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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Beschluss verkündet am 14.02.2008
Aktenzeichen: 7 KO 3/07
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, BGB


Vorschriften:

FGO § 139 Abs. 3 S. 1
FGO § 139 Abs. 3 S. 3
ZPO § 91 Abs. 2 S. 3
BGB § 1357 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

7 KO 3/07

Gründe:

Die Erinnerung ist unbegründet.

Der Urkundsbeamte hat zutreffend keine Gebühren für das Vorverfahren als erstattungsfähig angesetzt. Die Auffassung der Erinnerungsführer und Kläger (im Folgenden: Kläger), bezüglich des Vorverfahrens seien "selbstverständlich bei einer Vertretung in eigener Sache die Kosten des Rechtsanwaltes in Ansatz zu bringen" und dies gelte "selbstverständlich auch für die Ehefrau des klagenden Anwaltes", trifft nicht zu.

1) Anspruch des Klägers auf Erstattung von Kosten des Vorverfahrens für sich selbst

Die ältere finanzgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage, ob der für sich selbst tätig werdende Rechtsanwalt Anspruch auf Gebührenerstattung für das Vorverfahren hat, kam zu unterschiedlichen Ergebnissen (für einen Anspruch: Hessisches Finanzgericht - FG -, Beschluss vom 17. April 1969, I 495 - 496/67, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1969, 311, Nieder sächsisches FG, Beschluss vom 22. Juli 1969, VIII 22/69 E, EFG 1969, 553, FG Berlin, Beschluss vom 21. Januar 1970, VI 338/68, EFG 1970, 235, FG München, Beschluss vom 14. Januar 1971, IV 166/70 ER, EFG 1971, 190, dagegen: FG Hamburg, Beschlüsse vom 3. April 1967, V 7/65 (I), EFG 1967, 521 und vom 8. Februar 1971, I 122/65 (VI), EFG 1971, 291, Hessisches FG, Beschluss vom 8. Mai 1974, VII 473/72, EFG 1974, 534, FG Nürnberg, Beschluss vom 29. März 1983, V 139/78, EFG 1983, 569 unter Hinweis darauf, dass die ältere finanzgerichtliche Rechtsprechung durch die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen des BFH überholt sei, FG Berlin, Beschluss vom 30. Oktober 1987, VII 330/85, EFG 1988, 247, FG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 6. Februar 1992, II 235/91 Ko, EFG 1992, 417). Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass der sich selbst vertretende Rechtsanwalt für das Vorverfahren keinen Anspruch auf Erstattung (fiktiver) Gebühren hat.

Rechtsgrundlage der Kostenerstattung im finanzgerichtlichen Verfahren ist § 139 Finanzgerichtsordnung (FGO). Nach § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO sind gesetzlich vorgesehene Gebühren eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist - wie der Kläger als Rechtsanwalt -, stets erstattungsfähig. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO regelt hinsichtlich der Gebühren des Vorverfahrens: "Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt."

Da der Kläger nicht für sich selbst Bevollmächtigter sein kann, geht es hinsichtlich der Ansprüche des Klägers auf Vergütung für eine Tätigkeit für sich selbst um die Frage, ob ihm ein Anspruch auf Erstattung der (fiktiven) Gebühren zusteht, die entstanden wären, wenn er sich nicht selbst vertreten, sondern einen anderen Rechtsanwalt oder steuerlichen Berater beauftragt hätte. Einen solchen Gebührenerstattungsanspruch sieht § 139 FGO nicht vor. Auch sonst enthält die FGO keine dahingehende Regelung.

§ 155 FGO regelt die ergänzende Heranziehung der Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) wie folgt: "Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die ZPO sinngemäß anzuwenden."

