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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 20.10.2009
Aktenzeichen: 5 K 149/05
Rechtsgebiete: UStG, FGO, AO, GG


Vorschriften:

UStG § 18 Abs. 1
FGO § 101
FGO § 102
AO § 121 Abs. 1
AO § 121 Abs. 2
AO § 150 Abs. 8
GG Art. 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin berechtigt ist, ihre Umsatzsteuervoranmeldungen nach dem 01.01.2005 weiterhin in herkömmlicher Form (Papierform) abzugeben.

Die Klägerin ist eine ... GmbH & Co. KG. Persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin ist die X-GmbH. Deren Geschäftsführer sind die Eheleute A und B sowie deren Kinder C und D.

Einziger Kommanditist der Klägerin ist Herr A.

Die Klägerin erzielt Umsätze aus der Vermietung von Betriebsgrundstücken an verbundene Unternehmen. Die Klägerin erstellt ihre Buchführung mit einem amerikanischen Journal. In den Jahren 2005 - 2008 erwirtschaftete die Klägerin ausweislich ihrer Jahresabschlüsse jeweils einen Gewinn in einer Höhe von mehr als ... EUR.

Am 14.12.2004 ging beim Beklagten ein Schreiben des Herrn A ein, das die Steuernummer der Klägerin (...) aufweist und u.a. folgenden Wortlaut hat:

"Umsatzsteuervoranmeldung 2005 ...

Ich beantrage hiermit, auch in Zukunft die Meldungen auf amtlichem Formular handschriftlich abgeben zu dürfen, weil ich

a) aus technischer Sicht,

b) aus persönlichen Gründen,

nicht in der Lage bin, der Vorschrift zu entsprechen.

Die Buchhaltung ist so klein, dass sie zurzeit ohne elektronische Hilfe erledigt werden kann. Außerdem verfügt die Buchhaltung nicht über die erforderliche Hard- und Software. Zusätzlich ist anzumerken, dass die Sachbearbeitung noch nicht in der Lage ist, mit einem PC umzugehen. Wie Sie wissen, darf im Arbeitsleben kein Mitarbeiter wegen seines Alters, seiner Religion oder seiner politischen Ansichten benachteiligt oder bevorzugt werden.

Aus den vorgenannten Gründen würde bei einer Ablehnung meiner Bitte eine unbillige Härte vorliegen, wenn Sie auf einer Meldung mit elektronischer Hilfe bestehen. ..."

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Schreiben vom 21.12.2004 mit folgender Begründung ab:

"... Zur Vermeidung unbilliger Härten kann das Finanzamt in Ausnahmefällen weiterhin die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. Lohnsteuer-Anmeldung in herkömmlicher Form (Papier) zulassen. Ein Härtefall kann vorliegen, wenn und solange es dem Unternehmer bzw. Arbeitgeber nicht zumutbar ist, die notwendigen technischen Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung zu schaffen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Unternehmer/Arbeitgeber

- finanziell nicht in der Lage ist, entsprechende Investitionen zu tätigen oder

- kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit beabsichtigt oder

- in nächster Zeit eine Umstellung der Software/Hardware beabsichtigt.

Das Fehlen eines Computers/Internetzugangs bzw. mangelnde technische Kenntnisse stellen keinen Härtefall dar. Nach Aktenlage ist auch nicht erkennbar, dass Sie nicht in der Lage sind, entsprechende Investitionen zu tätigen.

Die Prüfung Ihres o. g. Antrags hat - unter Berücksichtigung der v. g. Ausführungen - ergeben, dass eine unbillige Härte in Ihrem Fall nicht vorliegt. Ihrem Antrag zur Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung / Lohnsteuer-Anmeldung in herkömmlicher Form kann ich daher leider nicht entsprechen.

Ich stelle deshalb anheim, entweder entsprechende technische Voraussetzungen zu schaffen oder sich an einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe zu wenden. ..."

Den hiergegen eingelegten Einspruch lehnte der Beklagte mit folgender Begründung ab:

"... Zur Vermeidung unbilliger Härten kann das Finanzamt in Ausnahmefällen weiterhin die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. Lohnsteuer-Anmeldung in herkömmlicher Form (Papier) zulassen. Ein Härtefall kann vorliegen, wenn und solange es dem Unternehmer bzw. Arbeitgeber nicht zumutbar ist, die notwendigen technischen Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung zu schaffen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Unternehmer

- finanziell nicht in der Lage ist, entsprechende Investitionen zu tätigen oder

- kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit beabsichtigt oder

- in nächster Zeit eine Umstellung der Software/Hardware beabsichtigt.

Keines dieser Merkmale trifft jedoch zu.

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Gesellschaft zu einem Konzern gehört.

Der Konzern - zu welchem die Efin gehört - unterhält nach den vorliegenden Wirtschaftsprüfungsberichten eine hauseigene EDV-Anlage, in der sowohl die anfallenden Geschäftsvorfälle als auch die Lohn- und Gehaltsbuchführung erfasst werden. Mehrere der Konzerngesellschaften unterhalten zudem eine Internetpräsenz.

