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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 23.04.2008
Aktenzeichen: 2 K 99/07
Rechtsgebiete: EigZulG, AO


Vorschriften:

EigZulG § 2
EigZulG § 15
AO § 129
AO § 164 Abs. 2
AO § 165
AO § 173 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

2 K 99/07

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Finanzamt dazu berechtigt war, den zugunsten des Klägers erlassenen Bescheid über Eigenheimzulage aufzuheben.

Der Kläger errichtete im Jahre 2005 auf dem Grundstück seiner Mutter in H ein Gebäude. Die Mutter hatte bis zum Jahre 2002 einen landwirtschaftlichen Betrieb, den sie nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahre 1998 übernommen hatte, fortgeführt und im Jahre 2002 aufgegeben.

Im Dezember 2003 stellte der Kläger, einen Bauantrag für den "Neubau eines Einfamilienhauses mit Doppelcarport und Geräteraum". Der Landkreis erteilte dem Kläger am 2. April 2004 eine Baugenehmigung für das Bauvorhaben "Umbau einer Scheune mit Wohnhaus mit Garage".

Im April 2005 schloss der Kläger einen Bauvertrag mit einem Bauunternehmen nach Maßgabe eines Baukataloges. Der Kläger ließ das Gebäude errichten und bezog dieses mit seiner Ehefrau und seinen Kindern nach Fertigstellung zum 1. Dezember 2005.

Im März 2006 beantragte er als Bauherr Eigenheimzulage ab 2005 und legte die Baugenehmigung für den "Umbau einer Scheune zum Wohnhaus mit Garage" vor. Das Finanzamt setzte die Eigenheimzulage antragsgemäß i.H.v. 2.812 EUR fest und zahlte die Eigenheimzulage für 2005 und 2006 i.H.v. 5.624 EUR an den Kläger aus.

Durch Schreiben vom August 2006 erließ die Bauaufsichtsbehörde eine Nutzungsuntersagungsverfügung für das Objekt und ordnete die Vornahme einer Versiegelung an. Zur Begründung führte die Behörde aus, Voraussetzung für die Erteilung der Baugenehmigung sei gewesen, dass die äußere Gestalt des Gebäudes im Wesentlichen gewahrt bleibe. Dies sei nach dem genehmigten Bauvorhaben der Fall gewesen. Es sei nunmehr aber festgestellt worden, dass die Baumaßnahme nicht entsprechend der Baugenehmigung durchgeführt worden sei. Weiter heißt es in dem Schreiben:

"Es ist vielmehr ein anderes Gebäude errichtet worden, dass mit dem ursprünglich vorhandenen Scheuengebäude weder in Höhe und Kubatur noch hinsichtlich der Dachform vergleichbar ist. Die Identität des alten Scheunengebäudes ist durch das jetzige Gebäude verloren gegangen."

Im Oktober 2006 schloss der Kläger und seine Ehefrau sowie die Baubehörde einen öffentlich rechtlichen Vertrag, nach dessen Inhalt der Kläger sich verpflichtete, dass errichtete Gebäude auf die Kubatur des bisherigen Scheunengebäudes bis zum 30. April 2007 zurückzubauen. Weiter heißt es in § 3 des Vertrages "Nach Rückbau aufgrund der freigegebenen Pläne wird der Landkreis die erlassene Nutzungsuntersagung aufheben und das zurückgebaute Gebäude baurechtlich dulden, ohne aber es zu genehmigen".

Der Kläger baute das Gebäude entsprechend der Vereinbarung zurück. Der Landkreis nahm die Nutzungsuntersagungsverfügung im Oktober 2007 zurück und wies darauf hin, dass das Gebäude entsprechend der übersandten Bauzeichnung nunmehr "geduldet" werde.

