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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 25.02.2009
Aktenzeichen: 4 K 11071/06
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 5
EStG § 18 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist die Höhe eines Veräußerungsgewinns.

Die Klägerin betrieb zusammen mit ihrem damaligen Ehemann eine ärztliche Gemeinschaftspraxis. Die Eheleute lebten seit dem Jahre 1997 getrennt. Ab dem 1. Oktober 1998 führten sie zwei Einzelpraxen in Form einer Praxisgemeinschaft.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 12. Oktober 1998 veräußerten sie das in ihrem Miteigentum stehende Praxisgrundstück. Sie mieteten jedoch die Praxisräume für den Betrieb der Praxisgemeinschaft weiter an. Mit dem Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks lösten sie teilweise Praxisverbindlichkeiten ab. Es verblieben jedoch noch diverse Darlehen. Zum 1. Juli 1999 betrug die Gesamtdarlehenssumme A DM. Die Eheleute hatten die Zinsen für diese Darlehen stets im Rahmen ihrer Gewinnermittlung für die Gemeinschaftspraxis gem. § 4 Abs. 3 EStG als Betriebsausgaben geltend gemacht.

Zum 30. September 1999 schied die Klägerin aus der Praxisgemeinschaft aus und gründete in anderen Räumen eine eigene Praxis.

Die Ehe wurde am 6. Januar 2000 rechtskräftig geschieden. Die Klägerin nahm ihren geschiedenen Ehemann auf nachehelichen Unterhalt in Anspruch. Mit Urteil vom 28. Juli 2000 wies das Amtsgericht den Unterhaltsanspruch ab. Dagegen legte sie Berufung ein.

Am 1. Dezember 2000 schlossen die geschiedenen Eheleute einen notariell beurkundeten Vertrag zur Regelung aller noch offenen Ansprüche. In der Urkunde erklärten sie, wechselseitig auf jedweden nachehelichen Unterhalt und auf Ansprüche aus der ehemals gemeinsam betriebenen Arztpraxis zu verzichten. Vermögensrechtliche Ansprüche sollten aus der geschiedenen Ehe heraus ebenfalls nicht mehr bestehen. Die Klägerin übernahm von den während der gemeinsam betriebenen Arztpraxis entstandenen Verbindlichkeiten einen Betrag in Höhe von B DM als Alleinschuldnerin und stellte insoweit ihren geschiedenen Ehemann gegenüber der Kreissparkasse als Gläubigerin frei. Dieser übernahm die darüber hinaus noch bestehenden Verbindlichkeiten bei der Kreissparkasse als Alleinschuldner (wegen des Inhalts der Urkunde im Einzelnen wird auf den Urkundentext, Bl. 24 bis 27 der Rechtsbehelfsakte Bezug genommen). Nachdem diese Vereinbarung getroffen worden war, nahm die Klägerin die Berufung gegen die ablehnende Unterhaltsentscheidung zurück.

Da die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann trotz Aufforderung keine Feststellungserklärung für 1999 eingereicht hatten, schätzte das FA unter dem Vorbehalt der Nachprüfung mit Bescheid vom 2. Januar 2003 die Einkünfte aus selbständiger Arbeit der Praxisgemeinschaft. Dabei stellte das FA für das Streitjahr einen Gewinn in Höhe von C DM für ein bis zum 30. September 1999 reichendes Rumpfwirtschaftsjahr fest und rechnete dem Ehemann - ausgehend von dessen für seine Einzelpraxis eingereichten Gewinnermittlung - einen Anteil in Höhe von D DM und der Klägerin einen im Schätzungswege ermittelten Anteil in Höhe von F DM zu.

Hiergegen legten beide Einsprüche ein. Die Klägerin meinte unter Berufung auf betriebswirtschaftliche Auswertungen, die sie jedoch nicht vorlegte, lediglich einen auf sie für das Jahr 1999 entfallenden laufenden Gewinnanteil in Höhe von insgesamt G DM erzielt zu haben. Das FA forderte sie im Laufe des Einspruchsverfahrens auf, die Höhe der im notariellen Vertrag angegebenen Unterhalts- und Zugewinnausgleichsansprüche anzugeben. Es meinte, dass ausgehend von den im Vergleich mit ihrer Beteiligungsquote geringen übernommenen betrieblichen Verbindlichkeiten bei der Klägerin ein Veräußerungsgewinn in Höhe von H DM entstanden sei. Sie hingegen war der Auffassung, keinen Veräußerungsgewinn erzielt zu haben. Ursächlich für die Schuldbefreiung sei der Unterhaltsverzicht gewesen. Die überquotale Schuldübernahme durch den geschiedenen Ehemann sei ausschließlich privat begründet gewesen. Trotz Aufforderung bezifferte sie die Höhe etwaiger Unterhaltsansprüche jedoch nicht.

Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2006 änderte das FA die Höhe des laufenden Gewinns eines bis zum 30. Juni 1999 dauernden Rumpfwirtschaftsjahres und stellte erstmals einen Veräußerungsgewinn für die Klägerin fest. Der Gesamtgewinn bis zum 30. Juni 1999 betrug I DM. Der Anteil am laufenden Gewinn der Klägerin belief sich auf J DM, ferner wurde ihr ein Veräußerungsgewinn in Höhe von K DM zugerechnet, für den kein Freibetrag gewährt wurde. Dem geschiedenen Ehemann rechnete das FA einen Anteil am laufenden Gewinn in Höhe von L DM zu. Das FA begründete die Entscheidung damit, dass bei Austritt eines Gesellschafters aus einer Gesellschaft der Anteil den verbleibenden Gesellschaftern zuwachse. Steuerlich seien die durch Anwachsung eingetretenen Vermögensmehrungen als Anteilsübertragung zu behandeln. Veräußerungsgewinn sei dabei der Betrag, um den der Veräußerungspreis den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteige. Sei dabei das Entgelt aus privaten Gründen höher als der Teilwert der übertragenen Wirtschaftsgüter, sei die Mehrzahlung nicht Veräußerungspreis, sondern private Zuwendung. Die Schuldenübernahme sei dann aufzuteilen. Das FA gehe im Schätzungswege davon aus, dass private und betriebliche Gründe für die Gestaltung der Abwicklung sich in etwa entsprochen hätten. Der Ehemann habe selbst erklärt, er habe B DM mehr gezahlt, um die Angelegenheit abzuschließen. Es sei auch der Vorteil zu beachten, den der Ehemann durch die Möglichkeit gehabt habe, in den eingerichteten und bei den Patienten gut eingeführten Praxisräumen weiterarbeiten zu können. Am bestehenden Schuldenstand zum 30. Juni 1999 in Höhe von A DM seien die ehemaligen Inhaber der Gemeinschaftspraxis jeweils zur Hälfte in Höhe von 1/2 A DM beteiligt gewesen. Die Klägerin habe hiervon nur einen Betrag von B DM übernommen. Es sei davon auszugehen, dass der Ehemann M DM überquotal übernommen habe. Es werde geschätzt, dass ein Anteil von 50%, also K DM, privat veranlasst gewesen sei. Somit sei ein Veräußerungsgewinn in Höhe von K DM entstanden.

Die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann haben hiergegen unabhängig voneinander Klage erhoben. Da zunächst sowohl die Höhe des laufenden Gewinns und des Veräußerungsgewinns streitig waren, hat das Gericht die beiden Verfahren mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 zu gemeinsamer Verhandlung und einheitlicher Entscheidung verbunden. Der geschiedene Ehemann hat nach Aufforderung des Gerichts eine Schlussbilanz zum 30. Juni 1999 für die Gemeinschaftspraxis erstellt. Daraus ergibt sich ein negatives Kapitalkonto der Gesellschaft in Höhe von N DM. Zur Begründung ihrer Klage wegen der Höhe des Veräußerungsgewinns wiederholt die Klägerin, dass der Unterhaltsverzicht maßgebend für die überquotale Schuldbefreiung gewesen sei. Die Schuldübernahme sei überwiegend privat begründet gewesen. Der Veräußerungsgewinn betrage daher O DM. Dies lasse sich daraus ableiten, dass sich der Verkaufswert der Praxis unter Zugrundelegung der bisherigen Jahresumsätze auf P DM belaufen habe. Sie hätte demnach bei Veräußerung ihres hälftigen Anteils an einen fremden Dritten lediglich F DM erzielen können und einen höheren Anteil an Schulden übernehmen müssen. Rechne man von dem Praxiswertanteil die von ihr übernommenen Schulden ab, ergebe sich ein Veräußerungsgewinn von O DM. Der hohe betriebliche Schuldenstand sei auf die Gestaltung durch ein sog. Zweikontenmodells zurückzuführen. Im Übrigen sei die Schlussbilanz fehlerhaft, da die Kapitalkontenentwicklung unzutreffend sei, der geschiedene Ehemann habe wesentlich höhere Entnahmen getätigt als sie - die Klägerin. Es sei auch zu beachten, dass die Schuldübernahmevereinbarung erst im Jahre 2000 geschlossen worden sei. Der Veräußerungsgewinn sei daher nicht im Streitjahr festzustellen.

