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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 17.03.2009
Aktenzeichen: 5 K 303/08
Rechtsgebiete: UStG, AO


Vorschriften:

UStG § 18 Abs. 1
AO § 87a Abs. 3
Ab dem 01.01.2005 sind Umsatzsteuer-Voranmeldungen elektronisch zu übermitteln, sofern der Unternehmer über einen internetfähigen Computer verfügt.
Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin berechtigt ist, ihre Umsatzsteuervoranmeldungen nach dem 01.01.2005 weiterhin in herkömmlicher Form (Papierform) abzugeben.

Am 10.01.2005 stellte die Klägerin den Antrag, ihre Umsatzsteuervoranmeldungen weiterhin in Papierform abgeben zu können. Sie begründete ihren Antrag damit, dass sie einen fahrlässigen Umgang mit persönlichen Daten im Internet befürchte und deshalb mit erheblichem Missbrauch durch Dritte rechne.

Den Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17.02.2005 ab. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.

Die Klägerin trägt vor, der Gesetzgeber könne den Steuerbürger nicht verpflichten, seine Daten über das Netz zu transportieren, wenn er nicht gleichzeitig gewährleiste, dass ein Zugriff unbefugter Dritter ausgeschlossen sei.

Sie (Klägerin) habe anlässlich der Verlegung ihres Betriebs von H. nach B. (Niedersachsen) feststellen müssen, dass kein geordneter Umgang mit ihren Steuerdaten sichergestellt sei: So habe sie monatelang keine neue Steuernummer erhalten und sei mehrfach gemahnt worden, obwohl die Umsatzsteuer bereits von ihr entrichtet worden sei. Die Erteilung der von ihr beim Bundesamt für Finanzen beantragten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer habe sich nur deshalb verzögert, weil der Beklagte die hierfür erforderlichen Daten (Steuernummer, Name, Anschrift, Firma) nicht rechtzeitig mitgeteilt habe.

Zudem verweist die Klägerin auf einen Zeitungsartikel vom 11.02.2005, in dem von "Anlaufschwierigkeiten" bei ELSTER in Form von überlasteten Servern und fehlgeschlagenen Übermittlungsversuchen zum Anfang des Jahres 2005 die Rede ist. Ihr umfangreiches Arbeitsprogramm erlaube es ihr nicht, zeitraubende Übermittlungsversuche zu unternehmen. Hinzu komme, dass sie aus Gründen der Datensicherheit einen Computer allein für das Internet vorhalte, von dem keinerlei Transfer auf das sonstige Netz vorgenommen werde und von welchem jegliche sicherheitsrelevanten Daten entfernt seien. Bei fehlgeschlagener Übermittlung müsse dann doppelt gearbeitet werden, weil die auf dem Computer mit Internetanschluss aufgespielten Daten für die Übermittlung der Steuererklärung dann wieder gelöscht werden müssten. Dadurch entstehe zusätzlicher, ihr nicht zumutbarer Aufwand.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 17.02.2005 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 01.08.2005 zu verpflichten, ihr zu gestatten, die monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen weiterhin in Papierform abgeben zu dürfen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG sei durch das Steueränderungsgesetz 2003 (StÄndG 2003) dahin gehend geändert, dass der Unternehmer seit dem 01.01.2005 "bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck auf elektronischem Weg nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu übermitteln" habe. Damit schreibe das UStG die elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung für alle Unternehmer zwingend vor. Nur auf Antrag könne das Finanzamt "zur Vermeidung von unbilligen Härten auf die elektronische Übermittlung verzichten" (§ 18 Abs. 1 Satz 1 - letzter Halbsatz - UStG).

Auf Bund-Länder-Ebene sei dann festgelegt worden, dass ein begründeter Antrag nur vorliege, wenn und solange es dem Unternehmer nicht zumutbar sei, die notwendigen technischen Voraussetzungen für die elektronische Übermittlung zu schaffen. Dies sei insbesondere der Fall, wenn er finanziell nicht in der Lage sei, entsprechende Investitionen zu tätigen oder kurzfristig eine Einstellung seiner betrieblichen Tätigkeit beabsichtige oder in nächster Zeit eine Umstellung der Software/Hardware beabsichtige.

Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die Klägerin verfüge über die technische Ausstattung zur elektronischen Übermittlung der steuerlichen Daten. Sie könne den allein für das Internet vorgehaltenen Computer zur Übermittlung der Voranmeldung nutzen.

Feststellungen der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hätten ergeben, dass die von der Klägerin geäußerten Zweifel an der Sicherheit bei der Übermittlung der Steuerdaten im ELSTER-Verfahren unberechtigt seien. Zur Wahrung der Datensicherheit bei der Datenübertragung über offene Netze in das Netz der Finanzverwaltung würden zeitgemäße Verschlüsselungstechniken genutzt.

Die theoretische Möglichkeit, dass widerrechtlich eine fremde Steuernummer verwendet werde, um eine gefälschte Voranmeldung abzugeben, liefere keinen Grund, einen Härtefall anzunehmen. Denn diese Manipulationsmöglichkeit habe auch bei der bisherigen Abgabe der Voranmeldungen in Papierform bestanden, wo anders als bei der Jahreserklärung (§ 18 Abs. 3 Satz 3 UStG) gerade keine eigenhändige Unterschrift angeordnet sei.

Die Klägerin hat dem Gericht unter dem 16.03.2009 mitgeteilt, dass sie nicht zum Gerichtstermin entscheiden werde. Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung sei sie einverstanden. In der Sache halte sie an ihrem bisherigen Rechtsstandpunkt fest, wonach Daten im Internet nicht vor einem Zugriff durch Unbeteiligte geschützt seien. Sie erinnert in diesem Zusammenhang an den Datendiebstahl bei PriceWaterhouseCoopers, der im September 2008 durch das ZDF (wiso) aufgedeckt worden sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die ablehnende Verwaltungsentscheidung des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, ihre Umsatzsteuervoranmeldungen ab dem 1.1.2005 weiterhin in Papierform abgeben zu dürfen.

1. Durch das Steueränderungsgesetz 2003 - StÄndG 2003 - vom 15.12.2003 (BGBl. I S. 2645) wurde § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG geändert. Danach hat der Unternehmer nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraums eine Umsatzsteuer-Voranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck auf elektronischem Weg nach Maßgabe der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung zu übermitteln; auf Antrag kann das Finanzamt zur Vermeidung von unbilligen Härten auf eine elektronische Übermittlung verzichten. Die Änderungen treten am 01.01.2005 in Kraft und gelten für Voranmeldungs- bzw. Anmeldungszeiträume, die nach dem 31.12.2004 enden.

2. Die Neuregelung liegt innerhalb des verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers (vgl. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 822 m.w.N.). Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liegt nicht vor, weil der Gesetzgeber die Frage der Zumutbarkeit gesehen und ihr durch die sog. Härtefallregelung Rechnung getragen hat.

3. Ausweislich der gesetzgeberischen Beratungen zum StÄndG 2003 liegen Härtefälle insbesondere dann vor, "wenn der Steuerpflichtige nicht über die technischen Vorraussetzungen verfügt, die für die Übermittlung nach der Steuerdaten-Übermittlungsverordnung eingehalten werden müssen" (Begründung des Finanzausschusses, BT-Drs. 15/1798; 15/1845). § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG normiert nämlich nicht die Pflicht des Unternehmers, sich zur Erfüllung der Erklärungspflicht auf elektronischem Wege Hardware und Software anschaffen zu müssen (FG Hamburg, Beschluss vom 10.03.2004 II 51/05, EFG 2005, 992, a. A. BMF-Schreiben vom 29.11.2004, BGBl. I 2004, 1135).

Der Beklagte hat in seiner Einspruchsentscheidung zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin über die technische Ausstattung zur elektronischen Übermittlung der steuerlichen Daten verfüge und daher kein Härtefall anzunehmen sei. Die Klägerin besitzt einen allein für das Internet vorgehaltenen Computer und kann diesen zur Übermittlung der Voranmeldung nutzen.

