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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: 5 K 251/06
Rechtsgebiete: UStG, AO


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8a
AO § 14
AO § 65
AO § 68 Nr. 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

5 K 251/06

Tatbestand:

Der Kläger ist ein Verein, der vom Beklagten als gemeinnützig anerkannt wurde. Nach § 2 Ziff. 1 der Satzung ist Zweck des Klägers "die Förderung von Bildung und Erziehung".

Ferner enthält die Satzung u.a. folgende Angaben: "Der Verein ist eine Einrichtung, der mit künstlerisch-sozialen Verfahren (Musik-, Sprech- und Bewegungserziehung) pädagogische Ziele verwirklicht." (§ 2 Ziff. 2 der Satzung). "Der Verein veranstaltet Fortbildungen und Weiterbildungen durch entsprechende Tagungen und Seminare." (§ 2 Ziff. 3 Satz 1 der Satzung). "Der Verein ist selbstlos tätig, er verfolgt nicht in erster Linie wirtschaftliche Interessen." (§ 2 Ziff. 5 der Satzung). "Die Mittel des Vereins dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins." (§ 2 Ziff. 6 der Satzung).

Der Rechtsstreit befindet sich im 2. Rechtsgang. Streitig ist nunmehr, ob Umsätze aus einigen der vom Kläger durchgeführten Tanzkurse nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Umsatzsteuergesetz (UStG) dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sind.

Mit Schreiben vom 23.6.1995 hatte der Kläger dem Beklagten einen Programmentwurf für das 2. Halbjahr 1995 mit der Bitte um steuerrechtliche Überprüfung übermittelt. Dazu teilte der Beklagte mit, die in dem Programm enthaltenen Tanzkurse "Standard - Latein, Ball der Tanzwerkstatt, Salsa und Tango" seien steuerrechtlich nicht als Zweckbetrieb einzustufen. Er bat insoweit um eine getrennte Ermittlung der Einnahmen und Ausgaben.

Nach den vom Kläger vorgelegten Kassenberichten betrugen die Kursbeiträge, die der Kläger dem "ideellen Bereich" zuordnete, im Jahr 1995 ... DM, die Einnahmen aus der Tanzwerkstatt ... DM. 1996 standen Kursbeiträgen im "ideellen Bereich" in Höhe von ... DM solche aus der Tanzwerkstatt in Höhe von ... DM gegenüber, 1997 erzielte der Kläger Einnahmen aus Kursbeiträgen von Kindern im "ideellen Bereich" in Höhe von ... DM, von Erwachsenen in Höhe von ... DM und Kursbeiträge Erwachsener aus der Tanzwerkstatt in Höhe von ... DM. 1998 nahm der Kläger im "ideellen Bereich" Kursbeiträge von Kindern in Höhe von ... DM und von Erwachsenen in Höhe von ... DM ein; Kursbeiträge der Erwachsenen aus der Tanzwerkstatt betrugen ... DM.

Für die Streitjahre (1995 - 1998) gab der Kläger am 9.8.1999 Umsatzsteuererklärungen ab, in denen er jeweils steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz und Vorsteuerbeträge erklärte. Mit Bescheiden vom 5.1.2000 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer erklärungsgemäß fest. In einer Anlage zu diesen Bescheiden wies er darauf hin, die Bereiche Tanzwerkstatt und Cafeteria seien als steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe behandelt worden.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger am 28.1.2000 Einspruch ein, der zunächst damit begründet wurde, die Umsätze aus den Bereichen Tanzwerkstatt und Cafeteria seien nach § 4 Nr. 22 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Im Laufe des Einspruchsverfahrens machte der Kläger nur noch geltend, diese Steuerbefreiung sei für die Einnahmen aus der Tanzwerkstatt zu gewähren. Der Einspruch wurde als unbegründet abgewiesen, da Tanzkurse nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 22 a UStG fielen.

Hiergegen erhob der Kläger die vorliegende Klage, mit der er im 1. Rechtsgang geltend machte, Umsätze aus den vom Kläger durchgeführten streitbefangenen Tanzkursen seien nach § 4 Nr. 22 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Nachdem der Senat die Klage abgewiesen hatte, bestätigte der Bundesfinanzhof (BFH) im Rahmen der vom Senat zugelassenen Revision, dass die Tanzkurse nicht nach § 4 Nr. 22 UStG steuerbefreit sind. Das Urteil des erkennenden Senats wurde allerdings aufgehoben und der Rechtsstreit an das Niedersächsische Finanzgericht zurückverwiesen, da im 1. Rechtsgang nicht geprüft wurde, ob die Umsätze aus den Tanzkursen nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG i.V.m. § 65 Abgabenordnung (AO) dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen sind. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil des BFH vom 27. 4. 2006 (V R 83/04) verwiesen.

Der Kläger macht nunmehr geltend, die Umsätze aus den Tanzkursen seien nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen. Die vom Kläger im Rahmen der sog. Tanzwerkstatt angebotenen Kurse dienten ausschließlich und unmittelbar dem in § 2 der Satzung beschriebenen Zwecke, nämlich der Förderung von Bildung und Erziehung durch besonders konzipierte und strukturierte Kurse.

