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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 05.12.2007
Aktenzeichen: 5 K 312/02
Rechtsgebiete: UStG, 6. EG-Richtlinie, RL 2006/112/EG, AO


Vorschriften:

UStG § 2 Abs. 1 S. 1
UStG § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
UStG § 4 Nr. 16
UStG § 4 Nr. 18
UStG § 12 Abs. 1
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8a
6. EG-Richtlinie Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2
RL 2006/112/EG
AO § 57 Abs. 1
AO § 205 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

5 K 312/02

Umsatzsteuer 1995

Tatbestand:

Streitig ist die Festsetzung der Umsatzsteuer 1995.

Die Klägerin ist eine GmbH, die 1986 gegründet wurde. Gründungsgesellschafter der Klägerin waren O und T.

Nach § 2 Abs. 1 ihres ursprünglichen Gesellschaftsvertrags vom 03.11.1986 war Gegenstand des Unternehmens "die Verwaltung von gemeinnützigen Altenheimen, Senioren-Zentren und Pflegeheimen aller Art und alle damit im weitesten Sinne zusammenhängenden Geschäfte einschließlich zu erbringender Dienstleistungen".

Mit Bescheinigung vom 02.02.1987 erkannte der Beklagte die Klägerin vorläufig als gemeinnützig an.

Im Rahmen einer für die Jahre 1987 und 1988 durchgeführten Außenprüfung wurde die Klägerin nicht als gemeinnützig anerkannt. Der Beklagte setzte deshalb gegen die Klägerin für die Jahre 1987 und 1988 Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ... DM fest. Zur Begründung führte der Prüfer aus, die Klägerin habe weder ausschließlich noch unmittelbar steuerbegünstigten Zwecken i.S.d. §§ 51 ff. Abgabenordnung (AO) gedient. Neben ihren satzungsmäßigen Leistungen habe die Klägerin in den Jahren 1987 und 1988 auch Dienstleistungen für nicht steuerbegünstigte Unternehmen getätigt (z.B. Endreinigungsleistungen für verschiedene Bauherren, Vermittlung von Einrichtungsaufträgen). Außerdem erbringe sie ihre Dienstleistungen gegenüber ihren gemeinnützigen Gesellschaftern (O und T) und ab dem 01.04.1988 zusätzlich gegenüber B als Nichtgesellschafter. Unmittelbare Leistungen an die Bewohner der Einrichtungen würden durch die Verwaltungsarbeit der Klägerin nicht getätigt. (Tz. 9.2 - 9.2.2 und Tz. 14 - 17 des Bp.-Berichts vom 20.12.1991). Im Rahmen der Schlussbesprechung zu dieser Außenprüfung wurde am 23.09.1991 auch die zukünftige Anerkennung der Klägerin als gemeinnützig erörtert.

Mit Schreiben vom 14.11.1991 fasste der Steuerberater der Klägerin das Ergebnis der Schlussbesprechung wie folgt zusammen:

"1. Für den Betriebsprüfungszeitraum 1987 und 1988 erkennt das Finanzamt die Gemeinnützigkeit nicht an ...

2. Für die Jahre 1989 bis einschließlich 1991 ... (wird) das Finanzamt ... die Gemeinnützigkeit ... anerkennen ...

3. Für die weitere Anerkennung der Gemeinnützigkeit ab 1992 fordert das Finanzamt die Erfüllung folgender Voraussetzungen:

a) Der Gesellschaftsvertrag soll umgehend dahingehend ergänzt werden, dass die GmbH einen "Dachverband" i.S.d. § 57 Abs. 2 AO darstellt.

b) Die GmbH gliedert bis Ende 1991 den Reinigungsdienst aus ihrem Tätigkeitsfeld aus.

c) Es werden keine Leistungen an Dritte (Nichtgesellschafter) erbracht.

d) B ist demzufolge umgehend als Gesellschafter aufzunehmen.

e) Geschäftsführerbezüge werden in angemessenem Umfang gewährt. Die Bezahlung erfolgt in Anlehnung an den öffentlichen Dienst.

4. Das Finanzamt sieht die vorstehenden Punkte 1 - 3 als verbindliche Zusagen an. Die in der AO vorgesehene Form wird durch dieses vom Finanzamt gewünschte Bestätigungsschreiben ersetzt. ...

Ich gehe davon aus, dass ich mit dieser Zusammenfassung Ihre Vorschläge richtig wiedergegeben habe. Sollte das nicht der Fall sein, bitte ich um umgehende Nachricht."

In den dem Gericht vorgelegten Steuerakten, die nur eine Kopie dieses Schreibens enthalten, lässt sich keine Reaktion des Beklagten auf dieses Schreiben feststellen. Das Original des Schreibens ist nach Auskunft des Beklagten nicht mehr zu finden. Die Arbeitsakte über die für die Jahre 1987 und 1988 durchgeführte Außenprüfung wurde zwischenzeitlich vernichtet.

Am 23.12.1991 wurde der Gesellschaftsvertrag der Klägerin dahingehend geändert, dass § 2 wie folgt gefasst wurde: "Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb, die Förderung und die Verwaltung von gemeinnützigen Altenheimen, Senioren-Zentren und Pflegeheimen aller Art soweit es sich um eigene Einrichtungen oder um von den Gesellschaftern betriebene Einrichtungen handelt und alle damit im weitesten Sinne zusammenhängenden Geschäfte einschließlich zu erbringender Dienstleistungen, auch in offenen oder teilstationären Formen. Sie stellt damit einen Dachverband i.S.d. § 57 Abs. 2 AO gegenüber ihren Gesellschaftern dar." Gleichzeitig beschlossen die Gesellschafter der Klägerin eine Erhöhung des Stammkapitals um 500.000 DM, die i.H.v. jeweils 200.000 DM von O und P und i.H.v. 100.000 DM von B übernommen wurden.