Die Bauaufsichtsbehörde teilte dem Finanzamt bereits durch Schreiben vom 17. August 2006 mit, bei einer örtlichen Überprüfung am 19. Juni 2006 sei festgestellt worden, dass der Kläger das Gebäude nicht entsprechend den genehmigten Unterlagen habe errichten lassen und damit formell und materiell illegal sei. Das Finanzamt hob darauf hin den Bescheid über Eigenheimzulage unter Hinweis auf § 11 Abs. 3 EigZulG auf und forderte die gezahlte Eigenheimzulage zurück.

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.

Der Kläger ist der Auffassung, der Aufhebungsbescheid sei rechtswidrig. Er habe einen Anspruch auf Zahlung von Eigenheimzulage. Das Bauvorhaben sei durch den öffentlich-rechtlichen Vertrag mit einer Duldungsverpflichtung der Baubehörde legalisiert worden. Damit bestehe kein baurechtswidriger Zustand mehr; die Voraussetzungen des Eigenheimzulagengesetzes lägen damit vor.

Der Kläger beantragt,

den Aufhebungsbescheid des Beklagten vom 28. September 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung von 22. Januar 2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

und ist weiterhin der Auffassung, der Aufhebungsbescheid sei rechtmäßig. Ein Anspruch auf Eigenheimzulage bestehe nicht, weil das Vorhaben nicht baurechtlich genehmigt worden sei. Überdies verfüge der Kläger auch nicht über wirtschaftliches Eigentum an dem Objekt. Eigentümer des Grund und Bodens sei vielmehr seine Mutter. Damit habe seine Mutter gemäß § 946 BGB an dem Gebäude Eigentum erworben.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Sitzungsprotokoll sowie die Steuerakten verwiesen. Das Gericht hat die Bauakten beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Das Finanzamt hat den Bescheid über Eigenheimzulage zu Recht aufgehoben.

1. Der Bescheid über Eigenheimzulage war nach § 15 EigZulG i.V.m. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aufzuheben. Materielle Fehler sind vorrangig mit Wirkung ex tunc durch Änderungs- oder Aufhebungsbescheid nach § 15 EigZulG i.V.m. § 129, § 164 Abs. 2, §§ 165, 173 oder 175 AO zu korrigieren (Erhard in Blümich, Komm. zum EStG, § 11 EigZulG Rz. 3), so dass § 173 AO dem Grunde nach anwendbar war. Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, wenn Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer - hier also zu einem niedrigeren Anspruch auf Eigenheimzulage - führen. Unbeachtlich ist die fehlerhafte Begründung des Finanzamtes. Das Finanzamt hat den Bescheid unter Hinweis auf § 11 Abs. 3 EigZulG aufgehoben hat; § 11 Abs. 3 EigZulG ist indes nur bei nachträglichem Entfallen der Förderungsvoraussetzungen anwendbar (vgl. Erhard in Blümich, Komm. zum EStG, § 11 EigZulG Rz. 31). Bei nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen - hier: formelle und materielle Illegalität eines Gebäudes - ist demgegenüber § 173 AO einschlägig. Dies ist hier der Fall, weil der Kläger ein formell und materiell illegales Bauvorhaben verwirklicht hat und dies dem Finanzamt erst nachträglich bekannt wurde. Einem nachträglichen Bekanntwerden steht nicht entgegen, dass nach dem dem Finanzamt vorgelegten Bauvertrag ein "Neubau" errichtet werden sollte. Hieraus konnte das Finanzamt auch in Kenntnis der Baugenehmigung, nach der ein "Umbau" genehmigt war, nicht hinreichend sicher auf die Tatsache schließen, das das zu errichtende Gebäude baurechtswidrig war. Es konnte daher dahinstehen, ob der Kläger als wirtschaftlicher Eigentümer des auf fremden Grund und Boden errichteten Gebäudes anzusehen war (vgl. hierzu BFH v. 29.03.2007, IX R 14/06, [...]).