Finanzielle Investitionen müssten - wenn überhaupt - nur in sehr geringem Umfang getätigt werden. Dies ist der Efin finanziell zuzumuten und verstößt gegen keinerlei Übermaßverbot.

Die Einwendung, die Übermittlung von Steuerdaten mit der ELSTER-Software sei nicht sicher, ist unberechtigt.

Das haben Feststellungen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder ergeben. Eine Manipulationsanfälligkeit gilt gleichermaßen für elektronisch übermittelte wie für herkömmliche Steueranmeldungen auf Papier. Dies beruht jedoch nicht auf dem Verfahren ELSTER bzw. auf der ab dem 1. Januar 2005 verpflichtenden elektronischen Übermittlung von Umsatzsteuervoranmeldungen. Sie ist vielmehr Folge der derzeitigen einzelsteuergesetzlichen Rechtslage. Da das Umsatzsteuergesetz keine eigenhändige Unterzeichnung der Anmeldung anordnet, wird auch vom Steueranmeldungsverfahren keine elektronische/eigenhändige Unterschrift des Steuerpflichtigen verlangt (Verzicht auf eine qualifizierte elektronische Signatur (§ 6 StDÜV) bzw. Verzicht auf die eigenhändige Unterschrift im Vordruck (§ 150 Abs. 2 AO)). Die theoretische Möglichkeit, dass widerrechtlich eine fremde Steuernummer verwendet wird, um eine gefälschte Voranmeldung abzugeben, liefert keinen Grund, einen Härtefall anzunehmen. Sollten die eigenen Datenbestände auf den Rechnern nicht hinreichend sicher vor fremden Zugriffen sein, stellt auch dies keinen Härtefall dar. Zur Wahrung der Datensicherheit bei der Datenübermittlung über offene Netze in die Netze der Finanzverwaltung werden zeitgemäße Verschlüsselungsverfahren genutzt. Die Daten sind durch eine vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifizierte Verschlüsselung geschützt.

Andere Härtefallkriterien liegen nach Aktenlage nicht vor und werden von der Efin auch nicht angeführt..."

Hiergegen erhob die Klägerin die vorliegende Klage, die sie wie folgt begründet: § 18 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) begegne verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber könne dem Unternehmer nicht vorschreiben, wie er den notwendigen Schriftwechsel mit der Finanzverwaltung zu führen habe. Erst recht könne die Finanzverwaltung einen Unternehmer nicht dazu verpflichten, die hierzu erforderlichen technischen Voraussetzungen zu beschaffen und Investitionen zu tätigen. Selbst wenn ein Unternehmer technisch zur Übermittlung der Daten in der Lage sei, müsse er weiterhin befugt bleiben, die Voranmeldung in Papierform abzugeben, da die Verpflichtung zur elektronischen Datenübermittlung in die unternehmerische Selbstbestimmung eingreife. Beim "E-Government" müsse aufgrund der Art. 12 und 14 Grundgesetz (GG) ein "Freiwilligkeitsprinzip" beachtet werden (Heckmann, MMR 2006, 3).

Soweit das Gericht der Rechtsauffassung der Klägerin zur Verfassungswidrigkeit des § 18 Abs. 1 UStG nicht folge, sei jedenfalls dem Billigkeitsantrag zu entsprechen. Indem der Beklagte eine unbillige Härte nur für die Fälle annehme, dass der Unternehmer

finanziell nicht in der Lage sei, entsprechende Investitionen zu tätigen oder

kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit beabsichtige oder

in nächster Zeit eine Umstellung der Software/Hardware beabsichtige,

verkenne er die Reichweite der Ausnahmeregelung.

Diese Verwaltungsauffassung stelle auf Aspekte ab, die keine Stütze im Gesetz fänden. Außerdem stehe sie im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, da nach der Gesetzesbegründung Härtefälle insbesondere dann vorlägen, "... wenn der Unternehmer nicht über die technischen Voraussetzungen verfügt, die für die Übermittlung nach der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung eingehalten werden müssen" (BT-Drucks. 15/1945 S. 14). Damit habe der Gesetzgeber keine Verpflichtung ausgesprochen, Hard- und Software anzuschaffen, auch wenn der Unternehmer über die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel verfüge. Wenn der Staat im Interesse der eigenen Arbeitserleichterung Investitionen von zwangsverpflichteten Unternehmern verlange, müsse er diesen die Kosten ersetzen. Solange dies nicht geschehe, sei einem Antrag auf Härtefallregelung bei verfassungskonformer Interpretation des § 18 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz UStG stets stattzugeben, da insoweit eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege (Stadie in Rau/Dürrwächter, § 18 UStG Rn. 50).

Es beständen erhebliche Sicherheitsbedenken gegen die elektronische Übermittlung, da dabei Manipulationen nicht ausgeschlossen werden könnten. Das "ELSTER"-Verfahren ermögliche es jedermann, dem die Steuernummer bekannt sei, per PC über das Internet Daten an die Finanzverwaltung zu übertragen. Da jeder Unternehmer verpflichtet sei, auf der Rechnung seine Steuernummer oder seine Umsatzsteueridentifikationsnummer anzugeben, sei missbräuchlichen Datenübertragungen an das Finanzamt Tür und Tor geöffnet.

