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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 31.03.2005
Aktenzeichen: 6 K 782/03
Rechtsgebiete: GewStG


Vorschriften:

GewStG § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob einer GmbH, an der eine andere GmbH als atypisch stille Gesellschafterin beteiligt ist, bei der Berechnung des Gewerbesteuermessbetrages der Freibetrag nach § 11 Gewerbesteuergesetz (GewStG) zu gewähren ist.

Die Klägerin wurde 1993 als GmbH mit einem Stammkapital von 100.000 DM gegründet. Gründungsgesellschafter waren A mit einer Stammeinlage von 20.000 DM, D mit einer Stammeinlage von 10.000 DM, F mit einer Stammeinlage von 10.000 DM, M mit einer Stammeinlage von 12.000 DM und die B-GmbH mit einer Stammeinlage von 48.000 DM. Nachdem A in den Jahren 1994 und 1995 die Geschäftsanteile von D und F übernommen hatte, betrug seine Stammeinlage zu Beginn des Streitzeitraums 42.000 DM. Mit Vertrag vom 25. August 1998 wurde das Stammkapital von 100.000 DM auf 200.000 DM erhöht, wobei die Gesellschafter A und B-GmbH jeweils eine Stammeinlage von weiteren 50.000 DM übernahmen. Mit Vertrag vom 21. Dezember 2000 übernahm A die Stammeinlage der B-GmbH i.H.v. 98.000 DM.

Zum 01.01.1995 beteiligte sich die H-GmbH als stille Gesellschafterin an der Klägerin mit einer Einlage von 5.000 DM. Die H-GmbH war nach dem Gesellschaftsvertrag vom 4. Januar 1995 am Ergebnis, dem Vermögen und den stillen Reserven der Gesellschaft beteiligt. Ferner standen ihr Informations- und Kontrollrechte gem. §§ 716 BGB und 118 HGB zu. Weiterhin bedurften bestimmte Maßnahmen der Geschäftsführung der Zustimmung der stillen Gesellschafterin. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag (Bl. 16 ff. Vertragsakte) Bezug genommen. Aufgrund der Rechte der H-GmbH gehen alle Beteiligten davon aus, dass die Beteiligung der H-GmbH zu einer atypisch stillen Gesellschaft und damit zu einer Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) führt.

Mit den Steuererklärungen zur Gewerbesteuer machte die Klägerin für die atypisch stille Gesellschaft die Berücksichtigung des Freibetrages nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG geltend. Dieser Beurteilung schloss sich der Beklagte (das Finanzamt - FA -) beim Erlass der Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 1998 - 2001, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen, zunächst an. Nach einer Außenprüfung änderte das FA seine Auffassung und erließ Änderungsbescheide, in denen der Freibetrag nicht gewährt wurde.

Gegen die Nichtberücksichtigung des Freibetrages wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der vorliegenden Klage. Sie ist der Ansicht, dass auch atypisch stillen Gesellschaften der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 GewStG und der Staffeltarif nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 GewStG zu gewähren sei. Dies gelte auch, wenn - wie vorliegend - eine Kapitalgesellschaft atypisch still an einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt sei. Wegen der Begründungen im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 18. Dezember 2003 (Bl. 21 ff. Finanzgerichtsakte) Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

die Gewerbesteuermessbetragsbescheide für 1998 - 2001 vom 7. Oktober 2002 und vom 26. November 2002, alle i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2003 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag jeweils auf 0 DM herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest. Zwar sei einer atypisch stillen Gesellschaft grundsätzlich der Freibetrag nach § 11 GewStG zu gewähren; dies gelte jedoch nur, wenn eine natürliche Person als atypisch stille Gesellschafterin beteiligt sei. Etwas anderes sei weder dem Abschnitt 69 Abs. 1 der Gewerbesteuerrichtlinien (GewStR) noch dem BMF-Schreiben vom 26. November 1987, BStBl I 1987, 765 zu entnehmen. Auch die von der Klägerin zitierten BFH-Urteile könnten nicht zu einer anderen Rechtsauffassung führen, da in den entschiedenen Fällen jeweils eine natürliche Person als atypisch stille Gesellschafterin beteiligt gewesen sei.

Gründe

Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Gewerbesteuermessbetragsbescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

1. Die angegriffenen Gewerbesteuermessbetragsbescheide ergingen zu Recht gegenüber der Klägerin. Zwar bildet die Klägerin zusammen mit der H-GmbH aufgrund der der stillen Gesellschafterin eingeräumten Beteiligungs- und Initiativrechte - wovon auch die Beteiligten zu Recht ausgehen - eine atypisch stille Gesellschaft und damit eine Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1Satz 2EStG. Diese atypisch stille Gesellschaft ist auch Objekt der Gewerbesteuer; Gewerbesteuersubjekt und Steuerschuldnerin i.S.d. § 5 GewStG bleibt jedoch die Klägerin als Inhaberin des Handelsgeschäfts (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311).

2. Bei der Ermittlung des Steuermessbetrages ist der Klägerin nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG in den Streitjahren ein Freibetrag i.H.v. bis zu 48.000 DM zu gewähren.

