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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 27.11.2008
Aktenzeichen: 6 K 416/07
Rechtsgebiete: StBerG


Vorschriften:

StBerG § 46 Abs. 2
StBerG § 57 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand:

Streitig ist der Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater.

Der ... geborene Kläger wurde ... zum Steuerberater bestellt. Seit ... übt er seine Tätigkeit in einer Einzelpraxis aus. Am 22. Juni 2006 wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Die festgestellten Forderungen der absonderungsberechtigten Gläubiger betragen 898.000 EUR und die der übrigen Gläubiger 280.000 EUR. Die Forderungen des Finanzamts belaufen sich auf 112.748,21 EUR. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schuldete der Kläger dem Finanzamt Umsatzsteuer Januar bis März 2006 in Höhe von 4.687,69 EUR sowie aufgrund der Jahreserklärungen 2003 und 2004 wegen Falschbuchungen Zahllasten in Höhe von 2.536 EUR.

Der Kläger schloss mit dem Insolvenzverwalter am 1. Oktober 2006 einen "Freigabe-Vergleich", in dem sich der Kläger zur Zahlung von 1.000 EUR monatlich auf das Anderkonto des Insolvenzverwalters verpflichtete. Die dem Kläger darüber hinaus verbleibenden Einnahmen und die restlichen Betriebsmittel der Steuerberaterpraxis gab der Insolvenzverwalter für die Dauer des gerichtlichen Insolvenzverfahrens frei. Der Kläger hat dem Insolvenzverwalter einen Insolvenzplan vom 1. August 2008 vorgelegt. Eine Stellungnahme des Insolvenzverwalters oder eine Annahme durch die Gläubigerversammlung sind noch nicht erfolgt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Freigabe-Vergleich vom 1. Oktober 2006 und den Insolvenzplan vom 1. August 2008 verwiesen.

Die Beklagte widerrief nach Gewährung rechtlichen Gehörs mit Bescheid vom 16. August 2007 die Bestellung des Klägers als Steuerberater wegen Vermögensverfalls gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG). Die Entscheidung wurde damit begründet, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers werde ein Vermögensverfall gesetzlich vermutet. Der Kläger befinde sich auch tatsächlich in Vermögensverfall. Die Oberfinanzdirektion ... habe mitgeteilt, dass am 12. Juli 2006 gegenüber dem Finanzamt X Steuerrückstände in Höhe von 80.389,17 EUR bestünden und das Finanzamt nach erfolglosen Vollstreckungsmaßnahmen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt habe.

Die gesetzliche Vermutung sei zwar widerlegbar, von dem Kläger aber nicht widerlegt worden. Zumindest bis zur Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplans ( §§ 235 ff. InsO) oder - im Verbraucherinsolvenzverfahren nach § 304 ff. Insolvenzordnung (InsO) - bis zur Annahme eines Schuldenbereinigungsplans oder der Ersetzung der Zustimmung zu demselben ( §§ 308, 309 InsO). Der Kläger habe keinen Insolvenzplan vorgelegt. Der Abschluss des Freigabevergleichs sei kein dem Insolvenzplan gleichbedeutender Umstand. Die Freigabe wirke nur für die Dauer des Insolvenzverfahrens. Ob es danach zu einer zeitnahen Befriedigung der Gläubiger komme, sei nicht sicher. Im Gegensatz dazu werde mit der Bestätigung des Insolvenzplans das Insolvenzverfahren eingestellt und der Insolvenzplan entfalte seine Wirkungen. Der vorliegende Freigabe-Vergleich schaffe nur eine (eingeschränkte) Ordnung der Vermögensverhältnisse bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens, während der Insolvenzplan zu einer dauerhaften Ordnung führe. Das Niedersächsische Finanzgericht habe mit Urteil vom 11. Januar 2007 (6 K 425/06) entschieden, dass trotz Freigabe einer Steuerberaterpraxis durch den Insolvenzverwalter von einem Vermögensverfall auszugehen sei.

