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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 01.02.2006
Aktenzeichen: 2 K 466/03
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist, ob im Streitjahr 2001 der Vorwegabzug der zusammenveranlagten Ehegatten nur nach dem Arbeitslohn der Klägerin oder nach dem zusammen gerechneten Arbeitslohn beider Kläger zu mindern ist.

Die Kläger sind im Streitjahr 2001 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Der Kläger, geb. 1954, war im Streitjahr als Gesellschafter-Geschäftsführer der X-GmbH nichtselbstständig tätig und erzielte dadurch einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 141.600 DM. Die Klägerin, geb. 1954, arbeitete als Angestellte und hatte einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 38.298 DM.

Der Kläger war im Jahre 1984 in die GmbH eingetreten. Er hielt anfangs 20 v.H. der Gesellschaftsanteile. Nach dem Gesellschaftsvertrag erhöhte sich der Anteil des Klägers bis zum Jahr 1999 bis auf 40 v.H. Seitdem, mithin auch im Streitjahr, war der Kläger zu 40 v.H. beteiligt. Die übrigen Gesellschaftsanteile hielt jeweils ein Herr B, geb. 1938. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag verwiesen.

Zum 1. Januar 1993 erhielten beide Gesellschafter von der GmbH eine Pensionszusage über ein jährliches Ruhegehalt von 36.000 DM. Nach der Pensionszusage hatten beide Gesellschafter jeweils Anspruch auf eine Altersrente von 3.000 DM/Monat nach Vollendung des 65. Lebensjahrs sowie eine Hinterbliebenenversorgung für den überlebenden Ehegatten von 60 v.H. der zugesagten Altersrente. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Versorgungszusagen (Bl. 39 und 44/45 d. Gerichtsakte) Bezug genommen.

In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben wie folgt geltend:

 Sozialversicherungsbeiträge7.890 DM
Kranken- und Pflegeversicherung6.148 DM
Unfallversicherung80 DM
Lebensversicherung6.604 DM
Haftpflichtversicherung127 DM
20.849 DM

Auf der ihn betreffenden Anlage N machte der Kläger ergänzende Angaben zu den Vorsorgeaufwendungen. Er gab dort an, für seine Tätigkeit als GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer bestehe keine gesetzliche Rentenversicherungspflicht. Er habe jedoch aus dieser Tätigkeit eine Anwartschaft auf Altersversorgung (ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistungen).

Der Beklagte erließ den Einkommensteuerbescheid erklärungsgemäß. Bei der Höchstbetragsberechnung zum beschränkten Abzug der Vorsorgeaufwendungen minderte er den Vorwegabzug um 12.000 DM, wobei er der Minderung den zusammen gerechneten Bruttoarbeitslohn beider Kläger zugrunde legte. Dadurch ergab sich ein Vorwegabzug von 0 DM.

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Kläger sind der Auffassung, der Vorwegabzug sei nur unter Zugrundelegung des Bruttoarbeitslohns der Klägerin wie folgt zu mindern:

 Vorwegabzug12.000 DM
Minderung Arbeitslohn Klägerin 38.298 DM x 16 v.H. =6.127 DM
verbleibender Vorwegabzug5.873 DM

Der Kläger habe nämlich im Streitjahr keine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung gehabt. Als GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer habe er seine Altersversorgung ausschließlich durch Verzicht auf ihm zustehende gesellschaftsrechtliche Ansprüche erworben. Zwar sei er bei der GmbH nur Minderheitsgesellschafter und habe eine Altersversorgung in derselben Höhe wie der Mehrheitsgesellschafter. Dies bedeute aber keine Altersversorgung des Klägers auf Kosten des Mehrheitsgesellschafters. Bezüglich der Verwendung ihrer gesellschaftsrechtlichen Ansprüche seien die Gesellschafter frei. Dabei sei davon auszugehen, dass kein Gesellschafter auf seine Ansprüche zugunsten seines Mitgesellschafters verzichten würde, wenn dem nicht eine entsprechende Gegenleistung, z.B. Arbeitsleistung, gegenüber stehe.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung des Einkommensteuerbescheids in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 3. Juli 2003 die Einkommensteuer um 2.184 DM niedriger festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner Auffassung fest, der Vorwegabzug sei nach dem zusammen gerechneten Bruttoarbeitslohn beider Kläger auf 0 DM zu mindern. Der Kläger habe im Streitjahr eine Altersversorgung teilweise ohne eigene Beitragsleistung gehabt. Der Mitgesellschafter des Klägers in der GmbH, Herr B, habe nämlich zugunsten des Klägers auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche verzichtet. Dem Kläger hätte gesellschaftsrechtlich und bei typisierender und wirtschaftlicher Betrachtung entsprechend seiner Minderheitsbeteiligung nur eine geringere Altersversorgung als dem Mehrheitsgesellschafter zugestanden. Tatsächlich habe der Kläger aber dieselbe Altersversorgung wie der Mehrheitsgesellschafter gehabt, so dass er die Altersversorgung teilweise zu dessen Lasten erworben habe.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht den Vorwegabzug auf 0 DM gemindert.

