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Gericht: Finanzgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 10.07.2008
Aktenzeichen: AO, ArbEG, EStG
Rechtsgebiete: 11 K 335/06


Vorschriften:

AO § 164 Abs. 2
ArbEG § 9 Abs. 1
EStG § 19 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Niedersachsen

11 K 335/06

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der ehemalige Arbeitgeber des Klägers, die Beigeladene, von einer Vergütung für Diensterfindungen zu Recht Lohnsteuer einbehalten und abgeführt hat.

Der Kläger hat während seiner Anstellung bei der Beigeladenen (MPI) mehrere Erfindungen, so genannte Diensterfindungen, gemacht. Das MPI hat von seinem Recht als Arbeitgeber Gebrauch gemacht, diese Erfindungen unbeschränkt in Anspruch zu nehmen. Dafür erhält der Kläger die vertraglich festgesetzte Vergütung nach dem Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbEG).

Seit 2003 hat der Kläger keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt mehr im Inland. Das Anstellungsverhältnis mit der Beigeladenen war in den Streitjahren bereits beendet. Gleichwohl hat sie die dem Kläger weitergezahlten Erfindervergütungen im Rahmen der Lohnsteueranmeldungen dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Die Lohnsteuer wurde angemeldet und an den Beklagten abgeführt.

Am 13. März 2006 beantragte der Kläger beim Beklagten (Finanzamt - FA -), die in den Jahren 2004 und 2005 abgeführte Lohnsteuer zu erstatten. Hilfsweise stellte er den Antrag, die Lohnsteueranmeldungen des Arbeitgebers zu ändern.

Das FA lehnte diese Anträge ab. Der dagegen erhobene Einspruch war erfolglos.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Ziel weiter, die seiner Meinung nach zu Unrecht abgezogenen Lohnsteuerbeträge an ihn zu erstatten bzw. die Lohnsteueranmeldungen korrigieren zu lassen.

Er ist der Auffassung, der Bundesrepublik Deutschland stehe kein Besteuerungsrecht zu. Nach Artikel 12 Abs. 2 Satz 2 des Doppelbesteuerungsabkommens Bundesrepublik Deutschland/USA (DBA USA) seien Lizenzgebühren auch Gewinne aus der Veräußerung dieser Rechte oder Vermögenswerte, soweit sie von der Ertragskraft, Nutzung oder der Weiterveräußerung der Rechte oder Vermögenswerte abhingen. Artikel 12 Abs. 2 DBA USA greife daher in seinem weiten Anwendungsbereich geradezu typisch die Zahlungen nach dem ArbEG auf. Die Zahlungen, die er vom dem MPI erhalte, seien im Ergebnis der Höhe nach abhängig von der Nutzung der entsprechenden Erfindung durch den ehemaligen Arbeitgeber, sodass jedenfalls ein Fall des Artikel 12 Abs. 2 Satz 2 DBA USA vorliege.

Diese Vorschrift des DBA USA sei auch anzuwenden, wenn der Vergütungsanspruch über die Laufzeit des Arbeitsverhältnisses hinaus bestehe und die Lizenzgebühr trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortgezahlt werde.

Mit Beschluss vom 21. April 2008 hat der Senat den ehemaligen Arbeitgeber des Klägers zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladene trägt vor, es entspreche der h. M., dass die Zahlungen an den Kläger dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen waren. Eine Änderung der Lohnsteueranmeldungen sei verfahrensrechtlich nicht mehr möglich. Das Lohnsteuerverfahren sei abgeschlossen. Für den streitbefangenen Zeitraum habe eine Lohnsteueraußenprüfung stattgefunden, die mit einem Nachforderungsbescheid vom 28. Februar 2006 geendet habe, der in Gestalt einer Einspruchsentscheidung vom 7. Juli 2006 bestandskräftig geworden sei. Eine Änderung dieses Bescheids sei nach § 173 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) nicht mehr möglich. Die Vorbehalte der Nachprüfung seien nach der Außenprüfung am 28. Februar 2006 aufgehoben worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagen zu verpflichten, die Lohnsteueranmeldungen 2004 und 2005 des Beigeladenen insoweit zu ändern, als darin Lohnsteuer für Entgeltzahlungen an den Kläger angemeldet wurde.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, der Kläger habe mit seinem zwischen dem Einspruch des Beigeladenen gegen den Nachforderungsbescheid und dem Abhilfebescheid gestellten Antrag auf Auszahlung bzw. Änderung der Steueranmeldungen zulässigerweise einen Änderungsantrag auf der Grundlage des § 164 Abs. 2 AO gestellt.