Nachdem die Klägerin anschließend Erklärungen zur Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer von Körperschaften, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, für die Jahre 1989 bis 1991 eingereicht hatte, befreite sie der Beklagte durch Freistellungsbescheid vom 18.06.1992 für diese Jahre von der Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Vermögensteuer. Gleichzeitig bestätigte er, dass die Klägerin als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecken (Altersfürsorge) im Sinne der Ziffer 10 der Anlage 7 zu den Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - diene und berechtigt sei, entsprechende Spendenbestätigungen für steuerliche Zwecke auszustellen.

Am 8. 11. 1996 erteilte der Beklagte aufgrund der Erklärung der Kläger zur Körperschaft-, Gewerbe- und Vermögensteuer für die Jahre 1992 - 1994 einen entsprechenden Freistellungsbescheid für diese Jahre.

Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1989 bis 1994 wurden weder eingereicht noch angefordert. Für das Streitjahr 1995 gab die Klägerin ebenfalls keine Umsatzsteuererklärung ab.

Zu Beginn des Streitjahres 1995 betrug das Stammkapital der Klägerin 700.000 DM. Es wurde 1995 um 50.000 DM und 1996/1997 um weitere 200.000 DM erhöht. Ausweislich der Jahresabschlüsse der Klägerin war O bis 1997 mit einer Stammeinlage von 300.000 DM an der Klägerin beteiligt, ab 1998 mit 800.000 DM. Die übrigen Anteile hielten andere Gesellschafter mit geringeren Stammeinlagen.

Erstmals im Streitjahr 1995 erbrachte die Klägerin selbst ambulante Pflegeleistungen. Hieraus erzielte sie 1995 Umsätze in Höhe von ... DM. Ferner erzielte sie ausweislich ihrer Gewinn- und Verlustrechnung 1995 Umsatzerlöse aus "Geschäftsführungen und Verwaltungsarbeiten" in Höhe von ... DM. Ein Pflegeheim in D, das die Klägerin als unselbständige Betriebsstätte betreibt, wurde Ende 1997/Anfang 1998 eröffnet.

Im Rahmen einer weiteren Außenprüfung, die in der Zeit vom 20.11.2000 bis 16.02.2001 durchgeführt wurde, kam der Prüfer zu dem Ergebnis, die Klägerin erfülle im Prüfungszeitraum (1995 bis 1999) zwar aufgrund ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung die Voraussetzungen für eine Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft. Soweit die Klägerin Verwaltungsleistungen gegenüber anderen Einrichtungen ausgeführt habe, liege aber ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vor. Weiter führte der Prüfer aus: "Die nachfolgenden Berechnungen gehen von einer Ertrag- und Umsatzsteuerpflicht für die Jahre ab 1995 aus. Grundsätzlich kommt eine Steuerfestsetzung für alle noch nicht verjährten Veranlagungszeiträume in Betracht. Das wären zur Zeit die Jahre ab 1993. Da der Stpfl. für die Jahre bis einschließlich 1994 eine Freistellungsbescheinigung erteilt wurde, wird für diesen Zeitraum von einer Steuerfestsetzung abgesehen. Die im Jahre 1991 durchgeführte Außenprüfung, die die Steuerfreiheit der Leistungen gebilligt hat, begründet keinen weitergehenden Vertrauensschutz." (Bp.-Bericht vom 02.04.2001 Tz. 9). Beim Betrieb des Altenheims in D und der Erbringung ambulanter Pflegeleistungen handle es sich um steuerbegünstigte Zweckbetriebe von solchem Gewicht, dass "die Gesamtanerkennung der Gemeinnützigkeit durch die Nichtanerkennung des Verwaltungsbereichs als Zweckbetrieb nicht in Frage gestellt" werde (Bp.-Bericht vom 02.04.2001 Tz. 10).

Da nur ein Teil der erbrachten Leistungen auf den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb entfallen sei, rechnete der Prüfer die entsprechenden Umsätze im Wege einer gesonderten Nebenrechnung aus der einheitlichen Buchführung heraus (Tz. 11 des Bp.-Berichts). Der Prüfer führte weiter aus, die von der Klägerin erbrachten Verwaltungsleistungen seien umsatzsteuerbar und nicht nach § 4 Nr. 16 Umsatzsteuergesetz (UStG) umsatzsteuerbefreit, da sie nicht unmittelbar einem begünstigen Personenkreis zugute kämen. Die Leistungen unterlägen dem allgemeinen Steuersatz und nicht dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Nr. 8 a UStG), weil die Leistungserstellung im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs erfolgt sei. Lediglich hinsichtlich der Gestellung von Pflegepersonal an andere Einrichtungen sei die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 16 UStG anzuwenden. (Tz. 12 des Bp.-Berichts).

Bei dem sog. betreuten Wohnen habe eine überschlägige Schätzung ergeben, dass im Prüfungszeitraum die festzusetzende Umsatzsteuer und die abziehbaren Vorsteuerbeträge nahezu identisch seien. Insoweit werde deshalb für den Prüfungszeitraum von einer Ermittlung und Festsetzung der Umsatzsteuer abgesehen. (Tz. 13 des Bp.-Berichts).

Der Prüfer war ferner der Ansicht, ab dem Jahr 1998 bestehe zwischen der Klägerin und O eine umsatzsteuerliche Organschaft, so dass die Umsatzsteuer ab dem Jahr 1998 gegenüber O als Organträger festzusetzen sei. (Tz. 14 des Bp.-Berichts).

Aufgrund des Ergebnisses dieser Außenprüfung erließ der Beklagte am 26.04.2001 einen Umsatzsteuerbescheid für 1995, in dem er steuerpflichtige Lieferungen und Leistungen zum Regelsteuersatz (15%) i.H.v. ... DM eine hierauf entfallende Umsatzsteuer i.H.v. ... DM und Vorsteuerbeträge i.H.v. ... DM ansetzte. Hieraus ergab sich eine Umsatzsteuer-Zahllast i.H.v. ... DM.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den sie wie folgt begründete: Im Rahmen der vorangegangenen Betriebsprüfung sei eine Einigung darüber erzielt worden, welche Maßnahmen die Klägerin ergreifen müsse, um die Gemeinnützigkeit und damit auch ihre Umsatzsteuerfreiheit sicherzustellen. Diese Vereinbarungen habe der Steuerberater der Klägerin in seinem Bestätigungsschreiben vom 14.11.1991 zusammengefasst und auch dargelegt, dass der Beklagte die aufgeführten Punkte als verbindliche Zusage ansehe. Diese Zusage sei bis zu der im Jahre 2000 durchgeführten Betriebsprüfung weder aufgehoben noch geändert worden. Durch Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrages vom 23.12.1991 sei der Sachverhalt umgehend nach Abschluss der Prüfung entsprechend dieser Zusage gestaltet worden. Eine Änderung oder Aufhebung der verbindlichen Zusage nach § 207 Abs. 2 AO sei nicht erfolgt. Die Klägerin habe aufgrund der Zusage nicht unwesentliche Dispositionen getroffen und sei daher besonders schutzwürdig.