Die Darlegungs- und Feststellungslast für den Ausnahmetatbestand ("es sei denn"), dass Auftraggeberinteressen nicht gefährdet seien, habe der Kläger zu tragen. Im Streitfall sei von einer konkreten Gefährdung der Auftraggeberinteressen auszugehen. Der Kläger habe fällige Umsatzsteuer in Höhe von 7.223,69 EUR nicht an das Finanzamt abgeführt. Aus dem Umstand, dass der Kläger seinen gesetzlichen Pflichten nicht nachgekommen sei, sei zu folgern, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass er auch vertragliche Verpflichtungen gegenüber seinen Mandanten unbeachtet lassen könnte. Die in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Vermögensverfall aufgetretene Nichtzahlung der Umsatzsteuer lasse erkennen, dass der Kläger bereit sei, sich wegen seiner finanziellen Schwierigkeiten über gesetzliche Grenzen hinwegzusetzen und ihm nicht zustehende fremde Gelder für eigene Zwecke zu nutzen. Hieraus dürfe eine konkrete Gefährdung der Interessen der Auftraggeber gefolgert werden, da nicht ausgeschlossen werden könne, er werde sich auch gegenüber seinen Mandanten pflichtwidrig verhalten. Selbst wenn die Nichtzahlung der Umsatzsteuer unverschuldet gewesen sein sollte, wäre damit die Nichtgefährdung der Mandanteninteressen nicht nachgewiesen. Der nach eigenen Angaben beschränkte Tätigkeitsbereich des Klägers, in dem keine Fremd- oder Treuhandgelder vereinnahmt würden, schließe nicht aus, dass nach einer Änderung der Geschäftspraxis Auftraggeberinteressen doch gefährdet würden.

Zu berücksichtigen sei außerdem, dass der eingetretene Vermögensverfall Auswirkungen auf die Unabhängigkeit des Steuerberaters bei Ausübung seines Berufes haben könne, zu der er nach § 57 Abs. 1 StBerG auch im Interesse seiner Mandanten verpflichtet sei. Hohe Steuerschulden z.B. schränkten den Handlungsrahmen, den ein Steuerberater als Bevollmächtigter seiner Mandanten gegenüber der Finanzverwaltung brauche, entscheidend ein. Es sei nicht auszuschließen, dass er im eigenen Interesse gegenüber der Finanzverwaltung zurückhaltender auftrete und nicht alle Möglichkeiten wahrnehme, die sonst im Interesse seiner Mandanten geboten wären.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger meint, die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls sei widerlegt. Durch den Freigabe-Vergleich seien die Vermögensgegenstände, die im Zusammenhang mit der Steuerberatungskanzlei stünden, vom Insolvenzbeschlag ausgeschlossen. Während des Insolvenzverfahrens könnten Dritte nicht gegen den Kläger vollstrecken.

Es bestehe auch keine Gefährdung der Gläubigerinteressen. Der Kläger begrenze seine Tätigkeit auf die Buchführung, die Fertigung von Steuererklärungen und die Beratung in Steuersachen. Im vermögensverwaltenden Bereich werde er nicht tätig. Arbeiten rechne er erst ab, nachdem er den Auftrag vollständig erfüllt habe und die Arbeit vom Mandanten abgenommen sei. Vorschüsse verlange der Kläger nicht. Die rein abstrakte Möglichkeit, das Tätigkeitsfeld zu erweitern, dürfe keine Rolle spielen. Andernfalls wäre der Nachweis des gesetzlich vorgesehenen Ausnahmetatbestands durch überhöhte Anforderungen abgeschnitten. Die Beklagte übersehe, dass die Änderung der langjährigen Geschäftspraxis auch gegenüber den Mandanten durchgesetzt werden müsste. Sie würden sich jedoch auf die langjährige Praxis berufen. Der Kläger sei auch mit der Bestellung eines Treuhänders einverstanden, der gewährleisten solle, dass Mandanteninteressen nicht gefährdet würden.

Die Zahlung der Umsatzsteuer sei unterblieben, weil das Finanzamt das Geschäftskonto am 11. Januar 2006 gepfändet und dem Kläger die Verfügungsmacht entzogen habe. Die Zahllasten Umsatzsteuer 2003 und 2004 beruhten auf der Korrektur eines als Ausgabe gebuchten Umsatzes und der Anpassung des Pkw-Eigenverbrauchs, wodurch es zu ungewöhnlich hohen Nachzahlungen gekommen sei. Der Kläger habe die im März, April und Mai 2006 fällig gewordene Umsatzsteuer Januar, Februar und März 2006 nicht abführen können. Die Erhöhung der Abgabenrückstände während des Insolvenzverfahrens beruhe auf der Anfechtung von Zahlungen des Klägers an das Finanzamt durch den Insolvenzverwalter.