Es bleibt bei seiner im Einspruchsverfahren vertretenen Auffassung, dass im Streitfall nicht Artikel 12 DBA USA, sondern vielmehr Artikel 15 DBA USA Anwendung finde. Die Erfindervergütungen des Klägers seien Arbeitslohn, auch wenn sie aufgrund eines früheren Dienstverhältnisses zufließen. Es handele sich um eine im Inland ausgeübte Tätigkeit, wenn die Erfindung während der Arbeitszeit in Deutschland gemacht worden sei. Seien die Rechte an der Diensterfindung auf den Arbeitgeber übergegangen, bestimme sich das Besteuerungsrecht nach Artikel 15 DBA USA, selbst wenn der Arbeitnehmer bereits aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden sei. Sei das Recht an der Erfindung jedoch nicht auf dem Arbeitgeber übergegangen und erhalte der Arbeitnehmer für die Nutzung des Rechts eine Vergütung, nur dann bestimme sich das Besteuerungsrecht nach Artikel 12 DBA USA.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Das FA ist verpflichtet, die betroffenen Lohnsteueranmeldungen des Beigeladenen der Jahre 2004 und 2005 soweit sie die Entgeltzahlungen an den Kläger betreffen nach § 164 Abs. 2 AO zu ändern, denn das vom Beigeladenen an den Kläger ausgezahlte Entgelt unterlag nicht dem Lohnsteuerabzug.

Zulässigkeit des Änderungsantrags

Der Senat schließt sich der Auffassung des FA an, wonach der Antrag des Klägers vom 13. März 2006 auf Änderung der Lohnsteueranmeldungen 2004 und 2005 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung -- soweit sie ihn betreffen -- statthaft ist. Er kann die Steueranmeldungen in diesem Umfang aus eigenem Recht anfechten (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH -- vom 20. Juli 2005 VI R 165/01, BStBl. II 2005, 890;vom 12. Oktober 1995 I R 39/95, BStBl. II 1996, 87) oder Änderung verlangen, denn auch als ehemaliger Arbeitnehmer hätte er die Lohnsteuer rechtlich und wirtschaftlich zu tragen. Er wäre Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Der (frühere) Arbeitgeber hatte sie für Rechnung des (ehemaligen) Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung von seinem Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG), wodurch sich der ausgezahlte Arbeitslohn entsprechend vermindert. Materiell-rechtlich handelt es sich bei den Lohnsteuer-Abzugsbeträgen um Vorauszahlungen auf die Jahreseinkommensteuer des Arbeitnehmers (BFH, Beschluss vom 29. April 1992 VI B 152/91, BStBl. II 1992, 752 unter 3. b der Entscheidungsgründe, m.w.N.).

Der Arbeitgeber hat die einzubehaltende Lohnsteuer beim FA anzumelden und abzuführen (§ 41a Abs. 1 Satz 1 EStG). Die Lohnsteuer-Anmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 AO). Sie betrifft den jeweiligen Arbeitnehmer als Schuldner der Lohnsteuer unmittelbar, weil er ihren Abzug vom Lohn zu dulden hat (Heuermann, DStR 1998, 959). Der Rechtsschutz des Arbeitnehmers macht es daher erforderlich, dass er die Anmeldung der Lohnsteuer anfechten bzw. einen Antrag auf Änderung stellen kann. Diese Rechtsauffassung widerspricht nicht der von der Beigeladenen zitierten Entscheidung des BFH vom 13. Dezember 2007 VI R 57/04, in der es um die Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung und um Einwände gegen den Lohnsteuerabzug über die Lohnsteuerbescheinigung ging. Im Streitfall hingegen ist das Recht auf Anfechtung oder Änderung der Steueranmeldungen unmittelbar durch den betroffenen Arbeitnehmer unstreitig gegeben.

Die betroffenen Steueranmeldungen standen im Zeitpunkt des ersten Antrags vom 13. März 2006 noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Vorbehalt wurde erst nach der Lohnsteueraußenprüfung mit Nachforderungsbescheid vom 28. Februar 2006 gegenüber der Beigeladenen und somit nach Antragstellung durch den Kläger aufgehoben. Dieser Nachforderungsbescheid wiederum wurde von der Beigeladenen mit einem Einspruch angefochten, dem durch Bescheid des FA erst von 7. Juli 2006 abgeholfen wurde. Die Voraussetzungen für einen Antrag nach § 164 Abs. 2 AO lagen somit zum Zeitpunkt der Antragstellung vor. Die Festsetzungsfrist war insgesamt noch nicht abgelaufen.