Die Klägerin machte außerdem geltend, die neuere Rechtsprechung des BFH zur sog. gewerbesteuerlichen Mehrmütterorganschaft sei auf die umsatzsteuerliche Organschaft zu übertragen, da die Organschaft im Steuerrecht grundsätzlich ein einheitliches Rechtsinstitut darstelle. Die Klägerin verwies auf Urteile des BFH vom 09.06.1999 (I R 43/97, BStBl. II 2000, 695) und26.04.2001 (IV R 75/99, BFHE 194, 421), wonach ein Organschaftsverhältnis bei einer Mehrmütterorganschaft ertragsteuerrechtlich nicht nur durch eine zwischengeschaltete Innengesellschaft, sondern unmittelbar gegenüber den jeweiligen Gesellschaftern als Organträgern bestehe. Die Klägerin sei wirtschaftlich in die Unternehmen ihrer Gesellschafter eingegliedert, da sie nahezu ausschließlich Verwaltungs- und Serviceleistungen gegenüber ihren Gesellschaftern erbringe. Eine organisatorische Eingliederung sei dadurch gegeben, dass die Geschäftsführung bei der Klägerin und deren Gesellschafter weitgehend von identischen Personen ausgeübt worden sei. Daher seien die Umsätze, die die Klägerin mit ihren Gesellschaftern erzielt habe, nicht steuerbare Innenumsätze i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

Mit Einspruchsbescheid vom 26. April 2002 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Umsatzsteuer sei nur insoweit festgesetzt worden, als die Klägerin Verwaltungsleistungen gegenüber gemeinnützigen Einrichtungen erbracht habe. Derartige Verwaltungsleistungen seien weder nach § 4 Nr. 16 noch nach § 4 Nr. 18 UStG von der Umsatzsteuer befreit, da sie nicht unmittelbar hilfsbedürftigen Personen im Sinne der §§ 53, 66 AO zugute kämen. Eine verbindliche Zusage sei nicht erteilt worden, da eine derartige Zusage nach § 205 Abs. 1 AO der Schriftform bedürfe und als verbindlich gekennzeichnet sein müsse. Sog. Bestätigungsschreiben könnten im Verkehr gegenüber den Finanzämtern seit der Einführung der AO im Jahr 1977 keine Wirkung mehr entfalten. Für die Jahre vor 1998 bestehe keine Organschaft, da eine Mehrmütterorganschaft umsatzsteuerlich nicht anzuerkennen sei. Außerdem sei erstmals im Einspruchsverfahren ein Zusammenwirken der Gesellschafter der Klägerin behauptet, nicht jedoch nachgewiesen worden. Insbesondere liege kein Gesellschaftsvertrag vor, der einen gemeinschaftlichen und einheitlichen Beherrschungswillen dokumentiere.

Mit der hiergegen erhobenen Klage macht die Klägerin ebenfalls geltend, die an ihre Gesellschafter im Streitjahr erbrachten Leistungen unterlägen nicht der Umsatzsteuer, da zwischen der Klägerin und ihren Gesellschaftern ein Organschaftsverhältnis bestanden habe. Das Urteil des BFH vom 9. Juni 1999 zur Mehrmutterorganschaft sei auf dem Bereich des Umsatzsteuerrecht im vollen Umfang zu übertragen. Die Klägerin sei im Streitjahr 1995 finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen ihrer Gesellschafter eingegliedert gewesen. Sie sei dem wirtschaftlichen Zweck ihrer Gesellschafter untergeordnet und auf die Bedürfnisse der Gesellschafter abgestimmt gewesen. Die geschäftsführenden Organe der Klägerin und ihrer Gesellschafterinnen seien auf das engste personell verflochten gewesen. Die personelle Verflechtung habe dazu geführt, dass die Gesellschafter der Klägerin diese auch ohne Zwischenschaltung einer GbR beherrscht hätten. Das Fehlen eines Ergebnisabführungsvertrages sei unbeachtlich, da es allein um eine umsatzsteuerliche Organschaft gehe, die keinen Ergebnisabführungsvertrag erfordere.

In der mündlichen Verhandlung machte die Klägerin weiter geltend, ab dem 1. 11. 1995 sei O alleiniger Organträger gewesen. Ab 1. 11. 1995 sei O zu mehr als 50% an der Klägerin beteiligt gewesen (Beteiligung ab 1. 11. 1995 400.000 DM bei einem damaligen Stammkapital der Klägerin von 750.000 DM). Durch privatschriftliche Vereinbarungen vom 4. 12. 1995 bzw. 29. 11. 1995 habe P jeweils die Hälfte ihrer Gesellschaftsanteile (jeweils 100.000 DM) mit Wirkung vom 1. 11. 1995 an O und an T veräußert. Zwar sei eine notarielle Beurkundung erst am 2. 2. 1998 im Rahmen eines neuen Kaufvertrags mit einem anderen Kaufpreis erfolgt, wobei nunmehr eine Rückwirkung zum 5.12.1995 vereinbart worden sei. Damit hätten die Beteiligten jedoch die frühere Vereinbarung bestätigt. Wirtschaftlich habe O im Einvernehmen aller Beteiligten schon ab November 1995 bei der Klägerin alleine das Sagen gehabt. Die notarielle Beurkundung sei lediglich aufgrund anderweitiger Meinungsverschiedenheiten erst im Rahmen einer Gesamtauseinandersetzung im Jahr 1998 erfolgt.