Außerdem bestehe die Gefahr von Virenverseuchung und unberechtigten Zugriffen auf die Buchhaltung über das Internet. Die Klägerin wolle ihre unternehmensbezogenen Daten vor einem unberechtigten Zugriff aus dem Internet schützen. Die wirksamste Möglichkeit hierzu sei es, gar keine Verbindung zum Internet zu schaffen. Es müsse dem Unternehmer selbst die Entscheidung überlassen werden, ob er sich dem Risiko des Internets aussetzen wolle.

Die Klägerin legte ein Schreiben des Bundesbeauftragten für den Datenschutz vom 17.02.2005 vor, in dem dieser Sicherheitslücken bei ELSTER kritisierte und sich für die Zulassung einer Steueranmeldung in Papierform einsetzte.

Die Klägerin macht weiter geltend, indem der Beklagte auf eine angebliche "Konzernstruktur" abstelle, verlange er von der Klägerin, dass diese über ihren Gesellschafter auf ein anderes Rechtssubjekt Einfluss nehme, damit jenes unentgeltlich Leistungen für die Klägerin erbringe. Abgesehen von den hiermit verbundenen steuerlichen Risiken seien weder die K-GmbH noch die Z-GmbH & Co. KG bereit, derartige Leistungen zu erbringen.

Auch nach der Neuregelung des § 150 Abs. 8 Abgabenordnung (AO) sei die Klage begründet. Die Geschäftsführer der X-GmbH A und B seien aufgrund ihres Alters persönlich nicht in der Lage, mit den elektronischen Medien umzugehen. Die Kinder C und D seien "lediglich formal" als Geschäftsführer bestellt. C wohne ständig in Berlin. D habe ein sehr gespanntes Verhältnis zu ihren Eltern und dürfe deren Wohnhaus nicht betreten. Tatsächlich nähmen C und D keine Geschäftsführertätigkeit wahr und seien deshalb nicht in der Lage, Umsatzsteuervoranmeldungen in elektronischer Form abzugeben. Die Rechtsauffassung des Beklagten würde dazu führen, dass Geschäftsführer, die aufgrund ihres Alters oder Unerfahrenheit nicht zur elektronischen Datenübermittlung in der Lage seien, entweder ihr Amt abgeben oder die interne Aufgabenverteilung zwangsweise ändern müssten. Es sei jedoch Sache des Unternehmers, selbst zu entscheiden, welche Aufgaben er wahrnehme.

Die elektronische Übermittlung sei der Klägerin auch wirtschaftlich unzumutbar, da sie die für eine elektronische Übermittlung erforderliche Hard- und Software anschaffen müsse. Ob sie hierzu finanziell in der Lage sei, sei nicht entscheidungserheblich. An ihrem Geschäftssitz verfüge die Klägerin nicht über einen PC.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin zu gestatten, Umsatzsteuervoranmeldungen weiterhin in herkömmlicher Form (Papierform) abgeben zu dürfen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt im Wesentlichen vor, nach einer während des Klageverfahrens erfolgten Umstrukturierung erbringe die Klägerin als Grundstücksverwaltungsgesellschaft, an deren Vermögen Herr A weiterhin zu 100% beteiligt sei, nunmehr eine Vermietungstätigkeit gegenüber einem Unternehmensverbund mit der Y-GmbH & Co. KG als beherrschendem Unternehmen. Dieses Unternehmen, an dessen Vermögen Herr A zu 50% beteiligt sei, habe im Jahr 2006 einen Außenumsatz in Höhe von rund ... Mio. EUR erzielt. Die Y-GmbH & Co. KG unterhalte eine hauseigene EDV-Anlage, in der sowohl die angefallenen Geschäftsvorfälle als auch die Lohn- und Gehaltsbuchführung erfasst würden. Mehrere Gesellschaften des Unternehmensverbunds hätten eine Internetpräsenz in Form einer Homepage. Herr A habe somit die Möglichkeit, die vorhandenen EDV-Anlagen zumindest für einen kurzzeitigen Internetzugang zur Übermittlung der Daten der Umsatzsteuervoranmeldungen zu nutzen, ggf. gegen ein geringes Entgelt für diesen Übermittlungsvorgang.

Der Gesetzgeber habe sich bei der Neuregelung des § 150 Abs. 8 AO i.d.F. des Bürokratieabbaugesetzes vom 20.12.2008 gegen eine Freiwilligkeit der elektronischen Datenübermittlung entschieden, weil die Nutzung der von der Steuerverwaltung aufgebauten Infrastruktur nur durch verpflichtende Einführung der elektronischen Datenübermittlung sichergestellt werden könne.

Der Klägerin sei es wirtschaftlich i.S.d. § 150 Abs. 8 Satz 2 AO zumutbar, die technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung zu schaffen, weil die Kosten für Anschaffung oder Miete eines Computers mit Internetzugang im Vergleich zu den Umsatzerlösen und dem aktiven Betriebsvermögen der Klägerin geringfügig seien.