4. Der zeitliche Mehraufwand für die Klägerin besteht in der bloßen Übertragung einzelner Zahlen (Umsätze, Vorsteuer, Zahllast) aus ihrer Buchführung in das ELSTER-Voranmeldungsformular. Dieser zeitliche Mehraufwand ist hinzunehmen und führt - wie der Beklagte zutreffend ausführt - nicht zur Anwendung der Härtefallregelung. Im Übrigen wäre auch bei der Abgabe der Voranmeldung in Papierform eine Übertragung der Zahlen auf den herkömmlichen Vordruck nötig.

Die behaupteten Verzögerungen durch Überlastung des Systems beziehen sich auf den einmaligen Vorgang der Überlastung der Server am 10.02.2005. Damals reichte die eingesetzte Hardware nicht aus, um den Sturm der Anmeldungen zu bewältigen (vgl. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 826). Als Reaktion darauf wurde die Abgabefrist für die Umsatzsteuervoranmeldung des Monats Januar 2005 auf den 12.02.2005 verlängert. Außerdem wurden die für den technischen Betrieb des ELSTER-Verfahrens zuständigen sog. ELSTER-Clearingstellen in München und Düsseldorf redundant ausgelegt, um eine unterbrechungsfreie Verfügbarkeit zu gewährleisten. So wurde erreicht, dass auch bei vollständigem Ausfall eines Systems weiterhin eine Übermittlung der Daten auf elektronischem Weg sichergestellt ist. Seitdem sind auch keine weiteren technischen Verzögerungen durch Überlastung der Server o. ä. mehr publik geworden. Die einmalige Überlastung des technischen Systems in der Startphase des ELSTER-Verfahrens begründet noch keinen Härtefall.

5. Die Übermittlung der Daten im ELSTER-Verfahren ist auch nicht manipulationsanfälliger als das papiergebundene System.

Bei der papiergebundenen Umsatzsteuervoranmeldung soll die Authentizität des Absenders durch Angabe der Steuernummer in der Voranmeldung erreicht werden. Eine Unterschrift ist bei der Voranmeldung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 UStG im Gegensatz zur Umsatzsteuererklärung nach § 18 Abs. 3 UStG nicht erforderlich.

Mit dem ELSTER-Verfahren wurde der Übertragungsweg von der papiergebundenen Form hin zur elektronischen Form eingeführt. Die elektronische Umsatzsteuervoranmeldung hat nach Maßgabe der StDÜV zu erfolgen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG). Nach § 87a Abs. 3 AO sind elektronische Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Jedoch besteht nach § 6 Abs. 1 StDÜV bei der Umsatzsteuervoranmeldung die Möglichkeit, auf die qualifizierte elektronische Signatur zu verzichten. Bei Verzicht auf die elektronische Signatur hat der Steuerpflichtige eine eigenhändig unterschriebene Erklärung (zur Teilnahme) nach amtlich vorgeschriebenem Wortlaut in Papierform abzugeben. Bei Fehlen dieser Erklärung soll die Voranmeldung nicht als Steueranmeldung i. S. des UStG gelten.

a) Seit dem 01.01.2006 hat der Steuerpflichtige die zusätzliche Möglichkeit, die elektronisch zu übermittelnden Daten der Voranmeldung entweder wie bisher über die Software ELSTER-Formular oder direkt über das Portal Elster-Online einzugeben. Mit der Einführung des Online-Portals wurden zwei neue Möglichkeiten der Authentifizierung geschaffen, nämlich die Authentifizierung mittels "ELSTER-Stick" bzw. die Verwendung eines Software-Zertifikats (vgl. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 824 ff).

