Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 13.12.2007
Aktenzeichen: 6 K 411/07
Rechtsgebiete: KStG


Vorschriften:

KStG § 14
KStG § 17 S. 1
Das Einkommen einer Organgesellschaft ist einem Organträger gemäß § 17 Satz 1 KStG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG erstmals für das Kalenderjahr zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der Beherrschungs- und Gewinnsabführungsvertrag in das Handelsregister eingetragen worden ist.
Finanzgericht Niedersachsen

6 K 411/07

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein im Jahr 2007 in das Handelsregister eingetragener Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag für das Streitjahr 2006 steuerlich anzuerkennen ist.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in H. Sie entstand durch Umwandlung im Wege eines Formwechsels zum 1. Januar 2006 aus einer OHG. Zum Geschäftsführer wurde K bestellt. Gesellschafter der Klägerin sind der A e.V. mit einer Beteiligung von 78%, die B e.G. mit einer Beteiligung von 18% sowie die C AG mit einer Beteiligung von 4%.

Die Klägerin schloss am 30. Juni 2006 mit dem A e.V. einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. In diesem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin, ihren ganzen Gewinn ab dem 1. Januar 2006 an den e.V. abzuführen. Die Gesellschafter- bzw. Mitgliederversammlungen der Klägerin und des e.V. stimmten dem Vertrag zu.

Am 18. Juli 2006 stellte die Klägerin einen Antrag auf Eintragung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages in das Handelsregister beim Amtsgericht H. Das Amtsgericht lehnte die Eintragung in das Handelsregister durch Beschluss vom 24. Oktober 2006 mit der Begründung ab, ein wirksamer Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag liege nicht vor. Der A e.V. sei als Verein gemäß § 21 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kein Unternehmen. Der gegen die Ablehnung von der Klägerin erhobenen Beschwerde gab das Landgericht H mit Beschluss vom 20. Dezember 2006 statt. Das Landgericht wies das Amtsgericht an, von seinen Bedenken gegenüber dem Antrag auf Eintragung Abstand zu nehmen. Daraufhin wurde der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag am 5. Januar 2007 in das Handelsregister eingetragen.

Die Klägerin legte gegen diese Registereintragung wiederum Rechtsmittel ein und beantragte, die Eintragung auf das Jahr 2006 zurück zu datieren. Dieser Antrag wurde vom Landgericht H zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Landgericht aus, dass bei Eintragungen in das Handelsregister das Datum der tatsächlichen Eintragung anzugeben und eine rückwirkende Datierung nicht vorgesehen sei.

Die Vertragsparteien führten den Gewinnabführungsvertrag tatsächlich durch. Dementsprechend berücksichtigte die Klägerin in ihren Steuererklärungen für 2006 die an den e.V. abgeführten Beträge gewinnmindernd.

Dem folgte der Beklagte (das Finanzamt -FA-) nicht. Da der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag erst mit seiner Eintragung im Jahr 2007 zivilrechtlich wirksam geworden sei, könne auch steuerlich ein Organschaftsverhältnis der Klägerin zum e.V. frühestens im Jahr 2007 anerkannt werden. Auf der Grundlage dieser Rechtsansicht ermittelte das FA die Besteuerungsgrundlagen neu und setzte die Körperschaftsteuer 2006 durch Bescheid vom 23. Juli 2007 statt nach dem erklärten Einkommen von 17.160 EUR nach einem Einkommen von 106.756 EUR fest.

Hiergegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Sie ist der Ansicht, der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sei bereits für das Jahr 2006 steuerlich anzuerkennen. Die Klägerin habe alles Zumutbare getan, um eine Eintragung des Vertrages in das Handelsregister im Jahr 2006 zu erreichen. Die verzögerte Eintragung sei allein auf das Verhalten des Amtsgerichts zurückzuführen. Zudem solle durch die gesetzliche Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz - KStG - nur ein Missbrauch der Rückwirkungsmöglichkeit verhindert werden. Ein solcher Missbrauchsfall liege hier indessen offensichtlich nicht vor. Letztlich sei das FA durch das Verhalten des Amtsgerichts begünstigt. Im Grunde erhalte der Staat damit einen finanziellen Vorteil aus seiner eigenen Verzögerung.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid für 2006 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 23. Juli 2006 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 31. August 2007 dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen auf 17.160 EUR herabgesetzt wird und die Körperschaftsteuer dementsprechend auf 4.290 EUR gemindert wird und der Solidaritätszuschlag entsprechend angepasst wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er vertritt weiter die Ansicht, dass die steuerliche Anerkennung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 17 Satz 1 KStG i.V.m. § 14 Abs.1 Satz 2 KStG erst mit der zivilrechtlichen Wirksamkeit im Jahr 2007 möglich sei. Auf welchen Gründen eine verzögerte Eintragung beruhe, sei unbeachtlich.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FA hat den von der Klägerin an den e.V. abgeführten Gewinn des Jahres 2006 zu Recht bei der Einkommensermittlung der Klägerin erfasst.

1. Das Einkommen einer Organgesellschaft ist einem Organträger gemäß § 17 Satz 1 KStG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG erstmals für das Kalenderjahr zuzurechnen, in dem das Wirtschaftsjahr der Organgesellschaft endet, in dem der Beherrschungs- und Gewinnsabführungsvertrag zivilrechtlich wirksam geworden ist. Diese Voraussetzung ist vorliegend erst im Jahr 2007 erfüllt.

a) Die zivilrechtliche Wirksamkeit eines Beherrschungs- und Gewinnsabführungsvertrages ist erst gegeben, wenn die Eintragung des Vertrages in das Handelsregister erfolgt ist (vgl. §§ 53, 54 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG- und BGH-Beschluss vom 24. Oktober 1998, II ZB 7/88, BGHZ 105, 324).

