Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 23.02.2006
Aktenzeichen: 5 K 697/03
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 3 Abs. 9 Satz 1
UStG § 3a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist die umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen in Zusammenhang mit der Planung, Herstellung und Distribution so genannter Mailings für gemeinnützige Organisationen in Italien.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 7. Juni 2001 gegründet. Einzige Gesellschafterin ist die A-Marketing International AG. Unternehmensgegenstand der Klägerin ist der Aufbau und der Betrieb von Direktmarketing-Aktivitäten in Italien.

Für den Voranmeldungszeitraum August 2001 erklärte die Klägerin in der Umsatzsteuer-Voranmeldung nicht-steuerbare und nicht-steuerpflichtige Umsätze, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen und machte gleichzeitig Vorsteuern in Höhe von 26.541,09 Euro geltend. Im Verlauf einer hieran anschließenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung reichte die Klägerin weitere Voranmeldungen ein, in denen sie ebenfalls nicht-steuerbare und nicht-steuerpflichtige Umsätze, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen, und Vorsteuern in folgender Höhe geltend macht: 17.479,34 Euro (09/2001), 20.547,47 Euro (10/2001), 19.133,53 Euro (11/2001), 3.319,97 Euro (12/2001).

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte der Beklagte demgegenüber zu dem Ergebnis, dass die Klägerin steuerpflichtige sonstige Leistungen ausführe, die dem Regelsteuersatz unterlägen.

Mit ihren Leistungen erbringe die Klägerin insgesamt eine einheitliche sonstige Leistung, und zwar eine Werbekampagne, für die sich der Ort der Leistung nach § 3a Abs. 1 UStG bestimme, und die damit steuerbar und steuerpflichtig sei. Der Leistungsempfänger verfolge nicht die Lieferung eines Briefes, sondern die Herbeiführung eines Effekts, den Anstieg der Mitgliedschaften, des Spendeneingangs o.ä.

Als "Leistungen, die der Werbung dienen" i.S.d. Abschnitts 39 Abs. 3 UStR seien die Leistungen zu verstehen, die bei den Werbeadressaten den Entschluss zum Erwerb von Gegenständen oder zur Inanspruchnahme von sonstigen Leistungen auslösen sollten. Hierunter zählten auch Leistungen, die bei den Werbeadressaten ein bestimmtes außerwirtschaftliches, z.B. politisches, soziales, religiöses Verhalten herbeiführen sollen. Es handelt sich vor allem um Werbeberatung (Nr. 1), Werbevorbereitung und -planung (Nr. 2), Werbegestaltung (Nr. 3), Werbemittelherstellung (Nr. 4), Durchführung von Werbung (Nr. 6); die sog. Direktwerbung.

Solche Werbeleistungen würden von der Klägerin erbracht:

- sie leiste Werbeberatung, indem sie die Kunden über die Möglichkeiten des modernen Direktmarketing, wie die Steuerpflichtige es betreibe, unterrichte. Sie führe sog. Marktpotentialermittlungen durch, mit der sie dem Kunden gegenüber die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit bestimmter Werbemaßnahmen herausstellen könne (Mailingplan als Prognoseinstrument);

- sie leiste alle vorbereitenden Maßnahmen zur Werbung, z.B.:

- Erstellung von Adressaten-Profilen

- Beschaffung von Adress-Daten

- Selektion der Adress-Daten nach den Kriterien der Adressaten-Profile

- EDV-mäßige Aufbereitung der Daten für Personalisierung von Drucksachen

- Erstellung von "Mailingplänen"" (Darstellung von Maßnahmen und Prognosen);

- sie leiste mit ihrer redaktionellen Arbeit die Werbegestaltung. Die Klägerin verstehe sich selbst als "ausgelagerte Redaktion" der Kunden;

- sie besorge und überwache die Werbemittelherstellung;

- sie übernehme für die Kunden die Verbreitung der Werbebriefe;

- sie übernehme auch die besonders zu erwähnenden nachbereitenden Arbeiten die wiederum eine entscheidende Bedeutung für die Vorbereitung weiterer Werbe-Maßnahmen (insbesondere Mailings) haben. Die Steuerpflichtige registriert und analysiert das Antwortverhalten ("feed back") der Werbe-Adressaten in ihrem ""Response-Center"". Die gewonnen Daten beeinflussen ""Nachfass""-Maßnahmen in ihrer Art und Wirtschaftlichkeitsprognosen künftiger Maßnahmen im Allgemeinen.