Für das gerichtliche Verfahren regelt § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO u.a. zum Umfang der Kostenpflicht: "In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte." Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind nach § 155 FGO in Verbindung mit § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO auch im finanzgerichtlichen Verfahren dem Rechtsanwalt in eigener Sache Gebühren und Auslagen zu erstatten; § 139 FGO enthalte gegenüber § 91 ZPO keine abschließende Regelung (Beschlüsse vom 29. Oktober 1968, VII B 10/67, Bundessteuerblatt Teil II - BStBl. II - 1969, 81 und vom 2. November 1971, VII B 161/69, BStBl. II 1972, 94). § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO gilt nur für das gerichtliche Verfahren (vgl. die oben angeführte Rechtsprechung).

Für die Gebühren des Vorverfahrens enthält die FGO Bestimmungen in § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Voraussetzungen des § 155 FGO zur sinngemäßen Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO liegen deshalb nicht vor.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten (fiktiven) Gebühren des Vorverfahrens nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, denn § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO enthält keine § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO entsprechende Regelung. Vielmehr setzt die Erstattungsfähigkeit von Gebühren des Vorverfahrens voraus, dass eine Hinzuziehung erfolgt ist, d.h. tatsächlich Gebühren entstanden sind. Da sich der Kläger nicht zu sich selbst hinzuziehen kann, steht ihm kein Anspruch auf Erstattung von (fiktiven) Gebühren des Vorverfahrens zu (vgl. ebenso BFH, Beschlüsse vom 10. Februar 1972, V B 33/71, BStBl. II 1972, 355 , vom 29. März 1973, IV B 89/70, BStBl. II 1973, 535 , vom 21. Juli 1977, IV B 3/73, BStBl. II 1977, 767 Ziffer 1 der Gründe, Gräber, Kommentar zur FGO, 6. Auflage 2006, Rdz. 116 zu § 139 FGO). Die Auffassung des BFH ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 9. Juni 1972, 1 BvR 176/72, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1972, 441). Dass die Entscheidungen des BFH älteren Datums sind, wie von den Klägern angemerkt, liegt daran, dass nach § 128 Abs. 4 FGO in Streitigkeiten über Kosten die Beschwerde unabhängig von der Höhe der zu erstattenden Kosten nicht (mehr) gegeben ist, ändert aber nichts daran, dass die darin dargelegten Argumente richtig sind.

Dass der Berichterstatter mit Beschluss vom ... 2007 die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt hat, führt nicht zu einer anderen Würdigung. Gegenstand der nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO dem Gericht obliegenden Entscheidung ist nur die Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, und nicht, ob eine solche Zuziehung stattgefunden hat (vgl. BFH, Beschluss vom 9. März 1976, VII B 24/74, BStBl. II 1976, 568, FG Bremen, Beschluss vom 19. Juni 2000, 297056K 2, EFG 2000, 885, FG Köln, Beschluss vom 20. September 2002, 10 Ko 3869/02, EFG 2003, 55).

Der Kläger hat deshalb keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten des Vorverfahrens für sich selbst.

2) Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Kosten des Vorverfahrens

Auch die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung von Kosten des Vorverfahrens. Der Erstattungsfähigkeit von Kosten eines Klägers bzw. einer Klägerin, auch für das Vorverfahren, steht es zwar nicht entgegen, dass sie ihren zur Hilfeleistung in Steuersachen befugten Ehemann zum Vorverfahren hinzugezogen bzw. zur Vertretung im gerichtlichen Verfahren bevollmächtigt hat. Ein Ehepartner ist nicht gehalten, anstelle seines zur Hilfeleistung in Steuersachen befugten Ehepartners eine fremde hierzu befugte Person zu beauftragen. Die fachlichen Kenntnisse des anderen Ehepartners sind ihm für die Frage der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren und entsprechend die Erstattungsfähigkeit der entstandenen Gebühren nicht zuzurechnen (vgl. BFH, Beschlüsse vom 21. Juli 1977, IV B 3/73, BStBl. II 1977, 767 , vom 29. August 1969, III B 37/66, BStBl. II 1969, 751, vom 13. Juli 2006, IV E 1/06, [...]Entscheidungsdienst).