Rechtsnatur der Entgeltzahlungen

Der Kläger war in den Jahren 2004 und 2005 unstreitig beschränkt steuerpflichtig i. S. des § 1 Abs. 4 EStG. Der beschränkten Steuerpflicht unterliegen u.a. nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG auch die inländischen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i. S. des § 19 EStG.

Bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit wird die Einkommensteuer nach § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben, soweit der Arbeitslohn vom Arbeitgeber gezahlt wird. Mit diesem Steuerabzug ist die Einkommensteuer abgegolten (§ 50 Abs. 5 Satz 1 EStG). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall jedoch nicht vor, denn die Beigeladene hat keinen Arbeitslohn gezahlt.

Nach § 19 Abs.1 Nr.1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit Löhne, Gehälter, Gratifikationen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Es ist gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs.1 Satz 2 EStG) und unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs.1 Satz 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung). Es macht auch keinen Unterschied, ob es sich um ein zukünftiges, gegenwärtiges oder früheres Arbeitsverhältnis handelt. Die Zahlungen der Beigeladenen an den Kläger sind jedoch kein Lohn aus einem früheren Arbeits- oder Dienstverhältnis.

Nach § 9 Abs. 1 des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen (ArbEG) hatte der Kläger einen Anspruch gegen die Beigeladene als ehemaligen Arbeitgeber auf Vergütung seiner Erfindungen, die er "für" den Arbeitgeber getätigt hatte und welche die Beigeladene unbeschränkt in Anspruch genommen hat. Mit der Vergütung nach § 9 ArbEG werden jedoch nicht die vom Arbeitnehmererfinder im Hinblick auf die Erfindung geleisteten Arbeiten und Dienste honoriert, sondern es wird die dem Arbeitgeber kraft Gesetzes zugewachsene wirtschaftliche Monopolstellung abgegolten (Bundesgerichtshof, Urteil vom 25. November 1980 X ZR 12/80, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht --GRUR-- 1981, 263 "Drehschiebeschalter"; Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz, 4. Aufl., Einl. vor §§ 9-12 Rz. 9; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 10. Aufl., § 115 Rdnr. 30; vgl. auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1. Juli 1980 V 54/78, EFG 1980, 554).

Das Gesetz knüpft die Vergütungspflicht vielmehr an die Tatsache, dass der Arbeitgeber Dritte von der Benutzung der Erfindung ausschließen kann, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie große oder kleine Erfindungshöhe besitzt, ob sie als Ergebnis langwieriger Arbeiten oder dank eines glücklichen Zufalls zustandegekommen ist (Reimer/Schade/Schippel, Das Recht der Arbeitnehmererfindung, 7. Aufl., § 9 ArbEG Rz. 9). Bei dem streitigen Entgelt handelt es sich nicht um eine Vergütung für die permanente Gewährung der Nutzungs- und Verwertungsrechte an der Erfindung, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses oder nachlaufend gezahlt worden ist. Diese Rechte waren vielmehr nach § 7 Abs. 1 ArbEG bereits mit der unbeschränkten Inanspruchnahme der Diensterfindung auf den ehemaligen Arbeitgeber übergegangen. Ob die Zahlungen zurzeit des aktiven Dienstverhältnisses abzugspflichtiger Arbeitslohn war, braucht der Senat hier nicht zu entscheiden, denn in den Streitjahren bestand kein aktives Dienstverhältnis mehr. Jedenfalls nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beigeladenen stellen sich die Zahlungen für den Senat nicht mehr als abzugspflichtiger, aus einem früheren Arbeitsverhältnis herrührender Arbeitslohn dar. Die Beigeladene hat somit die Entgeltzahlungen an den Kläger unzutreffend in die Lohnsteueranmeldungen der Jahre 2004 und 2005 aufgenommen, Lohnsteuer einbehalten und abgeführt.

Das FA hat die beantragte Änderung der Lohnsteueranmeldungen deshalb zu Unrecht abgelehnt. Es ist nunmehr verpflichtet, die Steueranmeldungen - soweit sie den Kläger betreffen - zu korrigieren.

Da der Hauptantrag des Klägers Erfolg hat, bedarf es keiner Entscheidung zu den diversen Hilfsanträgen.

Wie die Zahlungen abkommensrechtlich einzuordnen sind und wo das Besteuerungsrecht liegt, hat der Senat in diesem Rechtstreit nicht zu entscheiden, da nur die Änderung der Lohnsteueranmeldungen (Hauptantrag) beantragt wurde, die ausschließlich nach nationalem Recht zu beurteilen ist.

Ebenso wenig bedarf es weder einer Entscheidung darüber, ob die Zahlungen dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG unterlegen waren noch ob der Lohnsteuerabzug in einen solchen Steuerabzug umzudeuten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus § 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO i. V. mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.



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