Die Klägerin habe ferner davon ausgehen dürfen, dass bei Erfüllung der im Schreiben ihres Beraters vom 14. November 1991 genannten Voraussetzungen ihre Tätigkeit insgesamt steuerfrei sei. Der Beklagte habe dies auch so gesehen und deshalb für die Jahr 1989 bis 1994 keine Umsatzsteuererklärungen der Klägerin angefordert. Der Beklagte sei an die Bestätigung in dem Schreiben des Steuerberaters vom 14. November 1991 gebunden, da er dem Schreiben des Steuerberaters nicht widersprochen habe. Außerdem verstoße die Steuerfestsetzung gegen Treu und Glauben, da sich die Klägerin auf die Zusage verlassen habe, die der Beklagte im Rahmen der Schlussbesprechung am 23. September 1991 erteilt habe. Der Beklagte habe die Klägerin entsprechend der mündlichen Vereinbarung in der Schlussbesprechung vom 23. September 1991 bis zum Jahr 1994 nicht zur Umsatzsteuer herangezogen. Nach Treu und Glauben müsse diese Zusage im Streitjahr 1995 ebenso Geltung beanspruchen. Dabei sei unerheblich, dass keine verbindliche Auskunft im Sinne der Formvorschriften des § 205 AO erteilt worden sei. Nach Treu und Glauben sei das Vertrauen der Klägerin auf die Zusagen des Beklagten zumindest solange schützenswert, bis der Beklagte seine abweichende Rechtsansicht äußere. Dies sei erstmals im Zuge der Außenprüfung 2000/2001 geschehen.

Die von der Klägerin durchgeführten Verwaltungsarbeiten begründeten schon deshalb keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, weil sie von völlig untergeordneter Bedeutung seien Der Prüfer habe Leistungen, die unmittelbar mit den Pflegeleistungen der Wohnstifte zusammenhingen, zu Unrecht als steuerpflichtige Verwaltungsleistungen angesehen. Im Vordergrund der Tätigkeit der Klägerin hätten Verhandlungen mit den Sozialhilfeträgern, Qualitätsmanagement und -kontrolle, Gespräche mit der Heim- und Gewerbeaufsicht, Kontrolle der fachlichen Leistungen, Aufsicht über die Heimbetriebe und Überwachung der Heimvorschriften gestanden. Verwaltung und Buchhaltung hätten den geringsten Teil der Tätigkeit ausgemacht.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1995 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, die BFH-Rechtsprechung zur Mehrmütterorganschaft sei nicht auf das Umsatzsteuerrecht übertragbar. Im Umsatzsteuerrecht könne immer nur ein einzelner Unternehmer, nicht dagegen mehrere, voneinander unabhängige Unternehmer Organträger sein. Da die Klägerin mit keiner ihrer Gesellschafterinnen einen Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen habe, seien außerdem weder die gewerbesteuerrechtlichen noch die körperschaftsteuerrechtlichen Voraussetzungen einer Organschaft erfüllt gewesen. Darüber hinaus sei keine GbR zur einheitlichen Willensbildung der Gesellschafter gegenüber der Klägerin gegründet worden Soweit der BFH in den von den der Klägerin zitierten Urteilen eine Mehrmütterorganschaft ertragsteuerlich anerkannt habe, habe er zwar die Zwischenschaltung einer Innengesellschaft als entbehrlich angesehen, zugleich aber verlangt, dass eindeutige rechtliche und tatsächliche Vorkehrungen zur Bildung eines Gesamtwillens getroffen worden seien (beispielsweise durch Abschluss eines Konsortialvertrages oder die vertragliche Vereinbarung über eine einheitliche Stimmabgabe). Entsprechende Vereinbarungen gebe es im Streitfall jedoch nicht.

Der Beklagte sei nach Treu und Glauben nicht an das Schreiben des Steuerberaters der Klägerin vom 14. November 1991 gebunden, da die gesetzlichen Formerfordernisse der verbindlichen Zusage nicht durch eine Vereinbarung zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigen außer Kraft gesetzt werden könnten. Außerdem betreffe die Einigung nach der ersten Außenprüfung lediglich die Anerkennung der Gemeinnützigkeit der Klägerin. Diese werde jedoch durch die zweite Außenprüfung nicht in Frage gestellt. Hinsichtlich einer etwaigen Steuerfreiheit der Umsätze der Klägerin sei keine Einigung erzielt worden Aus einer zeitweiligen Nichtanforderung der Umsatzsteuererklärung könne ebenfalls keine Bindung der Verwaltung hergeleitet werde. Insoweit gelte der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat durch die Umsatzsteuerfestsetzung 1995 Rechte der Klägerin nicht verletzt.

1. Die Klägerin war im Streitjahr (1995) Unternehmerin. Ein Organschaftsverhältnis lag nicht vor.

Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG), wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft, § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG).

Die Klägerin war nicht Organgesellschaft i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG, da einerseits eine sog. Mehrmütterorganschaft umsatzsteuerrechtlich nicht anzuerkennen ist und andererseits O im Streitjahr nicht mehrheitlich an der Klägerin beteiligt war.

a) Umsatzsteuerrechtlich ist eine sog. Mehrmütterorganschaft mit mehreren Organgesellschaften als Muttergesellschaften nicht möglich.

Im Umsatzsteuerrecht kann nur ein einzelner Unternehmer Organträger sein, nicht jedoch eine Mehrzahl von Personen oder Gesellschaftern (so schon BFH-Urteil vom 02.08.1979 V R 111/77, BStBl. II 1980, 20). Die im Ertragsteuerrecht erfolgte Änderung der Rechtsprechung, die ertragsteuerrechtlich für die Rechtslage im Streitjahr 1995 zu einer Anerkennung mehrerer Muttergesellschaften als Organträger einer Organschaft geführt hat (vgl. die von der Klägerin zitierten Urteile des BFH vom 09.06.1999 I R 43/97, BStBl. II 2000, 695 und26.04.2001 IV R 75/99, BFHE 194, 421), ist nach Auffassung des Senats nicht auf das Umsatzsteuerrecht übertragbar (ebenso Stadie in Rau/Dürrwächter, § 2 UStG Rn. 672; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 37 Rn. 60; Klenk in Sölch/Ringleb, § 2 UStG Rn. 99; a.A. Walter/Groschupp, UR 2000, 449; Menner/Broer, UStB 2000, 241).