Es sei der Klägerin persönlich zumutbar, die Umsatzsteuervoranmeldungen auf elektronischem Weg zu übermitteln, da zu ihren Geschäftsführern auch die Kinder C und D (geboren in den Jahren 1973 und 1976) gehören. Diesen sei die Nutzung von EDV-Anlagen zuzumuten. Als GmbH-Geschäftsführer seien sie unabhängig von internen Vereinbarungen ebenfalls für die steuerlichen Angelegenheiten der GmbH verantwortlich, also auch für eine Übermittlung der Umsatzsteuervoranmeldungen auf elektronischem Weg.

Die vom Bundesbeauftragten für den Datenschutz in seinem Schreiben vom 17.02.2005 geltend gemachten Bedenken, dass Unberechtigte falsche Umsatzsteuervoranmeldungen einreichen könnten, träfen in gleicher Weise auf die Übermittlung von Voranmeldungen in Papierform zu, da bei derartigen Voranmeldungen keine eigenhändigen Unterschriften vorgesehen seien. Aus diesem Grund werde im elektronischen Übermittlungsverfahren auf eine qualifizierte elektronische Signatur verzichtet (§ 6 Steuerdaten-Übermittlungsverordnung).

Die Übermittlung der Daten der Umsatzsteuervoranmeldung sei durch eine hybride Verschlüsselung, die dem aktuellen Sicherheitsstandard entspreche und eine sog. Firewall gegen freie Zugriffe aus dem Internet geschützt. Ferner sei die korrekte Übermittlung des Steuererklärungsprogramms ElsterFormular durch einen sog. ByteCode-Checker sichergestellt, der unbefugte Veränderungen des Programmcodes anzeige.

Darüber hinaus könne die Klägerin durch Verwendung einer elektronischen Signatur sicherstellen, dass die Steuerverwaltung nur von ihr authentifizierte Erklärungen annehme. Dies bedeute eine erhöhte Sicherheit im Vergleich zu Steueranmeldungen in Papierform.

Während des Klageverfahrens gab die Klägerin weiterhin Umsatzsteuervoranmeldungen in Papierform ab.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nur teilweise begründet. Die Klägerin hat nach der ab 01.01.2009 geltenden Rechtslage keinen Anspruch auf Befreiung von der Verpflichtung, Umsatzsteuervoranmeldungen in elektronischer Form abzugeben. Der Beklagte ist jedoch verpflichtet, den Antrag der Klägerin vom 12.12.2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats neu zu bescheiden.

1. Durch das Steueränderungsgesetz 2003 - StÄndG 2003 - vom 15.12.2003 (BGBl. 2003 I S. 2645) wurde § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG geändert. Danach hat der Unternehmer nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Umsatzsteuer-Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck auf elektronischem Weg nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu übermitteln; auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten. Die Änderungen traten am 01.01.2005 in Kraft und galten für Voranmeldungszeiträume, die nach dem 31.12.2004 enden.

2. Mit Wirkung ab 01.01.2009 wurde § 18 Abs. 1 UStG durch das Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Steuerverfahrens (Steuerbürokratieabbaugesetz) vom 20.12.2008 (BGBl. 2008 I S. 2850) neu gefasst. Die Möglichkeit, auf Antrag zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung zu verzichten, ist seither in § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG geregelt.

Außerdem wurde an § 150 AO ein neuer Absatz 8 angefügt, der Näheres dazu regelt, wann derartigen Anträgen zu entsprechen ist. Diese Gesetzesänderung trat mit Wirkung zum 01.01.2009 in Kraft (Art. 17 Steuerbürokratieabbaugesetz). Weil das EGAO insoweit - anders als in Art. 97 § 10a Abs. 1 EGAO hinsichtlich des § 150 Abs. 7 AO - keine eigenständige Anwendungsregelung enthält, ist § 150 Abs. 8 AO bereits mit Wirkung ab 01.01.2009 anwendbar.

3. Die Frage, ob das Ermessen des Beklagten dahingehend reduziert ist, dass der Klägerin in Zukunft weiterhin die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen in Papierform zu gestatten ist, ist nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

a) Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einer Verpflichtungsklage grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Finanzgerichts maßgeblich (BFH-Urteile vom 17.05.1977 VII R 101/76, BStBl. II 1977, 706; vom 11.07.2007 XI R 25/05, BFH/NV 2007, 2261 m.w.N.).

Dagegen sind Ermessensentscheidungen der Verwaltung grundsätzlich an Hand der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung gerichtlich zu überprüfen, da das Gericht Ermessensentscheidungen nach § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) grundsätzlich nur darauf überprüfen kann, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt (BFH-Urteil vom 01.07.1981 VII R 84/80, BStBl. II 1981, 740).