Wie zuvor beim Kläger, setzt jedoch auch hinsichtlich der Klägerin der Anspruch auf Erstattung von Gebühren des Vorverfahrens voraus, dass tatsächlich eine Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren erfolgt ist. Hieran fehlt es, wie das Finanzamt mit Schreiben vom ... 2007 vorgetragen hat. Der Beschluss des Berichterstatters vom ... 2007 über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren führt ohne tatsächliche Zuziehung nicht zur Erstattung (fiktiver) Gebühren, wie oben dargelegt. Die Kläger haben nicht dargelegt und belegt, dass die Klägerin im Vorverfahren den Kläger in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt hinzugezogen hat. Vielmehr haben Sie insoweit lediglich vorgetragen, die Kosten des Rechtsanwaltes seien "selbstverständlich auch für die Ehefrau des klagenden Anwaltes" in Ansatz zu bringen und der Kläger sei für die Klägerin in Ausübung eines Geschäftes im Rahmen des § 1357 Abs. 1 BGB tätig gewesen.

Diese Auffassung trifft nicht zu. Mit Schreiben vom ... 2001 haben beide Kläger unter ihrer privaten Anschrift auf einfachem Papier (ohne Briefkopf der Anwaltskanzlei) gegen die Grunderwerbsteuerbescheide Einspruch eingelegt und geltend gemacht, die Bemessungsgrundlage sei um DM ... für ... zu mindern. Das Schreiben ist von beiden Klägern unterschrieben. Die weiteren Schreiben im Einspruchsverfahren sind vom Kläger allein unterschrieben, jedoch weiterhin unter den Namen und der Privatanschrift beider Kläger auf einfachem Papier verfasst. Sie enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt für die Klägerin als Bevollmächtigter tätig sei. Das Finanzamt hat seine Schreiben im Einspruchsverfahren und die Einspruchsbescheide ebenfalls beiden Klägern (die Einspruchsbescheide jeweils gesondert) bekanntgegeben, ohne sich an den Kläger als Bevollmächtigten der Klägerin zu wenden. Auch die Klage ist wie der Einspruch von beiden Klägern unter ihrer Privatanschrift verfasst und von beiden unterschrieben. Erst als das Gericht den Rechtsstreit zur mündlichen Verhandlung terminiert hatte, hat der Kläger auf dem Briefkopf der Anwaltskanzlei mit Schreiben an das Gericht vom ... 2003 mitgeteilt, in dem Rechtsstreit "hat mich meine Ehefrau ... gebeten, ihre Interessen zu vertreten und auch den Termin am ... 2003 wahrzunehmen. Eine auf mich lautende Vollmacht liegt an." Die beigefügte "Prozessvollmacht und Vollmacht" datiert vom ... 2003.

Eine Zuziehung im Vorverfahren ergibt sich auch nicht aus § 1357 Abs. 1 BGB. Nach § 1357 Abs. 1 BGB ist jeder Ehegatte berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Ein Auftrag zur Beratung in Steuerfragen und zur Führung eines Einspruchsverfahrens in Steuersachen gehört nicht zu den Geschäften des alltäglichen Lebens im Sinne des § 1357 BGB, denn von dieser Regelung werden nur Rechtsgeschäfte erfasst, die einen Bezug zur familiären Konsumgemeinschaft aufweisen (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 15. September 2003, IV 152/2003, [...]Entscheidungsdienst, Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 6. Juni 1991, 13 U 3/91, Steuerberatung 1992, 474, Amtsgericht Ludwigsburg, Urteile vom 19. Juni 2002, 8 C 3161/01 und vom 23. Juli 2002, 8 C 3161/02, [...]Entscheidungsdienst, Palandt, Kommentar zum BGB, 67. Auflage, Rdz. 10 ff., 12 ff. zu § 1357 BGB m.w.N.).

Sonstige Einwendungen gegen den Beschluss des Urkundsbeamten vom ... 2007 sind weder dargelegt noch ersichtlich.

Die Erinnerung hat deshalb keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG).



Ende der Entscheidung

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