Zunächst spricht schon der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ("das Unternehmen des Organträgers") dafür, dass nur ein Unternehmer (Singular) Organträger sein kann (Stadie in Rau/Dürrwächter, § 2 UStG Rn. 672; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 37 Rn. 60; Klenk in Sölch/Ringleb, § 2 UStG Rn. 99; a.A. Menner/Broer, UStB 2000, 241, 244). Allerdings hat die neuere BFH-Rechtsprechung für den vergleichbaren Wortlaut des § 2 GewStG a.F. entschieden, dass der Gesetzeswortlaut die Möglichkeit, dass mehre Muttergesellschaften Organträger sind, nicht ausschließe, da der Zweck des Gesetzes - in Einklang mit der entsprechenden Auslegung konzernrechtlicher Bestimmungen - gegen eine Beschränkung auf einzelne Unternehmen als Organträger spreche und die Benutzung des Singulars lediglich gesetzestechnischen Charakter habe (BFH-Urteil vom 09.06.1999 I R 43/97, BStBl. II 2000, 695; ebenso Menner/Broer, UStB 2000, 241, 244 zu § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG).

Hinsichtlich der Voraussetzungen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft sind neben den Vorschriften des UStG jedoch auch die Vorgaben der 6. EG-Richtlinie bzw. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwersteuersystem (Systemrichtlinie) zu beachten. Dies wird von den Stimmen in der Literatur, die - unter Hinweis auf die Einheit der Rechtsordnung und unter alleiniger Betrachtung des nationalen Gesetzestextes - für eine Übertragung der ertragsteuerrechtlichen Rechtsprechung auf die Umsatzsteuer plädieren (Walter/Groschupp, UR 2000, 449, 454; Menner/Broer, UStB 2000, 241, 245 f.), nicht hinreichend berücksichtigt. Rechtsgrundlage der Organschaft sind dabei Art. 4 Abs. 4 Unterabsatz 2 der 6. EG-Richtlinie sowie Art. 11 Abs. 1 der Systemrichtlinie.

Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabsatz 2 der 6. EG-Richtlinie steht es den Mitgliedstaaten frei, "im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln". Entsprechendes ist nunmehr in Art. 11 Abs. 1 der Systemrichtlinie geregelt. Eine Behandlung von Organgesellschaft und Organträger "als ein Steuerpflichtiger" ist nur dann möglich, wenn nur ein einzelner Unternehmer Organträger ist. Eine Behandlung als ein Steuerpflichtiger wäre bei einer Mehrmütterorganschaft nicht möglich. Stattdessen müssten bei der umsatzsteuerlichen Anerkennung einer Mehrmütterorganschaft die Außenumsätze der Organgesellschaft anteilig den jeweiligen Organträgern zugerechnet werden. Eine derartige Aufteilung der Außenumsätze ist in Art. 4 Abs. 4 Unterabsatz 2 der 6. EG-Richtlinie und Art. 11 Abs. 1 der Systemrichtlinie jedoch nicht vorgesehen. Außerdem würde sie zu praktischen Schwierigkeiten führen, die bei der ertragsteuerlichen Organschaft nicht auftreten können, da deren Rechtsfolge lediglich eine anteilige Zurechnung von Einkünften oder Gewerbeträgen ist (vgl. hierzu Stadie in Rau/Dürrwächter, § 2 UStG Rn. 672 sowie Menner/Broer, UStB 2000, 241, 246, die trotz dieser Schwierigkeiten eine Mehrmütterorganschaft im Umsatzsteuerrecht anerkennen wollen, hierfür allerdings wohl einen "Konsortial- oder Stimmbindungsvertrag" verlangen).

b) Ob umsatzsteuerrechtlich eine "Mehrmütterorganschaft" in der Form zulässig sein könnte, dass eine Innengesellschaft Organträger wäre, bedarf keiner Klärung, da die Gesellschafter der Klägerin keine derartige Innengesellschaft gegründet haben.

Ertragsteuerrechtlich war schon vor der von der Klägerin zitierten Änderung der BFH-Rechtsprechung in langjähriger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis eine Mehrmütterorganschaft als Rechtsinstiut "zumindest gewohnheitsrechtlich anerkannt" worden (so BFH-Urteil vom 09.06.1999 I R 43/97, BStBl. II 2000, 695). Die Änderung der Rechtsprechung bezog sich lediglich darauf, dass nach der früheren Rechtsauffassung nur eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) als Innengesellschaft, zu der sich die Gesellschafter der Organgesellschaft mit dem Zweck einer einheitlichen Willensbildung zusammengeschlossen hatten, als Organträger angesehen wurde, während nach der Änderung der BFH-Rechtsprechung die Muttergesellschaften selbst unmittelbar Organträger sein können (BFH-Urteile vom 09.06.1999 I R 43/97, BStBl. II 2000, 695 undvom 26.04.2001 IV R 75/99, BFHE 194, 421). Ob eine vergleichbare Organschaft mit einer Innengesellschaft als Organträger umsatzsteuerrechtlich möglich ist, erscheint dagegen fraglich, da eine Innengesellschaft umsatzsteuerrechtlich zumindest grundsätzlich nicht Organträgerin sein kann, weil sie nicht Unternehmerin ist (vgl. einerseits BFH-Urteil vom 02.08.1979 V R 111/77, BStBl. II 1980, 20, wonach eine Innengesellschaft nicht Organträgerin sein kann und andererseits die Nachweise zum umsatzsteuerrechtlichen Streitstand hinsichtlich der möglichen Eignung einer Innengesellschaft als Organträgerin einer umsatzsteuerlichen Mehrmütterorganschaft vor Änderung der ertragsteuerlichen Rechtsprechung bei Menner/Broer, UStB 2000, 241, 242 u. 244 f.).

c) O war im Streitjahr 1995 nicht Organträger der Klägerin, da er in diesem Jahr nicht mehrheitlich an der Klägerin beteiligt war.