Soweit allerdings eine sog. Ermessensreduzierung auf Null geltend gemacht wird, ist - ebenso wie bei gebundenen Verwaltungsakten - der Zeitpunkt der Entscheidung des Finanzgerichts maßgeblich, da insoweit eine Verpflichtung der Finanzbehörde zum Erlass eines bestimmten Verwaltungsaktes gemäß § 101 Satz 1 FGO behauptet wird. Eine solche Verpflichtung kann nur dann ausgesprochen werden, wenn zu dem Zeitpunkt, in dem die gerichtliche Entscheidung ergeht, ein Anspruch auf die erstrebte Verpflichtung der Finanzbehörde besteht (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 101 FGO Rn. 25).

b) Gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 UStG 2009 "kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung" (der Voranmeldungen) "verzichten" (ebenso zuvor § 18 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 UStG 2005 - 2008). Das UStG verknüpft in dieser Vorschrift eine Ermessensentscheidung ("kann") mit Billigkeitserwägungen. Da der Begriff der unbilligen Härte die mögliche Ermessensentscheidung maßgeblich prägt, versteht der Senat die o. g. Vorschrift als eine einheitliche Ermessensvorschrift.

Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat in seinem Beschluss vom 19.10.1971 (GmS-OGB 3/70, BStBl. II 1972, 603) entschieden, dass die frühere Vorschrift des § 131 Abs. 1 Satz 1 Reichsabgabenordnung (RAO) zum Billigkeitserlass, die ebenfalls ein Ermessen ("können") mit dem Begriff "unbillig" verknüpfte, als einheitliche Ermessensvorschrift anzusehen war. Der BFH ist dem in ständiger Rechtsprechung für die vergleichbaren Billigkeitsentscheidungen der §§ 163 und 227 AO gefolgt (vgl. Gräber/von Groll, Komm. zur FGO, 6. Aufl. 2006, § 102 Rn. 10 und zuletzt BFH-Urteil vom 30.04.2009 V R 15/07, DStR 2009, 1427 m.w.N.).

Weil Tatbestand und Rechtsfolge des § 18 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 UStG 2009 und des § 18 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 UStG 2005 - 2008 eine parallele Struktur wie die o.g. Vorschriften aufweisen, ist diese Rechtsprechung auf die vorgenannten Bestimmungen des UStG zu übertragen.

c) Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall über den Antrag der Klägerin, ihr auch in Zukunft eine Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen in Papierform zu gestatten, nach Maßgabe der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zu entscheiden, da die Klägerin insoweit eine Ermessensreduzierung auf Null geltend macht.

4. Die Klägerin hat nach der ab 1. Januar 2009 geltenden Rechtslage keinen Anspruch auf Befreiung von der Verpflichtung, Umsatzsteuervoranmeldungen in elektronischer Form abzugeben.

a) Die grundsätzliche Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen in elektronischer Form nach § 18 UStG liegt innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat insoweit eine zulässige Berufsausübungsregelung i.S.d. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG getroffen. Diese verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil der Gesetzgeber die Frage der Zumutbarkeit gesehen und ihr durch die sog. Härtefallregelung Rechnung getragen hat (vgl. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 822 m.w.N.; Seer in Tipke/Kruse, § 150 AO Rn. 1). Dies gilt auch, soweit der Gesetzgeber die Zumutbarkeitskriterien mit Wirkung ab 01.01.2009 durch § 150 Abs. 8 AO konkretisiert hat.

b) Weder das Fehlen der für eine elektronische Übermittlung erforderlichen Hard- und Software noch das Alter der Geschäftsführer A und B oder deren generelle Sicherheitsbedenken gegen die Abgabe elektronischer Steueranmeldungen führen zu einer Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass der Klägerin eine Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen in Papierform gestattet werden müsste.

aa) Die Tatsache, dass die Klägerin selbst weder über einen Computer noch über einen Internetzugang verfügt, führt als solche nicht dazu, dass ihrem Antrag stattzugeben wäre, weiterhin Umsatzsteuervoranmeldungen in Papierform abzugeben.

(1) Zwar wurde zu der Rechtslage ab 01.01.2005 - insbesondere unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zum StÄndG 2003 (BT-Drucks. 15/1798 S. 13 und 15/1945 S. 14) - die Auffassung vertreten, § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG 2005 - 2008 normiere nicht die Pflicht des Unternehmers, sich zur Erfüllung der Erklärungspflicht auf elektronischem Wege Hardware und Software anschaffen zu müssen (so FG Hamburg, Beschluss vom 10.03.2004 II 51/05, EFG 2005, 992; ebenso Urteil des erkennenden Senats vom 17.03.2009 5 K 303/08, EFG 2009, 1069, rkr.; Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 824; Seer, DStJG 31 [2008] 7, 23; vgl. auch OFD Chemnitz Vfg. vom 04.07.2005, DStR 2005, 1365). Nur dem Unternehmer, der durch bereits vorhandene Hard- und Software über die nötige Medienkompetenz verfüge, sei es grundsätzlich zumutbar, diese zum Datenaustausch mit den Finanzbehörden zu verwenden (Seer, DStJG 31 [2008] 7, 23; ders. in Tipke/Kruse, § 150 AO Rn. 43).