Dieser Freibetrag steht nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG auch Personengesellschaften zu. Als Personengesellschaft in diesem Sinne ist auch die atypisch stille Gesellschaft anzusehen (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Urteil vom 10. November 1993 I R 20/93, BFHE 173, 184; BStBl II 1994, 327 m.w.N.; herrschende Ansicht in der Literatur vgl. Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 9. Auflage 88. Ergänzungslieferung Juli 2004, § 11 Anm. 4; Glanegger/Güroff, GewStG, 5. Auflage 2002, § 11 Rdn. 3a; Gosch in Blümich, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz 84. Ergänzungslieferung Oktober 2004, § 11 Rdn. 9 m.w.N.; grundsätzlich auch Verwaltungsauffassung vgl. BMF-Schreiben vom 26. November 1987 - IV B 2 - S 2241 - 61/87, BStBl I 1987, 765). Von diesen Grundsätzen geht erkennbar auch das beklagte Finanzamt aus. Allerdings soll nach dessen Ansicht der Freibetrag nicht zu gewähren sei, wenn es sich bei dem atypisch still Beteiligten um eine Kapitalgesellschaft und nicht um eine natürliche Person handelt (Abschnitt 69 Abs. 1 GewStR).

Dieser einschränkenden Auffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG lässt sich eine derartige Einschränkung nicht herleiten. Sie wird auch dem Sinn und Zweck der Norm nicht gerecht. Der Sinn der Freibetragsregelung ist es, typisierend einen fiktiven Unternehmerlohn zu berücksichtigen, den natürliche Personen und Personengesellschaften bei der Ermittlung ihres Gewinns und damit auch bei der Ermittlung des Gewerbeertrages nach § 7 GewStG nicht abziehen können. Zwar wird bei der Gewinnermittlung einer GmbH, an der eine andere Person atypisch still beteiligt ist, das Geschäftsführergehalt als Betriebsausgaben gewinnmindernd berücksichtigt. Dies führt bei Kapitalgesellschaften, an denen andere Personen atypisch still beteiligt sind, durch die Gewährung des Freibetrages in der Tat zu einer Doppelberücksichtigung. Die Begünstigung tritt jedoch unabhängig davon ein, ob es sich bei der atypisch stillen Gesellschafterin um eine natürliche Person, eine Personengesellschaft oder eine Kapitalgesellschaft handelt. Somit ist diese vom Finanzamt vorgenommene Differenzierung nicht sachgerecht.

Das Problem der sachlich nicht gerechtfertigten Berücksichtigung eines fiktiven Unternehmerlohns bei der GmbH & atypisch Still hat auch der Gesetzgeber erkannt. Dementsprechend war im Gesetzesentwurf zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ursprünglich beabsichtigt, § 11 GewStG wie folgt zu ändern: "In Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 werden nach dem Wort "Personengesellschaften" jeweils die Wörter "vorbehaltlich des Absatzes 2a" eingefügt. Diese sollte lauten: "Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 gelten nicht für Personengesellschaften, an denen im gesamten Erhebungszeitraum ausschließlich juristische Personen unmittelbar oder mittelbar über andere Personengesellschaften beteiligt sind" (Bundestagsdrucksache 14/23 S. 119 f.). Zur Begründung wurde angeführt, dass die Gewährung des Freibetrages und des Staffeltarifes nicht gerechtfertigt seien, wenn an der Personengesellschaft ausschließlich Kapitalgesellschaften oder andere juristische Personen beteiligt seien, da bei diesen die Gehälter des Gesellschafter-Geschäftsführers gewerbesteuermindernd bereits bei der Gewinnermittlung berücksichtigt würden (Bundestagsdrucksache 14/23 S. 199). Diese Regelung war als Verschärfung der bis dahin geltenden Rechtslage gedacht; dies ergibt sich daraus, dass die Änderung des § 11 GewStG mit zusätzlichen Einnahmen im Entwurf veranschlagt war (Bundestagsdrucksache 14/23 S. 164). Diese Änderung wurde jedoch im weiteren Verfahren nicht umgesetzt, da erkannt wurde, dass die im Gesetzesentwurf enthaltene Regelung nur einen Teilbereich der nicht gerechtfertigten Steuervorteile ausschließe. So seien Freibetrag und Staffeltarif, wenn sie die Nichtabzugsfähigkeit des Unternehmerlohns ausgleichen sollen, auch bei der Beteiligung einer natürlichen Person als atypisch stiller Gesellschafter am Handelsgewerbe einer GmbH nicht gerechtfertigt. Eine Regelung, die in diesen Fällen die Inanspruchnahme nicht gerechtfertigter Steuervorteile verhindere wurde jedoch als nicht umsetzbar angesehen, ohne gleichzeitig die mittelständische GmbH & Co. KG zu treffen, was rechtspolitisch aber nicht gewollt war (3. Bericht des Finanzausschusses Bundestagsdrucksache 14/443 S. 40).

Dementsprechend ist der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG auch Kapitalgesellschaften zu gewähren, an denen eine andere Kapitalgesellschaft atypisch still beteiligt ist.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Frage, ob der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG auch Kapitalgesellschaften zu gewähren ist, an denen eine andere Kapitalgesellschaft atypisch still beteiligt ist, grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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