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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 21.04.2009
Aktenzeichen: 5 V 391/08
Rechtsgebiete: FGO, UStG


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
UStG § 4
Zur Anforderung einer Sicherheitsleistung bei Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung.
Tenor:

Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin erzielt Umsätze aus Geldspielgeräten. Gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen in den Voranmeldungen für Januar bis September 2008 legte die Antragstellerin fristgerecht Einspruch ein. Gleichzeitig beantragte sie die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen. In der Sache ist die Antragstellerin der Meinung, die Umsätze seien steuerfrei, weil die Neuregelung des § 4 Nr. 9 Buchstabe b) UStG (i.d.F. des Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen v. 28.04.2006, BGBl. I 2006, 1095) gegen die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts verstoße. Über den Einspruch hat der Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) noch nicht entschieden. Die Aussetzung der Vollziehung gewährte das FA unter der aufschiebenden Bedingung einer Sicherheitsleistung innerhalb einer bestimmten Frist. Da die Antragstellerin die Sicherheitsleistung nicht erbrachte, lehnte das FA mit Bescheid vom 01.12.2008 eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung ab.

Die Antragstellerin hat daraufhin um gerichtliche Aussetzung der Vollziehung nachgesucht. Sie ist der Meinung, dass das FA zu Unrecht die Gewährung der Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht habe. Im vorliegenden Fall könne die Antragstellerin eine Sicherheit nicht ohne Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz leisten. In einem derartigen Fall, wenn dem Antragsteller ein unkorrigierbarer Schaden oder die Vernichtung seiner Existenz drohe, müssten die Interessen des Staates zurücktreten. Im Streitfall sei die wirtschaftliche Lage der Antragstellerin derart angespannt, dass Kreditlinien immer nur für kurze Zeit verlängert würden. Allein die Anfrage nach einer Bankbürgschaft (als Sicherheitsleistung) könne deshalb zur Kündigung und Fälligstellung der Kreditlinien führen.

Im Übrigen könne auch der Rechtsauffassung des 16. Senats des Nieders. FG im Beschluss v. 14.04.2008 (16 V 77/08) nicht gefolgt werden. Von der Antragstellerin könne nicht verlangt werden, aus künftigen Einnahmen die vereinnahmte Umsatzsteuer zurückzubehalten. Die Antragstellerin sei keinesfalls in der Lage, eine Sicherheit in Höhe von insgesamt 150.000 EUR zu erbringen, zumal sie auch nicht über Grundvermögen verfüge. Die Kreditlinien seien außerdem erschöpft.

In der Sache sei die Frage der Umsatzsteuerpflicht der Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielautomaten höchst zweifelhaft, wie das Vorabentscheidungsersuchen des BFH an den EuGH v. 17.12.2008 - XI R 79/07 - zeige.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung der Umsatzsteuerfestsetzungen für die Monate Januar bis September 2008 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner verweist im Wesentlichen auf die Ausführungen des Nieders. FG im Beschluss 16 V 77/08 vom 14.04.2008. Danach sei es der Antragstellerin zuzumuten, eine Sicherheitsleistung zu erbringen.

II.

Der Antrag ist unbegründet.

Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. BFH-Beschlüsse v. 10.2.1984 - III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und v. 30.12.1996 - I B 61/96, BStBl II 1997, 466).

Im Streitfall ist die Aussetzung der Vollziehung von der Gewährung einer Sicherheitsleistung gem. § 69 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO abhängig zu machen. Die Aussetzung gegen Sicherheitsleistung ist insbesondere dann geboten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die künftige Durchsetzung des Steueranspruchs im Falle des Unterliegens des Steuerpflichtigen im Hauptsacheverfahren gefährdet ist (BFH-Beschluss v. 03.02.2005 - I B 208/04, BFH/NV 2005, 625). Die Gefährdung des Steueranspruchs wird regelmäßig aus einer schlechten Vermögenslage des Antragstellers abgeleitet. Eine derartige Gefährdungslage ist - auch nach dem Vorbringen der Antragstellerin - im vorliegenden Fall gegeben.

Gem. § 4 Nr. 9 Buchstabe b) UStG in der Fassung des Gesetzes zur Eindämmung missbräuchlicher Steuergestaltungen vom 28. April 2006 sind lediglich Umsätze steuerbefreit, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Derartige Umsätze hat die Antragstellerin nicht erzielt. Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 18.10.2007 - 5 K 137/07, EFG 2008, 256 - ausführlich begründet, warum nach seiner Auffassung die Neufassung des § 4 Nr. 9 Buchstabe b) UStG nicht im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht steht. Er hat insbesondere darauf hingewiesen, dass die zum Teil im Schrifttum vertretene Auffassung, der grundsätzliche Ausschluss von Glücksspielen mit Geldeinsatz von jeglicher Steuerbefreiung habe eine weder vom Wortlaut, noch von der Zielsetzung des Gemeinschaftsrechts gedeckte überschießende Tendenz, nicht überzeugt. Nach dem Wortlaut der Richtlinie befreiten die Mitgliedstaaten "Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden", von der Umsatzsteuer. Die in der Literatur geäußerte Auffassung setze voraus, dass der Begriff "sonstige Glückspiele mit Geldeinsatz" keinen Oberbegriff zu den Wetten und Lotterien darstelle, sondern gleichrangig daneben stehe. Denn anderenfalls würde nach § 4 Nr. 9 Buchstabe b) UStG doch ein Teil der Glückspielumsätze - nämlich jener, der unter das Rennwett- und Lotteriegesetz falle - begünstigt. Gegen die Auslegung der Literatur spreche aber bereits der Wortlaut, da das Attribut "sonstige" im Fall einer bloßen Aufzählung verschiedener Umsätze überflüssig sei.

Im Revisionsverfahren gegen diese Entscheidung hat der BFH zwar mit Beschluss vom 17.12.2008 - XI R 137/07 den EuGH um Vorabentscheidung über die Frage der Steuerbefreiung gebeten. Dies rechtfertigt jedoch im Streitfall kein Absehen von der Anforderung einer Sicherheit. Von der Anforderung einer Sicherheitsleistung ist nur dann abzusehen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist und mit seiner Aufhebung gerechnet werden kann (BFH v. 22.12.1969 - V B 115-116/69, BStBl. II 1970, 127). Im Streitfall besteht - auch im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des BFH - nach Meinung des Senats weder eine Sicherheit noch eine große Wahrscheinlichkeit, dass sich die Antragstellerin mit ihrer Rechtsauffassung wird durchsetzen können.

Im Übrigen folgt der Senat der Rechtsauffassung des 16. Senats des Nieders. FG, der in seiner Entscheidung vom 14.04.2008 (16 V 77/07) für den Fall, dass Steuerforderungen laufend entstehen, entschieden hat, dass der steuerpflichtige Unternehmer laufende Erlöse zurückzuhalten hat, die als Sicherheitsleistung zur Verfügung gestellt werden können.

Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines - noch nicht bestandskräftigen - Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wiedergutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. BFH-Beschluss v. 24.3.1994 -IV S 1/94, BStBl II 1994, 398). Im Streitfall kommt eine Aussetzung wegen unbilliger Härte aus den gleichen Gründen nicht in Betracht, die auch die Gewährung von AdV ohne Sicherheitsleistung ausschließen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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