2. Ein Anspruch auf Eigenheimzulage bestand nicht, weil der Kläger kein nach § 2 EigZulG begünstigtes Objekt errichtet hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Wohneigentumsförderung nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist die Herstellung einer Wohnung dann nicht begünstigt, wenn die Wohnung entgegen den baurechtlichen Vorschriften ohne Baugenehmigung errichtet worden ist. Der Nachweis für die (materielle) Baurechtmäßigkeit des Bauvorhabens kann danach nur durch eine Baugenehmigung oder eine Bescheinigung der zuständigen Behörde, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist --so genannte Baufreistellungsbescheinigung-- erbracht werden (BFH-Urteil vom 2. Juni 1999, X R 84/97, BStBl II 1999, 598, m.w.N.). Grundsätzlich ist diese Rechtsprechung auch auf das EigZulG als Nachfolgeregelung des § 10e EStG anwendbar, da das EigZulG mit der Förderung vergleichbare Zwecke verfolgt, nämlich den Erwerb von Wohneigentum für Familien mit Kindern zu erleichtern und die Vermögensbildung als Bestandteil der Altersvorsorge zu fördern (BTDrucks 13/2235, S. 14). Bestehen Zweifel an der Baurechtmäßigkeit eines ohne Baugenehmigung errichteten, aber nach dem Baurecht des Förderzeitraums genehmigungspflichtigen Gebäudes oder an der Berechtigung zur uneingeschränkten Nutzung, ist die Eigenheimzulage zu gewähren, wenn der Anspruchsberechtigte nachträglich eine Baugenehmigung beantragt und diese erteilt wird.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Das Bauvorhaben wurde nach dem ausdrücklichen Wortlaut des öffentlich-rechtlichen Vertrages gerade nicht genehmigt, sondern lediglich geduldet. Die Duldung eines baurechtswidrigen Zustands reicht indes für die Bewilligung von Eigenheimzulage grundsätzlich gerade nicht aus (vgl. auch BFH-Beschluss vom 10.12.2004, III B 156/03, BFH/NV 2005, 512). Die Formulierung ("duldet") wurde auch bewusst in den öffentlich-rechtlichen Vertrag aufgenommen, da in einem früheren Vertragsentwurf noch die Erteilung einer Nachtraggenehmigung vorgesehen war (vgl. zu weiteren Einzelheiten Bauakte Bl. 60). Demnach ist das Objekt baurechtlich nach wie vor materiell nicht rechtmäßig. Eine Ausnahme dergestalt, dass auch bei geduldeten Bauvorhaben Eigenheimzulage zu gewähren ist, ist nicht geboten. Vielmehr setzt eine Begünstigung nach dem EigZulG einen materiell baurechtmäßigen Zustand voraus, der hier nicht vorliegt. Bestehen Zweifel an der Baurechtmäßigkeit eines ohne Baugenehmigung errichteten, aber nach dem Baurecht des Förderzeitraums genehmigungspflichtigen Gebäudes oder an der Berechtigung zur uneingeschränkten Nutzung, ist die Eigenheimzulage zu gewähren, wenn der Anspruchsberechtigte nachträglich eine Baugenehmigung beantragt und diese erteilt wird (BFH v. 22.01.2004, III R 52/01, BStBl. II 2004, 542).

Der Kläger hat auch nicht nachträglich einen baurechtmäßigen Zustand des Bauvorhabens herbeigeführt. Die vom BFH im Urteil vom 22.01.2004 (a.a.O.) angesprochene Ausnahme, dass nachträglich eine Übereinstimmung mit dem formellen oder materiellen Baurecht herbeigeführt werden kann, betrifft indessen Fälle des Bestandsschutzes. Ein solcher Sachverhalt liegt im Streitfall indes nicht vor, da das Vorhaben von vornherein formell und materiell baurechtswidrig errichtet wurde und auch eine nachträgliche Genehmigung nicht herbeigeführt werden konnte. Überdies ist auch unter Berücksichtigung des vom Kläger erfolgten Rückbaus das Bauvorhaben baurechtlich materiell nicht rechtmäßig, da das Objekt auch nach dem Rückbau ein - nicht genehmigungsfähiger - Neubau und kein bloßer Umbau ist.

2. Die Kostenfolge beruht auf § 135 FGO.



Ende der Entscheidung

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