Der geschiedene Ehemann hat hingegen bestritten, dass seine überquotale Schuldübernahme privat veranlasst gewesen sei. So gehe aus dem Urteil des Amtsgerichts hervor, dass der Klägerin keine Unterhaltsansprüche zugestanden haben. Anwartschaften bei der ärztlichen Altersversorgung seien durch das Scheidungsurteil ausgeglichen worden.

Bereits im Einspruchsverfahren hatte er angeben, dass vermögensrechtliche Ansprüche nicht mehr bestanden hätten, da das private Einfamilienhaus bereits 1998 veräußert worden sei. Die in der Schlussbilanz ausgewiesenen Schulden seien Betriebsschulden.

In der mündlichen Verhandlung am 25. Februar 2009 haben sich die Beteiligten bezüglich der Höhe des laufenden Gewinns für 1999 geeinigt und der Ehemann hat seine Klage wegen Gewinnfeststellung 1999 zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

unter Änderung des Feststellungsbescheides 1999 vom 2. Januar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2006 den ihr zugerechneten Veräußerungsgewinn um DM auf O DM zu mindern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA hält an seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest. Es ergänzt, dass es mangels weiterer Informationen davon ausgegangen sei, dass sich die privaten und betrieblichen Gründe für die Schuldübernahme die Waage gehalten hätten. Mit der notariellen Vereinbarung vom 1. Dezember 2000 seien ausdrücklich private und betriebliche Ansprüche geregelt worden. Die Klägerin habe sich dabei verpflichtet, ihre Klage auf Unterhalt zurückzunehmen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Herabsetzung des festgestellten Veräußerungsgewinns.

1. Gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehört zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit u.a. der Gewinn, der bei der Veräußerung eines Anteils am Vermögen erzielt wird, das der selbständigen Arbeit dient. Die Vorschrift bezieht sich auf Personen, die sich zur Erzielung von Einkünften aus ihrer freiberuflichen Tätigkeit in gesellschaftlicher Mitunternehmerschaft verbunden haben. Ein Veräußerungsgewinn ist einheitlich und gesondert festzustellen.

a) Die Klägerin hat ihren Mitunternehmeranteil im Sinne von § 18 Abs. 3 EStG veräußert. Scheidet einer von zwei Gesellschaftern während des Feststellungszeitraums aus und führt der andere das Unternehmen allein fort, so dass er das Gesamthandvermögen der Gesellschaft ohne Liquidation übernimmt, ist die Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens vollbeendet. Dies kann entweder im Wege einer entgeltlichen oder einer unentgeltlichen Übertragung auf den übernehmenden Gesellschafter erfolgen (BFH-Urteile vom 24. Mai 1973 IV R 64/70, BStBl II 1973, 655 und vom 3. Juni 1997 VIII B 73/96, BFH/NV 1997, 838, m.w.N.). Im Streitfall liegt eine entgeltliche Übertragung, da sich die ehemaligen Ehegatten bezogen auf die Praxis entgeltlich auseinandersetzen wollten und der Anteil der Klägerin gerade nicht aufgrund einer Schenkung übergehen sollte (vgl. BFH-Urteil vom 21. April 1994 IV R 70/92, BStBl II 1994, 745).

