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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 16.05.2002
Aktenzeichen: 5 K 95/98
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Der Kläger ist promovierter Theologe. Er ist selbständig tätig und betreibt das X. Institut für Existenzanalyse und Logotherapie. Hierbei handelt es sich um eine wissenschaftlich anerkannte psychotherapeutische Behandlungsmethode, die auf den Wiener Psychiater Victor E. Frankl zurückgeht (vgl. Schwertfeger/Koch, Der Therapieführer, S. 50 ff.) Das Institut des Klägers ist Mitglied im Dachverband der Deutschen und Europäischen Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse. Der Kläger ist seit Juni 2000 zertifizierter Lehrpsychotherapeut für Logotherapie und Existenzanalyse. Nach Auskunft des Klägers bemüht sich der Verband darum, eine Änderung des zum 1.1.1999 in Kraft getretenen Psychotherapeutengesetz (BGBl I 1998, 1311) zu erreichen, um eine Gleichstellung mit den dort genannten approbierten Psychotherapeuten zu erreichen.

Der Beklagte behandelte die Umsätze der Klägers aus dieser Tätigkeit als steuerpflichtig. Er verweist dabei auf ein Urteil des erkennenden Senats vom 20.6.1996 (V 181/95 - rkr ). In dem genannten Urteil hat das Gericht die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG mit der Begründung abgelehnt, dass der Kläger keine in dieser Vorschrift genannte Heilberufen (sog. Katalogberufen) "ähnliche" Tätigkeit ausübe; es fehle bereits an einer vergleichbaren gesetzlichen Berufszulassungs- und Berufsausübungsregelung.

Mit Beschluss vom 29.10.1999 (BStBl II 2000, 155) hat das BVerfG in Widerspruch zu seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Heidner, in: Bunjes/Geist, § 4 Nr. 14 Rz 8 mwN) entschieden, dass das Bestehen berufsrechtlicher Regelungen keinen hinreichenden Differenzierungsgrund für die umsatzsteuerliche Beurteilung einer Tätigkeit darstellt. Entscheidend sei vielmehr - so das BVerfG -, ob die Leistungen "in der Regel" von den Sozialversicherungsträgern erstattet würden (BVerfG, a.a.O.; ebenso BFH-Urteil vom 13.4. 2000 - V R 78/99 -, UR 2000, 2048).

Daraufhin hat der Berichterstatter den Kläger mit Datum vom 30. Mai 2001 aufgefordert, dem Gericht Unterlagen der Krankenversicherungsträger vorzulegen, aus denen zu ersehen ist, dass die erbrachten Leistungen der Logotherapie und Existenzanalyse von den Krankenkassen tatsächlich übernommen wurden oder doch zumindest ihrer Art nach übernahmefähig sind.

Der Kläger hat dem Gericht Abrechnungsunterlagen von Privatpatienten zur Verfügung gestellt. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang auf das Schreiben des Klägers vom 31. Oktober 2001, welchem als Anlage eine Abrechnung der C. Krankenversicherung beigefügt ist. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger weitere Abrechnungsunterlagen vorgelegt; insoweit wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2002.

Der Kläger trägt vor, er habe aufgrund der nachgereichten Unterlagen der Privatpatienten den vom BVerfG geforderten Nachweis der Kostenübernahme durch die Krankenversicherung erbracht. Es könne nicht zu seinen Lasten gehen, dass er ausschließlich Privatpatienten behandele.

Außerdem sei es sachdienlich, das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 14.12.2000 (V R 54/98, UR 2001, 115) auszusetzen. Dies begründet der Kläger damit, dass in seinem X. Institut u.a. Mediziner tätig seien, deren heilberufliche Tätigkeit (Katalogberuf) auf das Unternehmen des Klägers auch dann durchschlage, wenn psychotherapeutische Leistungen auf dem Gebiet der Logotherapie und Existenzanalyse erbracht würden.

Der Kläger beantragt,

1992 45.535 DM, 1993 102.990 DM und 1994 101.320 DM der Umsätze steuerfrei zu belassen; hilfsweise weitere Vorsteuern zum Abzug zuzulassen, und zwar für 1992 1.143,39 DM, für 1993 3.529,18 DM und für 1994 4.645,04 DM.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist darauf, dass der vom BVerfG geforderte Nachweis der Kostenübernahme durch die Krankenkasse vom Kläger nicht erbracht sei.

In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger eingeräumt, dass die Kostenübernahme der hier in Streit stehenden psychotherapeutischen Leistungen zur Zeit weder nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der privaten Krankenversicherer noch nach den Zulassungsbedingungen der gesetzlichen Krankenversicherer (vgl. § 124 des Sozialgesetzbuchs - SGB V) möglich ist. Eine Kostenübernahme erfolge - nach Auskunft des Klägers - jedoch im Einzelfall aufgrund einer vorherigen Absprache des Patienten mit seiner Krankenversicherung. Entsprechenden Schriftverkehr hierüber konnte der Kläger dem Gericht nicht vorlegen.

Gründe

Die Klage ist teilweise begründet.

1. Die Tätigkeit des Klägers ist nicht steuerbefreit. Es handelt sich nicht um eine "ähnliche heilberufliche Tätigkeit" im Sinne des § 4 Nr. 14 UStG bzw. um eine Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin im Sinne des Art. 13 Teil A Abs. 1, Buchstabe c der 6. EG-Richtlinie. Auch unter dem Gesichtspunkt der richtlinien- und verfassungskonformen Auslegung (zur letzteren vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90, BStBl II 2000, 155; vom 10. November 1999 2 BvR 2861/93, BStBl II 2000, 160) handelt es sich nicht um eine heilberufliche Tätigkeit.