Bei diesem Leistungsbündel der Klägerin handele es sich um eine einheitliche Leistung. Diese enthalte (scheinbar) Elemente einer Lieferung (Ablieferung und Übereignung der versandfertigen Werbedrucksachen), aber gleichzeitig auch Elemente sonstiger Leistungen der Werbung. Die Einstufung der einheitlichen Leistung entweder als Lieferung oder als sonstige Leistung sei nach ständiger Rechtsprechung davon abhängig, welche Leistungselemente unter Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung bestimmten (BFH-Urteil vom 25.11.1976,BStBl 1977 II, 270 m.w.N.).

Bei Würdigung der Gesamtumstände komme es dem Leistungsempfänger im Wesentlichen auf die mit den sonstigen Leistungen verknüpften Geistestätigkeit an, die sich in einer strategisch angelegten, individuell abgestimmten und auf Dauer angelegte Werbekampagne ausdrücke. Die Kunden seien im Ergebnis nicht an dem körperlichen Erhalt der Mailings interessiert, sondern an dem erhofften Effekt vom Anstieg der Mitgliedschaften und des Spendeneingangs.

Die Klägerin erstelle Mailings, die für sich genommen unstreitig dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Im Zusammenhang mit der Erstellung würden aber weitere Dienstleistungen erbracht, die für den Kunden so wesentlich seien, dass nicht eine Druckerei in Italien sondern ein "Dienstleister" in Deutschland beauftragt worden sei. Die Entwürfe der Mailings seien so bedeutend, dass über das Recht an den Entwürfen verhandelt worden sei. Neben den Entwürfen seien auch Faktoren wie Zeitpunkt des Versands und Auflagenhöhe entscheidend für den Erfolg und die Finanzierung eines Mailings. Die Branchenkenntnisse der Klägerin fänden hier Eingang in den sog. Mailingplänen.

Aufgrund der Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung hat das Finanzamt unter Abweichung von den Angaben in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen in den Bescheiden über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Juli bis Dezember 2001 vom 5. September 2002 die erklärten Umsätze als steuerbare und steuerpflichtige Umsätze zu dem Steuersatz von 16 % berücksichtigt und die Vorsteuern in der erklärten Höhe in Abzug gebracht. Ebenso wurde bei der - im Einspruchsverfahren erfolgten - Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2001 verfahren, wobei der Beklagte die von der Klägerin angegebenen Bemessungsgrundlagen in Höhe von insgesamt 836.974,-- Euro allerdings versehentlich als DM-Betrag eingegeben und berücksichtigt hat.

Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, dass der Sachverhalt vom Prüfer mangelhaft aufgeklärt und fehlerhaft dargestellt worden sei. Außerdem missachte der Beklagte hartnäckig die Grundsätze der Entscheidung des FG Köln vom 13.02.2003 (15 K 600/99, EFG 2003, 810); dies führe zu Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der Klägerin.

Zutreffend sei, dass es - im Gegensatz zu den entsprechenden Aktivitäten in anderen Ländern - keine schriftlichen Rahmenverträge mit den italienischen Kunden gebe. Die (italienischen) Auftraggeber seien der Verlagsgruppe A-Marketing aus Aufträgen aus anderen Ländern bereits bekannt, so dass ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis bestanden und die Beteiligten gewusst hätten, wie die Aufträge abzuwickeln seien. Inzwischen seien die Aktivitäten auf dem italienischen Markt wegen der umsatzsteuerlichen Unsicherheiten eingestellt worden.

