gewesen, den für den Grund und Boden sowie die Milchreferenzmenge erzielten Veräußerungspreisen den zum 1. Juli 1970 angesetzten Pauschalwert gegenüberzustellen. Der BFH hatte in den Urteilen vom 05.03.1998 (a.a.O.) allerdings noch offen gelassen, wie ein Veräußerungsgewinn bzw. -verlust bei der gesonderten Veräußerung oder Entnahme von Grund und Boden oder der Milchreferenzmenge zu berechnen ist. Wie sich indes aus dem BFH-Urteil vom 21.01.1999 (IV R 27/97, BFHE 188, 27, BStBl II 1999, 638) ergibt, hat die Abspaltung der Milchreferenzmenge von dem Wirtschaftsgut Grund und Boden zur Folge, dass die Anschaffungskosten für den Grund und Boden nach Maßgabe der Gesamtwertmethode der Milchreferenzmenge zuzuordnen sind. Diese Aufteilung ist --theoretisch betrachtet-- im Zeitpunkt des Inkrafttretens der MGV, aber bezogen auf das Wertverhältnis zum Stichtag (1. Juli 1970), vorzunehmen. Als Buchwert der Milchreferenzmenge ist daher der Anteil des am 25. Mai 1984 geltenden Grundstückswertes anzusetzen, der dem am 1. Juli 1970 bestehenden Wert der Möglichkeit zur Milcherzeugung und -vermarktung entspricht. Auch bei der Ausgabe junger Aktien, die auch wirtschaftlich sofort eigenständig sind und gehandelt werden, sind die historischen Anschaffungskosten der Altaktien nach den sich in der Folgezeit ergebenden Wertverhältnissen von Aktien und Bezugsrecht vorzunehmen, weil der sog. Bezugsrechtsabschlag ausdrückt, in welcher Höhe ein Teil der historischen Anschaffungskosten den Bezugsrechten oder den jungen Aktien zuzuordnen ist. Für die Zuordnung des anteiligen Pauschalwerts auf die Milchreferenzmenge ist grundsätzlich ebenso zu verfahren (vgl. BFH vom 25.11.1999, IV R 64/98, BStBl. II 2003, 61). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich ein Markt für die Milchreferenzmenge erst allmählich bilden konnte und sie dadurch erst sehr viel später als eigenständiges immaterielles Wirtschaftsgut wirtschaftlich in Erscheinung getreten ist (vgl. BFH-Urteile vom 4. September 1997, IV R 88/96, BFHE 184, 400, BStBl II 1998, 657, und vom 26. August 1992, I R 24/91, BFHE 169, 163, BStBl II 1992, 977).

Der Beklagte hat sich an diesen Grundsätzen - in Anlehnung an das BMF-Schreiben vom 14.01.2003 (a.a.O.) - fehlerfrei orientiert und festgestellt, in welcher Höhe ein Teil des zum 1. Juli 1970 für das damalige Wirtschaftsgut Grund und Boden angesetzten Pauschalwertes auf das davon abgespaltene Wirtschaftsgut Milchreferenzmenge übergegangen ist. Die im BMF-Schreiben vom 14.01.2003 (a.a.O.) enthaltenen Schätzungsgrundlagen sind nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Kläger ist der Wert des Grund und Bodens und der auf die Referenzmenge entfallende Kaufpreis im Falle der isolierten Veräußerung einer Milchreferenzmenge nicht zusammen zu rechnen und dem doppelten Ausgangswert gem. § 55 Abs. 1 EStG gegenüber zu stellen. Die Ermittlung des anteiligen Pauschalwertes mit 1,07 DM nach Maßgabe von Rz. 18 des BMF-Schreibens vom 14.01.2003 ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Der durchschnittliche Wert der bewirtschafteten Fläche betrug je Quadratmeter nach den Wertverhältnissen zum 02.04.1984 jedenfalls mehr als 1 DM. Für einen Wert von über 1 DM bis zu 2 DM je Quadratmeter bewirtschaftete Fläche ist nach Rz. 18 des BMF-Schreibens vom 18.01.2003 ein abzuspaltender Buchwert von 1,07 DM anzusetzen. Zwar hat der Kläger einen durchschnittlichen Wert von (nur) 0,44 EUR, also weniger als 1 DM je Quadratmeter bewirtschaftete Fläche - und damit eine andere Ausgangsgröße - ermittelt. Dabei hat er aber die Richtwertkarte zum 01.01.2004 - also nicht für das Jahr 1984 - zugrundegelegt. Außerdem konnte er nicht schlüssig darlegen, warum er zum Teil Beträge von nur 0,25 EUR/qm angesetzt hat, obwohl die Fläche des Kläger nach eigenen Angaben im Wesentlichen aus Grünland und Ackerland bestand. Für Grün- und Ackerland weist die Richtwertkarte indes zum 01.01.2004, also 20 Jahre nach dem maßgeblichen Stichtag, Werte von 0,75 - 0,95 EUR aus. Der Kläger hat seine Wertangaben (durchschnittlicher Wert von nur 0,44 EUR) zudem - auch im Schriftsatz vom 23.05.2005 - nicht ansatzweise glaubhaft machen können, so dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens weder zweckmäßig noch geboten war - zumal der Kläger dieses nicht beantragt hat. Überdies sollen nach telefonischer Auskunft des Gutachterausschusses des Katasteramtes Aurich die Bodenrichtwerte für landwirtschaftliche Flächen vielmehr zwischen 1,50 DM und 2,40 DM betragen haben. Dies wurde dem Kläger bereits durch den Aussetzungsbeschluss vom 1. Juni 2005 bekannt. Der Kläger hat einen Wert von weniger 1 DM/qm dennoch nicht mehr behauptet, geschweige denn, substantiiert vorgetragen.

2. Auch die Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist nicht zu beanstanden. Aufgrund der Selbstanzeige des Klägers steht fest, dass der Beklagte die Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht zu hoch angesetzt hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision war mangels grundsätzlicher Bedeutung nicht zuzulassen.



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