Mittels der Verwendung der qualifizierten elektronischen Signatur (digitale Unterschrift) kann der Steuerpflichtige bereits ab 2005 ein größeres Maß an Sicherheit erlangen als bei der papiergebundenen Form unter Verwendung der eigenen Unterschrift. Gleiches gilt für die ab 2006 geschaffenen weiteren Möglichkeiten der Authentifizierung.

b) Aber auch bei Verzicht auf die elektronische Signatur oder die zum 01.01.2006 eingeführten zusätzlichen Möglichkeiten der Authentifizierung kann nicht von einem neuen Sicherheitsrisiko gesprochen werden. Denn eine Voranmeldung für eine andere Person ("Fälschung") kann sowohl in Papierform als auch auf elektronischem Weg abgegeben werden. Die Manipulationsmöglichkeit des Steueranmeldungsverfahrens kann damit nicht - wie der Beklagte im Einspruchsbescheid zu Recht ausführt - auf das ELSTER-Verfahren zurückgeführt werden. Sie beruht vielmehr darauf, dass das Voranmeldungsverfahren die Steuernummer als Authentifizierung ausreichen lässt.

Bei der elektronischen Übertragung der Voranmeldung im ELSTER-Verfahren werden die verwendeten IP-Adressen (Internetprotokoll) über einen mehrmonatigen Zeitraum gespeichert. Dadurch kann bei einer vorsätzlich falschen Übermittlung die IP-Adresse des Absenders ermittelt und nachverfolgt werden. Eine Unterdrückung der IP-Adresse ist zwar möglich (durch Anonymisierungssoftware oder die Nutzung öffentlicher Internetzugänge - Internet-Cafe o. ä. -); praxisrelevante Fälle dieser Art sind im Zusammenhang mit dem ESTER-Verfahren allerdings bislang nicht bekannt (vgl. Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 826 - Fn. 68). Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass das ELSTER-Verfahren für falsche Anmeldungen anfälliger ist als die papiergebundene Form.

c) Zur Wahrung der Datensicherheit erfolgt die elektronische Übermittlung der Voranmeldung mittels ELSTER im zertifizierten Verschlüsselungsverfahren SSL (Secure-Socket-Layer-Protokoll, vgl. https://www.elster.de/elfo_sec.php). Das SSL-Protokoll gewährleistet, dass Daten während der Übertragung nicht gelesen oder manipuliert werden können. Damit ist sichergestellt, dass unbefugte Dritte während des Übertragungsvorgangs keinen Zugriff auf die Daten nehmen können.

d) Ob die mit einem Internetzugang verbundene allgemeine Gefahr der Virenbefalls einen Härtefall begründen kann (so offenbar FG Hamburg, Beschluss vom 10.03.2004 II 51/05, EFG 2005, 992), erscheint zweifelhaft. Wer sich für die Anbindung seiner Datenverarbeitungsanlage an das Internet entschieden hat, hat selbst durch Verwendung von Anti-Vir-Software o. ä. Vorsorge gegen einen Virenbefall seiner sensiblen Daten zu treffen. Er kann jedenfalls keinen Dispens von der elektronischen Steueranmeldung mit dem Hinweis auf die allgemeinen und dem Medium des Internets immanenten Gefahren der möglichen Virenverseuchung erlangen (Drüen/Hechtner, DStR 2006, 821, 828).

Im Einspruchsbescheid war hierauf vom Beklagten nicht näher einzugehen, weil die allgemeine Gefahr des Virenbefalls sensibler Daten bei der Klägerin wegen der von ihr - in sicherheitstechnisch vorbildhafter Weise - vorgenommenen Trennung von internem Netzwerk und PC mit Internetanschluss gerade nicht eintreten konnte.

e) Die mit dem Umzug der Klägerin von H. nach B. (Niedersachsen) verbundenen Verzögerungen bei der Erteilung einer neuen Steuernummer sowie die ggf. zu Unrecht erfolgten Mahnungen sind offensichtlich auf den Zuständigkeitswechsel der Finanzverwaltungen bzw. Finanzämter zurückzuführen. Zweifel an der Datensicherheit sind dadurch nicht begründet. Ein konkreter Bezug zu Sicherheitsproblemen bei der elektronischen Übermittlung der Voranmeldung im ELSTER-Verfahren ist auch nicht zu erkennen.

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat hat gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Ende der Entscheidung

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