Nachdem § 150 Abs. 8 Satz 2 AO mit Wirkung ab 01.01.2009 jedoch nicht auf das Vorhandensein technischer Einrichtungen abstellt, sondern darauf, ob die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes für den Steuerpflichtigen nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre, hat der Gesetzgeber nunmehr klargestellt, dass allein das Fehlen der für eine elektronische Übermittlung der Steuererklärungen erforderlichen Technik als solche keinen Grund für eine Befreiung von der Verpflichtung von Voranmeldungen in elektronischer Form bildet (a.A. Seer in Tipke/Kruse, § 150 AO Rn. 43; Maunz in Hartmann/Metzenmacher, § 18 UStG Rn. 53; Treiber in Sölch/Ringleb, § 18 UStG Rn. 11 aE, die zur Begründung allerdings lediglich auf die o. g. Auffassungen verweisen, die sich mit der bis zum 31.12.2008 geltenden Rechtslage befassten).

(2) Der Senat schließt sich nicht einer in der Literatur vertretenen Auffassung an, nach der der Staat dem Unternehmer bei verfassungskonformer Interpretation des § 18 Abs. 1 UStG die technischen Vorrichtungen zur elektronischen Übermittlung von Umsatzsteuervoranmeldungen kostenfrei zur Verfügung stellen oder - bei Fehlen der technischen Ausstattung - stets Billigkeitsanträgen auf Abgabe der Voranmeldungen in Papierform stattgeben müsse (so Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 18 Rn. 50). Vielmehr entspricht es ständiger Praxis, dass der Unternehmer die für eine Steuererklärung erforderlichen Mittel auf eigene Kosten beschaffen muss. Auch bei Abgabe der Steuererklärung in Papierform kann der Unternehmer vom Staat nicht verlangen, dass dieser die mit der Erstellung der Steuererklärung verbundenen Kosten (z.B. Personalkosten, Kosten der erforderlichen Büroausstattung usw.) übernimmt. In gleicher Weise handelt es sich bei der Verpflichtung, die Voranmeldung zukünftig auf eigene Kosten in elektronischer Form abzugeben, um eine zulässige Berufsausübungsregelung i.S.d. Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Nur in den Fällen, in denen die Beschaffung der technischen Vorkehrungen für eine elektronische Abgabe der Steuererklärung dem Unternehmer wirtschaftlich nicht zuzumuten ist, hat dieser aus wirtschaftlichen Gründen nach § 150 Abs. 8 AO einen Anspruch auf Befreiung von der Verpflichtung zur elektronischen Abgabe der Steuererklärung.

bb) Allgemeine Bedenken gegen die Sicherheit der elektronischen Voranmeldungen führen nicht stets zu einer Befreiung von der Pflicht zur Abgabe der Voranmeldungen in elektronischer Form (a.A. Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 18 Rn. 51; wohl ebenso FG Hamburg, Beschluss vom 10.03.2004 II 51/05, EFG 2005, 992).

(1) Die Übermittlung der Daten im ELSTER-Verfahren ist nicht manipulationsanfälliger als das papiergebundene System.

Bei der papiergebundenen Umsatzsteuervoranmeldung soll die Authentizität des Absenders durch Angabe der Steuernummer in der Voranmeldung erreicht werden. Eine Unterschrift ist bei der Voranmeldung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG - im Gegensatz zur Umsatzsteuererklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) - nicht erforderlich.

Mit dem ELSTER-Verfahren wurde der Übertragungsweg von der papiergebundenen Form hin zur elektronischen Form eingeführt. Die elektronische Umsatzsteuervoranmeldung hat nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung (StDÜV) zu erfolgen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG). Nach § 87a Abs. 3 AO sind elektronische Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Jedoch besteht nach § 6 Abs. 1 StDÜV bei der Umsatzsteuervoranmeldung die Möglichkeit, auf die qualifizierte elektronische Signatur zu verzichten. Der Verzicht auf die elektronische Signatur kann nunmehr formlos erfolgen (vgl. Maunz in Hartmann/Metzenmacher, § 18 UStG Rn. 51 m.w.N.).

(a) Seit dem 01.01.2006 hat der Steuerpflichtige die zusätzliche Möglichkeit, die elektronisch zu übermittelnden Daten der Voranmeldung direkt über das Portal Elster-Online (statt über die Software ELSTER-Formular) einzugeben. Mit der Einführung des Online-Portals wurden zwei neue Möglichkeiten der Authentifizierung geschaffen, nämlich die Authentifizierung mittels "ELSTER-Stick" bzw. die Verwendung eines Software-Zertifikats (vgl. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 824 ff.; Seer, DStJG 31 [2008] 7, 21 ff.).

Durch Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur (digitale Unterschrift) kann der Steuerpflichtige bereits ab 2005 ein größeres Maß an Sicherheit erlangen als bei der papiergebundenen Form der Voranmeldung. Gleiches gilt für die ab 2006 geschaffenen weiteren Möglichkeiten der Authentifizierung.

(b) Aber auch bei Verzicht auf die elektronische Signatur oder die zum 01.01.2006 eingeführten zusätzlichen Möglichkeiten der Authentifizierung kann nicht von einem neuen Sicherheitsrisiko gesprochen werden. Denn eine Voranmeldung für eine andere Person ("Fälschung") kann sowohl in Papierform als auch auf elektronischem Weg abgegeben werden. Die Manipulationsmöglichkeit des Steueranmeldungsverfahrens kann damit nicht auf das ELSTER-Verfahren zurückgeführt werden. Sie beruht vielmehr darauf, dass das Voranmeldungsverfahren die Steuernummer als Authentifizierung ausreichen lässt.