Das Erfordernis der Handelsregistereintragung folgt daraus, dass ein solcher Unternehmensvertrag kein schuldrechtlicher Vertrag, sondern ein gesellschaftsrechtlicher Organisationsvertrag ist. Dieser ändert satzungsgleich den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft. (vgl. BGH-Urteil vom 14.Dezember 1987, II ZR 170/87, WM 1988, 258; BGH-Beschluss vom 24. Oktober 1988, II ZB 7/88, BGHZ 105, 324 mit weiteren Nachweisen). Der Eintrag des Beherrschungs- und Gewinnsabführungsvertrages erfolgte am 5. Januar 2007.

b) Eine zivilrechtliche Rückwirkung auf den Tag der Antragstellung bzw. eine Rückdatierung in das Jahr 2006 kommt nicht in Betracht.

Wie bereits das Landgericht im Beschluss über die Beschwerde der Klägerin gegen die Eintragung vom 5. Januar 2007 ausgeführt hat, ist die Rückdatierung einer Eintragung nicht möglich. § 15 der Handelsregister-Verordnung regelt, dass bei jeder Eintragung in das Handelsregister der Tag der Eintragung anzugeben ist. Eine Rückdatierung wird von der Handelsregister-Verordnung nicht zugelassen (vgl. Beschluss des Landgerichts Hannover vom 15. Februar 2007, 22 T 2/07). Gleiches gilt für die Rückwirkung einer Eintragung auf den Tag der Änderung des Gesellschaftsvertrags oder den Tag der Anmeldung der Vertragsänderung beim Handelsregister. Auch eine solche ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. BFH-Urteil vom 26. August 1987, I R 28/84, BFHE 151, 135; BFH-Urteil vom 13. September 1989, I R 105/86, BFH/NV 1990, 326).

2. Eine vom Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 2 KStG abweichende Entscheidung aufgrund einschränkender Auslegung (teleologischer Reduktion) ist nicht geboten.

Eine den Wortlaut korrigierende Auslegung ist möglich, wenn eine allein wortlautgemäße Auslegung zu sinnwidrigen Ergebnissen führt und der Schluss gerechtfertigt ist, dass der gesetzgeberische Wille planwidrig umgesetzt worden ist. Weichen Gesetzeswortlaut und -zweck voneinander ab, so ist der Wortlaut der Gesetzesbestimmung ihrem Zweck entsprechend einzuschränken, sofern sich das Gesetz gemessen an seinem Zweck als planwidrig zu weitgehend erweist. Hingegen kommt eine teleologische Reduktion grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn der Wortlaut der Vorschrift Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers ist (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2001, III R 47/00, BStBl. II 2002, 195; BFH-Urteil vom 17. Februar 1994, VIII R 30/92, BStBl. II 1994, 938; BFH-Urteil vom 27. März 2007, VIII R 25/05, BFH/NV 2007, 1562).

Der insoweit eindeutige Wortlaut des § 14 Abs.1 Satz 2 KStG ist die Folge einer bewussten rechtspolitischen Entscheidung des Gesetzgebers.

Durch das Steueränderungsgesetz 1992 (BGBl. I 1992, 297) hatte der Gesetzgeber in § 14 KStG die Möglichkeit einer steuerlichen Rückwirkung für bestimmte Konstellationen geschaffen. Insoweit genügte es für die steuerliche Anerkennung eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, dass dieser bis zum Ende des Folgejahrs zivilrechtlich wirksam wurde, damit die steuerliche Wirkung zum 1. Januar des Jahres eintrat, in dem der Vertrag abgeschlossen worden war (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 KStG a.F.).

Der Gesetzgeber reagierte damit auf das Problem, das sich auf Grund der ungewissen Dauer der Bearbeitungszeit bei den Handelsregistergerichten ergab. Diese ungewisse Bearbeitungszeit konnte dazu führen, dass der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nicht rechtzeitig im Handelsregister eingetragen und damit erst im Folgejahr wirksam wurde (vgl. Bundestagsdrucksache 12/1108 vom 3. September 1991, Seite 67).

Diese Rückwirkungsmöglichkeit hat der Gesetzgeber durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz (BGBl. I 2003, 660) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2003 abgeschafft. Er hat in der Gesetzesbegründung darauf hingewiesen, dass eine Organschaft künftig erst für Wirtschaftsjahre körperschaftsteuerlich anerkannt werden soll, die nach Wirksamwerden des Gewinnabführungsvertrages (grundsätzlich Eintragung im Handelsregister) beginnen. Eine Einschränkung auf bestimmte Fallgruppen wie zum Beispiel Missbrauchsfälle wurde nicht vorgenommen (vgl. Bundesdrucksache 15/119 vom 02. Dezember 2002, Seite 43). Da der Gesetzgeber die sich aus dieser Änderung ergebenden Härten kannte (vgl. Bundestagsdrucksache 12/1108 vom 3. September 1991, Seite 67), handelt es sich insoweit um eine bewusste Entscheidung, die eine teleologische Reduktion der Norm ausschließt.

3. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht daraus, dass die Klägerin den Antrag auf Eintragung beim Handelsregister frühzeitig gestellt und sie die der verspätete Eintragung nicht zu vertreten hat. Diese Umstände mögen in den Verfahren bezüglich einer abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abgabenordnung oder in einem Amtshaftungsprozess zu würdigen sein; für dieses Verfahren sind sie unbeachtlich.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

Zurück