Die Vermögenssituation des Klägers habe keine Auswirkungen auf seine Unabhängigkeit. Ihm sei bewusst, dass das Finanzamt für die gleichmäßige Besteuerung zuständig sei und deshalb das Verhalten des Klägers bei der Vertretung seiner Mandanten keine Auswirkung auf seinen eigenen Steuerfall haben könne.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 16. August 2007 über den Widerruf der Bestellung des Klägers zum Steuerberater aufzuheben.

Die Beklagte hält an der im Widerrufsbescheid vertretenen Rechtsauffassung fest und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend führt die Beklagte aus, die Abgabenrückstände des Klägers hätten zum 29. Juni 2007 bereits 133.130,21 EUR betragen.

Auch wenn eine Kontopfändung die Zahlung der Umsatzsteuerbeträge Januar, Februar und März 2006 verhindert haben sollte, liege jedenfalls bezüglich der im Jahr 2005 fälligen Umsatzsteuern 2003 und 2004 eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen vor.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.

Die Beklagte hat die Bestellung des Klägers als Steuerberater wegen Vermögensverfalls zu Recht widerrufen ( § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG). Der Kläger hat zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Wiederbestellung.

1. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung lagen im Falle des Klägers bei Ergehen des Widerrufsbescheids vor.

Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die Bestellung eines Steuerberaters zu widerrufen, wenn dieser in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind; dabei wird nach dem zweiten Halbsatz der eben bezeichneten Bestimmung ein Vermögensverfall vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder dieser in das vom Insolvenz- oder das vom Vollstreckungsgericht nach § 26 Abs. 2 InsO bzw. nach § 915 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu führende Verzeichnis eingetragen ist.

Es liegt daher auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung, dass die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerberaters nach der Insolvenzordnung eintretenden Rechtsfolgen nicht geeignet sein können, die Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof bereits entschieden, dass das Inkrafttreten der Insolvenzordnung nichts an der gesetzlichen Grundentscheidung geändert hat, dass den Beruf des Steuerberaters nur ausüben dürfen soll, wer in geordneten Vermögensverhältnissen lebt ( BFH-Beschlüsse vom 28. August 2003 VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90; vom 28. August 2003 VII B 159/02, BFH/NV 2004, 91; vom 4. März 2004 VII R 21/02, BStBl II 2004, 1016; BFH-Urteil vom 30. März 2004 VII R 56/03, BFH/NV 2004, 1426). Allein die Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu bereinigen, hat noch nicht zur Folge, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse nunmehr als geordnet zu betrachten wären (BFH in BFH/NV 2004, 90). Vielmehr muss die Ordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch tatsächlich eingetreten sein. Ob dies in einer Weise geschehen ist, dass die Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht mehr zu besorgen ist, ist eine Frage des Einzelfalls.

Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse des insolvent gewordenen Steuerberaters sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der der Senat folgt, noch nicht wieder hergestellt, solange dem Steuerberater nicht die Restschuldbefreiung erteilt und ein Insolvenzplan aufgestellt ist ( BFH-Beschluss vom 14. Februar 2008 VII B 227/07, nicht veröffentlicht, [...]). Zumindest bis zur Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplanes ( §§ 235 ff. InsO) - bzw. im Verbraucherinsolvenzverfahren nach §§ 304 ff. InsO bis zur Annahme eines vom Schuldner vorgelegten Schuldenbereinigungsplanes oder der Ersetzung der Zustimmung ( §§ 308, 309 InsO) - ist es völlig ungewiss, ob sich der Schuldner von seinen Verbindlichkeiten befreien kann ( BFH-Beschlüsse vom 12. September 2005 VII B 240/04, BFH/NV BFH/NV 2006, 135; vom 18. August 2005 VII B 20/05, BFH/NV BFH/NV 2005, 2254). Es ist nicht rechtsfehlerhaft, die Wiederherstellung geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse zu verneinen, wenn die Ankündigung der Restschuldbefreiung noch aussteht ( BFH-Beschluss vom 23. März 2007 VII B 290/06, BFH/NV 2007, 1360).

Danach befand sich der Kläger in Vermögensverfall. Dies wird aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gesetzlich vermutet. Auf die Gründe, die zur Verfahrenseröffnung geführt haben, und ob dem Kläger insoweit ein Schuldvorwurf zu machen ist, kommt es nicht an. Die Vermutung ist zwar widerlegbar ( BFH-Urteile vom 22. August 1995 VII R 63/94, BStBl II 1995, 909; vom 4. Juli 2000 VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69), z.B. bei Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplans während des Insolvenzverfahrens ( BFH-Beschluss vom 14. März 2007 BII B 175/06, BFH/NV 2007, 1716). Die Widerlegung war dem Kläger jedoch nicht gelungen.