Es beständen erhebliche Unterschiede zwischen den vom Kläger durchgeführten Seminaren und den üblichen Tanzkursen gewerblicher Tanzschulen. Bei dem Kläger hätten sich Dozenten aus den Bereichen Rhythmik, Tanztherapie und Sozialpädagogik zusammengeschlossen, um die Ausdrucksformen Musik und Bewegung künstlerisch und ganzheitlich erfahrbar zu machen. Dozenten seien - anders als bei gewerblichen Tanzschulen - keine Tanzlehrer, sondern im Wesentlichen Diplom-Rhythmiklehrer, Tanztherapeuten, Gestalttherapeuten und Personen mit ähnlichen Ausbildungen.

Die Teilnehmer sollten in ihrer ganzen Person verstanden und auf geistiger, körperlicher und emotionaler Ebene angesprochen werden. In den Seminaren des Klägers solle durch Rhythmikübungen ein besonderes Körpergefühl herausgebildet werden. Adressaten dieser Kurse seien nicht das übliche Tanzschulpublikum, sondern unsichere Menschen, die durch ergänzende Beratungen und unterstützende Kursangebote bei ausgeprägten psychischen und physischen Unsicherheiten betreut würden, um die Koordinationsfähigkeiten in der Bewegung sowie das musikalische Hören zu fördern. Der Kläger arbeite nicht leistungs- oder erfolgsorientiert. Der Kläger habe es sich zur Aufgabe gemacht, alleinstehende Menschen anzusprechen, die insbesondere in Unterrichtseinheiten mit Kreis- und Gruppentänzen und anderen Übungen, die einen häufigen Tanzpartnerwechsel erforderten, in Gruppen integriert werden sollten. Der Kläger sei ... Mitglied im ...

Der Kläger habe mit den in den Streitjahren durchgeführten Tanzkursen Teilnehmer angesprochen, die nicht an der reinen Vermittlung von Tanztechniken interessiert gewesen seien, sondern durch das Mittel des Tanzes fremde Kulturen kennen lernen wollten. Diese Tänze seien vielfach von Tanzlehrern aus den entsprechenden Herkunftsländern vermittelt worden. Aus diesen Gründen seien die Kurse im Rahmen der Tanzwerkstatt nicht mit Tanzkursen gewerblicher Anbieter zu vergleichen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

die Umsatzsteuer ... herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, die streitbefangenen Tanzkurse seien nicht im Rahmen eines steuerbegünstigten Zweckbetriebs erfolgt. Daher stehe dem Kläger nicht der ermäßigte Steuersatz zu. Der Kläger habe mit den Tanzkursen einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO unterhalten.

Der vom Kläger mit den Tanzkursen unterhaltene wirtschaftliche Geschäftsbetrieb erfülle nicht die Voraussetzungen für einen Zweckbetrieb i.S.d. § 68 Nr. 8 AO, weil es sich bei den Leistungen des Klägers nicht um "Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art" gehandelt habe. Die Tatbestandsmerkmale des § 68 Nr. 8 AO seien insoweit dieselben wie in § 4 Nr. 22 a UStG. Dass die Kurse des Klägers die Voraussetzungen des § 4 Nr. 22 a UStG nicht erfüllten, habe der BFH in seinem Urteil vom 27. April 2006 (V R 53/04) bereits ausgeführt.

Auch die Voraussetzungen für einen Zweckbetrieb i.S.d. § 65 AO lägen nicht vor. Der Kläger habe neben den Tanzkursen eine Vielzahl anderer Veranstaltungen durchgeführt. Dies ergebe sich zum einen aus dem von ihm vorgelegten Veranstaltungsprogramm für das zweite Halbjahr 1995, zum anderen aus den Gewinnermittlungen der Streitjahre, die zusätzlich zu den streitbefangenen Umsätzen jährlich Einnahmen aus Kursbeiträgen zwischen ... auswiesen. Damit sei erwiesen, dass der Kläger seine satzungsmäßigen Zwecke nicht nur durch die streitbefangenen Tanzkurse erreichen könne.

Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass sich die von ihm durchgeführten Tanzkurse wesentlich von den Tanzkursen gewerblicher Tanzschulen unterschieden hätten. Daher sei der Kläger mit der Veranstaltung der Kurse in einer durch § 65 Nr. 3 AO nicht gedeckten Weise zu einer Vielzahl nicht begünstigter Unternehmen in Wettbewerb getreten.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Finanzgerichtsakten und die Steuerakten des Beklagten zu Steuer-Nr. .... verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die streitbefangenen Umsätze zu Recht dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterworfen.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7% für die Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§§ 51 - 68 AO). Das gilt nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 2 UStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung nicht für Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftbetriebs ausgeführt werden.