In die Minderung des Vorwegabzugs ist neben dem Bruttoarbeitslohn der Klägerin auch der des Klägers einzubeziehen.

Nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a EStG ist der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen i.S. des § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG um 16 v.H. der Summe der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG zu kürzen, wenn der Steuerpflichtige zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG gehört. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG erfasst Arbeitnehmer, die während des ganzen oder eines Teils des Kalenderjahres nicht der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen, eine Berufstätigkeit ausgeübt und im Zusammenhang damit aufgrund vertraglicher Vereinbarungen Anwartschaftsrechte auf eine Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung erworben haben.

Der Kläger hatte im Streitjahr 2001 aufgrund des Gesellschafterbeschlusses vom 15. Dezember 1992 und der Versorgungszusage vom 1. Januar 1993 ein Anwartschaftsrecht auf eine Altersversorgung durch die GmbH erworben.

Dem Kläger steht der ungekürzte Vorwegabzug, d.h. unter Außerachtlassung seines Arbeitslohns, aber nur dann zu, wenn er sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung durch die GmbH nicht ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung, d.h. ausschließlich durch eigene Beitragsleistung erworben hat (§ 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG).

"Beitragsleistung" für die (eigene) Altersversorgung ist nicht nur eine Geldzahlung, sondern jede Minderung eines Vermögensanspruchs gegen eine Versorgungszusage (BFH-Urteil vom 25. März 1992, X R 121/90, BFH/NV 1992, 596). In diesem Sinn hat der BFH entschieden, dass der Vorwegabzug für Vorsorgeaufwendungen bei einem Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH nicht nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG zu kürzen ist, da dieser --wirtschaftlich betrachtet-- eine ihm von der GmbH zugesagte Altersversorgung durch Verzicht auf entsprechende gesellschaftsrechtliche Ansprüche (§§ 29, 72 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) und damit letztlich ausschließlich durch eigene Beitragsleistungen erwirbt (Urteil in BStBl II 2004, 546).

Der Kläger war jedoch im Streitjahr nicht Alleingesellschafter und Geschäftsführer, sondern Minderheitsgesellschafter und Geschäftsführer neben dem Mehrheitsgesellschafter.

Hat eine GmbH mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern eine Altersversorgung zugesagt, kann nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, auch diesen der Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG ungekürzt zustehen (BFH-Urteil vom 15. Dezember 2004, XI R 45/03, BFH/NV 2005, 1509). Auf die dort dargestellten Grundsätze wird verwiesen. Entscheidend ist nach diesen Grundsätzen, ob der einzelne Gesellschafter-Geschäftsführer bei typisierender und wirtschaftlicher Betrachtung sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung ausschließlich durch einen seiner Beteiligungsquote entsprechenden Verzicht auf gesellschaftliche Ansprüche erwirbt.

Der Kläger hat im Streitjahr aber sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung durch die GmbH nicht ausschließlich durch eigene Beitragsleistung erworben.

Die Frage, ob bei mehreren Gesellschafter-Geschäftsführern der einzelne sein Anwartschaftsrecht auf Altersversorgung ganz oder teilweise ohne eigene Beitragsleistung i.S. des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG, d.h. auch zu Lasten der gesellschaftsrechtlichen Ansprüche seiner Mitgesellschafter erwirbt, beantwortet sich danach, ob der Aufwand der GmbH für die Altersversorgung des jeweiligen Gesellschafter-Geschäftsführers dessen quotaler Beteiligung an der GmbH entspricht (BFH-Urteil vom 15. Dezember 2004, XI R 45/03, aaO., ebenso Siebenhüter in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 10c EStG Rz. 54). Im Wege einer vorausschauenden Betrachtung ist zu ermitteln, ob danach jeder Gesellschafter-Geschäftsführer für seine Versorgung wirtschaftlich betrachtet letztlich selbst aufkommen soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass selbst zu gleichen Teilen beteiligte fremde Gesellschafter typischerweise nicht bereit sind, zugunsten von Mitgesellschaftern auf ihre Gewinnansprüche zu verzichten; auch das Gesetz geht von der Gleichbehandlung der Gesellschafter aus (Baumbach/Hueck, GmbH-Gesetz, 17. Aufl., 2000, § 13 Rz. 35f.; § 29 Rz. 51).