Das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO als die nach der Insolvenzordnung eintretende Rechtsfolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens widerlegt die Vermutung des Vermögensverfalls - wie dargelegt - nicht. § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG knüpft die Vermutung gerade an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Einen Insolvenzplan hatte der Kläger nicht vorgelegt.

Auch der Freigabe-Vergleich ändert an der Vermutung des Vermögensverfalls nichts. Dabei handelt sich um eine vorläufige, auf die Dauer des Insolvenzverfahrens beschränkte Maßnahme. Die im Insolvenzverfahren getroffene Entscheidung der Gläubigerversammlung bzw. des Insolvenzverwalters, die Tätigkeit des insolventen Steuerberaters freizugeben, erfolgt nicht nach berufsrechtlichen Gesichtspunkten und führt nicht zur Bereinigung der wirtschaftlichen Situation des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters (vgl. BFH-Beschlüsse vom 27. August 2008 VII B 16/08, nicht veröffentlicht, [...]; vom 24. Januar 2006 VII B 141/05, BFH/NV 2006, 983). Die Freigabe hat keinerlei Einfluss auf den Ausgang des Insolvenzverfahrens. Es bleibt weiter ungewiss, ob sich der Schuldner von seinen Verbindlichkeiten befreien kann. Zudem sprachen neben der gesetzlichen Vermutung auch die zum Zeitpunkt des Widerrufs bestehenden erheblichen Schulden des Klägers für dessen mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Der Kläger hatte auch den Beweis nicht geführt, dass Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Bei einem Vermögensverfall des Steuerberaters sieht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG den Widerruf der Bestellung zwingend vor, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Das Gesetz geht damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind und gestattet nur in Ausnahmefällen ("es sei denn") ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung; aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt zugleich, dass die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand dem betroffenen Steuerberater obliegt ( BFH-Urteil vom 22. September 1992 VII R 43/92, BStBl II 1993, 203; BFH-Beschluss vom 8. Februar 2000 VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992). Erforderlich ist ein substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird ( BFH-Urteil vom 6. Juni 2000 VII R 68/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2000, 741; BFH-Beschluss vom 4. März 2004 VII R 21/02, BStBl II 2004, 1016).

Die Beklagte hat zu Recht angenommen, dass eine Gefährdung der Auftraggeberinteressen nicht ausgeschlossen werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Juli 2002 VII B 257/01, BFH/NV 2002, 1498; BFH-Urteil vom 4. Juli 2000 VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69) ist auch bei bestehenden Umsatzsteuerschulden des Betroffenen davon auszugehen, dass die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind, weil der Betroffene auch im Falle nicht abgeführter Umsatzsteuern Gelder, die ihm wirtschaftlich nicht zustehen, für eigene Zwecke verbraucht hat. Der Kläger hat unstreitig mehrfach in zeitlichem Zusammenhang mit dem Vermögensverfall die seinen Mandanten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht abgeführt.

Es fehlte ein substantiierter und glaubhafter Vortrag, warum im Streitfall die Gefährdung von Auftraggeberinteressen ausgeschlossen war. Dazu hätte die Erläuterung gehört, warum die Kontenpfändung des Finanzamts die Abführung der Umsatzsteuer Januar bis März 2006 verhindert haben soll. Die Angaben des Klägers waren jedoch zu pauschal, um die Nichtabführung der Umsatzsteuer rechtfertigen zu können. Wenn die Umsatzsteuer Januar bis März 2006 nicht für eigene Zwecke verbraucht war, hätte sie zur Befriedigung des Finanzamts zur Verfügung stehen müssen. Wenn die Pfändung bereits die Abführung der Umsatzsteuer für Januar 2006 verhinderte, bedurfte es einer Erklärung, warum trotz Pfändung die Umsatzsteuer der Folgemonate dem Finanzamt nicht zugeflossen ist. Aus dem im Klageverfahren vorgelegten Insolvenzplan ergibt sich darüber hinaus, dass nach der "Sperrung" der Konten des Klägers "die Ehefrau Forderungen aus Steuerberatungsleistungen ihres Mannes auf ihrem Konto" vereinnahmte, um das von ihr gewährte Darlehen zurückzuführen. Es liegt nahe, dass die Ehefrau die Bruttobeträge vereinnahmt hat. Dann stand die Umsatzsteuer aus diesen Forderungen aber nicht zur Abführung an das Finanzamt zur Verfügung und wurde für eigene Zwecke, zur Rückführung des Darlehens, verbraucht.