Nach der überkommenen ständigen Rechtsprechung des BFH setzte eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG voraus, dass der zu beurteilende Beruf mit allen seinen Merkmalen dem typischen Bild des Katalogberufs vergleichbar war. Es genügte zur Anerkennung der Berufsähnlichkeit nicht, dass die Tätigkeiten vergleichbar waren, etwa durch das sie charakterisierende Merkmal der Behandlung und Linderung von Leiden. Denn zum maßgeblichen Berufsbild gehörte nach der Rechtsprechung des BFH nicht nur die jeweils ausgeübte Tätigkeit als solche; das Berufsbild wurde durch sämtliche Berufsmerkmale geprägt. Zu diesen Berufsmerkmalen gehörten neben der Ausbildung auch die Bedingungen, an die das Gesetz die Ausübung des zu vergleichenden Berufs knüpfte. Hierzu zählte bei Heilberufen unter anderem, dass deren Ausübung einer Erlaubnis bedurfte und der Überwachung durch die Gesundheitsämter unterlag (vgl. zum Beispiel BFH, Urteile vom 21. Juni 1990 V R 97/84, BStBl II 1990, 804; vom 29. Januar 1998 V R 3/96, BStBl II 1998, 453).

Diese Rechtsprechung ist teilweise durch die neuere Rechtsprechung des BVerfG überholt, wonach ein Anknüpfen an das Bestehen berufsrechtlicher Regelungen gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) verstößt (BVerfG, Beschlüsse vom 29. Oktober 1999 2 BvR 1264/90, BStBl II 2000, 155). Aber auch danach reicht es für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG nicht aus, dass die berufliche Tätigkeit lediglich der Behandlung und Linderung von psychischen bzw. psychosomatischen Leiden dient. Denn als weitere Voraussetzung kommt es nunmehr darauf an, dass die betreffende Tätigkeit ihrer Art nach von den Sozialversicherungsträgern finanziert wird. Dabei hängt die Steuerbefreiung nicht davon ab, dass die Sozialversicherungsträger die einzelne Leistung wirklich bezahlt haben, so dass auch Leistungen an Privatpatienten steuerfrei ausgeführt werden, wenn die Sozialversicherungsträger eine entsprechende Leistung für ein Mitglied bezahlen würde (so ausdrücklich BFH, Urteil vom 13. April 2000 V R 78/99, UR 2000, 2048).

Der Kläger hat trotz mehrfacher Aufforderung durch das Gericht nicht den Nachweis erbracht, dass die von ihm ausgeübte psychotherapeutische Tätigkeit auf dem Gebiet der Logotherapie und Existenzanalyse ihrer Art nach von den Sozialversicherungsträgern (Krankenkassen) übernommen wird. Vielmehr hat er sogar eingeräumt, dass die von ihm ausgeübte Tätigkeit zur Zeit (noch) nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherer enthalten ist. Ob die vom Kläger behauptete Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Behandlungen durch die Krankenkassen im Einzelfall aufgrund Kulanz o.ä. ausreicht, um den vom BVerfG geforderten Nachweis zu erbringen, erscheint zweifelhaft. Der Senat konnte diese Problematik indes offenlassen, weil auch die diesbezüglichen Abrechnungen vom Kläger nicht vorgelegt worden sind. Den vom Kläger vorgelegten Abrechnungen einzelner Privatpatienten gegenüber deren privaten Krankenversicherung kommt in diesem Zusammenhang kein Beweiswert zu.

2. Der Senat sieht keinen Anlass, das Verfahren bis zum Abschluss des vom Kläger genannten Vorabentscheidungsersuchens auszusetzen bzw. ruhen zu lassen (§ 155 Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 251 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Der BFH hat dem EuGH u.a. die Frage vorgelegt, ob psychotherapeutische Behandlungen einer Klägerin (Stiftung des privaten Rechts) aufgrund der Neutralität der Mehrwertsteuer deshalb steuerfrei sind, weil die bei ihr angestellten Psychotherapeuten die gleichen Behandlungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie steuerfrei hätten erbringen können, wenn sie sie selbständig als Steuerpflichtige ausgeführt hätten (BFH, Beschluss vom 14.12.2000 V R 54/98, UR 2001, 115). Im Streitfall des BFH hatten die Krankenkassen die Kosten für die psychotherapeutischen Leistungen übernommen, so dass sich dort die Frage stellte, ob die Steuerfreiheit für die Tätigkeit der angestellten Diplompsychologen auf die Klägerin (Unternehmer) durchschlägt.

Demgegenüber fehlt es vorliegend bereits am Nachweis der Steuerbefreiung für die ausgeübte Tätigkeit als solche. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob approbierte Mediziner als freie Mitarbeiter die Behandlungsmethode des Klägers angewandt haben. Denn selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre die hier streitige Tätigkeit auf dem Gebiet der Logotherapie und der Existenzanalyse nicht allein deshalb steuerbefreit, weil sie von einem Angehörigen eines Katalogberufes (Arzt) ausgeübt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 14. September 2000 C-384/98, UR 2000, 432),

Wegen der Steuerpflicht der hier streitigen Behandlungsumsätze war dem Hilfsantrag des Klägers stattzugeben mit der Folge, dass weitere - der Höhe nach unstreitige - Vorsteuern zum Abzug zuzulassen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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