b) Zutreffend hat das FA den Veräußerungsgewinn bei der Feststellung des Streitjahres 1999 berücksichtigt. Die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann hatten sich nämlich bereits im Jahre 1999 dem Grunde nach über die alleinige Fortführung der Gemeinschaft durch den Ehemann geeinigt. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Gesamtumständen der Praxisabwicklung. So schied die Klägerin aus der Praxisgemeinschaft zum 30. September 1999 aus und überließ damit ihrem geschiedenen Ehemann sowohl das Inventar als auch den Patientenstamm. Zuvor hatten beide ihre ärztlichen Tätigkeiten schon weitestgehend unabhängig voneinander ausgeübt. Dass die Vereinbarungen zur Schuldübernahme erst Ende 2000 notariell beurkundet worden waren und erst zu diesem Zeitpunkt feststand, dass die Klägerin lediglich einen Anteil von B DM der Gesamtschulden übernehmen würde, ändert an dieser Beurteilung nichts. Maßgebend ist, dass sich die geschiedenen Ehegatten im Jahre 1999 darüber einig waren, dass der Ehemann die ehemalige Gemeinschaftspraxis allein fortführen würde und dass der Ehemann im Vergleich zur Klägerin einen höheren Anteil an den Schulden übernehmen sollte. Es ist unerheblich, dass die eigentliche Höhe der Schuldübernahme im Jahre 1999 noch nicht geklärt war.

c) Der Veräußerungsgewinn beträgt jedenfalls nicht weniger als K DM.

Der Veräußerungsgewinn wird durch Abzug des Betriebsvermögens vom Veräußerungspreis ermittelt (§§ 18 Abs.3, 16 Abs. 2 EStG). Unmittelbar aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns dem Veräußerungserlös der Buchwert des nach § 5 EStG ermittelten Betriebsvermögens (Aktiva ./. Passiva) gegenüberzustellen ist. Ob der Buchwert (rechnerisch im Kapitalkonto erfasst) einen positiven oder negativen Wert hat, ist unerheblich (BFH-Urteil vom 11. März 1992 XI R 6/91, BFH/NV 1992, 593; und BFH-Beschluss vom 27. September 2006 X B 71/06, BFH/NV 2007, 37).

Diese Differenz beträgt im Streitfall Q DM. Ausgehend von der zum 30. Juni 1999 erstellten Bilanz betrug der auf die Klägerin entfallende hälftige Anteil am negativen Kapitalkonto ./. DM. Von diesem Überhang an Verbindlichkeiten hat die Klägerin lediglich B DM als Alleinschuldnerin übernommen, so dass ein Veräußerungsgewinn von Q DM gegeben ist.

Der Senat kann nicht feststellen, dass die überquotale Schuldenübernahme durch den geschiedenen Ehemann in Höhe eines größeren Betrags als der Differenz zwischen diesem und dem vom FA festgestellten Veräußerungsgewinn in von K DM privat veranlasst war. Die Klägerin hat ihre Ansprüche aus der geschiedenen Ehe heraus nicht schlüssig dargelegt. Sie konnte weder die Höhe eines Zugewinnausgleichsanspruchs noch eines Unterhaltsanspruchs angeben. Es fehlen Angaben zum Vermögen der Ehegatten zu Beginn und zum Ende der Ehe. Es liegen auch keine anderen Anhaltspunkte für einen Zugewinn vor. Das gemeinsame Hausgrundstück war bereits vor der Scheidung unter Tilgung von Verbindlichkeiten veräußert worden. Ferner war auch die Unterhaltsklage in erster Instanz abgewiesen worden. Dies spricht gegen eine nennenswerte private Veranlassung der überquotalen Schuldübernahme.

Dass der auf die Klägerin entfallende Praxiswert möglicherweise nur F DM betragen hat, ändert - entgegen der Auffassung der Klägerin - an dieser Beurteilung nichts. Dieser Umstand lässt nicht den sicheren Schluss zu, dass die überquotale Schuldübernahme durch den Ehemann allein oder zum Teil aus privaten Gründen erfolgt ist. So bestand eine gesamtschuldnerische Haftung der Eheleute gegenüber der Gläubigerbank. Der geschiedene Ehemann beabsichtigte, die eingeführte Praxis fortzuführen. Dies konnte endgültig nur erfolgen, nachdem eine Einigung über die Schuldenübernahme vorgenommen worden war. Dies deutet jedoch auf eine betriebliche Veranlassung der Schuldübernahme hin.

Die Klage war daher abzuweisen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Ende der Entscheidung

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