Die für eine Organschaft nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG erforderliche finanzielle Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers setzt voraus, dass der Organträger über eine Stimmenmehrheit in der Organgesellschaft verfügt (BFH-Urteil vom 22.11.2001 V R 50/00, BStBl. II 2002, 167 m.w.N.).

O war im Streitjahr 1995 lediglich mit einer Stammeinlage von 300.000 DM an dem Stammkapital der Klägerin beteiligt, das in diesem Jahr 750.000 DM betrug. Zwar hat sich O mit privatschriftlichem Vertrag vom 4. 12. 1995 dazu verpflichtet, einen weiteren Gesellschaftsanteil in Höhe von 100.000 DM zu erwerben. Da dieser Vertrag jedoch nicht notariell beurkundet wurde, war er gemäß § 15 Abs. 4 GmbHG schwebend unwirksam.

Im Jahr 1998 wurde der Kaufvertrag vom 4. 12. 1995 durch einen geänderten, nunmehr notariell beurkundeten Kaufvertrag ersetzt, der sich Rückwirkung zum 5. 12. 1995 beimaß. Hierdurch konnte jedoch keine rückwirkende Organschaft begründet werden. Eine Organschaft liegt nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG vor, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist. Maßgeblich sind demnach die tatsächlichen Verhältnisse bei der Erbringung der jeweiligen Umsätze. Eine Organschaft kann nicht rückwirkend begründet werden, indem sich zivilrechtliche Verträge Rückwirkung beimessen. Tatsächlich verfügte O erst ab dem Jahr 1998 aufgrund der in diesem Jahr erworbenen Stammeinlagen über eine Stimmenmehrheit bei der Klägerin.

Dies entspricht auch der bilanziellen Behandlung der Klägerin, die in ihren Jahresabschlüssen für 1995 --1997 jeweils eine Stammeinlage des O in Höhe von 300.000 DM auswies, wobei das Stammkapital der Klägerin - aufgrund zweier im Jahr 1996 beschlossener und 1996 sowie 1997 im Handelsregister eingetragener Kapitalerhöhungen - mit 850.000 DM (Jahresabschlüsse 1995 und 1996) bzw. 950.000 DM (Jahresabschluss 1997) angegeben war.

Da O im Streitjahr 1995 zu keiner Zeit über eine Stimmenmehrheit bei der Klägerin verfügte, bedarf es im Übrigen keiner Klärung, ob eine umsatzsteuerliche Organschaft nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) auch dann vorliegen kann, wenn ein Gesellschafter durch Übertragung von Gesellschaftsanteilen nur für eine kurze Zeit bis zu einer wenige Monate später beschlossenen Kapitalerhöhung über eine Stimmenmehrheit verfügt oder ob hierfür eine über einen längeren Zeitraum andauernde Stimmenmehrheit erforderlich ist.

2. Die Umsätze der Klägerin aus Verwaltungs- und sonstigen Dienstleistungen gegenüber ihren Gesellschaftern unterlagen im Streitjahr (1995) dem Regelsteuersatz der Umsatzsteuer.

a) Soweit die Klägerin an ihre Gesellschafter Dienstleistungen gegen Entgelt erbracht hat, sind diese Leistungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG umsatzsteuerbar.

b) Die vorgenannten Umsätze sind weder nach § 4 Nr. 16 noch nach § 4 Nr. 18 UStG von der Umsatzsteuer befreit.

aa) Nach § 4 Nr. 16 UStG sind u.a. die mit dem Betrieb der Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime eng verbundenen Umsätze unter bestimmten Voraussetzungen von der Umsatzsteuer befreit. Die Klägerin selbst hat im Streitjahr 1995 weder ein Alten- noch ein Pflegeheim betrieben und damit auch keine eng mit dem Betrieb eines derartigen Heimes verbundenen Umsätze erzielt. Vielmehr erbrachte sie 1995 im Wesentlichen Dienstleistungen für die Betreiber von Altenwohn- und Pflegeheimen. Derartige Umsätze fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 4 Nr. 16 UStG.

Soweit die Klägerin im Streitjahr 1995 selbst ambulante Pflegeleistungen erbrachte, kann offen bleiben, ob diese Leistungen nach § 4 Nr. 16 e UStG steuerbefreit waren, da der Beklagte diese Leistungen nicht der Umsatzsteuer unterworfen hat und eine "Verböserung" im Klageverfahren nicht erfolgen kann.

bb) Nach § 4 Nr. 18 UStG sind bestimmte Leistungen der amtlich anerkannten Wohlfahrtsverbände und ihrer Mitglieder unter bestimmten Voraussetzungen umsatzsteuerfrei. U.a. setzt die Steuerfreiheit voraus, dass der Unternehmer ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient (§ 4 Nr. 18 Satz 1 a UStG). Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nicht, da die Klägerin durch ihre Verwaltungstätigkeit für ihre Mitglieder nicht unmittelbar gemeinnützigen Zwecken diente.

Eine Körperschaft verfolgt nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Unter anderem ist die Förderung der Altenhilfe ein gemeinnütziger Zweck (§ 52 Abs. 2 Nr. 2 AO). Eine Körperschaft verfolgt unmittelbar ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke, wenn sie selbst diese Zwecke verfolgt (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AO). Eine Körperschaft, in der steuerbegünstigte Körperschaften zusammengefasst sind, wird nach § 57 Abs. 2 AO einer Körperschaft gleichgestellt, die unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgt.