Ihre geschäftlichen Aktivitäten erläuterte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen wie folgt:

Das Ergebnis ihrer Arbeit komme in den - dem Gericht vorliegenden - Informationsschriften zum Ausdruck. Die dort verwendeten Adressen würden nicht von ihr selbst vorgehalten sondern zum einmaligen Gebrauch von sog. Listeignern angemietet.

Anschließend werde in Zusammenarbeit und in Abstimmung mit dem Auftraggeber das Konzept für die Informationsschrift erstellt. Dabei werde der Inhalt der Informationsschrift abgesprochen, insbesondere würden die vom Auftraggeber zur Verfügung gestellten Bilder und Texte verarbeitet. Sämtliche Aufträge seien nach Übersendung der Druckfahnen von den Auftraggebern (i.d.R. per E-Mail) freigegeben worden.

Nach der Erstellung des Konzepts für die Informationsschrift werde der Druckauftrag an eine Druckerei vergeben. Diese drucke sowohl den standardisierten Text und die Bilder als auch die individuellen Merkmale wie Adressfeld, etc. Von der Druckerei würden die Briefe entweder an einen Lettershop nach Italien übersandt, der die Briefe kuvertiere. Möglich sei aber auch, dass die Schreiben bereits in der Druckerei kuvertiert würden und von dort direkt nach Italien geschafft würden.

Den Informationsschriften seien Überweisungsträger für Spenden beigelegt worden. Die Zahlscheine hätten eine Kennziffer getragen, so dass im Nachhinein festzustellen gewesen sei, welche der angeschriebenen Personen gespendet hätten. Hierüber sei einige Wochen nach Absendung der Schreiben von ihr (Klägerin) eine Statistik erstellt worden.

Die Bezahlung erfolge auf Grundlage der hergestellten Informationsschriften. Der Preis richte sich nach der Höhe der Auflage und dem Aufwand der Druckerstellung. Eine Erfolgsbeteiligung erhalte sie nicht. Es könne allerdings vorkommen, dass die Rechnungen von den Auftraggebern mangels Liquidität nicht sogleich, sondern erst im Anschluss an, einen Spendenaufruf beglichen worden seien.

In der Regel würden die Kunden im Rahmen eines sog. Mailingplans über mehrere Jahre betreut, d.h., es würden jeweils für ein Jahr die zu treffenden Webemaßnahmen abgesprochen. Es komme aber auch vor, dass für einen Kunden nur eine Mailingaktion durchgeführt werde.

Der eigentliche Schwerpunkt der Tätigkeit bestehe in der Herstellung und dem Versand der Informationsschriften, mithin in einer Lieferung, die in Italien erfolge und damit nicht (in Deutschland) steuerbar bzw. als innergemeinschaftliche Lieferung steuerbefreit sei. Diese - für die Beteiligten wesentliche - Tätigkeit sei Grundlage der vereinbarten Vergütung gewesen. Alle anderen Tätigkeiten seien notwendige Vor- bzw. Nacharbeiten ohne eigenen umsatzsteuerlichen Gehalt. Diese Nebenleistungen teilten das Schicksal der Hauptleistung (nicht steuerbare bzw. steuerbefreite Lieferungen).

Unabhängig davon sei allenfalls die Adressengestellung als umsatzsteuerlich eigenständige (zusätzliche) Hauptleistung anzusehen. So habe das FG Köln (Urteil vom 13.02.2003, a.a.O.) in einem Fall mit identischem Sachverhalt mit überzeugenden Gründen dargelegt, weshalb das Bereitstellen von Adressen als eine selbständige - neben die Lieferung der Informationsschriftenden tretende - sonstige Leistung anzusehen und das Entgelt entsprechend aufzuteilen sei. In dem Fall des FG Köln habe der Anteil des Entgelts, der auf die Adressenanmietung entfallen sei, 20 v.H. bis 25 v.H. des gesamten Rechnungsbetrages ausgemacht. Im Streitfall betrage dieser Anteil wegen der ausländischen Adressen lediglich 11 v.H. Aus diesem Grunde sie die Umsatzsteuererklärung für 2001 im Klageverfahren berichtigt worden.