Bei dieser Betrachtung kommt es nicht darauf an, inwieweit die GmbH im Streitjahr tatsächlich Beitragsleistungen, z.B. durch Pensionsrückstellungen oder Leistungen an eine Rückdeckungsversicherung erbracht hat, weshalb die GmbH-Akten nicht beizuziehen waren. Der BFH hat nämlich zu § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a i.V.m. § 3 Nr. 62 EStG wiederholt entschieden, dass der Vorwegabzug auch in solchen Veranlagungszeiträumen zu kürzen ist, in denen der Arbeitgeber tatsächlich keine Zukunftssicherungsleistungen erbracht hat. Entscheidend war danach, dass der Steuerpflichtige zum Personenkreis derer gehörte, die ihre Anwartschaftsrechte auf Altersversorgung (teilweise) durch Leistungen Dritter erwerben bzw. erworben haben (vgl. BFH-Urteile vom 4. März 1998, X R 109/95, BFH/NV 1998, 1466; vom 16. Dezember 2002, XI R 23/00, BFH/NV 2003, 463 ). Entsprechendes gilt unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des Vorwegabzugs für die in § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG genannten Fälle. Dem zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 2 EStG gehörenden Gesellschafter-Geschäftsführer steht der Vorwegabzug zu, wenn er auf Dauer gesehen seine Altersversorgung allein durch den Verzicht auf seine gesellschaftsrechtlichen Ansprüche aufbaut.

Hiervon kann bei mehreren gleich hoch beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführern ausgegangen werden, wenn ihnen die gleiche Altersversorgung zugesagt wird und sich bei typisierender vorausschauender Betrachtungsweise ein höherer Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche des einen der Gesellschafter-Geschäftsführer durch einen höheren Verzicht des anderen in späteren Jahren ausgleichen wird (BFH-Urteil vom 15. Dezember 2004, XI R 45/03, aaO.). Eine andere Beurteilung würde bei gleicher Beteiligungsquote und gleicher Direktzusage den älteren Gesellschafter-Geschäftsführer allein wegen der höheren jährlichen Zuführungen zur Pensionsrückstellung steuerlich schlechter stellen als den jüngeren Mitgesellschafter. Dies lässt sich aus der Sicht des Art. 3 Abs. 1 GG sachlich nicht rechtfertigen.

Im Streitfall liegt es insoweit anders, als die beiden Gesellschafter-Geschäftsführer im Streitjahr zwar die gleiche zugesagte Altersversorgung hatten, ihre Beteiligungsquote aber unterschiedlich war. Dies ist entscheidend. Um dem Kläger nämlich seine Altersversorgung zu finanzieren, musste der Mehrheitsgesellschafter B im Streitjahr zumindest teilweise auf seine gesellschaftsrechtlichen Ansprüche verzichten. Dieser Verzicht auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche ist auch für die Kürzung des Vorwegabzugs von Bedeutung. Denn nur eine wegen des unterschiedlichen Alters der Gesellschafter-Geschäftsführer sich ergebende Differenz in der Höhe des Verzichts auf gesellschaftsrechtliche Ansprüche ist - nach den dargestellten Grundsätzen - unbeachtlich, weil sich dies über die Jahre hinweg ausgleicht. Der aus der unterschiedlichen Beteiligungsquote herrührende darüber hinaus gehende Verzicht des Mehrheitsgesellschafters zugunsten des Minderheitsgesellschafters gleicht sich hingegen nicht aus. Darin liegt vielmehr eine Begünstigung des Minderheitsgesellschafters, der insoweit seine Altersversorgung nicht aus eigenen Mitteln erwirbt.

Die Gründe für diesen Verzicht des Mehrheitsgesellschafters zugunsten des Minderheitsgesellschafters sind, entgegen der Auffassung der Kläger, für die Frage der Kürzung des Vorwegabzugs unbeachtlich. Der Beklagte hat den Vorwegabzug damit zutreffend auch unter Einbeziehung des Arbeitslohns des Klägers gekürzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da der Frage, wann ein Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer eine Altersversorgung zu Lasten des Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH hat, grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Ende der Entscheidung

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