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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 04.09.2008
Aktenzeichen: 5 K 15/04
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 26
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

5 K 15/04

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die umsatzsteuerliche Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen.

Der Kläger ist hauptberuflich als Versicherungskaufmann selbstständig tätig. In dieser Funktion erzielte er in den Streitjahren steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze in einer Größenordnung von rd. 208.000 - 248.000 DM. Daneben war der Kläger Aufsichtsratsmitglied der Volksbank X e. G.. Für die Tätigkeit im Aufsichtsrat der Volksbank erhielt der Kläger in den Streitjahren folgende Bruttovergütungen:

1997 4.000 DM

1998 4.800 DM

1999 5.200 DM

2000 5.950 DM

2001 4.323 DM.

Diese Vergütungen behandelte der Kläger als steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 26 Umsatzsteuergesetz (UStG). Die entsprechenden Bescheide für die Streitjahre ergingen nach § 164 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Rahmen der abschließenden Prüfung dieser Umsatzsteuerbescheide vertrat der Beklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, dass die Aufsichtsratsvergütungen der Umsatzsteuer unterlägen. Das FA erließ daraufhin unter dem 12.09.2002 (1997) bzw. 16.09.2002 (1998 - 2002) entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, den er damit begründete, dass die Einnahmen aus der Aufsichtsratstätigkeit nach § 4 Nr. 26 Buchstabe b UStG steuerfrei seien. Die Tätigkeit im Aufsichtsrat der Volksbank sei ehrenamtlich. Das FA folgte dieser Rechtsauffassung nicht und erließ am 01.12.2003 einen Einspruchsbescheid, mit dem es die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre im Wesentlichen als unbegründet zurückwies. Lediglich die Umsatzsteuer 1998 wurde von 6.311 DM auf 6.299 DM und die Umsatzsteuer 1999 von 12.099 DM auf 12.094 DM herabgesetzt. Hierbei handelte es sich um Änderungen für Vorsteuerbeträge aus Fahrtkostenpauschalen.

Gegen die Zurückweisung der Einsprüche hat der Kläger Klage erhoben. Er vertritt weiter die Auffassung, dass die Voraussetzungen der Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 26 Buchstabe b UStG vorlägen. Es handele sich um Auslagenersatz für eine ehrenamtliche Tätigkeit. So habe der BFH in einem Urteil vom 27.07.1992 (V R 33/72, BStBl II 1972, 844) entschieden, dass die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes einer Genossenschaft als ehrenamtliche Tätigkeit im Sinne der genannten Vorschrift angesehen werden könne. Es werde darauf abgestellt, ob eine Tätigkeit in einem anderen Gesetz als ehrenamtlich bezeichnet sei oder aber von der Allgemeinheit als ehrenamtlich angesehen werde. Diese Voraussetzung sei im Streitfall erfüllt. Bei der Frage der Angemessenheit der Entschädigung sei auf die Verhältnisse des Einzelfalles abzustellen. Dies habe die Finanzverwaltung selbst in Abschnitt 120 Abs. 4 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien geregelt. Im Schrifttum werde zutreffend die Auffassung vertreten, dass bei der Beurteilung der Angemessenheit nicht kleinlich verfahren werden solle, dass jedoch eine Verdienstausfallsentschädigung unterhalb des tatsächlichen Verdienstausfalls als angemessen angesehen werden könne. Es handele sich bei der Aufwandsentschädigung der Volksbank um pauschale Entschädigungen, die jedem Aufsichtsratsmitglied in gleicher Höhe zugewendet würden. Eine Unterscheidung nach Berufsgruppen erfolge nicht. Die erhaltenen Entschädigungen machten im Übrigen nur einen geringen Prozentsatz des Umsatzes des Klägers aus. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger sein Vorbringen wie folgt ergänzt: Der Aufsichtsrat tage etwa viermal im Jahr. Die Sitzungen dauerten ca. 5 Stunden ohne Vorbereitungszeit. Es gebe neben dem Aufsichtsrat noch verschiedene andere Ausschüsse, wie zum Beispiel den Bauausschuss und insbesondere auch den Kreditausschuss. Die Mitglieder dieser Ausschüsse setzten sich aus Teilen der Mitglieder des Aufsichtsrates und dem Vorstand zusammen. Der Kreditausschuss tage häufiger. Hier müssten Kredite ab einer bestimmten Kreditsumme genehmigt werden. Der Kläger habe seinerzeit als Vorsitzender des Aufsichtsrates bzw. später als stellvertretender Vorsitzender auch dem Kreditausschuss angehört. Darüber hinaus habe der Aufsichtsrat auch weitergehende Aufgaben. So stehe er im ständigen Kontakt zum Vorstand und begleite die verschiedenen Prüfungen, die bei der Bank stattfänden, zum Beispiel Prüfungen des Finanzamtes, des Genossenschaftsverbandes oder des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen.