Schließlich verweist die Klägerin auf einen Wettbewerbsnachteil, der sich dadurch ergebe, dass kein Wettbewerber in Deutschland von der Steuerverwaltung so behandelt werde wie sie.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer 2001 unter Abänderung des Umsatzsteuerbescheids vom 17.07.2003 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 18.08.2003 auf ./. 70.447,72 Euro herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich im Wesentlichen auf die Feststellungen des Prüfers.

Aus einer zurzeit laufenden Großbetriebsprüfung bei anderen Unternehmen der A-Marketing Firmengruppe sei bekannt, dass es in anderen Ländern durchaus üblich gewesen sei, schriftliche Rahmenvereinbarungen mit den Kunden abzuschließen.

Die Bewertung des Mailings durch das FG Köln könne vorliegend nicht übernommen werden. Das FG Köln habe die Bereitstellung der angemieteten Adressen im Rahmen der jeweiligen Mailing-Aktion als selbständige Hauptleistung angesehen. Dies verstoße gegen den Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung. Im Streitfall habe die Klägerin als Unternehmensgegenstand eine Komplettdienstleistung im Rahmen des Spendenmarketings (sog. Fundraising) "Werbemaßnahme" bzw. "Mailing-Aktion" durchgeführt, die nicht in ihre Einzelbestandteile zergliedert werden könne. Die von der Klägerin durchgeführten "Werbemaßnahmen" bzw. "Mailing-Aktionen" seien als (einheitliche) sonstige Leistungen und nicht als bloße Lieferung fertiger Druckwerkerzeugnisse anzusehen.

Die Bezahlung der Mailing-Aktionen sei (zumindest auch) erfolgsabhängig erfolgt. Dies sei in der Branche typischerweise der Fall.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Sach- und Streitstand mit den Beteiligten ausgiebig erörtert. Unter Berücksichtigung einer aktuellen Übersicht der Eingangs- und der Ausgangsumsätze der Klägerin im Streitjahr waren sich die Beteiligten dahingehend einig, dass der Anteil der Adressbeschaffung 25 v.H. der Ausgangsumsätze betragen hat.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Umsätze aus den Mailing-Aktionen sind als einheitliche sonstige Leistungen in Deutschland steuerbar (§ 3 Abs. 9 Satz 1 i.V.m. § 3a Abs. 1 UStG). Die Sonderregelung des § 3a Abs. 4 i.V.m. § 3a Abs. 3 Satz 1 UStG (Leistungsort am Sitz des Empfängers) ist nicht einschlägig, weil die Empfänger keine Unternehmer sondern caritative Vereinigungen sind.

Gemäß § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter einen Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind gemäß § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind.

1. Der Senat geht von einer einheitlichen Leistung aus. Für die Annahme einer einheitlichen Leistung sind im Wesentlichen folgende (gemeinschaftsrechtlich geklärte) Grundsätze zu berücksichtigen (vgl. z.B. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96 - Card Protection Plan Ltd. -, UVR 1999, 157 Rdnr. 29 ff.; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BStBl II 2001, 658 ; vom 24. Februar 2005 V R 26/03, BFH/NV 2005, 1395-1397; vom 07. September 2005 V R 50/02, DStR 2005, 1567):

Zum einen ist jede Dienstleistung in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten. Zum anderen darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Daher ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt. Dabei ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen.

Danach hat der Beklagte im Ergebnis zu Recht die streitigen Leistungen der Klägerin, die Adressengestellung, die Konzeption und das Layout der Informationsschrift, die Herstellung und den Versand derselben sowie die Statistiken über den Erfolg der Mailing-Aktionen als einheitliche Leistung beurteilt, bei der weder die Adressengestellung noch die Herstellung und der Versand der Informationsschriften als selbständige Leistungen anzusehen sind.