1. Mit den Tanzkursen hat der Kläger einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO unterhalten, da er durch diese Kurse eine selbständige nachhaltige Tätigkeit ausgeübt hat, durch die Einnahmen erzielt wurden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausging.

2. Schließt das Gesetz eine Steuervergünstigung insoweit aus, als ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten wird, so verliert eine Körperschaft die Steuervergünstigung für die dem Geschäftsbetrieb zuzuordnenden Besteuerungsgrundlagen nach § 64 Abs. 1 AO, soweit der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb kein Zweckbetrieb i.S.d. §§ 65 - 68 AO ist.

Mit den streitbefangenen Tanzkursen hat die Klägerin keinen Zweckbetrieb im Sinne dieser Vorschriften unterhalten.

a) Diese Tanzkurse sind nicht als Zweckbetrieb i.S.d. § 68 Nr. 8 AO zu qualifizieren.

Gemäß § 68 Nr. 8 AO sind Volkshochschulen und andere Einrichtungen auch Zweckbetriebe, soweit sie selbst Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art durchführen.

§ 68 AO ist gegenüber § 65 AO als vorrangige Vorschrift zu verstehen (BFH v. 4. 6. 2003 I R 25/02, BStBl. II 2004, 660).

Da § 68 Nr. 8 AO vom Gesetzgeber als eine Vorschrift konzipiert wurde, die den zuvor bereits bestehenden, weitgehend wortgleichen § 4 Nr. 22 UStG ergänzt, ist diese Vorschrift ebenso auszulegen wie § 4 Nr. 22 UStG (vgl. BT-Drucks. 8/2827 S. 79; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Komm. zur AO, § 68 Rn. 22), obwohl das für § 4 Nr. 22 UStG geltende Gebot einer richtlinienkonformen Auslegung i.S. der 6. EG-Richtlinie (vgl. hierzu das Urteil des BFH im 1. Rechtsgang V R 53/04 Ziff. II. 1 c und d) nicht ohne weiteres auf die Abgabenordnung übertragen werden kann, die auch andere Rechtsgebiete als die Umsatzsteuer betrifft. Die streitbefangenen Tanzkurse sind deshalb ebenso nicht als "Kurse belehrender Art" i.S.d. § 68 Nr. 8 AO zu qualifizieren wie dies im 1. Rechtsgang hinsichtlich des § 4 Nr. 22 UStG entschieden wurde.

Da die Kurse der Klägerin nicht in den Anwendungsbereich des § 68 Nr. 8 AO fallen, kann offen bleiben, ob dem Senat eine Prüfung dieser Vorschrift gestattet ist oder ob sie nach § 126 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) dadurch ausgeschlossen ist, dass der BFH dem Senat ausdrücklich nur aufgegeben hat, im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob die Kurse als Zweckbetrieb i.S.d. - gegenüber § 68 AO nachrangigen - § 65 AO zu qualifizieren sind.

b) Die Tanzkurse erfüllen ebenfalls nicht die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs nach § 65 AO.

Ein Zweckbetrieb ist nach § 65 AO gegeben, wenn

1. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen,

2. die Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden können und

3. der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung er steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist.

aa) Entgegen § 65 Nr. 2 AO können die steuerbegünstigten Zwecke des Klägers nicht nur durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Tanzkurse erreicht werden. Vielmehr zeigt die vom Kläger vorgelegte Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben der Streitjahre, dass dieser seine Zwecke weit überwiegend durch andere Aktivitäten verwirklicht, die vom Beklagten nicht der Umsatzsteuer unterworfen wurden.

Die steuerbegünstigten Zwecke des Klägers sind in § 2 der Satzung mit der "Förderung von Bildung und Erziehung" dahingehend beschrieben, dass der Kläger "mit künstlerisch-sozialen Verfahren (Musik-, Sprech- und Bewegungserziehung) pädagogische Ziele" verwirklicht. Da die streitbefangenen Tanzkurse nach der für den Senat gemäß § 126 Abs. 5 FGO bindenden Würdigung des BFH "der Freizeitgestaltung der Teilnehmer" dienten (BFH-Urteil V R 53/04 S. 7 unten), erscheint schon fraglich, ob diese Tanzkurse überhaupt dazu dienten, unmittelbar die satzungsmäßigen Zwecke des Klägers zu verwirklichen oder ob mit ihnen nur Einnahmen erzielt wurden, die ihrerseits dazu dienten, die satzungsmäßigen Zwecke des Klägers zu erfüllen. Jedenfalls können die steuerbegünstigten Zwecke nicht nur durch derartige Kurse erreicht werden. Vielmehr dienen hierzu in erster Linie andere Kurse únd Veranstaltungen, die der Kläger selbst in seiner Aufstellung über Einnahmen und Ausgaben der Streitjahre dem "ideellen Bereich" zugeordnet und von der "Tanzwerkstatt" abgegrenzt hat.

bb) Hieraus folgt zugleich, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb des Klägers entgegen § 65 Nr. 3 AO zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art (kommerzielle Tanzschulen) in größerem Umfang in Wettbewerb tritt, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar wäre.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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