Bei der elektronischen Übertragung der Voranmeldung im ELSTER-Verfahren werden die verwendeten IP-Adressen (Internetprotokoll) über einen mehrmonatigen Zeitraum gespeichert. Dadurch kann bei einer vorsätzlich falschen Übermittlung die IP-Adresse des Absenders ermittelt und nachverfolgt werden. Eine Unterdrückung der IP-Adresse ist zwar möglich (durch Anonymisierungssoftware oder die Nutzung öffentlicher Internetzugänge - Internet-Cafe o. ä. -); praxisrelevante Fälle dieser Art sind im Zusammenhang mit dem ESTER-Verfahren allerdings bislang nicht bekannt (vgl. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 826 - Fn. 68). Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass das ELSTER-Verfahren für falsche Anmeldungen anfälliger ist als die papiergebundene Form.

(c) Zur Wahrung der Datensicherheit erfolgt die elektronische Übermittlung der Voranmeldung mittels ELSTER im zertifizierten Verschlüsselungsverfahren SSL (Secure-Socket-Layer-Protokoll, vgl. https://www.elster.de/elfo_sec.php). Das SSL-Protokoll gewährleistet, dass Daten während der Übertragung nicht gelesen oder manipuliert werden können. Damit ist sichergestellt, dass unbefugte Dritte während des Übertragungsvorgangs keinen Zugriff auf die Daten nehmen können.

(2) Eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen in Papierform ohne weitere Einzelfallprüfung allein aufgrund der Geltendmachung von Sicherheitsbedenken zu gestatten wäre, kommt nach Überzeugung des erkennenden Senats allenfalls dann in Betracht, wenn ein Unternehmer aus Sicherheitsgründen gänzlich auf die Nutzung des Internets verzichtet.

Ein Unternehmer, der sich für die Anbindung seiner Datenverarbeitungsanlage an das Internet entschieden hat, hat dagegen selbst durch Verwendung von Anti-Vir-Software o.ä. Vorsorge gegen einen Virenbefall seiner sensiblen Daten zu treffen. Er kann jedenfalls keinen Dispens von der elektronischen Steueranmeldung mit dem Hinweis auf die allgemeinen und dem Medium des Internets immanenten Gefahren der möglichen Virenverseuchung erlangen (Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 828; Urteil des erkennenden Senats vom 17.03.2009 5 K 303/08, EFG 2009, 1069, rkr.).

Gleiches gilt auch, wenn - wie im Streitfall - im Rahmen eines Unternehmensverbundes eine Nutzung des Internets erfolgt. In einem solchen Fall kann eine Besitzgesellschaft mit dem bloßen Hinweis auf die allgemeinen und dem Medium des Internets immanenten Gefahren der möglichen Virenverseuchung keinen Dispens von der elektronischen Steueranmeldung erlangen, wenn die Betriebsgesellschaft die technischen Möglichkeiten des Internets u.a. mit einer eigenen Homepage nutzt.

Ob im Einzelfall ggf. eine Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung in Betracht kommt (z.B. bei einer unterschiedlichen Gesellschafterstruktur und Interessengegensätzen zwischen der Besitz- und der Betriebsgesellschaft), hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles im Rahmen der von ihm zu treffenden Ermessensentscheidung zu prüfen (vgl. hierzu nachfolgend 5.).

cc) Alter und der Hinweis auf mangelnde Computererfahrung einzelner von mehreren Geschäftsführern der Komplementärin der Klägerin führen ebenfalls nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Vielmehr sind dies lediglich Aspekte, die der Beklagte im Rahmen seiner Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat, wobei auch in Betracht gezogen werden kann, dass grundsätzlich jeder GmbH-Geschäftsführer deren steuerliche Pflichten zu erfüllen hat (vgl. BFH-Urteil vom 23.06.1998 VII R 4/98, BStBl. II 1998, 761).

5. Die Klage ist allerdings insoweit begründet, als der Ablehnungsbescheid des Beklagten und dessen Einspruchsentscheidung aufzuheben sind und der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte hat von dem ihm durch § 18 Abs. 1 UStG eingeräumten Ermessen i.S.d. § 102 Satz 1 FGO nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, da er seine Ermessensentscheidung nicht aufgrund einer erschöpfenden Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts getroffen und die Ermessensentscheidung nicht mit einer hinreichenden Begründung (§ 121 Abs. 1 AO) versehen hat (vgl. zu den insoweit geltenden Anforderungen Gräber/von Groll, Komm. zur FGO, 6. Aufl. 2006, § 102 Rn. 15 und BFH-Urteil vom 01.07.2008 II R 2/07, BStBl. II 2008, 897).