Mit ihren Mailing-Aktionen verfolgen die Kunden der Klägerin vordergründig das Ziel, die Adressaten der Postsendungen durch die übersandten Broschüren über ihre Organisationen, ihre sozialen Ziele und ihre aktuellen Projekte zu informieren. Diese Information ist jedoch nicht Selbstzweck: Wie sich den diesen Postsendungen regelmäßig beigefügten Spendenaufrufen mit vorbereiteten Überweisungsträgern entnehmen lässt, geht es den Absendern zumindest gleichwertig auch darum, die Empfänger zu Spenden zu veranlassen. Das Informationsmaterial dient dazu, die Unterstützungswürdigkeit der betreffenden Organisation oder des jeweiligen Projekts darzulegen und damit die Spendenbereitschaft der Adressaten zu steigern (ebenso FG Köln, Urteil vom 13.02.2003, a.a.O.). Hierfür spricht auch die statistische Auswertung des Spendeneingangs der angeschriebenen Personen.

Dem FG Köln ist auch darin zuzustimmen, dass bei Mailing-Aktionen über die gezielte Adressenauswahl geeignete Zielgruppen mit potentiellen Spendern für die werbenden sozialen Organisationen erreicht werden sollen. Dies geschah im Streitfall - wie im Fall des FG Köln - durch die Anmietung der Adressen von spendenaffinen Personen, die für die jeweiligen sozialen Anliegen der Organisationen aufgeschlossen und auch wirtschaftlich in der Lage waren, eine Mitgliedschaft einzugehen oder zu spenden.

a) Anders als das FG Köln sieht der erkennende Senat die Adressengestellung jedoch nicht als selbständige Hauptleistung an. Vielmehr ist dieser Teil der Tätigkeit eingebettet in eine Komplettdienstleistung im Rahmen des Spendenmarketings. Aus der maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers bietet die Klägerin ein untrennbares Gesamtpaket an.

Zwar sind die einzelnen Leistungen auch getrennt am Markt zu bekommen (z.B. Adressenanmietung, EDV-, Druck- und Versandleistungen). Die Besonderheit des von der Klägerin angebotenen Leistungsbündels besteht indes darin, dass die einzelnen Leistungen individuell und kundenspezifisch zusammengestellt, koordiniert und überwacht werden. Die Klägerin wird dabei aufgrund eines zuvor mit den Kunden besprochenen Gesamtkonzepts tätig, welches sich in den Mailingplänen ausdrückt und widerspiegelt.

Der wirtschaftliche Erfolg der Mailings beruht auf der Erfahrung, dem Know-how und dem Ruf, den sich die Klägerin im Bereich des Spendenmarketings erworben hat. Ihre Kunden sind daran interessiert, die Leistungen "aus einer Hand" (ein! Ansprechpartner) angeboten zu bekommen, zumal sie selbst als karitative Einrichtungen keinen unternehmerischen Geschäftsbetrieb vorhalten. An dem bloßen - isolierten - Erhalt der Adressen waren die Kunden dagegen nicht interessiert.

b) Entsprechendes gilt für die Herstellung und den Versand der Informationsschriften. Zwar unterliegen diese als Druckwerke dem begünstigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 49 der dazugehörenden Anlage zum UStG. Die Lieferung der Informationsschriften stellt im Streitfall jedoch keine eigenständige Hauptleistung ein. Sie ist vielmehr ein notwendiger unselbständiger Teil im Rahmen der Komplettdienstleistung des Spendenmarketings.

Dem steht die Bezahlung nicht entgegen. Zwar ist den Kunden stets die "Herstellung und der Versand von Informationsschriften" in Rechnung gestellt worden. Diese Form der Abrechnung ist jedoch kein Indiz für die Annahme einer Lieferung. Dagegen spricht bereits, dass nicht die Sichtweise des Leistenden sondern die des Durchschnittsverbrauchers für die Bewertung einer Leistung maßgebend ist. Zum anderen belegt die von der Klägerin gewählte Form der pauschalen Abrechnung (ohne Einzelkostenaufstellung bzw. -nachweis) die Bewertung des Senats, dass gerade ein Leistungsbündel und nicht zerlegbare Einzelleistungen erbracht werden sollten. Eine weiterreichende Bedeutung kommt der Entgeltabrede nicht zu.