(1) Soweit die Klägerin Dienstleistungen für ihre Mitglieder erbrachte, erfüllte sie nicht unmittelbar den gemeinnützigen Zweck der Altenhilfe. "Unmittelbarkeit" i.S.d. § 57 Abs. 1 AO setzt voraus, dass der gemeinnützige Zweck gefördert wird, ohne daß eine weitere Körperschaft durch eigenes satzungsmäßiges Handeln die den Erfolg bewirkende Zwischenursache setzen würde (so Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 57 AO Rn.19). Die Unterstützung der steuerbegünstigten Tätigkeit eines anderen Steuerpflichtigen fördert nur mittelbar den steuerbegünstigten Zweck und fällt deshalb nicht in den Anwendungsbereich des § 57 Abs. 1 AO (Fischer, a.a.O.; Tipke in Tipke/Kruse, § 57 AO Rn. 1; Sauer in Beermann/Gosch, § 57 AO Rn. 4; vgl. auch BFH-Urteil vom 7.11. 1996 V R 34/96, BStBl. II 1997, 366).

(2) Entgegen der von den Beteiligten übereinstimmend vertretenen Rechtsauffassung erfüllt die Klägerin - trotz der im Jahr 1991 erfolgten Änderung ihrer Satzung - ebenfalls nicht die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 AO, da die steuerbegünstigten Mitgliedskörperschaften der Klägerin nicht i.S.d. § 57 Abs. 2 AO in der Klägerin "zusammengefasst" sind.

§ 57 Abs. 2 AO erweitert die Gemeinnützigkeit auf Dachverbände und Spitzenorganisationen von gemeinnützigen Körperschaften, denen für ihre Mitglieder eine umfassende Vertretungs- bzw. Repräsentationsfunktion zukommt, ohne dass sie selbst unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgen (vgl. Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 57 AO Rn. 36). Dagegen fallen Körperschaften wie die Klägerin, in denen lediglich einzelne Tätigkeitsbereiche gemeinnütziger Körperschaften zur gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung zusammengefasst sind, nicht in den Anwendungsbereich des § 57 Abs. 2 AO (ebenso FG Düsseldorf v. 8. 5. 1991, 7 K 89/96 U, EFG 1992, 99 m.w.N.; Gersch in Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 58 Rn. 4). Vorbehaltlich der Sondervorschrift des § 57 Abs. 2 AO können nur Einrichtungen, deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, unmittelbar den in §§ 53, 66 AO genannten Personen gemeinnützig sein, nicht jedoch Einrichtungen, deren Zweck darin besteht, andere gemeinnützige Einrichtungen zu unterstützen (vgl. BFH-Urteil vom 7.11. 1996 V R 34/96, BStBl. II 1997, 366).

§ 4 Nr. 18 UStG bezweckt nicht die Förderung mehrstufiger Wohlfahrtsorganisationen, sondern die Entlastung der in §§ 53, 66 AO genannten Mitmenschen (BFH-Urteil vom 7.11. 1996 V R 34/96, BStBl. II 1997, 366).

c) Die Dienstleistungen der Klägerin gegenüber ihren Gesellschaftern unterlagen dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG. Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG ist nicht anzuwenden, da die Klägerin nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgte, sondern im Wesentlichen - nicht gemeinnützige - Dienstleistungen für ihre Mitglieder erbrachte.

3. Einwendungen gegen die Höhe der Steuerfestsetzung wurden nicht erhoben und sind nach Aktenlage auch nicht ersichtlich. Da eine "Verböserung" des angefochtenen Steuerbescheides ausgeschlossen ist, bedarf es keiner Prüfung, ob die Leistungen der Klägerin, die der Beklagte nicht der Umsatzsteuer unterworfen hat, tatsächlich umsatzsteuerfrei waren oder im Ergebnis aus anderen Gründen zu keiner Umsatzsteuerzahllast führten.

4. Der Beklagte hat die Umsatzsteuer 1995 auch dem Grunde nach zutreffend gegenüber der Klägerin festgesetzt.

a) Der Beklagte hat den Umsatzsteuerbescheid 1995 vom 26. 4. 2001 innerhalb der Festsetzungsfrist erlassen. Da die Klägerin für das Streitjahr (1995) keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hat, begann die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 1998 und endete mit Ablauf des Jahres 2002.

b) Der Beklagte war durch sein Schweigen auf das Schreiben des Steuerberaters der Klägerin vom 14.11.1991 nicht an der inhaltlich zutreffenden Steuerfestsetzung gegenüber der Klägerin gehindert. Das o.g. Schreiben führte weder die Bindungswirkung einer verbindlichen Zusage (§ 206 Abs. 1 AO) herbei noch stand es nach Treu und Glauben einer zutreffenden Steuerfestsetzung gegenüber der Klägerin entgegen.

aa) Der Beklagte hat der Klägerin gegenüber keine verbindliche Zusage i.S.d. §§ 204 ff. AO erteilt.

Im Anschluss an eine Außenprüfung soll die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird, wenn die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist (§ 204 AO). Die verbindliche Zusage wird schriftlich erteilt und als verbindlich gekennzeichnet (§ 205 Abs. 1 AO). Sie muss den ihr zu Grunde gelegten Sachverhalt, die Entscheidung über den Antrag und die dafür maßgebenden Gründe und eine Angabe darüber enthalten, für welche Steuern und für welchen Zeitraum die verbindliche Zusage gilt (§ 205 Abs. 2 AO). Die verbindliche Zusage ist für die Besteuerung bindend, wenn sich der später verwirklichte Sachverhalt mit dem der verbindlichen Zusage zu Grunde gelegten Sachverhalt deckt (§ 206 Abs. 1 AO).

Eine derartige Zusage hat der Beklagte nicht erteilt. Im Streitfall hat der steuerliche Berater der Klägerin stattdessen am 14.11.1991 ein Bestätigungsschreiben an den Beklagten gesandt, in dem er den Inhalt der Schlussbesprechung vom 23.09.1991 im Anschluss an die erste Außenprüfung der Klägerin zusammenfasste und darlegte, welche "Einigung" im Rahmen der Schlussbesprechung zwischen Klägerin und Beklagter hinsichtlich der Frage einer Gemeinnützigkeit der Klägerin erzielt worden sei; außerdem sollte das Schreiben die in der AO vorgeschriebene Form der verbindlichen Zusage ersetzen. Ein derartiges Bestätigungsschreiben kann jedoch nicht zu einer Bindung des Finanzamts nach §§ 204 ff. AO führen.