a) Der Beklagte hat in seiner Einspruchsentscheidung vom 18.03.2005 sinngemäß dargelegt, dass eine Ermessensreduzierung auf Null dann vorliege, wenn ein Unternehmer finanziell nicht zu den für eine elektronische Übermittlung erforderlichen Investitionen in der Lage sei oder kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit oder eine Umstellung der Soft- bzw. Hardware beabsichtige und das Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalls verneint. Ferner hat er dargelegt, weshalb keine Bedenken gegen die Sicherheit der Übermittlung der Steuerdaten mit der ELSTER-Software beständen. Darüber hinaus führt die Einspruchsentscheidung - ohne nähere Konkretisierung - die Zugehörigkeit der Klägerin zu einem "Konzern" an, bei dem mehrere "Konzerngesellschaften" über einen Internetzugang verfügten und verweist darauf, etwa erforderliche finanzielle Investitionen müssten - wenn überhaupt - nur in sehr geringem Umfang getätigt werden; dies sei der Klägerin zumutbar.

b) Diese Ermessenserwägungen genügen nicht den Anforderungen des § 102 Satz 1 FGO i.V.m. § 121 Abs. 1 AO.

Eine Ermessensentscheidung bedarf nach Maßgabe des § 121 Abs. 1 AO einer Begründung, soweit dies zu ihrem Verständnis erforderlich und die Begründung nicht nach § 121 Abs. 2 AO entbehrlich ist.

Bei der Ablehnung eines Antrags, Steuererklärungen in Papierform abzugeben, sind auch dann konkrete Ermessenserwägungen erforderlich, wenn keiner der Fälle vorliegt, in denen dem Antrag aufgrund einer Ermessensreduzierung auf Null stattzugeben ist (nunmehr § 150 Abs. 8 Satz 1 AO 2009). Dabei hat das Finanzamt eine konkrete Einzelfallabwägung vorzunehmen, bei der insbesondere die persönliche Situation des Steuerpflichtigen, dessen Umsätze und Gewinne sowie die ggf. erforderlichen Kosten für eine elektronische Übermittlung der Steuerdaten abzuwägen sind gegenüber dem allgemeinen Interesse des Fiskus an einer elektronischen Übermittlung der Steuerdaten (vgl. zu letzterem Drüen/ Hechtner, DStR 2006, 821, 822; Seer, DStJG 31 [2008] 7, 19 ff.).

c) Der Ermessensfehler des Beklagten konnte im Klageverfahren nicht nach § 102 Satz 2 FGO geheilt werden.

Nach § 102 Satz 2 FGO kann die Finanzbehörde ihre Ermessenserwägungen bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz ergänzen. Diese Vorschrift gestattet es nur, bereits dargestellte Ermessenserwägungen zu vertiefen, zu verbreitern oder zu verdeutlichen. Die Finanzbehörde ist dagegen nicht befugt, im finanzgerichtlichen Verfahren erstmals Ermessenserwägungen anzustellen, die Ermessensgründe auszuwechseln oder sie vollständig nachzuholen (BFH-Urteile vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl. II 2004, 579; vom 01.07.2008 II R 2/07, BStBl. II 2008, 897; BFH-Beschlüsse vom 02.06.2004 IV B 56/02, BFH/NV 2004, 1536; vom 09.11.2004 VI B 39/02, BFH/NV 2005, 378 m.w.N.).

Im Rahmen seiner Einspruchsentscheidung hat der Beklagte pauschal auf eine "Konzernstruktur" verwiesen, in die die Klägerin eingebunden gewesen sei, ohne die "Konzerngesellschaften" zu bezeichnen oder in sonstiger Weise darzulegen, welche Verflechtungen seiner Ermessenserwägung zugrunde lagen. Außerdem fehlten jegliche Erwägungen zu Umsätzen und Gewinnen der Klägerin oder anderer mit der Klägerin verbundener Unternehmen.

Erstmals im Klageverfahren hat der Beklagte konkretisiert, auf welche mit der Klägerin verbundene Unternehmen aus seiner Sicht bei der Entscheidung über den Antrag der Klägerin abzustellen sei und welche Umsätze diese Unternehmen erzielten. Hierdurch hat er insoweit erstmals konkrete Ermessenserwägungen nachgeholt. Dieses Nachholen neuer Ermessenserwägungen überschreitet den Rahmen des § 102 Satz 2 FGO.

d) Da das Gericht fehlende Ermessenserwägungen des Beklagten nicht ersetzen kann, war ein Bescheidungsurteil gemäß § 101 Satz 2 FGO geboten.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Da die Klägerin mit ihrem Verpflichtungsbegehren i.S.d. § 101 Satz 1 FGO nicht durchgedrungen ist, sondern lediglich ein Bescheidungsurteil i.S.d. § 101 Satz 2 FGO ergangen ist, erscheint es angemessen, die Kosten des Verfahrens den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen (ebenso BFH-Urteil vom 26.01.1988 VIII R 151/84, BFH/NV 1988, 695 m.w.N.).

7. Der Senat hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Frage, ob § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG mit dem Grundgesetz vereinbar ist und welche Ermessenserwägungen nach § 18 Abs. 1 Satz 2 UStG i.V.m. § 150 Abs. 8 AO erforderlich sind, grundsätzliche Bedeutung hat.



Ende der Entscheidung

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