2. Die Mailings sind als einheitliche Leistung keine Lieferungen sondern sonstige Leistungen im Bereich des Spendenmarketings.

Ob bei einer einheitlichen Leistung, die - wie hier - sowohl Lieferungselemente als auch Elemente sonstiger Leistungen aufweist, der Umsatz als Lieferung von Gegenständen oder als Dienstleistung (sonstige Leistung) zu beurteilen ist, richtet sich im Wesentlichen nach folgenden, gemeinschaftsrechtlich geklärten Grundsätzen: Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ist das Wesen des Vorganges zu ermitteln; maßgebend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers (vgl. EuGH-Urteil vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96 - Card Protection Plan Ltd. -, UVR 1999, 157 Rdnr. 28; vom 17. Mai 2001 Rs. C-322/99 und C-323/99 - Fischer, Brandenstein -, IStR 2001, 376 Rdnr. 62; BFH-Urteile vom 9. Oktober 2002 V R 5/02, BStBl II 2004, 470 ; vom 21. Juni 2001 V R 80/99, BStBl II 2003, 810 ; vom 30. September 1999 V R 77/98, BStBl II 2000, 14; vom 23. Oktober 1997 V R 36/96, BStBl II 1998, 584; vom 7. September 2005 V R 50/02, DStR 2005, 1567).

Wenn die Lieferungen nur einen Teil des Umsatzes darstellen, die Dienstleistungen aber überwiegen, ist der Umsatz als Dienstleistung zu beurteilen (EuGH-Urteile vom 17. Mai 2001 Rs. C-322/99 und C-323/99 - Fischer, Brandenstein -, IStR 2001, 376 Rdnr. 62; vom 2. Mai 1996 Rs. C-231/94 - Faaborg-Gelting Linien -, UR 1996, 220 Rdnr. 14).

So sind z.B. nach der Auffassung des EuGH Arbeiten an einem PKW, für die zusätzlich kleinere Lieferungen von Gegenständen notwendig sind, insgesamt sonstige Leistungen (Dienstleistungen; EuGH-Urteil Fischer, Brandenstein in IStR 2001, 376 Rdnr. 63). Dementsprechend hat der BFH einen Kfz-Ölwechsel als Lieferung von Motoröl und eine Kfz-Inspektion mit Ölwechsel als sonstige Leistung (BFH-Urteil vom 30. September 1999 V R 77/98, BStBl II 2000, 14) und bestimmte Grabpflegeleistungen als sonstige Leistungen (BFH-Urteil vom 21. Juni 2001 V R 80/99, BStBl II 2003, 810) beurteilt.

Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze sind die Marketings als sonstige Leistungen zu beurteilen. Die Herstellung und der Versand der Informationsschriften stellt eine notwendige Lieferung im Rahmen der Komplettdienstleistung des Spendenmarketings dar. Die Lieferung von Informationen verfolgte jedoch keinen Selbstzweck. Sie diente vielmehr vorrangig dem Ziel, Spendengelder und Mitgliedschaften einzuwerben. Darauf war die Gesamttätigkeit der Klägerin ausgerichtet (z.B. Adressengestellung, Konzepterstellung und statistische Auswertung des Spendeneingangs) und genau darauf kam es den Kunden auch an.

Soweit die Klägerin vorträgt, dass es auch Mailings (sog. Sonderaktionen) gegeben habe, in denen die Information und nicht der Spendeneingang im Vordergrund gestanden habe, hätte es ihr oblegen, diese Mailing-Aktionen konkret zu benennen und betragsmäßig zu beziffern. Dies ist jedoch weder im Verwaltungsverfahren noch im Klageverfahren erfolgt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

4. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.

Ende der Entscheidung

Zurück