Der Hinweis des Klägers auf seinen beschränkten Tätigkeitsbereich reichte nicht aus, die gesetzliche Vermutung der Gefährdung von Auftraggeberinteressen zu widerlegen. Der Bundesfinanzhof hat allerdings mit Urteil vom 22. September 1992 (VII R 43/92, BStBl II 1993, 203) entschieden, es verstoße nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze, wenn das Finanzgericht aufgrund des festgestellten Sachverhalts und der tatsächlichen Würdigung des Vorbringens des Klägers zu Art und Umfang seiner Beratungstätigkeit und zu seinen Rechtsbeziehungen zu den Mandanten zu dem Ergebnis gelange, dass trotz des Vermögensverfalls eine konkrete Gefährdung der Interessen der Auftraggeber nicht vorläge. Zwischen den Beteiligten war (und ist) zwar unstreitig, dass der Tätigkeitsbereich des Klägers dem in dem vom Bundesfinanzhof beurteilten Sachverhalt entspricht. Jedoch lässt sich eine Gefährdung von Auftraggeberinteressen durch den Verzicht auf Treuhandgeschäfte jedenfalls dann nicht ausschließen, wenn feststeht, dass der Steuerberater in sonstigen geschäftlichen oder eigenen Angelegenheiten unzuverlässig ist und sich an gesetzliche Vorgaben nicht hält. In diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Betroffene unter Missachtung vertraglicher Vereinbarungen auch Mandanteninteressen verletzt, so groß, dass von einer konkreten Gefährdung der Auftraggeberinteressen auszugehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 4. Juli 2000 VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Der Kläger ist in eigenen Angelegenheiten unzuverlässig. Er hat die ihm wirtschaftlich nicht zustehende Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abgeführt.

Im Übrigen war auch im Streitfall zu berücksichtigen, dass der eingetretene Vermögensverfall Auswirkungen auf die Unabhängigkeit des Klägers bei Ausübung seines Berufs haben kann, zu der er nach § 57 Abs. 1 StBerG auch im Interesse seiner Mandanten verpflichtet ist. Eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit kam im Streitfall nicht nur potentiell in Betracht, sondern sie bestand konkret im Hinblick auf die erheblichen eigenen Abgabenschulden des Klägers, die im Insolvenzverfahren mit über 120.000 EUR zur Tabelle festgestellt worden sind. Dadurch wurde der Handlungsrahmen, den der Kläger als Steuerberater und Bevollmächtigter seiner Mandanten gegenüber der Finanzverwaltung braucht, entscheidend eingeschränkt. Es war nicht auszuschließen, dass er im eigenen Interesse gegenüber der Finanzverwaltung zurückhaltender auftritt und nicht alle Möglichkeiten wahrnimmt, die sonst im Interesse ihrer Mandanten geboten wären. Schon deshalb bedeutete der Vermögensverfall des Klägers eine konkrete Gefahr für die Interessen der Auftraggeber, deren Bestehen er bisher nicht widerlegt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Februar 2000 VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992 zu Steuerschulden von 70.000 DM).

Liegt aber der Vermögensverfall vor und ist der Entlastungsbeweis nicht erbracht, ist der Widerruf der Bestellung als Steuerberater die vom Gesetz geforderte Folge. Die von dem Kläger angesprochene Möglichkeit, nur Auflagen zu verhängen oder einen Treuhänder zu bestellen, besteht nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Juni 2008 VII B 61/08, BFH/NV 2008, 1708).

2. Die Aufhebung des Widerrufsbescheids kommt auch nicht aufgrund einer bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 27. November 2008 eingetretenen Änderung der Sach- oder Rechtslage in Betracht. Zwar kann der Widerruf der Bestellung als Steuerberater nicht aufrecht erhalten werden, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine Rechtspflicht zur sofortigen Wiederbestellung besteht ( BFH-Urteile vom 1. Juli 1981 VII R 84/80, BStBl II 1981, 740; in BStBl II 1995, 909; BFH-Beschluss vom 12. September 2005 VII B 240/04, BFH/NV 2006, 135). Das ist hier jedoch nicht der Fall.