Der Kläger beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 12.09.2002 und die Umsatzsteuerbescheide 1998 bis 2001 vom 16.09.2002 sowie den dazu ergangenen Einspruchsbescheid vom 01.12.2003 aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es vertritt weiter die Auffassung, dass die vom Kläger vereinnahmten Aufsichtsratsvergütungen nicht von der Umsatzsteuer zu befreien seien. Entscheidend sei die Art der Tätigkeit, nicht die Rechtsform, in der diese Tätigkeit ausgeübt werde. Erforderlich sei nach der Rechtsprechung des BFH eine fremdnützige Tätigkeit, wie zum Beispiel im Bereich von Selbsthilfeeinrichtungen oder im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Tätigkeit im Aufsichtsrat einer Volksbank sei damit nicht vergleichbar. Die Volksbanken stünden als Wirtschaftsbetrieb im Wettbewerb mit Banken und Sparkassen und seien keine reinen Selbsthilfeeinrichtungen mehr. Das Entgelt, das der Gelder erhalten habe, gehe auch über ein angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis hinaus. Gemessen an den Einkünften, die der Kläger mit seiner Versicherungsagentur erziele, entspreche die Entschädigung in etwa seinem Verdienstausfall.

Die Vertreter des Klägers haben nach Schluss der mündlichen Verhandlung per Fax vom 04.09.2008, 13:30 Uhr, einen Schriftsatz zukommen lassen, dem sie einen Auszug aus der Kommentierung "Der Aufsichtsrat der Genossenschaft", Autor: Wilhelm Frankenberger, beigefügt haben. Außerdem haben sie einen Auszug aus dem Genossenschaftsgesetz beigefügt. Im Übrigen haben sie in diesem Fax beantragt,

die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Durch die geänderten Umsatzsteuerbescheide 1997 bis 2001 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 01.12.2003 ist der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.

Das FA hat zu Recht die Leistungen des Klägers als Aufsichtsratsmitglied der Volksbank X als umsatzsteuerpflichtig behandelt.

1. Steuerbarkeit der Leistungen des Klägers

Die Leistungen des Klägers als Aufsichtsratsmitglied sind umsatzsteuerbar. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen der Umsatzsteuer, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG). Gewerblich oder beruflich ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt. Im Streitfall hat der Kläger durch seine Aufsichtsratstätigkeit für die Volksbank sonstige Leistungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbracht. Die Aufsichtsratstätigkeit stellt eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG dar. Dies folgt u.a. auch aus § 3 a Abs. 4 Nr. 3 UStG, der hinsichtlich der Frage des Ortes der sonstigen Leistungen auch die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied ausdrücklich zu den sonstigen Leistungen zählt.

2. Tätigkeit im Rahmen des Unternehmens

Der Kläger hat die Aufsichtsratstätigkeit auch im Rahmen seines Unternehmens i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG ausgeübt, denn die Einnahmen aus seiner Tätigkeit als Versicherungskaufmann und Hausverwalter und die aus seiner Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied gehören umsatzsteuerlich zu einem Unternehmen. Jeder Unternehmer hat umsatzsteuerrechtlich nur ein Unternehmen, § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG. In diesem sind sämtliche unternehmerischen Aktivitäten zusammengefasst. Für umsatzsteuerliche Zwecke werden alle Tätigkeiten, unabhängig davon, welcher Art sie sind, zusammengerechnet.

3. Kein Vorliegen einer Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 UStG

Die Tätigkeit des Klägers als Aufsichtsratsmitglied der Volksbank X ist nicht von der Umsatzsteuer befreit. Die Voraussetzungen einer Umsatzsteuerbefreiungsvorschrift liegen nicht vor. Insbesondere sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 26 b UStG nicht erfüllt, denn der Kläger ist nicht ehrenamtlich für die Volksbank X tätig.

Nach § 4 Nr. 26 UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei die ehrenamtliche Tätigkeit,

a) wenn sie für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird,

b) wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur ein Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht.