Das durch den steuerlichen Berater der Klägerin erstellte Bestätigungsschreiben erfüllte nicht die Formerfordernisse des § 205 Abs. 1 AO. Nach dieser Vorschrift muss eine verbindliche Zusage schriftlich erteilt und als verbindlich gekennzeichnet sein. Die Schriftform setzt voraus, dass die Urheberbehörde erkennbar ist und der Name des zuständigen Beamten wiedergegeben wird (Seer in Tipke/Kruse, § 205 AO Rn. 3). Dieses Formerfordernis wird durch das bloße Schweigen auf ein "Bestätigungsschreiben" eines Steuerpflichtigen nicht erfüllt, da nicht erkennbar ist, wessen Schweigen zu einer rechtsverbindlichen Zusage des Finanzamtes führen sollte.

Im Übrigen geht § 205 Abs. 1 AO als selbstverständlich davon aus, dass nur ein Finanzamt eine verbindliche Zusage erteilen kann. Hiervon gingen auch die Beteiligten aus, da die Klägerin in dem Schreiben vom 14.11.1991 zum Ausdruck brachte, die gesetzlich vorgeschriebene Form der Zusage solle durch jenes Schreiben ersetzt werden. Es steht jedoch nicht im Belieben der Steuerpflichtigen, in Absprache mit dem Finanzamt gesetzlich vorgeschriebene Formerfordernisse durch "frei erfundene" andere Formen zu ersetzen.

bb) Der Beklagte war auch nach Treu und Glauben nicht an den Inhalt des Schreibens der Klägerin vom 14.11.1991 gebunden.

Zwar hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einer älteren Entscheidung das Schweigen auf das Bestätigungsschreiben eines Steuerpflichtigen über den Inhalt einer Besprechung als eine nach Treu und Glauben verbindliche Zusage des Finanzamtes gewertet (so BFH-Urteil vom 30.11.1961 V 218/59 U, BStBl. III 1962, 94). Auch nach der 1977 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelung der verbindlichen Zusage in §§ 204 ff. AO ist nach der Rechtsprechung des BFH weiterhin eine verbindliche Auskunft außerhalb der Außenprüfung möglich, die gesetzlich nicht geregelt ist und deren Bindungswirkung auf Treu und Glauben beruht (vgl. etwa BFH-Urteile v. 13.12.1989 X R 208/87, BStBl. II 1990, 274;v. 26.11.1997 III R 109/93, BFH/NV 1998, 808 m.w.N.).

Dabei hat der BFH allerdings betont, dass Voraussetzungen, Verfahren, Form, Bindungswirkung und Bestandskraft einer verbindlichen Entscheidung über einen noch nicht entstandenen Steueranspruch in bezug auf einen für die Vergangenheit im Rahmen einer Außenprüfung geprüften Sachverhalt seit 1977 in §§ 204 ff. AO ausdrücklich geregelt sind. Nur für andere Zusicherungen in bezug auf einen noch nicht entstandenen Steueranspruch wendet der BFH weiterhin die frühere Rechtsprechung an, die im Einzelfall eine Bindungswirkung derartiger Zusicherungen aus den Grundsätzen von Treu und Glauben hergeleitet hat (BFH v. 13.12.1989 X R 208/87, BStBl. II 1990, 274). Soweit dagegen die Voraussetzungen einer verbindlichen Zusage nach §§ 204 ff. AO vorliegen, müssen die Beteiligten diesen Weg gehen, wenn der Steuerpflichtige nach einer Außenprüfung eine verbindliche Regelung für die Zukunft erreichen will, da die detaillierte Regelung der §§ 204 ff. AO anderenfalls ihren Sinn verlieren würde (vgl. Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor § 204 AO Rn. 142).

Nachdem die verbindliche Zusage im Anschluss an eine Außenprüfung seit 1977 in der AO gesetzlich geregelt ist, kann das Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben, das die Ergebnisse einer Schlussbesprechung widerspiegelt, aufgrund der nunmehr erfolgten gesetzlichen Regelung nicht zu einer Bindungswirkung führen, durch die die Formerfordernisse des § 205 AO umgangen würden (ebenso Frotscher in Schwarz, AO, Vor § 204 Rn. 45). So liegt es im Streitfall. Die Klägerin wollte mit dem Schreiben ihres steuerlichen Beraters vom 14.11.1991 die Rechtsfolgen einer verbindlichen Zusage nach §§ 204 ff. AO herbeiführen, ohne dass die Formerfordernisse des § 205 AO erfüllt waren.

c) Die Tatsache, dass der Beklagte nach der im Jahr 1991 beendeten ersten Außenprüfung bei der Klägerin mehrere Jahre lang weder Umsatzsteuererklärungen anforderte noch Umsatzsteuer gegenüber der Klägerin festsetzte, hinderte den Beklagten ebenfalls nicht daran, für das Streitjahr 1995 im Jahr 2001 rückwirkend Umsatzsteuer in zutreffender Höhe festzusetzen.

Nach dem sog. Grundsatz der Abschnittsbesteuerung sind die steuerlichen Verhältnisse grundsätzlich für jeden Veranlagungszeitraum eigenständig zu prüfen, ohne dass das Finanzamt an eine früher vertretene unzutreffende Rechtsauffassung gebunden wäre. Vielmehr gebietet es der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 AO) grundsätzlich, eine als zutreffend erkannte rechtliche Würdigung für alle noch offenen Veranlagungszeiträume anzuwenden. Entsprechendes gilt auch, wenn für längere Zeit keine Steuerfestsetzungen erfolgt sind (st. Rspr. vgl. etwa BFH v. 19.11.1985 VIII R 25/85, BStBl. II 1986, 520;v. 28.01.1997 IX R 88/94, BStBl. II 1997, 605;v. 14.02.2006 III B 143/05, BFH/NV 2006, 1058).

Im Streitfall hat der Beklagte keinen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen, der es ausnahmsweise gebieten könnte, abweichend von diesen Grundsätzen von einer zutreffenden Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr abzusehen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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