Wesentliche Voraussetzung für eine Bestellung zum Steuerberater ist nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StBerG, dass der Betreffende in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Ist über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet, fehlt es an solchen geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen (vgl. BFH in BStBl II 2004, 1016). Der Kläger befindet sich auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung in Vermögensverfall. Dies wird aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Insolvenzverfahrens weiterhin widerlegbar vermutet.

Die Vermutung ist auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht widerlegt. Der Kläger hat weiterhin nicht nachgewiesen, dass er in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Das Insolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung kann zwar das Ziel haben, die Gläubiger unter Erhaltung des Unternehmens des Schuldners zu befriedigen und dem Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von seinen Verbindlichkeiten zu befreien (vgl. § 1 InsO). Abgesehen davon, dass § 1 InsO dieses Ziel alternativ neben die Möglichkeit einer Verwertung und Verteilung des Vermögens des Schuldners stellt, die in der Regel die Zerschlagung seines Unternehmens zur Folge haben, ist zumindest bis zur Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplanes ( §§ 235 ff. InsO), welcher die Fortführung des Unternehmens des Steuerberaters vorsieht (vgl. § 230 InsO), bzw. - im Verbraucherinsolvenzverfahren nach §§ 304 ff. InsO - bis zur Annahme eines vom Schuldner vorgelegten Schuldenbereinigungsplans oder der Ersetzung der Zustimmung zu demselben ( §§ 308, 309 InsO) ungewiss, ob jenes Ziel im konkreten Fall erreicht werden kann. Solange dies indes nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, kann von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen im Sinne des Steuerberatungsgesetzes und mithin von einer Widerlegung der vorgenannten, durch den Vermögensverfall des Klägers begründeten Vermutung ihrer fehlenden persönlichen Eignung für die Ausübung des Berufs des Steuerberaters (vgl. § 40 Abs. 2 Satz 1 StBerG) nicht ausgegangen werden (BFH in BStBl II 2004, 1016).

Einen angenommenen und bestätigten Insolvenzplan gibt es aber weiterhin nicht. Der Kläger hat bisher lediglich einen Insolvenzplan erstellt, zu dem sich Insolvenzverwalter und Gläubigerversammlung aber noch nicht geäußert haben. Ob es zur Annahme und Bestätigung des Insolvenzplans kommen wird, ist auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weiterhin offen.

Eine Aussicht auf künftige Besserung der Vermögensverhältnisse reicht insoweit nicht aus. Es muss vielmehr zweifelsfrei feststehen, dass sich die Vermögensverhältnisse des Steuerberaters nachhaltig gebessert haben (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 1995 VII R 63/94, BStBl II 1995, 909). Um darzulegen, dass sich der Kläger nunmehr in geordneten finanziellen Verhältnissen befindet, hätte er im Einzelnen nachweisen müssen, über welche Einkünfte er verfügt, welche Ausgaben für ihn zwingend sind und wie er mit den Überschüssen seine Schulden zu tilgen gedenkt. All dies hat der Kläger nicht vorgetragen.

Der Kläger hat auch nicht nachgewiesen, dass durch den Vermögensverfall die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Die Beantwortung der Frage, ob dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine zusammenfassende Beurteilung der komplexen Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH in BStBl II 1993, 203; in HFR 2000, 741; in BFH/NV 2004, 90; in BStBl II 2004, 1016).

Es fehlt weiterhin aus den schon zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids gegebenen Gründen der erforderliche substantiierte und glaubhafte Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird. Darüber hinaus haben sich die Indizien, die auf eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen hindeuten, sogar verstärkt. Aus dem im Klageverfahren vorgelegten Insolvenzplan ergibt sich der Verdacht, dass der Kläger abzuführende Umsatzsteuer zur Tilgung eines privaten Darlehens seiner Ehefrau genutzt hat.

Ebenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass der eingetretene Vermögensverfall Auswirkungen auf die Unabhängigkeit des Klägers bei Ausübung seines Berufs hat und dadurch Auftraggeberinteressen gefährdet werden. Der Einwand des Klägers, er vertraue auf den gleichmäßigen Gesetzesvollzug und werde sich deshalb bei der Vertretung seiner Mandanten nicht einschränken, reicht hierfür nicht aus. Angesichts der Höhe der Abgabenrückstände des Klägers besteht die Gefahr, er werde im eigenen Interesse gegenüber der Finanzverwaltung zurückhaltender auftreten und nicht alle Möglichkeiten wahrnehmen, die sonst im Interesse ihrer Mandanten geboten wären.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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