Die Volksbank X ist keine juristische Person des öffentlichen Rechts, so dass die Voraussetzungen des § 4 Nr. 26 Buchstabe a) UStG schon deshalb nicht vorliegen.

a) Voraussetzungen des § 4 Nr. 26 Buchstabe b) UStG

Die Tätigkeit des Klägers als Aufsichtsratsmitglied ist aber auch nicht nach § 4 Nr. 26 Buchstabe b) UStG von der Umsatzsteuer befreit. Die Tätigkeit des Klägers ist nicht ehrenamtlich.

b) Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit

Was als ehrenamtliche Tätigkeit anzusehen ist, definiert das Umsatzsteuergesetz nicht. Die Finanzverwaltung hat unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BFH in Abschn. 120 Abs. 1 UStR 2008 eine ehrenamtliche Tätigkeit wie folgt definiert:

Unter ehrenamtlicher Tätigkeit ist die Mitwirkung natürlicher Personen bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu verstehen, die auf Grund behördlicher Bestellung außerhalb eines haupt- oder nebenamtlichen Dienstverhältnisses stattfindet und für die lediglich eine Entschädigung besonderer Art gezahlt wird (vgl. BFH-Urteil vom 16. 12. 1987, X R 7/82, BStBl 1988 II S. 384). 2 Hierzu rechnen neben den in einem Gesetz ausdrücklich als solche genannten Tätigkeiten auch die, die man im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicher Weise als ehrenamtlich bezeichnet. 3 Danach kann auch die Tätigkeit eines Mitgliedes im Aufsichtsrat einer Genossenschaft (BFH-Urteil vom 27. 7. 1972, V R 33/72, BStBl II S. 844) oder die Tätigkeit eines Ratsmitgliedes im Aufsichtsrat einer kommunalen Eigengesellschaft (BFH-Urteil vom 4. 5. 1994, XI R 86/92, BStBl II S. 773) eine ehrenamtliche Tätigkeit im Sinne der Befreiungsvorschrift sein.

Danach kann also im Grundsatz auch die Tätigkeit eines Mitglieds im Aufsichtsrat oder im Vorstand einer Genossenschaft den Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit ausfüllen (BFH-Urteil vom 27.07.1972, V R 33/72, BStBl II 1972, 844).

Insgesamt sind danach folgende Kennzeichen für eine ehrenamtliche Tätigkeit i.S.d. § 4 Nr. 26 Buchstabe b UStG maßgebend (vgl. dazu Oelmaier, Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 26, Rz. 18 m.w.N.):

Kein eigennütziges Erwerbsstreben,

keine Hauptberuflichkeit,

Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung, wobei nicht Voraussetzung ist, dass der Leistungsempfänger gemeinnützige Zwecke i.S.d. § 52 AO verfolgt.

Diese Konstellation ist zum Beispiel bei Tätigkeiten für Selbsthilfeeinrichtungen oder auch im Verbandsbereich anzutreffen. Nach der Rechtsprechung des BFH gilt dies jedoch nicht bei reinen Erwerbsgesellschaften (vgl. BFH-Urteil vom 04.05.1994 - XI R 86/92, BStBl II 1994, 773).

Auf den Streitfall angewandt folgt daraus nach Auffassung des erkennenden Senats, dass die Tätigkeit des Klägers ihrer Art nach nicht ehrenamtlich war.

Bei der Volksbank X handelt es sich zwar um ein genossenschaftlich strukturiertes Unternehmen i.S.d. § 1 GenG. In früheren Zeiten waren nur die genossenschaftlichen Banken bereit und in der Lage, ihren Mitgliedern, vorwiegend Landwirte, Handwerker und Gewerbetreibende, Bankdienstleistungen zu tragbaren und fairen Konditionen bereitzustellen. Das weitgehend fehlende Eigenkapital wurde durch die unbeschränkte persönliche Haftung aller Mitglieder ersetzt (vgl. Frankenberger, Der Aufsichtsrat der Genossenschaft, Seite 113).

Dieses Bild der Genossenschaftsbank hat sich in der Gegenwart jedoch verändert. Heute sind die Genossenschaftsbanken als reine Marktgenossenschaften für ihre Mitglieder nur ein Partner unter mehreren möglichen. Sie stehen in einem Wettbewerb mit anderen Kreditinstituten und unterliegen den gleichen, kostenintensiven bankaufsichtsrechtlichen Bestimmungen wie alle anderen Institute. Neben dem reinen Mitgliedergeschäft ist in zunehmendem Maße heute auch das Kreditgeschäft für Nichtmitglieder der Genossenschaften getreten. Nach Auffassung des Senats handelt es sich deshalb auch bei den Volksbanken um Erwerbsgesellschaften, die einer ehrenamtlichen Tätigkeit ihrer Aufsichtsratsmitglieder nicht zugänglich sind.

Die Klage konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO - die Revision zugelassen, weil die Streitsache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, ob die Aufsichtsratstätigkeit für eine Genossenschaftsbank (Volksbank) ehrenamtlich i.S.d. § 4 Nr. 26 Buchstabe b) UStG ist, ist höchstrichterlich bisher noch nicht entschieden worden.



Ende der Entscheidung

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